Henrik Ibsen
Das Fest auf Solhaug
Henrik Ibsen

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ERSTER AKT

(Eine stattliche Stube mit je einer Tür im Hintergrund und auf beiden Seiten. Vorn rechts ein Erkerfenster mit kleinen runden, in Blei gefaßten Scheiben, davor ein Tisch mit einer Menge Weiberschmuck. An der Wand links ein großer Tisch mit silbernen Krügen, Bechern und Trinkhörnern. Die Tür im Hintergrund führt auf eine offene Außengalerie, von der man auf eine weite Fjordlandschaft sieht.)

(Bengt Gautesön, Frau Margit, Knut Gaesling und Erik von Haegge sitzen links um den Trinktisch. Im Hintergrunde sitzen und stehen Knuts Mannen umher; ein paar Bierhumpen machen unter ihnen die Runde. In weiter Ferne hört man Kirchenglocken zur Frühmesse läuten.)

Erik (erhebt sich vom Tische.)
Und nun, kurz und gut, was für einen Bescheid habt Ihr mir auf meine Brautwerbung im Namen Knut Gaeslings zu geben?

Bengt (schielt unruhig nach seiner Ehefrau.)
Ja, ich – ich denke nun – (Da sie schweigt:) Hm, Margit, laß uns erst hören, was Du meinst.

Margit (steht auf.)
Herr Knut Gaesling, – es war mir lange bekannt, was Erik von Haegge von Euch erzählte. Ich wußte gar wohl, daß Ihr aus einem berühmten Geschlechte stammt; Ihr seid reich an Geld und Gut, und unser königlicher Herr ist Euch sonderlich gewogen.

Bengt (zu Knut.)
Sonderlich gewogen, – das sag' auch ich.

Margit. Und sicherlich könnte sich meine Schwester keinen besseren Ehemann wählen –

Bengt. Keinen besseren; just dasselbe denk auch ich.

Margit. – wenn Ihr sie nur bewegen könnt, Neigung zu Euch zu fassen.

Bengt (ängstlich, halblaut.)
Aber, – aber, meine Liebe –

Knut (springt auf.)
Ja so, Frau Margit! Ihr meint, daß Eure Schwester –?

Bengt (sucht ihn zu beruhigen.)
Nicht doch, Knut Gaesling! Nicht doch! Versteht uns nur recht!

Margit. Meine Worte können Euch nicht kränken. Meine Schwester kennt Euch ja nur aus den Weisen, die über Euch im Schwange sind, – und sittsamen Ohren klingen diese Weisen übel.

    Euer Väterhof ist ein unsicher Haus
    Mit all seinen wilden Gästen.
    Christ helfe der Braut, wenn tagein tagaus
    Die Fremden am Tische sich mästen!
    Christ helfe der Braut, die Eure Geschmeid'
    Und Güter und Wälder verblenden; –
    Bald wird sie sich sehnen, ein Leben voll Leid
    Im Schlummer des Grabes zu enden.

Erik. Freilich – nur zu wahr – Knut Gaesling lebt etwas wüst und zügellos. Doch dergleichen ändert sich leicht, sobald man sich eine Frau ins Haus schafft.

Knut. Und nun sollt Ihr noch folgendes vernehmen, Frau Margit. Es mag eine Woche her sein, da war ich zu einem Trinkgelag auf Haegge bei Erik, der hier steht. Das Bier war stark; und da es auf den Abend ging, tat ich das Gelübde, daß Eure schöne Schwester Signe mein Weib werden müsse, eh' noch das Jahr um sei. Nun soll man Knut Gaesling nimmer nachsagen, daß er irgend ein Gelübde gebrochen hat. Daher seht Ihr selbst, daß Ihr mich zum Mann Eurer Schwester wählen müßt, – im Guten oder im Bösen.

Margit. Bevor dies geschieht, nun, ich will's Euch nicht hehlen,
Da müßt Ihr erst andre Gesellschaft wählen;
Da dürft Ihr nicht länger, ein greulicher Troß,
Das Land durchjagen zu Wagen und Roß!
Sorgt lieber, daß nicht gleich jeder erschrickt,
Sobald sich Knut Gaesling zur Freite anschickt,
Gesittet und ruhig reitet zum Schmause,
Und laßt mir die Axt an der Wand zuhause; –
Denn Ihr wißt, wie sie los' Euch im Handgelenk sitzt,
Wenn der Met und das Bier Euch die Schläfen erhitzt.
Ehrbaren Weibern tut nichts zuleid;
Dem Handelsmann laßt seine Ware;
Und schickt nicht jedem den frechen Bescheid,
Er halte nur gleich sein Sterbhemd bereit,
Wenn er Eure Straßen befahre.
Betragt Ihr Euch so, bis das Jahr verrinnt,
So glückt's Euch vielleicht, daß Ihr Signe gewinnt.

Knut (mit verbissenem Grimm.)
Ihr wißt Eure Worte klug zu belegen, Frau Margit. Fürwahr – Ihr hättet ein Pfaff werden sollen und nicht Eures Mannes Frau.

Bengt. O, was das betrifft, so könnte auch ich wohl –

Knut (ohne auf ihn zu achten.)
Aber das mögt Ihr Euch merken – hätt' ein gewaffneter Mann auf solche Weise zu mir gesprochen wie Ihr, so –

Bengt. Nein aber, so hört doch, Knut Gaesling, – Ihr müßt uns recht verstehen!

Knut (wie vorher.)
Nun, kurz und gut, so sollt' er spüren, daß mir die Axt los' in der Hand sitzt, wie Ihr vorhin sagtet.

Bengt (leise.)
Da haben wir's! Margit, Margit, das geht nicht gut aus.

Margit (zu Knut.)
Ihr habt um ehrlichen Bescheid gebeten, und den hab' ich Euch gegeben.

Knut. Ja, ja; ich will es auch nicht so genau mit Euch nehmen, Frau Margit. Ihr habt mehr Klugheit, als wir andern alle zusammen. Da ist meine Hand; – kann sein, Ihr habt triftigen Grund zu all den scharfen Worten, die Ihr mir gesagt habt.

Margit. Das gefällt mir; da seid Ihr ja schon auf gutem Wege, Euch zu bessern. Und nun noch etwas. Wir feiern heut ein Fest auf Solhaug.

Knut. Ein Fest?

Bengt. Ja, Herr Gaesling. Ihr müßt wissen, es ist unser Hochzeitstag; heute vor drei Jahren ward ich Frau Margits Gemahl.

Margit (ihn ungeduldig unterbrechend.)
Wie ich sagte, wir feiern heut ein Fest. Wenn Ihr nun von der Kirche kommt und Eure übrigen Geschäfte erledigt habt, so reitet wieder hierher zurück und nehmt am Gelage teil. Da könnt Ihr meine Schwester kennen lernen.

Knut. Schön, Frau Margit; ich dank' Euch. Doch bin ich heut nicht ausgeritten, um die Kirche zu besuchen. Meine Reise gilt Gudmund Alfsön, Eurem Vetter.

Margit (stutzt.)
Ihm! Meinem Vetter? Wo wollt Ihr den treffen?

Knut. Sein Hof liegt ja hinter der Landspitze, auf der andern Seite des Fjords.

Margit. Aber er selbst ist sehr fern.

Erik. Sagt das nicht; er dürfte näher sein, als Ihr denkt.

Knut (raunt ihm zu.)
Schweigt still!

Margit. Näher? Was meint Ihr damit?

Knut. So habt Ihr nicht gehört, daß Gudmund Alfsön wieder im Land ist? Er kam mit dem Kanzler Audun von Haegranaes, der nach Frankreich entsandt worden war, unsere neue Königin einzuholen.

Margit. Das ist ganz richtig; aber dieser Tage wird in Bergen des Königs Hochzeit mit großer Pracht gefeiert, und da ist Gudmund dabei.

Bengt. Ja, und da hätten wir auch mit dabei sein können, wenn meine Frau gewollt hätte.

Erik (leise zu Knut.)
Frau Margit weiß also nicht, daß –?

Knut (leise.)
Es scheint so; aber laß Dir auf keine Weise etwas merken. (Laut.) Nun ja, Frau Margit, ich muß gleichwohl auf gut Glück aufbrechen; zur Abendzeit komm' ich wieder.

Margit. Und da mögt Ihr zeigen, ob Ihr Euren wilden Sinn beherrschen könnt.

Bengt. Ja, merkt Euch das!

Margit. Ihr rührt nicht an Eure Axt! Hört Ihr, Knut Gaesling!

Bengt. Weder an Eure Axt, noch an Euer Messer, noch an irgendwelche andere Wehr, die Ihr bei Euch tragt.

Margit. Denn sonst dürft Ihr niemals hoffen, mit mir verschwägert zu werden.

Bengt. Nein, das haben wir fest bei uns beschlossen.

Knut (zu Margit.)
Habt nur keine Sorge.

Bengt. Und wenn wir etwas bei uns beschlossen haben, so steht das fest.

Knut. Das gefällt mir, Herr Bengt. Ich habe dasselbe gesagt; und ich hab' nun einmal auf unsere Schwagerschaft getrunken. Ihr sollt sehen, ob ich nicht auch an meinem Wort festhalte. – Behüt' Euch Gott bis heut abend!

(Er und Erik gehen mit ihren Mannen durch den Hintergrund ab. Bengt folgt ihnen bis zur Türe. Das Glockenläuten hat mittlerweile aufgehört.)

Bengt (kommt zurück.)
Es kommt mir vor, als ob er uns drohte, als er ging.

Margit (zerstreut.)
Ja, so klang es.

Bengt. Mit Knut Gaesling ist nicht gut Kirschen essen. Zwar wenn ich's bedenke, so haben wir ihm auch allzuviel unfreundliche Worte gegeben. Na, laß uns nicht weiter darüber grübeln. Heut müssen wir lustig sein, Margit! Und ich meine, wir haben guten Grund dazu, wir beide.

Margit (lächelt mühsam.)
Ja, gewiß!

Bengt. Ich war nicht mehr ganz jung, da ich um Dich freite, – das ist wahr. Aber der reichste Mann auf Meilen und Meilen im Umkreis, das war ich wahrhaftig. Du warst eine schöne Jungfer, aus edlem Geschlecht; aber die Mitgift war nicht danach, einen Freier zu reizen.

Margit (vor sich hin.)
Und doch war ich damals so reich.

Bengt. Was hast Du gesagt, Frauchen?

Margit. Oh, nichts, nichts. (Geht nach rechts hinüber.) Ich will mich mit Perlen und Ringen schmücken. Ist es doch mein Freudenfest heut abend.

Bengt. So hör' ich Dich gern reden. Laß mich sehen, wie Du Dich in Deinen besten Staat kleidest, auf daß unsere Gäste sagen können: Glückselig sie, die Bengt Gautesön zum Mann bekommen hat! – Aber nun muß ich hinaus in die Vorratskammer; da ist heute vollauf zu tun.
(Er geht links ab.)

Margit (sinkt auf einen Stuhl am Tische rechts.)
O gut, daß er ging! Wenn er hier drinnen,
Da wird mir, als wollte mein Blut gerinnen;
Da wird mir, als hielte Wintersgewalt
Eisig mein junges Herz umkrallt.
(Unter hervorbrechenden Tränen.)
Er ist mein Herr. Ich bin sein Weib!
Wie lange hält wohl ein Menschenleib?
Ein halb Jahrhundert und mehr wohl gar; –
Und ich bin – im dreiundzwanzigsten Jahr!
(Ruhiger, nach kurzem Schweigen.)
Ja, seufze die goldene Mauer nur an,
Und harre dein Alter im Käfig heran!
(Sucht zerstreut in den Kleinodien umher und beginnt sich zu schmücken.)
Mit den Perlen und Ringen, die er mir gab,
Soll ich mich nun für ihn brüsten!
Ich wollte mich lieber zum stillen Grab
Als zu eh'lichen Festen rüsten.
(Abbrechend.)
Doch Herze, nicht länger gezagt und geklagt –
Du kennst ja ein Lied, das die Sorge verjagt.
(Sie singt:)

    Der Bergkönig ritt hinunter ins Land;
    – Wie rinnen mir harmvoll die Tage! –
    Er kam, zu frein um der Schönsten Hand.
    – Ergib Dich! Vergebene Klage! –

    Der Bergkönig ritt vor Herrn Håkons Tor;
    – Wie rinnen mir harmvoll die Tage! –
    Klein Kirstin stand fliegenden Haares davor.
    – Ergib Dich! Vergebene Klage! –

    Der Bergkönig freite das schöne Weib;
    – Wie rinnen mir harmvoll die Tage! –
    Umschlang ihm mit silbernem Gürtel den Leib.
    – Ergib Dich! Vergebene Klage! –

    Der Bergkönig steckte der Lilie hold
    – Wie rinnen mir harmvoll die Tage! –
    An jeglichen Finger drei Ringe von Gold.
    – Ergib Dich! Vergebene Klage! –

    Drei Sommer gingen und fünf dahin;
    – Wie rinnen mir harmvoll die Tage! –
    Kirstin saß immer im Berge drin.
    – Ergib Dich! Vergebene Klage! –

    Fünf Sommer gingen und gingen mehr;
    – Wie rinnen mir harmvoll die Tage! –
    Klein Kirstin bangte nach Sonne so sehr.
    – Ergib Dich! Vergebene Klage! –

    Das Tal hat Vögel und Blumenpracht;
    – Wie rinnen mir harmvoll die Tage! –
    Im Berg da ist Gold und ewige Nacht.
    – Ergib Dich! Vergebene Klage! –

(Sie erhebt sich und geht durchs Zimmer.)
Wie oft sang Vetter Gudmund das,
Wenn er abends bei Vater gesessen!
Es ist etwas drin, weiß selber nicht was,
Doch konnt' ich es niemals vergessen;
Ein Etwas, das mich einst mächtig erregt, –
Und heute noch seltsam zum Grübeln bewegt.
(Steht erschrocken still.)
Goldne Ringe! Der Gürtel um meinen Leib –!
Mit Golde freite Bergkönig sein Weib!
(Sinkt verzweifelt auf eine Bank am Tische rechts.)
Weh! Ich bin es selbst, die Bergkönig gefreit!
Und niemand erlöst mich – in Ewigkeit.

(Signe, freudestrahlend, kommt durch die Tür im Hintergrund hereingestürmt.)

Signe (ruft:)
Margit, Margit – er kommt!

Margit (springt auf.)
Wer? Wer kommt?

Signe. Gudmund, unser Vetter!

Margit. Gudmund Alfsön! Hierher! Wie kannst Du glauben –?

Signe. O, ich bin dessen gewiß.

Margit (geht nach rechts hinüber.)
Gudmund Alfsön ist mit beim Hochzeitsfest im Königsschloß; das weißt Du so gut wie ich.

Signe. Kann sein; aber dennoch bin ich sicher, er war's.

Margit. Hast Du ihn denn gesehen?

Signe. O nein, nein. Aber hör' nur –

Margit. Ja, so erzähl' doch!

Signe. Es war heut morgen; der Glocken Klang
Bewog mich, zur Kirche zu reiten;
Hell lärmte der wilden Vögel Gesang
In den Weiden und Birken zuseiten.
Es war ein Jubel in Luft und Land;
Zu spät fast kam ich zum Ziele,
Denn auf dem schattigen Pfade fand
Ich der winkenden Rosen zu viele.
Doch leise trat ich am Ende noch ein;
Der Priester stand am Altare
Und las und sang, und die fromme Gemein'
Lauschte dem Mann im Talare.
Da plötzlich klang was über den Fjord –
Die Heiligen selber vergaßen den Ort
Und drehten die Häupter wie horchend fort ...

Margit. Was war es, Signe, – sag' an, was klang?

Signe. Es war ein geheimnisvoller Gesang, –
Der zog mich aus dem gemauerten Haus
Nach Tal und Hügel der Landschaft hinaus.
Unter weißen Birken schritt ich einher,
Lauschend und fast wie im Traume;
Hinter mir stand das Gotteshaus leer;
Denn auch Priester und Gläubige litt es nicht mehr
In seinem dämmrigen Raume.
Es war ganz still auf dem Kirchensteig;
Die Vöglein selber lauschten vom Zweig,
Die Lerchen schwiegen, der Kuckuck ward stumm,
Und Felder und Höhen klangen ringsum.

Margit. Und nun?

Signe.             Da bekreuzten sich Männer und Frauen;
(Mit den Händen gegen die Brust.)
Doch mich durchfuhr ein seliges Grauen.
Ich kannte das Lied ja, zu Haus im Saal
Sang Gudmund es uns gar manches Mal,
So manchen Abend den Winter lang, –
Ich kenne doch alles, was Gudmund sang.

Margit. Und Du glaubst –?

Signe.                         Es kann gar nicht anders sein!
So schlag Deine Zweifel doch nieder!
(Lachend.)
Kommt denn nicht jedes' Singvögelein
Zuletzt aus der Fremde wieder?
Ich weiß selbst nicht – doch ich bin so froh –!
Da fällt mir ein – so mach' ich es, so!
Seine Harfe hing all die Zeiten
Da drin an der Wand. Ich nehm' sie herab
Und mach' sie zurecht und staube sie ab
Und stimme die goldenen Saiten.

Margit (geistesabwesend.)
Tu, was Dich lüstet –

Signe (vorwurfsvoll.)     Ach Margit, so nicht!
(Umfaßt sie.)
Wenn Gudmund kommt, wird Dein Sinn wieder licht,
Wie, da wir noch Kinder waren.

Margit (vor sich hin.)
Was hab' ich seit damals erfahren – –

Signe. Margit, Du solltest doch glücklich sein!
Hast Du nicht Hof und Gesinde?
Hast Du nicht kostbare Kleider im Schrein
Und Spangen und Perlengewinde?
Am Tage jagst Du den Rehen nach
Und reitest durch Wälder und Au'n;
Die Nächte ruhst Du im Frauengemach
Auf Polstern von weichstem Daun.

Margit (blickt durch das Erkerfenster.)
Und er, er spräche auf Solhaug ein?!

Signe. Was sagst Du?

Margit (wendet sich um.)
                        Nichts – geh, schmücke Dich fein!
So hoch wie ich kannst Du leichtlich steigen –
Wer weiß, wie bald –

Signe.                                 Wie sollte das sein?

Margit (streicht ihr übers Haar.)
Ich meine, – nun ja, das wird sich ja zeigen, –
Gesetzt, es stellte ein Freier sich ein –?

Signe. Ein Freier? Um wen?

Margit.                         Um Dich.

Signe (lacht laut.)                         Gute Nacht!
Der hätt' sich umsonst auf den Weg gemacht!

Margit. Doch würb' er nun wirklich um Deine Hand?

Signe. So würd' ich ihm sagen, ich sei bis zum Rand
Voll Glück, und Heiraten lockte mich nicht.

Margit. Doch wenn er Dir Macht und Besitz verspricht?

Signe. Und wär' mir selber ein König hold
Und böte mir Seide und rotes Gold,
Wie ließ ich ihm gerne das Seine.
Ich hab' mich doch selber, was frag' ich danach,
Und den Sommer, die Sonne, den rauschenden Bach
Und Dich und die Vöglein im Haine.
O liebste Schwester, – ich bleib', wo ich bin;
Der König bekommt keine Königin;
Denn ich hab' keine Zeit und zu fröhlichen Sinn!
(Sie eilt singend links hinaus.)

Margit (nach einer Pause.)
Gudmund Alfsön sollte hierher kommen? Hierher – nach Solhaug? Nein, nein, das kann nicht sein. – Sie hätte ihn singen hören. So sagte Signe. Wenn ich die Tannen rauschen hörte tief drinnen im Wald, wenn ich den Wasserfall donnern hörte und die Vöglein locken in den Wipfeln der Bäume, da kam es mir oft genug vor, als ob Gudmunds Lieder in all das sich mischten. Und doch war er weit von hier, – Signe hat sich getäuscht. Gudmund kommt nicht.

Bengt (in geschäftiger Eile, ruft aus dem Hintergrund.)
Ein unerwarteter Gast, liebe Frau!

Margit. Wer denn?

Bengt. Gudmund Alfsön, Dein Vetter. (Ruft durch die Tür rechts hinaus.) Die beste Gastkammer instand setzen – und das sofort!

Margit. Ist er denn schon auf dem Hof?

Bengt (blickt über die Außengalerie hinaus.)
Noch nicht; aber lange wird es nicht währen. (Ruft wieder rechts hinaus.) Das geschnitzte Eichenbett mit den Drachenköpfen! (Tritt zu Margit.) Sein Waffenträger brachte Gruß und Botschaft von ihm; er selbst folgt ihm nach.

Margit. Sein Waffenträger? Kommt er mit Waffenträgern hierher?

Bengt. Ja, das wollt' ich meinen. Ein Waffenträger und sechs gerüstete Mannen sind bei ihm. Na ja, Gudmund Alfsön ist auch jetzt ein ganz andrer Mann denn damals, als er auf die weite Reise auszog. Aber ich muß hinunter und ihn empfangen. (Ruft hinaus.) Legt den Sattel von Goldleder auf mein Roß! Und vergeßt nicht den Zaum mit den Schlangenköpfen! (Blickt wieder hinaus.) Au, da ist er schon an der Hecke! Na, dann meinen Stab her – den mit dem silbernen Knopf! Solch ein Herr, – Gott straf' mich – er muß mit Ehren empfangen werden, mit großen Ehren.
(Er geht durch den Hintergrund ab.)

Margit (grübelnd.)
Ein armer Gesell, so zog er einst aus,
Nun kommt er mit Knappen und Mannen nach Haus.
Was will er? Ob er zu schauen begehrt,
Wie bitter mich Kummer und Weh versehrt?
Lockt ihn, zu prüfen, wie viel ich ertrage,
Bevor ich gebrochenen Herzens verzage?
Meint er, daß –? Ah, prüfe nur fein;
Du sollst Deiner Freude betrogen sein!
(Sie winkt durch die Tür rechts hinaus.)

(Drei Mägde kommen herein.)

Margit. Merkt auf, meine Kinder. Vor allem schafft
Ihr mir den Mantel aus blauem Taft.
Dann folgt mir zur Kammer an Euer Amt
Und kleidet mich prächtig in Pelz und in Samt.
(Zu zweien von ihnen.)
Ihr hüllt mich in Scharlach und Hermelin.
(Zur dritten.)
Du sollst mir mit Perlen das Haar durchziehn
(Zu allen.)
Nun nehmt meinen Schmuck und tragt ihn hinaus!
(Die Mägde gehen mit dem Schmuckkästchen links ab.)
So will ich's! Ich bin ja in Bergkönigs Haus.
Heut stell' ich einmal meinen Brautstaat aus.
(Sie geht links ab.)

(Bengt führt Gudmund Alfsön über die Außengalerie im Hintergrunde herein.)

Bengt. Und noch einmal, – Heil Euch unter Solhaugs Dach, meiner Frauen Vetter!

Gudmund. Ich dank' Euch. Und wie geht es ihr? Sie fühlt sich doch wohl in jeder Hinsicht, will ich hoffen?

Bengt. Ja, darauf könnt Ihr schwören, das tut sie. Es fehlt ihr nichts. Mit ganzen fünf Zofen kann sie schalten und walten; ein trefflich gesattelt Roß steht bereit, sobald sie nur danach lüstet. Na, kurz gesagt, sie hat alles, was ein sittsam Weib begehren kann, um mit seiner Lage zufrieden zu sein.

Gudmund. Und Margit, – sie ist denn auch wohl zufrieden?

Bengt. Gott und jedermann sollte glauben, sie müßt' es sein; aber seltsam genug –

Gudmund. Was meint Ihr?

Bengt. Ja, Ihr mögt es nun glauben oder nicht, es kommt mir so vor, daß Margit munterer war, da sie noch in dürftigen Verhältnissen lebte, als seit sie Herrin auf Solhaug ward.

Gudmund (vor sich hin.)
Ich wußte es doch; es mußte so kommen.

Bengt. Was sagt Ihr, Vetter?

Gudmund. Ich sage: höchlich wundert mich, was Ihr da von Eurer Frau erzählt.

Bengt. Ja, meint Ihr nicht, daß es mir ebenso geht? Ich will nimmermehr ein ehrlicher Gutsherr heißen, wenn ich weiß, was sie sich noch wünschen könnte. Ich bin den ganzen Tag um sie, und niemand wird mir nachsagen können, daß ich sie streng hielte. Alle Aufsicht über Haus und Hof hab' ich auf mich genommen; – und nichtsdestoweniger –. Na, Ihr wart ja immer ein lustiger Gesell; ich denke wohl, Ihr bringt Sonnenschein mit. – Pst, da kommt Frau Margit! Laßt Euch nicht anmerken, daß ich –

(Margit kommt in reicher Tracht von links.)

Gudmund (geht ihr entgegen.)
Margit, – liebe Margit!

Margit (bleibt stehen, sieht ihn befremdet an.)
Verzeiht mir, Herr Ritter; aber –? (Als ob sie ihn jetzt erst erkenne.) Fürwahr, irr' ich nicht, so ist das Gudmund Alfsön. (Streckt ihm die Hand entgegen.)

Gudmund (ohne die Hand zu ergreifen.)
Und Du kanntest mich nicht gleich wieder?

Bengt (lachend.)
Nein, aber Margit, an was denkst Du nur immer? Ich hab' Dir doch vorhin gemeldet, daß Dein Vetter –

Margit (geht nach dem Tische rechts hinüber.)
Zwölf Jahre sind eine lange Zeit, Gudmund. Das grünste Kraut kann zehnmal verderben derweilen –

Gudmund. Sieben Jahre sind's, seit wir uns zuletzt gesehen haben.

Margit. Nein gewiß, es muß länger her sein.

Gudmund (sieht sie an.)
Ich möcht' es fast glauben, aber es ist doch so, wie ich sage.

Margit. Ganz seltsam. Ich war doch sicherlich noch ein Kind damals; und das scheint mir eine ewig lange Zeit her zu sein, daß ich Kind war. (Läßt sich in einen Stuhl fallen.) Setzt Euch doch, lieber Vetter! Ruht Euch aus; heut abend sollt Ihr tanzen und uns mit Eurem Gesang erfreuen. (Mit einem gezwungenen Lächeln.) Ja, Ihr wißt wohl, wir sind heute gar fröhlich auf dem Schloß – wir feiern ein Fest.

Gudmund. Das ward mir gesagt, gerade als ich den Hof betrat.

Bengt. Ja, heute vor drei Jahren ward ich –

Margit (abschneidend.)
Mein Vetter hat es schon gehört. (Zu Gudmund.) Wollt Ihr nicht Euren Mantel ablegen?

Gudmund. Ich dank' Euch, Frau Margit. Aber es kommt mir vor, als sei es kalt hier, kälter – als ich erwartet hätte.

Bengt. Da bin ich dagegen in hellem Schweiß. Aber ich hab' auch vollauf zu tun. (Zu Margit.) Laß nur unserem Gast die Zeit nicht lang werden, während ich draußen bin. Ihr könnt ja zusammen schnacken von alten Tagen. (Will gehen.)

Margit (unentschlossen.)
Gehst Du? Willst Du nicht lieber –?

Bengt (lachend, zu Gudmund, während er zurückkommt.)
Seht Ihr wohl; Herr Bengt auf Solhaug ist der Mann, der mit Weibervolk umzugehen versteht. Keine Stunde, noch so kurz, kann meine Frau ohne mich sein. (Zu Margit, indem er sie unter das Kinn faßt.) Tröst' Dich; ich werd' bald wieder bei Dir sein.
(Er geht durch den Hintergrund ab.)

Margit (vor sich hin.)
O, Qual und Harm, all das leiden zu müssen!

(Kurze Pause.)

Gudmund. Wie geht's Eurer lieben Schwester?

Margit. Ich danke; ganz gut.

Gudmund. Mir wurde gesagt, sie ist bei Euch.

Margit. Sie ist auf Solhaug hier, seit er –
(Bricht ab.)
Vor drei Jahren kam sie mit mir hierher.
(Nach kurzer Pause.)
Sie tritt gewiß gleich selber an.

Gudmund. Sie war einst so heiter und herzensrein,
So fremd allen Listen und Ränken;
Glaub' ich ihr Blauauge vor mir zu sehn,
So muß ich an Engel denken.
Doch viel kann in sieben Jahren vergehn.
Sagt mir, – während ich fern vom Norden,
Ist auch sie eine andre geworden?

Margit (gezwungen scherzend.)
Auch sie? Gewöhnt man bei Hofe sich,
So artig mit Frau'n zu verkehren?
Ihr mahnt mich daran, was die Jahre lehren –

Gudmund. Ach Margit, verstellt Euch nicht gegen mich.
Einst mochtet Ihr Schwestern so gut mich leiden,
Und als ich fort sollte, da weintet Ihr beiden
Und wolltet mir schwesterlich Treue bewahren
In Leid und Lust, in Glück und Gefahren
Ihr überstrahltet der Jungfrauen Kreis;
Weit, weit im Lande scholl Euer Preis –
Und heute noch seid Ihr ein Weib voll Wonnen.
Doch Solhaugs Herrin, ich merk' es, sie reut
Des armen Verwandten. So kalt seid Ihr heut,
Die ihr einst mir so freundlich gesonnen.

Margit (fast von Tränen erstickt.)
Ja einst –!

Gudmund (blickt sie teilnehmend an, schweigt und sagt dann mit gedämpfter Stimme:)
                Wir wollen von damals reden, –
So war es ja auch Eures Gatten Begehr.

Margit (heftig.)
Nein, nein, nicht davon!
(Ruhiger.)
                                    Es fällt mir zu schwer,
Mich dran zu erinnern; ich lern's nimmermehr.
Sprecht lieber von Euren Fahrten und Fehden; –
Die Zeit verrann wohl an Taten nicht arm;
Ihr kämt wohl sobald nicht zu Ende!
Da draußen die Welt ist ja weit und warm, –
Da sind Sinn und Gedanken behende.

Gudmund. Und doch! Nie lacht' ich am Hofe so hell,
Als da ich daheim noch, ein armer Gesell.

Margit (ohne ihn anzusehen.)
Und ich – ich preis' mich zu allen Tagen,
Daß mich der Himmel nach Solhaug verschlagen.

Gudmund. Wohl Euch, sofern Ihr Euch preisen könnt –

Margit (heftig.)
Und hat mir das Schicksal nicht alles gegönnt?
Leb' ich nicht frei und geehrt dahin?
Folgt man mir nicht, sobald ich befehle?
Hier bin ich die Erste, die Herrscherin,
Und Ihr wißt, danach brannte mir immer die Seele.
Ihr dachtet, Ihr fändet ein kummermüd Weib;
Doch Ihr seht, ich bin munter an Seele und Leib.
Seht, deshalb brauchtet Ihr nicht zu kommen, –
Die Reise dürfte Euch wenig frommen.

Gudmund. Was meint Ihr, Frau Margit?

Margit (erhebt sich.)               Ich weiß es genau,
Was Euren Besuch mir beschieden.

Gudmund. Und billigt ihn nicht, meine edle Frau?
(Grüßt und will gehen.)
So lebt denn wohl – Gott schenk' Euch Frieden!

Margit. Wenn Ihr beim König geblieben wärt,
Es hätte Euch wahrlich höher geehrt.

Gudmund (bleibt stehen.)
Beim König? Ihr spottet noch meiner Not?

Margit. Eurer Not? Nun, Vetter, hoch müßt Ihr streben!
Wozu sich wohl noch Eure Wünsche erheben!
Ihr könnt Euch kleiden in Sammet rot,
Seid ein Königischer, habt Gut und Geld –

Gudmund. Ihr wißt ja doch, wie es damit bestellt.
Ihr sagtet, man hatte Euch zugetragen,
Warum ich hierher kam –

Margit.                               Nun, und was dann?

Gudmund. So wißt Ihr doch, wie mich das Schicksal geschlagen,
Und wißt doch, daß ich ein friedloser Mann.

Margit (schreckensstarr.)
Friedlos! Du, Gudmund!

Gudmund.                         Ja, wie Ihr wohl wißt.
Doch schwör' ich Euch zu beim heiligen Christ,
Hätt' ich geahnt, wie Ihr mir geneigt,
Ich hätte mich nimmer auf Solhaug gezeigt.
Ich meinte, Ihr fühltet mit mir noch mit,
Wie damals, als ich von dannen ritt.
Doch nur keine Gnade! Der Wald ist groß,
Mein Bogen wird mich ernähren;
Mir gnügt ein Tisch aus Fels und Moos
Und als Kammer das Loch eines Bären.
(Will gehen.)

Margit (hält ihn zurück.)
Friedlos! Nein, bleib! Ich schwöre Dir,
Ich wollte Dich nur überlisten.

Gudmund. Es handelt sich um mein Leben hier,
Und sein Leben will jedermann fristen.
Ich lag wie ein Hund drei Nächte im Freien;
In den Bergen ruht' ich mein müdes Gebein
Und lehnte mein Haupt an das Felsgestein.
Mir Obdach zu betteln in fremden Hofteien,
Das schien mir zu große Erniedrigung;
Mein Mut war so keck; meine Hoffnung so jung!
Ich dachte: nun kommst du nach Solhaug in Bälde,
Da bist du aus deiner Feinde Klauen;
Da findest du Freunde; auf die kannst du bauen, –
Doch Hoffnungen sind wie Blumen vom Felde.
Wohl zeichnete mich Euer Eheherr aus
Vor gastlich geöffneten Toren; –
Doch öde dünkt mich nun Euer Haus;
Die Halle ist düster, die Freundschaft verloren.
Nun gut; so zieh' ich denn wieder dahin.

Margit (flehentlich.)
O hör' mich!

Gudmund.       Mein Sinn ist kein Sklavensinn.
Nun dünkt mich das Leben unselige Gabe;
Ich achte es fast für nichts mehr wert.
Ihr habt mir das Herz im Leibe verkehrt,
Daß ich all mein liebliches Hoffen begrabe.
Fahrt wohl, Frau Margit!

Margit.                               Nein, Gudmund, bleib!
Bei Gott und den Heiligen –!

Gudmund.                               Leb' und treib
Deine Tage in Freuden und Ehren;
Nie soll mein Fuß Herrn Bengtens Weib
Die Schwelle wieder beschweren.

Margit. Halt ein! Dein bitteres Wort kann Dich
Sonst leicht noch drücken und nagen.
Hätt' ich gewußt, daß ein Friedloser sich
Hierher durch die Lande geschlagen, –
So pries ich die Stunde tausendfach,
Da Du Schutz begehrtest von Solhaugs Dach;
So pries ich als frohestes Festgeschenk,
Daß der Friedlose kam, alter Treue gedenk.

Gudmund. Du sagst –! Wes soll ich mich nun versehn?

Margit (reicht ihm die Hand.)
Daß treue Freunde hier zu Dir stehn.

Gudmund. Doch das, was Du eben –?

Margit.                                 Ich sprach nicht wahr.
Hör' mich, so wird Dir das Ganze klar.
Für mich ist das Leben tiefschwarze Nacht;
Hab' Sonne und Sterne vergessen.
Und niemand kann meine Qualen ermessen;
Denn ich hab' meine Jugend zu Markte gebracht.
Meinen freudigen Sinn verkauft' ich um Gold;
Ich garnte mich selber in schimmernde Netze.
Glaub' mir, so kläglich sind alle Schätze,
Wenn unserm Herzen das Glück nicht hold.
Wie war unsre Kindheit hell und warm!
Unser Kleid war gering, unser Haus war arm;
Doch von Hoffnungen flog uns das Herz im Leibe.

Gudmund, (der sie unverwandt betrachtet hat.)
Und indessen gediehst Du zum reizendsten Weibe.

Margit. Kann sein; doch des Lobes Überschwall,
Das ich hörte, ward meines Glückes Fall.
Du mußtest fort nach dem fremden Lande,
Doch all Deine Weisen blieben mir drin
Im tiefen Herzen, im tiefen Sinn
Und schlugen mein klares Denken in Bande.
Diese Lieder wußten von so viel Lust
Der unerschöpflichen Menschenbrust;
Diese Lieder wußten so festliche Mär
Von Leben und Liebe. – Nun, und zum Rest
Kamen Freier von Ost und Freier von West;
Und so – so folgt' ich Herrn Bengt hierher.

Gudmund. Ach, Margit!

Margit.             Doch nur ein Kleines verging,
Da quollen schon bittere Tränen.
Nur wenn ich an Dich die Gedanken hing,
Vermocht' ich mich glücklich zu wähnen.
Wie wurden mir Solhaugs Hallen nun leer
Und die großen Stuben ein Grauen.
Wohl gasteten Ritter, Herren und Frauen,
Wohl sang mancher Skalde mir Preis und Ehr', –
Doch keiner verstand meinen wehen Mut,
Doch keiner begriff meinen Jammer; –
Ich fror, als säß' ich in felsener Kammer;
Doch schmerzte mein Haupt, doch brannte mein Blut.

Gudmund. Aber Dein Mann –?

Margit.                       Den hasse ich ja!
Sein Gold nur konnt' mich gewinnen;
Sprach er zu mir, saß er mir nah,
Ich kam vor Marter von Sinnen.
(Schlägt die Hände zusammen.)
Dies Leben hab' ich drei Jahre gelebt!
Es dünkt mich aus endlosem Wehe gewebt.
Da hieß es plötzlich, Du kämst. Du weißt es,
Ich war von Jugend auf stolzen Geistes;
So schwieg ich von meinen Kümmernissen –
Denn Du, Du mußtest ja alles wissen.

Gudmund (bewegt.)
Und darum wandtest Du kalt Dich ab?

Margit (ohne ihn anzusehen.)
Ich dachte, Du kämst, Dich heimlich zu weiden.

Gudmund. Margit, Du konntest –?

Margit.                           Nun kurz, es gab
Der Gründe genug. Doch all die Leiden
Zerblies nun ein himmlischer Frühlingswind;
Ich brauche nicht länger einsam zu schweigen;
Ich fühl' mich so leicht und frei, wie ein Kind
Unter blühenden Apfelzweigen.
(Fährt erschrocken zusammen.)
Ach, ich vergaß ja! O neue Sorgen!
Ihr Heiligen, neigt Euch mir gnädig zu!
Friedlos, sagst Du –?

Gudmund (lächelt.)     Hier bin ich geborgen
Und hab' vor des Königs Reisigen Ruh'.

Margit. Doch schienst Du noch jüngst zu Großem erwählt, –
Wie kam das nun –?

Gudmund.                   Das ist bald erzählt.
Du weißt, ich war in den fränkischen Gauen,
Dahin von Bergen zur bräutlichen Kur
Der Kanzler, Audun von Haegranaes, fuhr,
Die Prinzessin samt ihren Mannen und Frauen
Zum König zu holen. Herr Audun war
Für Weiberaugen von hoher Gefahr.
Und wen der Prinzessin Augen baten,
Den traf ihr holdseliger Zauber heiß.
Sie sprachen zusammen, sie flüsterten leis.
Worüber? Das war schwer zu erraten.
Da war's eines Nachts; ich lehnt' über Bord,
Und meine Gedanken flogen
Den weißen Möven nach gen Nord
Wohl über die weiten Wogen.
Da flüstern zwei Stimmen, – ich wende mich um, –
Es waren jene beiden.
Sie sahen mich nicht; ich saß ganz stumm –
Doch konnt' ich sie wohl unterscheiden.
Sie sah zum Kanzler beweglich auf
Und sprach: "Ach, wollte des Kieles Lauf
Zum schönen Süden uns tragen,
Und wären wir zwei auf dem Schiff allein,
Da würd' meine Stirne bald kühler sein
Und mein Herz nicht so heftig mehr schlagen!"
Er widersprach; doch sie drängte ihn keck,
Drängte mit Worten, so wilden, so heißen, –
Ich sah ihre Augen wie Sterne gleißen, –
Sie bat ihn –
(Abbrechend.)
                  Da faßte mich jäher Schreck.

Margit. Sie bat –?

Gudmund.   Ich erhob mich; sie fuhren zurück –
Ich stand allein auf des Schiffes Deck; –
(Zieht ein Fläschchen hervor.)
Doch wo sie gesessen, da fand ich dies Stück.

Margit. Und dies –?

Gudmund (mit gedämpfter Stimme.)
                  Dies enthält einen argen Saft; –
Ein Tropfen davon in des Feindes Becher, –
So siecht ihm langsam die Lebenskraft,
Und nichts mehr rettet den armen Zecher.

Margit. Und der –?

Gudmund (flüsternd.)
                War dem Könige aufgespart.

Margit. Alle Heiligen!

Gudmund (indem er das Fläschchen wieder verbirgt.)
                    Gut, daß ich ihn verwahrt. –
Drei Tage später war'n wir im Hafen.
Da floh ich heimlich mit meinen Braven;
Ich wußte, Herr Audun würde nicht ruhn,
Mich zu verdächtigen, alles tun,
Mich durch Ränke zu stürzen –

Margit.                                       Das ist nun vorbei.
Und bald ist alles wieder beim Alten.

Gudmund. Beim Alten? Nein, Margit, – da warst Du noch frei.

Margit. Wie –?

Gudmund.           Nichts. Ich muß mir die Stirne halten;
Mir ist ja so froh und freudig zu Sinn,
Daß ich wieder wie einst bei Euch beiden bin.
Doch sag', wo ist Signe –?

Margit (zeigt lächelnd auf die Tür links.)
                                        Sie kommt gleich herein.
Sie will doch vor ihrem Vetter bestehen
Und wird noch nicht ganz mit sich fertig sein.

Gudmund. Ob sie mich wiedererkennt? Laß sehen!
(Er geht links ab.)

Margit (blickt ihm nach.)
Wie schön und männlich er ist. (Mit einem Seufzer.) Welch ein Unterschied zwischen ihm und – (Räumt ein wenig auf dem Trinktisch auf, hält aber wieder damit inne.) Damals warst Du noch frei, sagte er. Ja, damals! (Kurze Pause.) Das war eine seltsame Erzählung, von der Prinzessin, die –. Sie hatte einen andern lieb, und da –. Ja, diese Weiber in den fremden Landen – ich hab' es immer gehört – die sind nicht so weichherzig wie wir; die fürchten sich nicht, einen Gedanken zur Tat zu machen. (Nimmt einen Becher vom Tische.) Aus diesem Becher tranken Gudmund und ich auf ein fröhliches Wiedersehen, da er fortzog. Er ist fast das einzige Erbstück, das ich mit nach Solhaug gebracht habe. (Stellt den Becher in einen Wandschrank.) Wie freundlich dieser Sommertag ist. Hier ist es so licht herinnen. So lieblich hat seit drei Jahren die Sonne nicht mehr geschienen.

(Signe und hinter ihr Gudmund treten von links auf.)

Signe (läuft lachend auf Margit zu.)
Hahaha! Er kennt mich nicht mehr!

Margit (lächelnd, zu Gudmund.)
Siehst Du, während Du fern vom Norden,
Ist auch sie eine andre geworden.

Gudmund. Gewiß! Doch daß dies Signe wär' –,
Nein, daran hätte ich nie gedacht.
(Ergreift Signes Hände und blickt sie an.)
Und doch, aus diesen Blauaugen lacht
Mich noch immer Dein unschuldig Kinderherz an, –
So zweifle ich denn nicht länger daran.
Es ist zum Lachen, wie anders ich
Dein Bild gehegt, – stets so, wie ich Dich
Auf dem Arm trug. Damals warst Du noch Kind;
Nun bist Du ein Elflein, gefährlich zu necken.

Signe (droht mit dem Finger.)
Ja, hüt' Dich, den Zorn dieses Elfleins zu wecken,
Damit es Dich nicht in sein Garn einspinnt.

Gudmund (für sich.)
Fast kommt es mir vor, als wär's schon geschehen.

Signe. Doch wart'! Du hast ja noch nicht gesehen, –
Ich hielt Dir auch Deine Harfe in Ehren.
(Während sie links abgeht.)
Nun mußt Du mich all Deine Lieder lehren!

Gudmund (blickt ihr nach, leise.)
Aufgesprungen zur lieblichsten Blüte,
Die noch am Morgen verschwiegen glühte!

Signe (bringt die Harfe.)
Sieh her!

Gudmund (nimmt sie.)
              Meine Harfe! Und wie sie blinkt!
(Schlägt einige Akkorde.)
Sie weiß noch wohl von den alten Klängen! –
Nun sollst du nicht länger die Wand verhängen –

Margit (vom Hintergrund.)
Da kommen schon Gäste.

Signe (während Gudmund präludiert.)
                                      Horch, – stille! Er singt!

Gudmund (singt.)
Ich streifte trüb-einsam auf Bergessteigen;
Die Vöglein sangen von allen Zweigen;
So listig sangen sie mir zu Blut:
Hör' zu, wie Liebe entstehen tut.

Sie wächst wie ein Baum mit langjährigen Ringen,
Sie nährt sich von Träumen und Sorgen und Singen.
Sie keimt so leicht – in der flüchtigsten Stund'
Faßt sie Wurzel im Herzensgrund.
(Er geht während des Nachspiels nach dem Hintergrund, wo er die Harfe fortstellt.)

Signe (wiederholt nachdenklich für sich.)
Sie keimt so leicht; in der flüchtigsten Stund'
Faßt sie Wurzel im Herzensgrund.

Margit (zerstreut.)
Sagtest Du etwas zu mir? – Ich hörte nicht zu –

Signe. Ich? Nein, nein. Ich meinte nur –
(Versinkt wieder in Träumen.)

Margit (halblaut; starrt vor sich hin.)
Sie wächst wie ein Baum mit langjährigen Ringen,
Sie nährt sich von Träumen und Sorgen und Singen.

Signe (erwachend.)
Was sagst Du –?

Margit (fährt mit der Hand über die Stirn.)
Oh, es war nichts weiter. Komm, wir müssen unsern Gästen entgegengehen.

(Bengt kommt mit einer Menge von Gästen, Männern und Frauen, über die Außengalerie herein.)

Die Gäste (singen.)
      Mit festlichem Sang und Saitenklang
      Wir über die Schwelle schreiten.
      Gott schenk' Euch Schutz Euer Leben lang
      Und Glück und Segen zu allen Zeiten!
      Mag immer ein Himmel, wie heut so blau,
                    Schloß Solhaugs Bau
                          Überbreiten!


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