August Wilhelm Iffland
Die Jaeger
August Wilhelm Iffland

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Erster Aufzug.

Erster Auftritt.

(Rudolph, die Jagdtasche um, stellt sein Gewehr an die Seite, und geht in ein Seitenzimmer linker Hand. Darauf Matthes – gekleidet, frisirt, aber eine weisse Nachtmüze auf.)

Matthes. (träge, mit langsamen Gang, die Hände in den Taschen. ) Rudolph – Rudolph! der Kerl ist taub. He Rudolph! –

Rudolph. (inwendig.) Was giebts?

Matthes. Ich will Dir was sagen.

Rudolph. (im Gewehrpuzen herauskommend.) Ich habe keine Zeit – der Alte ist grämlich, daß wir noch nicht fort sind. – Da – halt einmal, ich will –

Matthes. Eure Gewehre? Ich bin ein schlechter Kerl, wenn ich eins anrühre!

Rudolph. Hoho! das wird Dir der Alte schon weisen.

Matthes. Mit dem Weisen hat es sich wohl. Meine Zeit ist um. – Heute Mittag trag ich die Amtslivree.

Rudolph. Du? – Ziehst zum Amtmann?

Matthes. Ia.

Rudolph. Hast Du doch nicht eher geruht, bis Du den ehrlichen alten Friz dort weggelogen hast? Was will der Alte nun anfangen? der muß betteln mit Weib und Kindern!

Matthes. Hm – Ist mir der junge Herr vom Amte doch recht nachgelaufen.

Rudolph. Zum Amtmann? – zu dem? – – – Pfui! das sieht Dir ähnlich.

Matthes. Hängt das Maul, so tief Ihr wollt – Hier kann ich es nicht aushalten.

Rudolph. Weil es hier arbeitsam, ehrlich und still zugeht?

Matthes. Sapperment! – mein Vater war hier Oberförster; in den Stuben hier bin ich groß gezogen – nun soll ich gemeiner Jäger bei Euch sein! Meint ihr –

Rudolph. Hättest Du was gelernt – wer weiß – so wohntest Du wohl iezt hier.

Matthes. Nun, nun – es ist nicht aller Tage Abend – Ich kann noch – wer weiß? Was sein soll, schickt sich wohl. Aber was ich sagen wollte – – – Ich höre ia, die Jungfer Base vom jungen Herrn Förster, Mamsell Friederikchen, kömmt heute aus der Stadt wieder.

Rudolph. Nun und wenn?

Matthes. Da wird es ein Aufhebens geben, wenn der Tugendspiegel wieder da ist. Sie ist zwar die Herzallerliebste vom Herrn Förster – aber –

Rudolph. Ei laß mich ungeschoren. Schickst Dich brav zum Amtslakaien; kannst spioniren, lästern, saufen und Dir Geld in die Hand drücken lassen – Mir ists recht, daß es mit der Kammeradschaft ein Ende hat. – Ich habe zu thun – leb' Er wohl. – Hör' Er – das muß ich Ihm noch sagen – nehm Er's krumm oder grade – ich halte nichts auf den Kerl, dem der schlichte grüne Rock, in Ehren, nicht lieber ist, als der beblechte Rock vom Amte, in Unehren. (ab in das Seitenzimmer.)

Matthes. (in die Thür ihm nachrufend.) Empfehle mich, Herr Geheimerath! (im Umdrehen.) Dir brech ich auch noch einmal den Hals, Kanaille!

 

Zweiter Auftritt.

Matthes. Anton.

Anton. (kurz.) Wo ist Rudolph?

Matthes. Da drinn. (Anton will hinein) Mich lassen sie wieder zu Hause?

Anton. Was soll man mit Euch? Man kann Euch ia zu nichts brauchen; Ihr versteht keine Fährt.

Matthes. Schon Recht. – Herr Förster!

Anton. Was giebts?

Matthes. Heute zieh ich ab.

Anton. Mir recht.

Matthes. Glaubs wohl! Ich ziehe aufs Amt.

Anton. Hm – meintwegen.

Matthes. Empfehle mich zu geneigtem Andenken. (geht.)

Anton. (ins Seitenzimmer abgehend.) Schon gut.

Matthes. Wart, gestrenger Herr Förster – und Oberförster Adjunctus in Gedanken – ich will es Dir noch besser münzen. (sieht in das Zimmer, indem er die Müze abnimmt.) – Herr Förster – (mit einer Verbeugung, freundlich.) – Herr Förster, noch auf ein Wort.

Anton. Schleicht der Kerl den Leuten immer nach, wie ein Zollvisitator! Was soll werden?

Matthes. Kömmt denn das Wunderthier heute noch an?

Anton. Was für ein Wunderthier?

Matthes. Die Stadtmamsell.

Anton. Wen meint Ihr?

Matthes. Je nun – Ihre Jungfer Friedrike.

Anton. (gibt ihm eine Ohrfeige.) Bursche, spreche er den Namen mit Respekt aus!

Matthes. (ohne die Manier geändert zu haben) Nun nun, nur sachte! Wüßten Sie, was ich weiß! – Sie hätten mir die Ohrfeige nicht gegeben. (Will fort.)

Anton. (reißt ihn zurück.) Was wißt Ihr? Von wem? was?

Matthes. Ich habe Ihre Ohrfeige – aber auch meine Nachricht, (geschwind.) und damit gehn Sie Ihrer Wege, ich meiner.

Anton. Kerl, ich prügle Euch, daß Ihr liegen bleibt, wenn Ihr nicht sprecht!

Matthes. Wenn ich nicht sprechen will, so thu ich es nicht, und wenn ich todt geschlagen würde. (kalt.) Und nun bleibe ich da und spreche nicht.

Anton. Das will ich sehen. (sucht nach einem Stocke, findet das Gewehr und reißt den Ladestock heraus.) Und wenn das ganze Haus wach würde – was wißt Ihr? – – Ich habe das Mädchen lieb; es ist meine Base; ich will sie heiraten. Was wißt Ihr? (packt ihn an der Brust.) Lahm prügle ich Euch – was wißt ihr?

Matthes. (ohne von der Stelle gerückt zu seyn, hat mit einer Hand die Hand des Försters, mit der andern den aufgehobnen Ladestock.) Hören Sie mich doch!

Anton. Nichts, kein Wort – was wißt Ihr?

Matthes. Prüglen Sie mich hernach, aber hören Sie mich erst!

Anton. (läßt den Stock sinken.) Hurtig.

Matthes. Sie wollen mich prüglen – aber ich leide es nicht, ich sezze mich zur Wehre. – Sie prüglen mich – ich schlage Ihnen ins Gesicht – Sie treten mich mit Füßen, ich jage Ihnen den Hirschfänger durch den Leib. Dabei kommt nichts heraus. Ich brauchte Ihnen nichts zu sagen; weil Sie aber das Mädchen heiraten wollen, mag es drum sein! – Hier – sind zwei Stück Papier.

Anton. (darnach fassend.) Was sollen die?

Matthes. Geduld. Die fand ich auf dem Amte, vor der Stube des jungen Herrn, im Kehricht.

Anton. Gebt her.

Matthes. Geduld – Das hier – ist ein Konzept – verstehen Sie mich – der rechte Brief an Jungfer Friedriken nämlich ist fortgeschickt. – Da.

Anton. (liest; er zeigt Unruhe.) Hat Friedrike geantwortet?

Matthes. (lacht) Nun – sie ist ein Mädchen –

Anton. Hat sie geantwortet?

Matthes. Nicht geantwortet, also eingewilligt und kömmt –

Anton. Matthes –

Matthes. Er ist ihr in dem neuen Wagen mit den Füchsen entgegen gefahren –

Anton. Wenn sie geantwortet hat –

Matthes. Er ist so recht darnach angezogen. Den seegrünen Frack – offnes Haar –

Anton. Matthes – ich weiß, Ihr könnt mich nicht ausstehen, Ihr lügt oft – aber ich will es Euch vergeben, wenn Ihrs gesteht. Ihr habt meine Englischen Sporn gern haben wollen: Ihr sollt sie haben – gleich haben – wenn Ihr es mir sagt.

Matthes^ (auf seine Schnallen sehend.) Hm – ich habe Schnallen.

Anton. Da ist Geld.

Matthes. »Der Bube kann nichts verschenken,« sagt der Herr Oberförster.

Anton. (den Brief ansehend.) Schurke! – es ist Alles erlogen.

Matthes. Er reist ihr eben entgegen.

Anton. Kerl! Nein! sie hat nicht eingewilligt!

Matthes. Sie sind ärgerlich. Ia, wer läßt sich auch gern betriegen! In Heirathssachen ist das so, so – Aber hohls dieser und iener! Sie müssen ihr auch was zu Gute halten – es ist ein junges, einfältiges Ding.

Anton. Kerl, Du bist ein Schurke und sie hat nicht eingewilligt.

Matthes. Sie hat. – Mit dem Schurken währt es übrigens nur noch 3 Stunden – Schlag 9 Uhr kann ich darauf dienen. (ab.)

 

Dritter Auftritt.

Anton. Hernach Rudolph.

Anton. Es ist nicht möglich – nein, warlich nicht. Matthes war immer ein schlechter Kerl – Die Hand? die Hand ist es freilich – daß er ihr immer nachschlich, ist auch wahr. Dazu bin ich schlichtweg – habe wenig. – Sie war in der Stadt, hat seitdem das prächtige Leben kennen gelernt – Der Kerl ist reich und – Mädchen, Mädchen! wenn Du mich betrügst –

Rudolph. (mit Antons Gewehr.) Da. Der Garten ist nicht offen, wir müssen durchs Dorf gehen. – Pulver haben Sie, glaube ich, noch.

Anton. (im Auf- und Niedergehen.) Genug.

Rudolph. Aber keine Kugeln? – Da, hier sind welche.

Anton. Her damit! Gut so. – Zwar – – – nein. Nimm die Kugeln wieder. – Hier. Gieb mir Schroot.

Rudolph. Nr. 1?

Anton. Nr. 3

Rudolph. Nr. 3? Und groß Wildpret?

Anton. (reißt es ihm aus der Hand und ladet.) Her! Komm mir in den Weg, Spizbube! Komm mir in den Weg! – ich will Dir Antwort bringen, daß Dir Hören und Sehen vergehen soll.

Rudolph. Es liegt Ihnen was im Kopfe – mein' ich.

Anton (ladet fort.) Halts Maul.

Rudolph. Leicht gerathen und bald gethan. Vorwiz plagt mich nicht – aber ich habe Ihrentwegen manches Ungewitter von dem alten Herrn auf mich genommen, werde es wohl auch ferner noch; darum denke ich –

Anton. Rudolph – der Schuß hier – der ist für den Amtmannsbuben.

Rudolph. Aber –

Anton. Geh, wohin Du willst – schieß, was Du willst – ich geh auf die Straße nach Waldau. Komm!

Rudolph. Nicht von der Stelle, bis ich weiß, was Sie gegen den Kerl haben.

Anton. Der Junge, der Bube! hat wieder an Friedriken geschrieben – einen Liebesbrief, eine Schandbestellung!

»Liebes Friedrikchen! Sie werden nun dem Vorschlage meiner Eltern nachgedacht und für mich entschieden haben. Meine Person dürfte leicht so viel Intresse einflößen, wie der abgeschmackte Jägersbursche, der bei allen Dirnen zu finden ist. Kömmt hierauf keine Antwort, so sehe ich meinen alten Vorschlag als von Ihnen eingewilligt an, und reise Ihnen morgen früh nach Waldau heimlich entgegen. In iedem Fall wird dieses Rendezvous eine glückliche Stunde gewähren Ihrem ewig treuen – Peter von Zeck.«

Und sie hat nicht geantwortet, und er reiset ihr iezt entgegen – und – und – – Lahm schieße ich den Hund, wo ich ihn finde!

Rudolph. Wer gab Ihnen denn das?

Anton. Matthes.

Rudolph. Matthes? Nun ia, –

Anton. O, sieh, es ist die Hand.

Rudolph. Der Kerl ist ein Schurke.

Anton. Aber der Bube reist ihr iezt entgegen, und die Hand ist es doch beim Teufel!

Rudolph. Kann Alles sein. – Wissen Sie doch, wie Sie mit Friedriken stehen.

Anton. Ei, was! Die Mädchen sind eitel und falsch. Sie schwören und liebäugeln und winseln und puzzen sich, Jedem zu gefallen. Mag ein ehrlicher Kerl draufgehen oder nicht, was kümmert sie das?

Rudolph. Pfui! Friedrike ist –

Anton. Rudolph – Eine betrügt weniger; aber sie betrügen alle. Geh hin – schieß ihrem Liebhaber vor den Kopf – sie wird schmälen. Aber, wirf ihr den Spiegel herunter, verbrenn ihren Puz; sie wird sich die Haare ausraufen. (hängt die Jagdtasche um.) Ich habe sie so lieb – Ach Rudolph, ich habe sie so lieb!

Rudolph. Und werden sie brav finden.

Anton. Wenn sie es nicht ist – sieh, des Lebens hier bin ich satt. Mein Vater behandelt mich wie einen Jungen – ich habe ausgehalten ihr zu Liebe. – Betriegt sie mich – so gehe ich fort, werde Soldat – und giebts keinen Krieg, so mache ich einen dummen Streich. Dann jagen sie mir eine Kugel durch den Kopf, und es ist aus. Komm! – (will ab.)

 

Vierter Auftritt.

Vorige. Die Oberförsterinn, (mit einer Lampe.)

Oberförsterin. I, schönen guten Morgen, Anton – schönen guten Morgen.

Anton. Danke, liebe Mutter, danke.

Obfstn. Ausgeschlafen, Anton? Ausgeschlafen? – Ihr geht heute wieder früh aus. Das ist ein Leben! – Keine Ruh und keine Rast.

Anton. Je nun, was will das sagen? Adieu.

Obfstn. Warte doch noch – warte. (Er geht nach der Thür.) Ei, ich wills haben, Du sollst warten. (Anton kommt.) Ist das nicht ein Wetter! I, Du mein lieber Himmel!

Anton. Wird schon hell werden. Adieu, Mutter! Es wird wahrhaftig zu spät.

Obfstn. Nur einen Augenblick. »Hell werden?« – Rudolph, treibe, daß der Kaffee kömmt – (Rud. ab.) »Hell werden« sagst Du? der Mond hatte gestern Abend einen Hof, Anton. Er war nicht so viel hell, als ein Speziesthaler groß ist; dann wird es all' mein Tage den andern Tag kein helles Wetter.

Rudolph. Hier bringe ich den Kaffee schon, Madam.

Obfstn. Gut, gut. Nun Anton – (schenkt ein.) Geschwind trink ein Schälchen, Anton.

Anton. Ich kann nicht. Ach Gott, es ist mir ohnehin heiß genug.

Obfstn. Was heiß? Es ist rauhes Wetter. Der Kaffee wärmt den ganzen Menschen – trink nur! (sie zwingt ihm eine Schale auf.) Hast Du auch die Brust gut verwahrt, Anton? (sie knöpft ihm, indeß er trinkt, die Weste bis an den Hals zu, die Flinte liegt ihm im Arme, er hat den Hut auf.) Ei, so laß doch die Knöpfe zu, Anton! Was das für eine alberne Mode ist! Da wird der Magen verkältet, die Gesundheit nicht konservirt, und das iunge Volk stirbt hin. Die Brust verwahrt, die Brust verwahrt! das war eine goldne Regel bei uns Alten! – nun trinkst Du noch eine.

Anton. (mit dringender Eile) Mutter, ich muß wahrhaftig fort.

Obfstn. Nun so geh. Höre – wenn Riekchen nur ein paar Tage da ist; so soll sie Dir ein Leibchen nähen. Da, nimm das Tuch, halt den Hals hübsch warm – hörst Du?

 

Fünfter Auftritt.

Vorige. Oberförster. Hernach Matthes.

Oberförster. Noch hier? – Plagt Dich denn –

Anton. Eben wollte ich – (will gehen.)

Obfstr. Bleib! – Matthes!

Matthes. (kommt.)

Obfstr. Seine Nachtmüze. (Matthes ab.) Wieder ins Bette. Ich will fort.

Anton. Ich war schon auf dem Wege, aber die Mutter –

Oberförsterin. Ich – – hatte ihm was zu sagen. Ich habe es ihm befohlen, er sollte dableiben.

Obfstr. Das ist ein ander Ding. (zu Anton.) So mustest Du dableiben. (zu Matthes.) Geht Eurer Wege! (zur Oberfstn.) Faß Dich ein andermal kürzer.

Anton. Adieu, Vater.

Obfstr. Aufgepaßt – nicht eingekehrt – Fix! um zehn Uhr wieder hier. Allons, marsch! (Ant. u. Rud. ab.)

Obfstn. Ruf ihm doch nach, sag ihm, daß er von der Sau wegbleibt. Christian ist erst gestern geschlagen, und –

Obfstr. Wenn Du sie anlaufen lassen willst: so kann er zu Hause bleiben.

Obfstn. (mit gutmüthigem Auffahren.) Ei was! ich muß Dir meine Meinung einmal kurz weg sagen.

Obfstr. Hahaha! das kannst Du nicht.

Obfstn. Was? Was kann ich nicht?

Obfstr. Kurz weg sprechen.

Obfstn. Nun, so will ich gar kein Wort sprechen. (geht an den Kaffeetisch, schenkt ein und murmelt dazu.) Man möchte ersticken!

Obfstr. Wenn Du beim Nachtwächter anfängst; so hörst Du beim türkischen Kaiser auf.

Obfstn. Aus dem ewigen Bellen und Lärmen kömmt nichts heraus. Der Junge ist so übel nicht.

Obfstr. Richtig. Darum soll er noch besser werden.

Obfstn. Hm – ein Mensch ist kein Engel, und Anton –

Obfstr. Nun – hat auch noch zu laufen bis dahin.

Obfstn Das verwünschte Auffahren – das!

Obfstr. Bilde Dir nicht ein, daß Du ihn lieber hättest, als ich. Der Junge ist wild, wie der Teufel. Wenn ich gut wäre, wie eine Schlafmüze; ich glaube, er steckte uns das Haus über dem Kopf an. – He – – Matthes!

Matthes. Herr Oberförster?

Obfstr. Mein Morgenbrod! (Matthes ab.)

Obfstn. Höre einmal – wie steht es denn mit Mamsell Kordelchen vom Amte?

Obfstr. Ist sie krank? Frag den Doktor.

Obfstn. Nicht doch. Ich meine – hm– wunderlich – ich meine –

Obfstr. Was?

Obfstn. Wenn mein Anton Mamsell Kordelchen heiratete. (Matthes bringt ein Glas Wasser und Brod, nebst einem Messer.)

Obfstr. (mit bedeutend verdrießlichem Blick.) Darauf weiß ich Dir nicht zu antworten. – Matthes – ist dem Schulzen sein Bauholz angewiesen?

Matthes. Ia.

Obfstr. Um welche Zeit?

Matthes. Gestern Abend um vier Uhr.

Obfstr. Es ist gut. Ihr habt mich zeither oft belogen; wenn dies wieder nicht wahr ist, so schicke ich Euch fort. Eure Zeit ist ohnedieß heute ganz um.

Matthes. Herr Oberförster – ich nehme es an und ziehe gleich ab.

Obfstr. So? – Nun – – wenn Ihr wollt, ich kann schon wollen. – Da ist Euer Geld.

Matthes. Empfehle mich. (ab.)

Obfstr. Gute Besserung. Ich bin froh, daß ich den Menschen los bin – es ist ein böser Bube.

Obfstn. (die, als Matthes kam, wieder an ihren Kaffeetisch gegangen war.) Gift und Galle muß man trinken!

Obfstr. Was?

Obfstn. Ich sage kein Wort, – kein Sterbenswort. Aber – aber – es drückt mir das Herz ab, wenn ich so sehen muß, daß –

Obfstr. Es ist kein Auskommen mit der Frau. – Nun – ich will es einmal aushalten. Sprich – sag Alles, was Du weißt; aber Alles! denn so bald kriegst Du mich nicht wieder.

Obfstn. Sag mir nur, wozu bin ich da? Immer muß ich Unrecht haben. Dieß hätte ich so machen können, das wieder anders. Hier habe ich gesündigt; dort habe ich einen Bock geschossen. Bald hätte ich reden, bald schweigen sollen. Wenn ich den Mund aufthue, habe ich Unrecht. Was ich rede, ist einfältig. Ei, wozu hat man den Mund, als zum Reden!

Obfstr. Nun, mein Kind – hahaha – dazu brauchst Du ihn auch.

Obfstn. Ich? Wer – ich? Wenn läßt Du mich denn wol zum Worte kommen? Wo darf ich meine Meinung sagen? Auf Martini werden es zwei Jahr, daß ich zuerst von der Heirath gesprochen habe – da ging das Unglück los. Nun – ich habe geschwiegen – geschwiegen, was ich konnte. Nachher hat es der Herr Amtmann mir wieder unter den Fuß gegeben; aber, so wie ich nur den Mund aufthat – ward ich ia angelassen! Jetzt hat die Frau Amtmannin in der Kirche wieder angefangen: »Mamsell Kordelchen hätte meinen Anton gar zu gern.« Nun – denke ich, Ehen werden im Himmel geschlossen – und wenn es Gottes Wille ist, daß mein Anton Mamsell Kordelchen heiraten soll; so werden wir nichts dazu und nichts davon thun können. Ich habe es gesagt. – Du bist Vater, wie ich Mutter. – Thu nun, was Du willst – ich sage kein Wort mehr!

Obfstr. Bist Du fertig?

Obfstn. Ia.

Obfstr. Nun sprich nicht eher wieder, bis ich Dich frage.

Obfstn. O ich will nichts – gar kein Wort will ich sagen.

Obfstr. Noch besser. Das Amt hat Dir also die Heirath recht nahe gelegt?

Obfstn. Ia. Nahe – ganz nahe.

Obfstr. Nun, eben darum liegt mir die Sache weit, weit – ganz weit.

Obfstn. Nun da haben wirs! Warum denn? Sag, warum?

Obfstr. Sieh, mein Kind, was man so unter dem Preise weggiebt, pflegt kein gangbarer Artikel mehr zu sein.

Obfstn. Was? – Mamsell Kordelchen –

Obfstr. Kurz, ist ein alter Ladenhüter.

Obfstn. Wollte nicht der – hm – der – was war er – unter den Küraßierern – – und hernach der Oberbereiter von – von Dings da! Wollten die sie nicht alle beide heiraten?

Obfstr. Sie haben es gewollt, als sie auf dem Amthof logirten. Du lieber Himmel! was wollen solche Herren nicht, wenn sie freie Tafel spüren! Hernach sind sie weggeritten und haben es vergessen. Kurz – es geht ihr mit ihren Liebhabern, wie uns mit unserm Röhrwasser – sie bleiben aus. Zum Nothbedarf ist mein Sohn überall zu gut. Zum Nothbedarf für eine Gaunersfamilie nun vollends.

Obfstn. Gott bewahre! was das für Reden sind!

Obfstr. Verplaudre ich da wieder meinen Morgen mit Dir. – Es ist überhaupt noch zu früh für ihn – der Junge soll gar noch nicht heiraten. Punctum.

Obfstn. Und die schöne Doppelmariage, die das gegeben hätte, wenn Mons. Zeck Riekchen geheiratet hätte!

Obfstr. Ist das nicht ein Kreuz mit den Weibern! Sind sie iung – so lassen sie sich freien; und ist die Rechnung geschlossen, so haben sie die Wuth, andre zu verfreien. Nun nun – nur nicht böse! Du bist sonst ein kreuzbraves Weib, fromm – redlich – – wie ich sage, kreuzbrav – bis auf den alten Weiberverstand und die Liebe zu den harten Thalern – kreuzbrav!

Obfstn. Die harten Thaler? Ia wenn ich nicht gewesen wäre! Bei Dir würde es ia heissen:

»Alles verzehrt vor seinem End,
»Macht ein – –

Obfstr. »Macht ein richtiges Testament.

Obfstn. Aber zum guten Glück habe ich meine paar tausend –

Obfstr. Thaler zusammengespart. – Ich bitte Dich, schweig von dem Geldkapittel, sonst –

Obfstn. Ich sollte nur nicht so Acht –

Obfstr. Höre ich will –

Obfstn. Wenn Du nur gekonnt hättest, wie Du –

Obfstr. So höre doch!

Obfstn. Was?

Obfstr. Wie viel willst Du haben? Ich kaufe Dir das ab, was Du noch hast sprechen wollen! Ia?

 

Sechster Auftritt.

Vorige. Der Schulz.

Schulz. Guten Morgen, Herr Oberförster, guten Morgen Frau –

Obfstr. Je – guten Morgen.

Obfstn. Guten Morgen, guten Morgen Herr Schulz! Ei, Er ist ia gar zu rar geworden. Ich glaube, in vierzehn Tagen ist Er nicht hier gewesen. Das ist nicht hübsch, weiß Er das wohl? Nicht nachbarlich. Man muß seine alten Freunde nicht vergessen, man muß –

Obfstr. Seine alten Freunde zum Worte kommen lassen. Geh in Deine Küche! Wir werden zu sprechen haben – nicht wahr?

Schulz. (beiahet es nachdenklich.)

Obfstn. Gut, gut. Ich gehe. (geht ein paar Schritt, kommt aber gleich wieder und nimmt den Schulzen bei Seite.) Ehe er weggeht, kömmt Er doch einen Augenblick zu mir herein. Nicht wahr? Ich will Ihm erzälen, wie –

Obfstr. Tausend Sapperment!

Obfstn. Nun nun – Herr Isegrimm, ich gehe ia schon. (ab.)

 

Siebenter Auftritt.

Vorige. Ohne Oberförsterin.

Oberförster. Nun! Was Neues, Herr Schulz?

Schulz. Hm! Neues genug; aber – leider Gottes nichts Gutes!

Obfstr. Wie so? Was ist –

Schulz. Was wirds sein? die alte Leier. – Unser Herr Amtmann zieht uns einmal wieder die Haut über die Ohren.

Obfstr. Was solls geben?

Schulz. Nun – »die Gemeinde hätte so starke Ausgaben – es ginge dies Jahr so viel auf.« – Das muß nun freilich der Herr Amtmann am besten wissen, denn er hat die Kasse. »Damit er nun dem allen vorstehen könnte, so sollte aus dem Gemeindewald für tausend Thaler Holz gehauen werden.«

Obfstr. Es ist nicht möglich!

Schulz. Was ich Ihnen sage.

Obfstr. Für tausend Thaler?

Schulz. Je nun – es giebt einen lackirten Wagen.

Obfstr. Je, da soll ia den Amtmann das – – – Nun, nun – ich muß doch auch mit dabei sein, muß doch so ein kleines Wörtchen mit dazu sprechen.

Schulz. Sie sind brav. Gott vergelt's Ihnen, was Sie schon an uns gethan haben! Aber hierin können Sie uns nicht helfen. Es geschieht gewiß, was der Amtmann will.

Obfstr. Nichts. Ich mache meine Vorstellung dagegen. Der ganze Wald würde ia verdorben! – Es ist nicht möglich! Weiß Er was? – Ich gehe selbst in die Stadt – ich übergebe die Vorstellung den Herren selbst.

Schulz. In die Stadt? Herr Oberförster – Nein!

Obfstr. Warum nicht?

Schulz. Sehen Sie, wenn wir in der Stadt klagen, so meint der Herr dies, der andre das. Endlich wird einer ausgesucht, der soll nun darüber sprechen. Der Eine? – Gott bewahre uns in Gnaden! der reiset das ganze Jahr hier herum und dort herum. Bald hat er zu viel Arbeit, bald wird er krank. – Nun kriegt auch wohl wieder ein anderer darüber zu sprechen. Wir gehen hin, und wieder her, suchen, betteln, es kostet uns schweres Geld, die Arbeit bleibt auch liegen. – – Ehe wir es uns versehen, kömmt ein Bescheid: »Wegen Widerspenstigkeit hiermit ab und zur Ruhe verwiesen.« Der Amtmann läßt ihn publiciren – haut uns den Wald vor der Nase weg – fährt mit Frau und Kindern ins Bad – und am Ende kostet es zweitausend Thaler.

Obfstr. Er thut dem Dinge zu viel. Es giebt redliche Männer in der Stadt, und ich will ihnen Alles so unter die Augen legen, daß sie sich der Sache wohl sollen annehmen müssen.

Schulz. Hoho – habe all mein Leben gehört – »Keine Krähe hackt der andern die Augen aus«. Die Frau Amtmannin hat dem Herrn Amtmann das Amt so gleichsam zum Heiratsgut mitgebracht: der giebt nun am rechten Orte Steuern und Gaben – drum frägt ihn kein Mensch, wie er es mit uns treibt. – Warum wollten Sie Sich Feinde machen? Lassen Sie es gehen, wies geht!

Obfstr. Ehrlich und grade durch; damit halte ich es.

Schulz. Ganz gut – aber –

Obfstr. Ueberhaupt suche und fordre ich von den Leuten all mein Tage nichts, als was von Gott und Rechts wegen mein ist. Wollen sie mir das nicht geben; stehlen sie mir mein Verdienst aus der Tasche. Nun – sie mögen es verantworten; aber ich bleibe auf meinem Wege. Es hat mir denn doch auch schon wohlgethan, mich – schlecht und recht, vor so einem Kerl hinzustellen und ihn scharf ins Auge zu fassen. – Mit dem Rothwerden hatte es sich nun wohl! Aber, was ihnen auch das Gewissen sagte; sie machten so wunderliche Geberden, und sahen so albern dabei aus – daß ich all ihre Schäze für solche Augenblicke nicht haben mögte.

Schulz. Ia – da denk' ich eben an etwas. Neulich – es mögen ein acht Tage sein – begegnete ich dem Amtmann, wie er – es war in aller Frühe – von einer Leiche kam. Da sah er nun ganz unscheinbar und grämlich aus. Hm! – dachte ich so bei mir selbst – es ist doch was gar Bedenkliches um das lezte Ende! Man sei gewesen, wer man wolle – da fällt einem alles haarklein bei. – Hm – dachte ich dann so weiter – wenn dem Amtmann einmal so alles beifällt! – Herr Oberförster – ich mögte dann nicht um und neben ihm sein – ich denke, es müste nicht gut mit ihm stehen –

Obfstr. Herr Schulz – ich hoffe zu Gott, um die Stunde solls mit uns beiden einmal ganz still abgehen.

Schulz. Ich hoffs auch. Adieu! (schüttelt ihm die Hand.) Es bleibt beim Alten. (ab.)

Obfstr. (ihm nach:) Es bleibt beim Alten! Nun will ich doch auch auf der Stelle meinen Bericht machen. (sezt sich und will schreiben.)

 

Achter Auftritt.

Riekchen, von der Oberförsterin geführt, und der Oberförster.

Oberförsterin. Da – da bring' ich Dir Dein Riekchen, mein Goldmädchen.

(Zugleich:)

Oberförster. Mädchen!

(sie umarmen sich.)

Friedrike. Lieber alter Vater!

Obfstr. Mädchen, wo kömmst Du so früh her?

Friedrike. Ach – bin ich nun wirklich wieder da?

Obfstn. Gewachsen, einen ganzen Kopf gewachsen. Komm her, Mädchen, hier an der Thür. (sie geht dahin.) Hier ist noch das Zeichen, wie groß Du warst, als Du fortgingst. Komm!

Obfstr. Hast Du denn Deinen Alten wohl nicht vergessen?

Friedrike. O Gott! Können Sie mich das fragen?

Obfstn. Nun Riekchen, komm! Hier an der Thür steht es.

Obfstr. Bleib mit Deinem dummen Zeuge weg.

Friedrike. Ich bin also merklich gewachsen?

Obfstn. Ia, komm doch nur hier an die Thür –

Obfstr. Sapperment, ich wollte, Du wärest hinter der Thür.

Obfstn. Denk nur – einen Kopf – einen ganzen Kopf, in vier Jahren!

Obfstr. Sag mir nur, Mädchen, wie es zugeht, daß Du so früh kömmst? Wir haben Dich alle erst um Mittag erwartet.

Friedrike. Ich hin nicht über Waldau gereist, und die Nacht durch gefahren.

Obfstr. Die Nacht –

Obfstn. Die Nacht? Ei Du armes Mädchen, Du armes Mädchen! – Willst Du Kaffee? Wein? Suppe? Was willst Du haben? Ich will gleich alles bestellen. – Warte – – hm – – wo werde ich nun den Schlüssel haben? (sie sucht in den Taschen.) Warte nur – – –

Friedrikee. O ich verbitte –

Obfstn. Ia warum nicht gar – verbitten? Bewahre! Wenn ich nur den Schlüssel – –alles krahmen sie mir weg!

Obfstr (geht ungeduldig herum.)

Friedrike. Es ist wirklich unnöthig.

Obfstn. Da ist der Schlüssel. »Unnöthig?« das weiß ich besser. Wenn man so fährt – und in der Nacht gar – die Nacht ist Niemands Freund – man ängstigt sich – und dann die kalte Luft und nichts Warmes. – Nein, das geht nicht – Gleich sollst Du haben, gleich. (ab.)

 

Neunter Auftritt.

Oberförster und Friedrike.

Oberförster. (halb vor sich, und ärgerlich, indem sie geht.) Daß Dich das – –

Friedrike. In vier langen Jahren habe ich Sie nicht gesehen und finde Sie Gottlob frisch und gesund. Meine liebe alte Mutter, die – –

Obfstr. (herausplatzend.) Die spricht noch immer – die – –

Friedrike. (ihn besänftigen wollend.) Haben Sie mich noch so lieb, wie sonst?

Obfstr. Hm!

Friedrike. Wie?

Obfstr. Das war eine rechte – – Stadtfrage – die!

Friedrike. Sie sind böse und –

Obfstr. Riekchen, frag doch nicht so albern – (gemäßigt.) so wunderlich.

Friedrike. Aber –

Obfstr. Wenn ich böse bin, so mag ich anders aussehen, wie iezt. Wenn ich böse wäre, so könnte ich Dich nicht leiden – und ich habe mich auf Dich gefreuet – daß Du es nur weißt.

Friedrike. Haben Sie?

Obfstr. Das hörst Du ia. (heftig.) Aber wie kann ich denn dazu kommen, daß ich mich freue? Wenn das Weib anfängt zu sprechen – dann ist alles aus – dann –

Friedrike. Rechnen Sie ihr das nicht an – sie liebt mich – ich kam so plözlich – es ist nun einmal ihre Art so. –

Obfstr. Wetter noch einmal! – das ärgert mich eben – das –! – – Wie lange bist Du gefahren?

Friedrike. Funfzehn Stunden.

Obfstr. Mit Madam Schmidt?

Friedrike. Ia. – Was macht Vetter Anton?

Obfstr. Alles Gutes.

Friedrike. Er ist auf der Jagd?

Obfstr. Ia.

Friedrike. Wohl schon seit gestern?

Obfstr. Hast Du Schulden gemacht in der Stadt?

Friedrike. Schulden? – Lieber Vater – – ein Mädchen – ich?

Obfstr. Nun, nun – wer weiß? das Wesen an Euch kostet viel – und – und –

Friedrike. Ich habe mich immer nach meiner Lage gerichtet, und nie vergessen, daß ich ohne Ihre Vatergüte nicht leben könnte – –

Obfstr. Wie viel hat Dir die Alte monatlich geschickt?

Friedrike. O lieber Vater, nie kann ich ihr verdanken, was sie mehr als Mutter an mir gethan hat.

Obfstr. (schon vorher, um die Art – Wie? – verlegen.) Da – nimm das.

Friedrike. Wie? ich –

Obfstr. Nun so nimms ins Kuckuks Nahmen!

Friedrike. In dem Augenblick – Kaum so viel Gutes emfangen – und nun schon – – –

Obfstr. Ich gebe von Herzen, oder ich laß es bleiben. – Nun zierst Du Dich doch, als –

Friedrike. O wenn Sie das glauben? So – –

Obfstr. Nein – nun nicht. Es ist wenig – es ist, was ich bei mir habe und entbehren kann. Ich dachte Dir Freude zu machen – – –

Friedrike. Bester Vater!

Obfstr. Nun aber wäre es grade so, als wenn ich einen Konto abfertigte, und Dein Knix sagte: Zu Danke bezahlt. – Ein andermal – ein andermal.

Friedrike. Eine Freude, die ich mir ausgedacht hatte, ist mir auch verdorben, weil der Postknecht von der lezten Station so langsam fuhr. Ich wollte recht früh kommen – ich wollte vor Ihrer Thür warten und wenn Sie »Matthes!« gerufen hätten – so wäre ich gekommen und hätte Ihnen das Frühstück gebracht.

Obfstr. Hast Du das gewollt? – Laß Dich küssen, Mädchen. – Der dumme Postillon! Ia das war hübsch ausgedacht. Ich mag so was wohl leiden. So was ist Dir immer recht gut gerathen. – Esel von einem Fuhrmann – der! – Hm! Du hast es doch immer recht gut mit mir gemeint. Aber ich habe mich auch auf Dich gefreuet, wie auf meine wirkliche Tochter. – Sieh, ich fange an stumpf zu werden – der Junge ist toll und wild, und macht mich manchmal recht grämlich – meine Alte, die kann auch nicht mehr so fort, wie wohl ehedem – – und dann – – Nun – Gott sei Dank, daß Du wieder da bist! Nun kannst Du mir wieder was vorlesen, oder wir gehen spazieren – Du erzälst mir was aus der Stadt, singst mir was vor – so geht allgemach die Zeit gut hin – bis es einmal bricht.

Friedrike. (ihm um den Hals fallend.) O das ich es nie erlebte! Nie, nie, niemals –

Obfstr. Haha! bist nicht klug, Mädchen. – Einmal müssen wir alle dran.

 

Zehnter Auftritt.

Vorige. Oberförsterin (mit Kaffee, einem porzellanenen Suppennapf und einer zizzenen kleinen Jacke unter dem Arm.)

Oberförsterin. Hier ist Suppe und Kaffee, was Du nun willst – was Du willst. Und da – da habe ich ein Jäckchen, das Du vor vier Jahren trugst – daran sieht man es ganz deutlich, daß Du gewachsen bist. O ich habe so eine Freude, daß Du gewachsen bist! Ich wollte – ia ich wollte – –

Oberförster. Daß Dir das Maul zuwüchse! (ab.)

Obfstn. (ihm nach.) Ia, damit wäre Dir übel gerathen. (zu Friedriken.) Mein liebes Kind, wenn –

 

Eilfter Auftritt.

Oberförsterinn. Friedrike.

Friedrike. Wir wollen ihm nachgehen. Was meinen Sie? nicht wahr?

Oberförsterinn. Nicht doch, Kind! Dableiben. Nicht nachgehen.

Friedrike. Ich mögte gern ieden Augenblick unter Ihnen Beiden theilen – –

Obfstn. Das wollen wir hernach. Jezt laß ihn –

Friedrike. Aber –

Obfstn. Ei was. Wer sich um iedes Gesicht bekümmern wollte, das einem die Männer machen – und vollends Der! Der ist noch eben so, wie er sonst war. Ia, was habe ich mir nicht für Mühe gegeben, den Mann zur Raison zu bringen – aber da ist Hopfen und Malz verlohren. Ia was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Gelärmt, gebrummt, geschimpft, geflucht, turbirt, von früh – bis in die sinkende Nacht. Da ist kein Ende und kein Anfang. – Nun – trink ein Täßchen, schenk Dir ein.

Friedrike. Sorgen Sie nicht – ich werde mich nicht vergessen.

Obfstn. Oder nimm Suppe – was Du willst – wie Du willst. (als ob ihr auf einmal etwas einfiele, mit altmütterlicher Art.) Ich will denn doch lieber zusehen, wo er geblieben ist, daß er mir nicht etwa gar ausgeht. (ab.)

 

Zwölfter Auftritt.

Friedrike allein.

Anton – Anton! Du willst mich lieben, und gehst fort, da ich komme? Er muß böse auf mich sein; – gewiß, gewiß! – sonst wäre er hier. Indeß, auf gleichgültige Dinge zürnt man ia nicht – also liebt er mich doch! Anton! lieber viel Zorn, als Kälte.

 

Dreizehnter Auftritt.

Friedrike, Oberförsterin.

Oberförsterin. Wo mag er doch sein? Gewiß trabt er draußen im Garten herum und brummt. – Noch nicht getrunken? Ia, heutiges Tages hungern sich die Mädchen die Schwindsucht an den Hals, um nur die Taille nicht zu verderben. (Friedrike trinkt.) Nun Kind, wie stehts? Hat der Abschied von der Stadt Dir viele Thränen gekostet?

Friedrike. O nein! mit freudigem Herzen eilte ich hieher.

Obfstn. Kind, Kind verstelle Dich nicht. Die vielen hübschen iungen Herren – Vier Jahr in der Stadt – ein hübsches Mädchen – mach mir nicht weiß, daß Du keinen Liebhaber gehabt hättest, ich bitte Dich: mach mir das nicht weiß.

Friedrike. Nun – wenn auch einige mir versichert hätten, daß – daß – liebe Mutter, ich lasse keinen Liebhaber zurück.

Obfstn. Dein Herz ist also noch frei?

Friedrike. Ich sage Ihnen, daß ich die Stadt gern verlassen habe.

Obfstn. Brav, brav. Du sollst hier ein Partiechen thun – Nun seht doch? Feuerroth über und über. Der iunge Musie Zeck – was sagst Du dazu? Und Anton – heirathet Mamsell Kordelchen – da ist Vieren geholfen. Gelt? Ia, mein liebes Kind, das habe ich auf dem Amte so gut, als richtig gemacht.

Friedrike. (erschrocken.) So?

Obfstn. Und meinen Alten? Sorge nicht, den bringe ich auch noch herum.

Friedrike. (vergnügt.) Will der nicht?

Obfstn. (schnell.) Durchaus nicht.

Friedrike. Man muß ihm wohl seinen Willen lassen – das Widersprechen macht ihn böse.

Obfstn. Das will ich auch nicht. Du sollst ihn darauf bringen.

Friedrike. Wie? ich?

Obfstn. Sollst mir ihn bereden helfen.

Friedrike. Das wird sich wohl nicht schicken –

Obfstn. Und, liebes Kind – wenn Du heirathest – nur gleich auf die Autorität gehalten! Auf die Autorität gehalten! sonst geht Dir es so, wie mir.

Friedrike. Gott machte mich recht glücklich, wenn ich einst in so einer Ehe lebte, wie Sie –

Obfstn. Hm – mein liebes Kind! Ehestand ist Wehestand – (sich was zu gute thuend.) – indeß –

Friedrike. (mit Wärme.) Sie sind sehr glücklich. In der Stadt habe ich so wenig gute Ehen gesehen, daß ich nur vor dem Wort »Heirath« zittre. Der gute Vater! Er liebt Sie so herzlich.

Obfstn. Ia ia, das ist wahr. Das muß man sagen. Alles was Recht ist – das thut er.

Friedrike. Er würde ohne Sie nicht leben können.

Obfstn. I nun – ich – wenn ich – es ärgert mich nur, daß er so ein Brummbär ist – aber ich halte doch große Stücke auf ihn.

Friedrike. (sie bei der Hand fassend.) Ia wohl, das weiß ich.

Obfstn. Wenn er mannichmal Abends von der Jagd kömmt, und seinen Husten kriegt, so wird es mir recht ängstlich. Er war neulich einmal ein bischen krank – nun, so meinte ich doch nicht anders, als das ganze Dorf wäre mir zu enge! – Wenn er nur ein paar Tage über Feld muß – und Mittags ist sein Plaz leer – oder ich seh ihn Abends unter der Linde sein Pfeifchen nicht rauchen: so ist mir ganz wunderlich zu Muthe. Ich gehe im Dorfe zu diesem und ienem – die Leute sind such alle recht nachbarlich und gut. – Da ist auch wohl der Schulz gekommen. Nun, lieber Gott – es ist ein guter Mann, der Schulz, ein braver Mann! Aber es ist doch mein Alter nicht – nein, es ist mein Alter nicht.

Ein Bursche. – Der Herr schickt mich aus dem Garten – ich sollte die Frau fragen, ob sie nun nach der Thür gesehen hätte? sollte ich sagen.

Obfstn. Ia, ia – ich hätte darnach gesehen. (Bursche ab.) Nun aber doch zur Kuriosität, komm einmal her an die Thür. (sie gehen beide hin und Fried. wird an der Thür gemessen.) Richtig, einen Kopf bist Du gewachsen – einen ganzen Kopf. Aber über den Anton wirst Du Dich wundern – der ist lang – mächtig in die Höhe geschossen!

Friedrike. Es soll ein schöner Mann geworden sein.

Obfstn. Kind, sag das nicht, daß es sein Vater hört; denn wenn ich sage: »Es ist ein Mann, er muß heirathen!« so sagt er: »Es ist ein Bube, er solls bleiben lassen.«

Friedrike. So – darum –

Obfstn. Nun sieh, mein Goldmädchen, das ist es ia eben, was ich sage. Darum ist ia alle Tage der ewige Zank. Ich sage ihm auf die beste Art von der Welt, daß er Unrecht hat; aber was hilfts? Er glaubt es nicht.

Friedrike. Er wird freilich einwenden –

Obfstn. Wunderliches Zeug: »das Mädchen wäre unglücklich, die den Jungen iezt kriegte; er müste erst ausbrausen; das hieße ein armes Weib betrügen« und was es mehr ist. Ei – mit meinem Anton denke ich keine zu betrügen. Es verkauft sich gewiß keine an ihm. Manche Jungfer aus der Stadt würde zufrieden mit ihm sein.

 

Vierzehnter Auftritt.

Vorige. Oberförster.

Oberförster. Hast Du nichts in der Küche zu thun?

Oberförsterinn. Ei – Der Bratenwender geht ohne mich.

Obfstr. Aber Deine Töpfe, Frau – Deine Töpfe!

Obfstn. Haben alle Feuer.

Obfstr. Nun – Du magst dableiben. Auf Treue und Glauben, daß Du still sein willst. Riekchen! – ich habe mir vorgenommen, diesen Mittag eine kleine fröliche Tischgesellschaft zu bitten. Du sollst sie aussuchen. – Im Hause sind – Du – hier die Stumme, ich und Anton. Wen willst Du noch haben?

Friedrike. Da ich wählen darf – Erstlich, Ihr lieber Pfarrer –

Obfstr. Gut – brav! der sizt bei mir. Oder – ia, so solls sein. Du in der Mitte, wir beide an Deiner Seite.

Obfstn. (schnell.) Ei, wo denkst Du hin? – das geht ia nun und nimmermehr an.

Obfstr. Pst – Oder – – Weiter!

Obfstn. Zwar ia. Der Amtmann kann bei mir sizzen – und die Amtmannin – –

Obfstr. Was giebts?

Obfstn. Nun?

Obfstr. Was giebts mit dem Amtmann? Was soll der hier? ? –

Obfstn. Nun – ich will doch hoffen, daß Du den mit herbitten läßt!

Obfstr. Donner und Wetter! – (geht umher.)

(Zugleich:)

Friedrike. O lieber Vater, sein Sie nicht böse!

Obfstn. Kind, den mußt Du wahrhaftig bitten!

Obfstr. Ich mag nicht.

Obfstn. Aber Kind, bedenk doch –

Obfstr. Ich will nicht.

Obfstn. Warum denn nicht?

Obfstr. Das Essen schmeckt mir nicht – der Wein widersteht mir – ich kann nicht froh sein, wo das Volk ist.

Obfstr. Ach Du mein Himmel! das giebt einen schrecklichen Lerm. (der Oberförster geht die Länge des Zimmers durch.) Das ganze Dorf weiß, daß wir uns auf den Tag gefreuet haben, – daß wir Gäste bitten wollten. Bitten wir die nicht, so ist ia die pure klare Feindschaft angekündigt – hm – – Riekchen! hm!

Obfstr. Ich bitte niemand zum Essen, um ungesund nach Hause zu gehen; noch weniger glaube ich, iemand damit eine Ehre zu erzeigen. Es sind gute Freunde, denen ich Gelegenheit geben will, mit mir froh zu sein. Ich bin kein Freund vom Amtmann. Das kann ich ihm nicht bergen, und mag es ihm nicht bergen. Sind wir an einem Tisch, und ein Glas Wein hat mich froh gemacht, so spreche ich, was ich denke – was ich denke. Und der Mann, der nach einem Glase Wein noch verstecken kann, was er denkt – ist mein Mann nicht.

Obfstn. Ei man muß mit iedermann in Frieden leben.

Friedrike. Thun Sie es doch nur diesmal.

Obfstn. Das wird ein Aufsehen geben! Und am Ende käme es gar auf das arme Mädchen. Dann sieht es aus, als wenn die Schuld an dem Hader wäre. – Nun thu es doch – einmal ist ia nicht immer.

Friedrike. Entschließen Sie Sich; einmal ist ia nicht immer.

Obfstr. (denkt nach.) Hm – ia. Ich wills thun. Aber, wenn sie mir grade gegenüber, oder dicht an der Seite zu sizzen kommen: so gehe ich davon, und esse im Hirsch.

Obfstn. Also sollen sie gebeten werden?

Obfstr. Ia. Aber hahaha! Du wirst sehen, es wäre besser, ich hätte es bleiben lassen. – Ich bitte mir nun auch noch einen guten Freund dazu.

Obfstn. Wen denn?

Obfstr. Den Schulzen.

Obfstn. Ei bewahre! das ist ia gegen den Respekt.

Obfstr. Entweder der Amtmann und der Schulz, oder keiner von beiden.

Obfstn. Nun – meinetwegen.

Obfstr. Das wäre also richtig. Jezt tummle Dich. Und Du, Riekchen – da sind die Schlüssel – geh heute zum erstenmale wieder in den Keller und hole uns einen Trunk.

Friedrike. (mit einiger Freude) Ach, das sind die Schlüssel, die – ach –

Obfstr. Mädchen, bist Du närrisch? Ich glaube gar, Du weinst?

Friedrike. Wie ich die Schlüssel wieder sehe, fällt mir so manches dabei ein. – Sie gaben sie mir alle Mittage selbst; der Wein, sagten Sie, schmeckte Ihnen nicht, wenn ich ihn nicht geholt hätte. Nur wenn Sie böse waren, bekam ich sie nicht. Lieber Vater, bester Vater, ich verspreche Ihnen, Sie werden sie mir alle Mittage geben. (ab.)

 

Funfzehnter Auftritt.

Oberförster. Oberförsterin.

Oberförster. Auf die schwöre ich, die Stadt hat sie mir nicht verdorben.

Oberförsterin. Gewiß nicht.

Obfstr. Meinen Hut. (sie bürstet ihn bedächtig ab. Er sucht Papiere zusammen, und spricht dabei fort.) Laß ordentlich auftragen. Adieu! ich muß ausreiten, Holz anweisen. – Schlag zehn Uhr bin ich wieder da. Sie soll nur einerlei Wein hergeben – vom besten! Hörst Du? nur einerlei. (er geht.) Adieu!

Obfstn. Alter?

Obfstr. Was ist?

Obfstn. Bist Du noch grämlich? Ia?

Obfstr. Ich weiß nicht. (geht.)

Obfstn. Du sollst nicht fort, bis Du gut bist. Man muß nicht in Groll scheiden. Es ist gar bald um einen Menschen gethan.

Obfstr. Mit Deinem einfältigen Groll! Auf den Amtmann habe ich Groll. Adieu. (er schüttelt ihr die Hand.) Plaudertasche. (geht.)

Obfstn. Gehab Dich wohl, Alter. (im Nachgehn.) Vergiß nicht zehn Uhr – Schlag zehn Uhr.

 

Ende des ersten Aufzugs.

 


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