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Domkirchhof.
Minstrel. Placidus. Lohengrin.
Lohengrin. So wahr die Stern' in ihren Sphären rollen,
Eu'r Suchen, treue Männer, ist unnütze,
Merlin, Artus, die Ritter sind verschollen.
Minstrel. Ist dies an dem, zerbrech' ich Minstrels Stütze,
Dich, meine liebe Harfe, Artustrunken!
Öd' ist Kardweil, die Erde ward zur Pfütze.
Er zerbricht seine Harfe.
Placidus. Ist dies an dem, erlösche nur der Funken
Des ersten Spruchs, den mir Merlin ließ sprühen,
Da nie des zweiten Glorien werden prunken!
Er zerreißt das Pergament, worauf er die Kunde vom Gral geschrieben.
Minstrel. Ihr, meine Lippen, sollt nicht mehr erglühen
In Liedern, Laichen, Stollen! Ich verstumme,
Tonlose Tage traurig hinzumühen.
Placidus. Ich geb' mich hin ans Nüchternkalte, Dumme!
Kay, der Narr, bleibt Sieger im Gefechte,
Ausrechnen soll er mir des Lebens Summe.
Minstrel. Wer fortan singen will, besing' das Schlechte!
Lohengrin. Gemäßigt klagt!
Beide. Wenn alle Scheusal' grinsen?
Placidus. Verzweiflung zahlet Gott dem treuen Knechte.
Lohengrin. O frevelt nicht!
Beide. Trug denn die Tugend Zinsen?
Sie gehen durch verschiedene Ausgänge ab.
Lohengrin setzt sich auf ein Grab.
Aus diesem Grab, der Sonne zugewendet,
Die durch der Bogen Fensterrosen schielt,
Frag' ich dich, Gral, an wen du mich gesendet?
Da von dem Innersten dein Spruch mich hielt,
Vergieb, daß mir, nicht gänzlich abgetötet,
Ein irdisch Regen noch im Busen spielt!
Von deines Heischens hoher Glut gerötet,
Ging ich, damit ich, wie du mich erkoren,
Helfe jedwedem, der bedrängt, umnötet.
Da fand ich unter Schutte tot Klingsoren,
Artus, Ginevren und die Schar verschmachtet,
Und in Verrücktheit den Merlin verloren.
Der Geister reichsten hat der Schmerz geschlachtet,
Lieb', Ehre, Mut sind hungerentstellte Leichen,
Andacht ist von des Wahnsinns Fittich umnachtet.
Was nur vollkommen, herrlich, ohne gleichen,
Ging in die gräßliche Verwesung über:
Wem, o mein Gott, soll ich noch Beistand reichen?
Mich dünkt, die Erd' ist nur ein leerer, trüber
Baumloser Anger, mit Gebein besät,
Kahl, unabsehlich, unfruchtbar; worüber
Die schwarze Fahne der Vernichtung weht!
An der Weißdornhecke.
Merlin sitzt am Boden.
Mein Zorn war anfangs stärker
Als jetzo, wer hielte gegen sie Stich?
Ich sitze mit Freuden im Kerker,
Mein Liebchen füttert und streichelt mich.
Eins aber will mir erscheinen
Wie ein drückendes, leidiges Ungemach:
Ich muß wohl warten und weinen,
Sie kommt nur, wenn eben sie kommen mag.
Er greift nach Blumen auf dem Rasen.
Hätt' ich der Ringelblumen g'nug,
Da verginge die Zeit mir geschwinde.
Die Hagerose hat einen guten Geruch,
Aber die andern geben bessre Gewinde.
Abzählen kann ich genau an den Knöpfen,
Ob die Winde vom Morgen, vom Abend kamen?
Gott verhelfe dem Artus und seinen Tröpfen
Zu der ewigen Seligkeit! Amen.
Gerne lausch' ich der Amsel Schlag,
Den, mein' ich, könnt' ich treffend erreichen.
Doch will ich dem Vogel flöten nach,
Dann lachen die Specht' in den Eichen.
Satan tritt ein.
Satan. Hör' auf, unwürdiges Schauspiel! Löse
Dich, Unsinn!
Merlin springt auf.
Merlin. Es erschlägt mich! . . . Was will der Böse?
Satan. Bös? Wirst mich um Verzeihung fleh'n,
Ich denk', es ist wohl endlich Zeit,
Nach Thorenbrunst und Thorenleid
Vernünftig wieder auszusehn.
Merlin. Deine Stimme zerschmetternd,
Gebirgsdröhnen dein Gang!
Deine Blicke wetternd,
Warum heut der Sturm und Drang?
Satan. Ich bin derselbe stets in tausend
Gestalten, welche Zeit und Ort erweckt.
Der Fromme fühlt mich als die Sünde grausend,
Worüber er bei sich den Mantel deckt;
Wer so wie du im Ganzen schwelgt und praßt,
Und bei dem Schöpfungsfeste saß zu Gast,
Der kann verlangen, daß ich mich behänge
Mit Flitterputz. Nicht wahr? Bei Stonehenge
Gefiel ich dir? Es gleicht sich aus. Heut gräbt
Mein Fuß sich schwerer in den Boden,
Es ist etwas wie Sturm in meinem Odem,
Tiefer das Aug' in seiner Höhle schwebt,
Die Worte rollen wie der Donner fast,
Ich hab' mir heut den Mantel angepaßt
Vom schwersten, braunsten Zeug gewoben.
Brauchst einen Namen? Kannst mich Schicksal nennen.
Du sollst in mir Gerechtigkeit erkennen,
Und meine Einfalt, meine Treue loben.
Merlin. Wo bin ich?
Satan. Schau um dich.
Merlin. Das sind Weißdornen.
Satan. Freilich. Kein Turm.
Merlin. O Jammer! Ich Wurm!
Satan. Als Tier hätt'st du beschlossen,
Halbgott, deinen Lauf,
Trät' ich mit den Flammengeschossen
Nicht dazwischen auf!
Du hast's um mich und meine Sache
Zwar nicht verdient,
Doch du wardst elend. Das die Rache!
Ich bin gesühnt.
Merlin. Wo sind meine Freunde?
Satan. Bei mir.
Merlin. Bei dir?
Satan. In einer großen Gemeinde,
Im Hades bei mir.
Merlin ringt die Hände.
Nicht in Schwefelflammen
Geröstet, gekocht,
Nicht von Keulen und Rammen
Zu Qualenbrei gepocht,
Nicht in eisige Bäder
Nackend geschickt,
Nicht um sausende Räder
Schwindelnd gestrickt;
Fabeln, wovon nur Dümmlinge klafften!
Aber das bleibt haften
Groß, unbeugsam, stier:
Sie wollten zu Ihm und sind bei mir.
Merlin. Ich . . . Ich ihr Verleiter!
Satan. Hättest du sie gelassen heiter
Unter lampenschimmerndem Zelte,
Rückte nach fröhlichen Scherzen
Plötzlichen Todes Kälte
Dort unfürchtende Herzen
Aus den tellurischen Räumen!
Auf den Asphodelosmatten
Walleten die Schmerzenleeren,
Ruhigdämmernde Schatten,
Ohne Furcht und Begehren
Nun, wie Erinnerungsträumen!
Merlin zerrauft sein Haar.
Dafür schmachten sie jetzt
Nach der vermauerten Quelle,
Und kein Tröpfchen benetzt
Ihres Sprudels die Schwelle!
Ohne den himmlischen Schein
Läßt sich, sie fühlen's, nicht leben,
Aber, verworfen zu sein,
Sagt ihnen frostiges Beben.
Wenn sie nun eben gedacht,
Daran vernichtet zu scheiden,
Merken sie neuangefacht
In sich die Kraft, zu erleiden.
Gott und der Heiligen Chor
Sieht die unglückliche Gilde,
Aber wie Luftmeteor,
Aber wie leeres Gebilde.
Das ist Unseligkeit, das!
Nimm mich und führ mich zu ihnen!
Ich, der die Lieben vergaß,
Sollt' ich nicht gleiches verdienen?
Satan. Die Reu' macht nicht zurückewall'n die Bäche,
Sie ist das Schlimmste, ist die zweite Schwäche.
Ich halte dir anjetzt die Weltenpredigt,
Den Text hab' ich, der allen Gram erledigt.
Als Kanzel brauch' ich diese Basaltkoppe,
Dort das Gewitter soll den Küster spielen,
Weil ich nicht wie die andern täusch' und foppe,
Hab' ich nur einen Hörer in den Stühlen.
Wär' ich ein schlechter Spötter, spräch' ich: That'st
Im kleinen, was du thun im großen solltest,
Weil, als du Gottes Orgel spielen wolltest,
Für Satan du die Bälgen trat'st.
Doch schmeckt dies nach Verleumdung meiner,
Ich bin, wie er, nicht schlimmer und nicht kleiner.
Mit ihm hast du es ganz verdorben,
Und nicht etwa durch Schlechtigkeit und Laster;
Nein, weil zu feurig du um ihn geworben,
Deshalb liegst du verkommend auf dem Pflaster.
Im Mondschein, an dem Bau des Riesen,
Als du das Räderwerk der Schöpfung mir gewiesen,
Da hat er dich auf ewig weggestoßen. –
Wenn einer ihn sachwalterisch verteidigt,
Dann zuckt er, in dem Innersten beleidigt.
Er will, von eigner Majestät umflossen,
Unfaßlich schweben, dem Verstand zum Trutz.
Der Lästrung Hiobs hat er nicht vergolten,
Bildads, Zophars, Eliphas Lob gescholten,
So war's, so ist es seit dem Mann von Uz.
Wie? Oder hast du andern Fehl begangen?
War etwa sonst ein freventlich Verlangen,
Unsaubre Lust, ein frecher Dünkel
Gekauert in des Herzens Winkel?
Denn, wenn geknickt du das bereuen könntest,
In Bußeglut zu ihm verzehrt entbrenntest,
Da möcht' er dir vielleicht den Finger reichen,
Und vom zerknirschten Sünder würd' ich weichen.
Merlin. Ich hab' nichts abzubüßen!
Meine Seele, ein Sehnsuchtshauch,
Wallend empor wie reinlichen Opfers Rauch
Grade zu ihm, ihn wonnedurchschauert zu grüßen!
Satan. Und ließ dich fallen unter das Vieh.
Merlin. Das that er.
Satan. Ferner: was verbrachen die,
So du führetest?
Merlin. O der Unschuldigen, Armen!
Eine Schale, voll von farbenwarmen
Blüten und Früchten, trug ich euch dar,
Zu widmen das frohe Geschenk dem Altar.
Warum, mein Geliebter, verschmähtest du sie?
Satan. Die Zahl seiner warnenden Engel heißt Legion.
Merlin. Und keiner . . . keiner stand am Wege!
Satan. Sie sagen, er sei im Gewissen rege.
Merlin. In uns sprach kein Ton!
Satan. So scheint er denn bei seinem Handeln
Sich an Gesetze nicht zu binden,
Und über Hoffnung, Zuversicht, Empfinden
Erhaben, dunkel, einzig hinzuwandeln.
Nicht schmäh' ich ihn. Das würde mich erniedern,
Er hörte auf, mich anzuwidern.
In jener Nacht, als du den Gürtel löstest,
Des Empyreums keusche Scham entblößtest,
Da hob ein neu Erfahren für mich an,
Ich sah, was deine Augen schwerlich sahn.
Mit Gott und Teufel steht es wunderbarlich!
Ich schau'rte über die Entdeckung wahrlich.
Und wenn ich unsern Stammbaum offen hinge,
So schöss' herein das Ende aller Dinge.
Sei er in Furcht und Schweigen denn geehrt!
Allein mit mir wird menschlicher verkehrt.
Ich habe das voraus: ich bin verständlich,
Für Freundlichkeit, Zutraun und Lieb' erkenntlich.
Ich nehme dich mit allen deinen Wunden,
Zermalmet, wie du bist, von tausend Lasten,
Du sollst an meiner breiten Brust gesunden,
In meinem Schatten dich zu Kräften rasten.
Genug des Lehrgelds hast du wohl gezahlt,
Jetzt endlich darfst du von dir wissen,
Sei denn durch einen, der nicht schwätzt und prahlt,
Der schimpfgedrückten Knechtschaft froh entrissen!
Nun koste Freiheit, Geist, Zusammenhang
Im sel'gen, labenden Überschwang!
Auf! Werde mein! Drei Schritt geh' hinter dich!
Verleugne ihn, und glaub' an mich!
Merlin. Nein!
Satan. Nein?
Merlin. Der Laut, der einzige, blieb mein!
Satan. Du Kloß von Blöd- und Eigensinn!
Bald erschöpfet ist meine Geduld . . .
Ziehet noch ein einziger Faden
Von dir zu ihm hin?
Merlin. Die Ewigkeit zwischen mir und seiner Huld!
Ich bin gelöscht im Buche der Gnaden,
Gesetzt aus der Kinder Erbe!
Ich bin eine trockne Scherbe!
Das Spottlied der Buben
In den Dirnenstuben,
Auf den Kupplergassen!
Er hat mich gesperrt zu den Hunden,
Da wimmr' ich, bluttriefend, geschunden!
Kann nicht von ihm lassen –
Satan. Die Elohim
Beten mich an! Du Kot und Mist . . .
Merlin. Vater unser, der du bist . . .
Satan. Nichtswürdiger Heva'ssame!
Duftgärender Fraß der Motten,
Reif zum Verrotten!
Er rührt ihn an.
Merlin sterbend.
Geheiliget werde dein Name!