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(Ein Leichenbegängnis. Pfarrer und Gemeinde. Der letzte Vers des Liedes wird gesungen. Peer Gynt kommt des Wegs.)
Peer Gynt(an der Pforte.)
Hier legen sie wohl einen Landsmann hin.
Gott Lob und Dank, daß ich's nicht bin.
(Tritt ein.)
Der Pfarrer(spricht am Grabe.)
Und nun, da seine Seele lichtwärts fliegt,
Und leer sein Leib gleich einer Hülse liegt,
Nun, liebe Freunde, sei davon gehandelt,
Wie dieser Tote unter uns gewandelt.
Er war nicht reich, nicht sonderlich von Gaben,
Von Stimme schwach, unmännlich im Gehaben,
Sein Wort kam weich und ungewiß heraus,
Und schwerlich war er Herr im eignen Haus;
Ins Kirchlein sah man ihn verlegen treten,
Als wollt' er bitten: Laßt auch mich hier beten.
Vom Gudbrandstal, Ihr wißt, war er gekommen.
Er zog hier zu, beinahe noch ein Knab'; –
Und Ihr besinnt Euch, daß er bis ans Grab
Die rechte Hand nicht aus dem Rock genommen.
Die rechte Hand im Rock, – dies Merkmal war es,
Das diesen Mann von andern unterschied,
Und dazu sein gedrücktes, sonderbares
Benehmen, wenn er uns einmalnicht mied.
Doch waren's stille Weg' auch, die er wählte,
Und blieb er auch in unsrer Mitte fremd,
So hat's uns doch zu wissen nicht gehemmt,
Daß diese Hand nur vier der Finger zählte.
Ich weiß ihn noch, vor nun so manchem Jahr,
Den Morgen des Aushebungstags zu Lunde.
Es war zur Zeit des Kriegs. In aller Munde
Der Zukunft Fragen und des Lands Gefahr.
Ich war zugegen. Vor dem Tisch saß breit
Der Hauptmann zwischen Amtmann und Sergeanten;
Und Bursch auf Bursche ward nach dem bekannten
Gebrauch geprüft, gebucht und eingereiht.
Der Raum war voll, und draußen vor den Scheiben
Scholl lautes Lachen aus dem Jugendtreiben.
Da rief man einen Namen. Einer trat
Hervor, so bleich, wie Schnee vom Gletschergrat.
Man winkte ihm; bis er zum Tisch sich tappte,
Die rechte Hand gewickelt in ein Tuch; –
Doch wie er auch nach Worten würgte, schnappte, –
Er fand nicht eines, trotz des Hauptmanns Fluch.
Bis er zuletzt, mit brennendem Gesichte,
Halb stammelt', halb hervorstieß die Geschichte
Von einer Sichel, die ihm sei entglitten –
Und ihm den Finger glatt hab' abgeschnitten.
Da ward es still – bis auf der Wanduhr Ticken.
Man kniff den Mund zu, sah sich ins Gesicht;
Man steinigte den Mann mit stummen Blicken.
Er fühlte hageln, doch er sah es nicht.
Da stand der Hauptmann auf, alt, grau, – ich seh'
Ihn noch, – spie aus, wies fort und sagte: Geh!
Er ging. Man wich ihm aus, wie einem Schatten,
Und ließ ihn Ruten laufen. Er gewann
Die Tür; da hub er blind zu rennen an; –
Und nun – hinauf durch Wälder, über Matten,
Hin über Halden, Hänge, Felsgeschütte – –.
Weit droben im Gebirg lag seine Hütte. –
Ein Halbjahr später war's dann, daß er kam,
Mit Mutter, Braut und Kind, der unsre werden.
Er pachtete sich hier ein Streiflein Erden,
Ein Stückchen Brachmark, das sonst keiner nahm.
Er schloß, sobald es ging, den Ehebund,
Er schritt zum Hausbau, brach den harten Grund;
Und mit Erfolg, wie manches Fleckchen Land
Erzählte, das da gelb in Ähren stand.
Zur Kirche kam er nur, die Hand verborgen, –
Allein daheim, wo's keiner mochte sehn,
Da schafften die neun Finger wohl für zehn. –
Da kam der Bach an einem Frühlingsmorgen.
Sein nacktes Leben rettete das Völkchen.
Er aber ging von neuem an sein Werk.
Es fiel das Laub, und aber stiegen Wölkchen
Aus einer Hütte, dicht nun unterm Berg.
Vorm Bach geschützt, – doch auch vor Schneegewehe?
Zwei Jahre später lag sie unterm Schnee.
Allein der Mann stritt weiter, unerschrocken.
Er hackte, karrte, schaufelte, grub aus, –
Und vor des nächsten Winters ersten Flocken
Stand da zum dritten Mal sein schlichtes Haus.
Drei Söhne hatte er, drei flinke Jungen;
Zur Schule sollten die, und das war weit; –
Der Anschluß an den Weg zudem bedungen
Durch einen Felsenschacht, kaum mannesbreit.
Wie half er sich! Der ältste mußt' sich placken,
So gut es ging, und wo der Steig zu steil,
Da nahm der Mann den Kletternden ans Seil;
Die andern trug er hin auf Arm und Nacken.
So stritt er Jahr um Jahr; sie wurden groß.
Verschönte nun ihr Dank des Vaters Los?
Drei reiche Herren in der Welt, der neuen,
Vergaßen bald der Heimat und des Treuen.
Er war von kurzem Blick. Was über seinen
Bezirk ging, – von dem allen sah er nichts.
Wie taube Schellen klang ihm, was für einen
Der Unsern dröhnt wie Glocken des Gerichts.
Volk, Vaterland, uraltgeheiligt Hehres,
Stand wie im Nebel vor ihm, – Blendwerk, leeres.
Doch Demut, Demut war in diesem Mann;
Seit damals trug er schon an seinem Bann,
So wahr als Scham auf seiner Wange brannte
Und seine Finger in die Tasche bannte. –
Ein Brecher des Gesetzes? Mag es sein!
Doch etwas leuchtet über dem Gesetze,
Wie dort des Berghaupts starrend Felsgestein
Noch überkrönen lichte Wolkennetze.
Ein schlechter Bürger war er. Unfruchtbar
Für Staat und Kirche. Doch am Berg da droben,
Wo er im engsten Kreis sein Glück gewoben,
Dort war er groß, weil er er selber war; –
Weil der ihm eingeborne Klang nie schwieg;
Ein Klang, wie Geigen seufzen unterm Dämpfer.
Und darum Friede Dir, Du stiller Kämpfer,
Den schuf und brach des Bauern kleiner Krieg!
Wir wollen Herz und Nieren nicht ergründen;
Gott ziemt's allein, das letzte Licht zu zünden; –
Doch dies ist meiner Hoffnung Stern und Kern:
Der Mann steht kaum als Krüppel vor dem Herrn!
(Das Leichengefolge trennt sich voneinander und geht. Peer Gynt bleibt allein zurück.)
Peer Gynt.
Sieh da, das nenn' ich noch Christentum!
Da war nichts, was einen peinlich berührte; –
Zumal dem: "Du selbst zu sein, sei dein Ruhm",
Zu dem am Schlusse die Predigt führte,
Auch an und für sich alles Lob gebührte.
(Blickt in das offene Grab.)
War's vielleicht er, der sich damals entstellte,
Als ich im Forst war und Bäume fällte?
Wer weiß es? Ständ' ich nicht mit meinem Stab
Hier an dieses Geistesverwandten Grab,
So könnt' ich denken, ich selbst läge dort
Und hörte des Geistlichen rühmend Wort
Fürwahr, ein schöner christlicher Brauch,
Einen sogenannten Erinnerungsblick
Wohlwollend über ein Leben zu werfen;
Ich hörte gar gern einst auchmein Geschick
Jenen würdigen Hirten dem Volk einschärfen.
Ich tue ja wohl noch so manchen Hauch,
Bis auch mich einst schneidet des Winzers Messer, –
Doch, wie die Schrift sagt: Besser ist besser, –
Und desgleichen: Alles zu seiner Zeit, –
Und endlich: Sorg' für ein ehrlich Begräbnis! –
Ja, die Kirche hat stets einen Trost bereit.
Ich schätzt' sie zu wenig vor diesem Begebnis;
Nun aber fühlt' ich denn doch, wie es tat,
Versichern zu hören von Männern, gelernten:
So wie du gesät hast, so wirst du ernten. –
Man selbst soll man sein, und sich und dem Seinen
In allem nachgehn, im großen und im kleinen.
Will 's Glück sich nicht fügen, so bleibt doch die Ehre,
Daß einer sein Leben geführt nach der Lehre. –
Und nun heim! Steigt der Weg noch so schmal auch und steil,
Und gibt sich das Schicksal auch noch so gefährlich, –
Der alte Peer Gynt kennt sein Sträßlein zum Heil
Und bleibt, der er ist: arm, aber ehrlich.
(Ab.)
(Eine zusammengestürzte Mühle am Bache. Der Grund aufgerissen; Zeichen der Zerstörung ringsum. Höher oben ein großer Bauernhof.)
(Oben vor dem Hofe wird eine Versteigerung abgehalten. Viel Volk ist versammelt. Zechen und Gelärm. Peer Gynt sitzt unten auf einem Schutthügel in der Nähe der Mühle.)
Peer Gynt.
Hin und zurück, 's ist der gleiche Weg.
Hinaus und hinein, 's ist der gleiche Steg. –
Die Zeit, sie zehrt, und der Bach verdorrt.
Geh drum herum, sprach der Krumme. Wahr Wort!
Ein Mann in Trauer.
Jetzt preisen sie bloß noch Plunder an.
(Erblickt Peer Gynt.)
Auch Fremde sind hier? Gott zum Gruß, guter Mann!
Peer Gynt.
Desgleichen! Hier ist heut ein lustiger Tag.
Ist hier Kindstauf' heut oder Hochzeitsgelag'?
Der Mann in Trauer.
Man weiht, möcht' ich sagen, ein Haus heut ein; –
Die Braut liegt in einem Würmerschrein.
Peer Gynt.
Und Würmer reißen sich um den Schmaus.
Der Mann in Trauer.
Das ist das End' vom Lied; dann ist es aus.
Peer Gynt.
Alle Lieder desselbigen Endes sind;
Und alle sind alt; ich kannt' sie schon als Kind.
Ein Zwanzigjähriger(mit einem Schmelzlöffel.)
Hier hab' ich den Vogel abgeschossen!
Indem hat Peer Gynt seine Knöpfe gegossen!
Ein Anderer.
Und mein Geldscheffel hier, für 'nen Schilling, 'nen ganzen?
Ein Dritter.
Und für fünftehalb hier der Hausiererranzen?
Peer Gynt.
Peer Gynt? Wer war das?
Der Mann in Trauer. Mir ist nur das klar,
Daß er Schwager vom Tod und Schmied Aslak war.
Ein Mann in grauer Kleidung.
Du vergißt ja mich! Wie kommst Du mir für?
Der Mann in Trauer.
Du vergißt auf Haegstad die Blockhaustür.
Der Mann in Grau.
Ja, ja; doch Dir hat auch alles genügt.
Der Mann in Trauer.
Wenn sie nur jetzt nicht den Tod noch betrügt! –
Der Mann in Grau.
Schwager! Einen Schnaps auf der Schwagerschaft Wohl!
Der Mann in Trauer.
Der Teufel sei Schwager! Was ist das für Kohl –
Der Mann in Grau.
Laß gut sein; das Blut ist noch nicht so verdünnt, –
Man fühlt sich noch immer verwandt mit Peer Gynt.
(Zieht mit ihm ab.)
Peer Gynt(leise.)
Man trifft noch Bekannte.
Ein Bursche(ruft dem Mann in Trauer nach:)
Gehst wieder zechen,
Kommt Mutter Dir, Aslak, nach aus der Gruft!
Peer Gynt(steht auf.)
Hier kann man nun nicht mit dem Landwirt sprechen:
Je tiefer du gräbst, desto besser der Duft.
Ein Bursche(mit einem Bärenfell.)
Die Katze von Dovre! Da seht ihr Fell!
Die war's, die's zur Weihnacht den Trollen legte.
Ein Anderer(mit einem Rentierschädel.)
Hier ist der Renbock, der wackre Gesell,
Der mit Peer Gynt einst den Gendin lang fegte.
Ein Dritter,(mit einem Hammer, ruft dem Mann in Trauer zu:)
He, Du dort, Aslak, kennst Du den Hammer?
Hast Du mit dem einst die Walnuß zerkracht?
Ein Vierter(mit leeren Händen.)
Matz Moen, hier der Mantel, der unsichtbar macht!
In dem kam Peer Gynt einst zu Ingrid in die Kammer.
Peer Gynt.
Branntwein, Jungens! Und nun laßt mich Alten
Auch noch Auktion von allerlei halten.
Ein Bursche.
Was gibt's zu kaufen?
Peer Gynt. Ich hab' ein Schloß;
Das liegt in Ronde; – aus gutem Stein!
Der Bursche.
Ein Knopf ist geboten!
Peer Gynt. Schenk' Dir eins ein!
Drunter zu bieten, das war nicht fein.
Ein Anderer.
Er ist lustig, der Alte!
(Ein Haufe schart sich um ihn.)
Peer Gynt(ruft.) Grane, mein Roß; –
Wer bietet?
Einer im Haufen.
Wo steht es?
Peer Gynt. Wo wird es sein?
Im Westen! Gen Untergang! Das kann euch traben!
So schnell hat Peer Gynt nicht gelogen, Ihr Knaben!
Stimmen.
Was hast Du noch mehr?
Peer Gynt. So Perlen wie Schaum!
Ward mit Schaden gekauft! Wird was einbringen? Kaum.
Ein Bursche.
Ruf aus!
Peer Gynt. Von einem Gesangbuch ein Traum!
Für einen Angelhaken zu haben.
Der Bursche.
Zum Teufel die Träume!
Peer Gynt. Mein Kaisertum!
Ich werf's unter Euch; Ihr mögt raufen darum!
Der Bursche.
Folgt die Krone mit?
Peer Gynt. Aus dem prächtigsten Stroh.
Setzt sie nur auf, sie paßt, so oder so.
Weiter! Ein Windei, noch wohlverwahrt!
Eines Toren Grauhaar! Ein Prophetenbart!
Alles sei dessen, – ich hinterleg' es, –
Der mir den Weiser zeigt: Hier geht's des Weges!
Der Amtmann,(der hinzugekommen ist.)
Wenn Du noch lang' Dich so gehen läßt,
Mein Mann, so führt Dein Weg zum Arrest.
Peer Gynt(mit dem Hut in der Hand.)
Glaub's wohl. Doch sag' mir, Freund, wer war
Peer Gynt?
Der Amtmann.
Du willst mich –
Peer Gynt. Warum nicht gar!
Der Amtmann.
Was weiß ich; man sagt, ein greulicher Dichter –
Peer Gynt.
Ein Dichter –?
Der Amtmann. Ja, – was nur an Großem erdacht,
Das trug er so vor, als hätt'er's gemacht.
Doch, Freund, schon zu viel von solchem Gelichter –
(Geht.)
Peer Gynt.
Und wo ist er jetzt, dieser seltsame Fant?
Ein älterer Mann.
Er fuhr übers Meer in ein fremdes Land.
Dort ging es ihm schlecht, wie vorauszusehn war; –
Jetzt ist er gehängt seit so manchem Jahr.
Peer Gynt.
Gehängt? Ganz, wie ich's gedacht mir hab'!
Der selige Gynt blieb sich treu bis zum Grab.
(Grüßt.)
Lebt wohl, – und Dank für so mancherlei heute!
(Macht einige Schritte, bleibt aber wieder stehen.)
Was meint Ihr? Soll ich Euch, wackre Leute,
Dafür ein Geschichtlein wiedererlegen?
Mehrere.
Ja, weißt Du eines?
Peer Gynt. Steht nichts dagegen. –
(Kommt näher; es gleitet etwas wie ein fremder Ausdruck über sein Gesicht.)
In San Francisco grub ich nach Gold.
Da gab es Euch Gaukler, so viel Ihr wollt.
Dem war mit den Zehen zu geigen verliehen;
Der tanzte spanischen Halling auf den Knien;
Ein dritter, erzählte man, Verse schrieb,
Indes man durchs Hirn einen Nagel ihm trieb. –
Kam auch der Teufel dazugestoben, –
Wollt', wie manch andrer, sein Glück erproben.
Seine Kunst bestanddarin: mit täuschendem Schein
Zu grunzen als wie ein leibhaftiges Schwein.
Die Persönlichkeit zog, war er gleich nicht bekannt.
Das Haus war voll, die Erwartung gespannt.
Vor trat er, in fliegendem Mantelkragen;
Man muß sich drapieren, wie die Deutschen sagen.
Doch unter dem Mantel, – von keinem gewußt, –
Verbarg sich ein Ferkel an seiner Brust.
Und so begann denn die Produktion.
Der Teufel kniff, und das Schwein gab den Ton.
Das Ganze gab sich als Phantasei
Übers schweinliche Dasein, gebunden und frei.
Ein Quieken zuletzt noch, wie unterm Stahl; –
Worauf sich der Künstler verbeugt' und empfahl.
Der Stoff ward von Fachleuten sorglich durchdacht;
Die Stimmung geschmäht oder lobend belacht;
Der Kehllaut klang doch zu dünn, meinte Kunz,
Und Hinz, daß der Todesschrei allzu studiert war –
Doch alle war'n eins, daß in puncto Gegrunz
Die Produktion denn doch äußerst outriert war. –
Seht,so ging's dem Teufel; denn er war dumm
Und berechnete nicht sein Publikum.
(Er grüßt und geht. Es fällt ein unsicheres Schweigen über die Menge.)
(In einiger Entfernung, auf einem Stück Rodeland, eine Hütte mit Rentiergehörn über der Tür.)
(Peer Gynt kriecht im Gehölz umher und sammelt wilde Zwiebeln.)
Peer Gynt.
Dies hier ist ein Standpunkt.Wie wohl gestaltet
Sich's weiter? – Prüft alles, und das Beste behaltet! –
So hab' ich's gemacht, – hoch droben von Cäsar
Bis herunter zum Grasfresser Nebukadnezar.
So sollt' ich nun doch durch die Bibel, zum Trutz! –
Der Graukopf sucht wieder an Mutters Brust Schutz. –
Von Erde, so heißt's ja auch, bist du kommen. –
Nur immer die Wampe recht voll genommen, –
Das ist's. Von Zwiebeln! Das wär' kein Segen; –
Ich will lieber schlau sein und Schlingen legen.
Hier ist Wasser im Bach; ich werd' nicht verschmachten;
Als Tier bin ich immer noch fürstlich zu achten.
Soll ich sterben einst, – und dem entrinn' ich wohl kaum, –
So kriech' ich unter 'nen windbrochnen Baum,
Und deck' mich zu, wie ein Bär, mit Blättern
Und ritz' in die Rinde mit riesigen Lettern:
Hier ruht Peer Gynt, des Landes Zier,
Kaiser von all dem andern Getier. –
Kaiser?
(Lacht innerlich.)
Noch immer das alte Geliebel!
Du bist kein Kaiser; du bist eine Zwiebel.
Jetzt will ich dich einmal schälen, mein Peer!
Es hilft dir nichts, stöhnst du auch noch so sehr.
(Nimmt eine Zwiebel und pflückt Haut um Haut ab.)
Da liegt die äußre, zerfetzte Schicht; –
Der Gescheiterte, der um sein Leben ficht.
Die Passagierhaut hier, dünn wie ein Sieb, –
Hat doch im Geschmack von Peer Gynt einen Hieb.
Hier ist das Goldgräber-Ich; – fahr hin!
Der Saft ist weg, – war je einer drin.
Dies Dickfell hier, mit dem Zipfel für zwei, –
Ist der Pelzjäger an der Hudsonsbai.
Dies gleicht einer Krone hier; – hat sich was –!
Dem geben wir ohne weitres den Paß.
Hier der Altertumsforscher, kurz aber kräftig,
Und hier der Prophete, frisch und vollsäftig.
Er stinkt von Lügen, wie's in der Schrift heißt;
Ein Duft, der ein ehrlich Mannsaug' wie Gift beißt.
Dies Blatt hier, das weichlich am Finger klebt,
Ist der Herr, der herrlich und in Freuden gelebt.
Das nächste scheint krank. Es hat schwarze Schwielen; –
Schwarz kann auf Neger wie Pfaffen zielen.
(Pflückt mehrere auf einmal ab.)
Das hört ja nicht auf! Immer Schicht noch um Schicht!
Kommt denn der Kern nun nicht endlich ans Licht?!
(Zerpflückt die ganze Zwiebel.)
Bis zum innersten Innern, – da schau' mir einer! –
Bloß Häute, – nur immer kleiner und kleiner. –
Die Natur ist witzig!
(Wirft den Rest fort.)
Verdammtes Gegrübel!
Geht eins in Gedanken, gerät's ihm oft übel.
Na,ich kann ja nichts an Haltung verlieren;
Dennich lieg' ja grundfest auf allen Vieren
(Kraut sich im Nacken.)
Wunderlich kommt mir dies Welttreiben vor!
Das Leben, wie's heißt, hat 'nen Fuchs hinterm Ohr.
Doch greift einer zu, verzieht sich der Schuft,
Und man fängt etwas andres – oder leere Luft.
(Er ist in die Nähe der Hütte gekommen, bemerkt sie und stutzt.)
Diese Hütte? Im Kiefernwald –! Hm!
(Reibt sich die Augen.)
Mir ist just,
Als hätt' ich einmal um dies Bauwerk gewußt. –
Der Rentierkopf, der von der Tür herab glänzt – –!
Ein Meerweib, vom Nabel an fischgeschwänzt –!
Lüge! Kein Meerweib! – Nägel, – Planken, –
Schloß wider tückische Koboldgedanken –!
Solvejg(singt in der Hütte.)
Nun ist hier zur Pfingstfeier alles bereit.
Lieber Junge mein, in der Ferne, –
Bist Du noch weit?
Dein Werk, das harte,
Schaff's nur gemach; –
Ich warte, ich warte,
Wie ich Dir's versprach.
Peer Gynt(erhebt sich still und totenbleich.)
Eine, die Treue hielt, – und einer, der vergaß.
Einer, der ein Leben verspielt, – und eine, die wartend saß.
O, Ernst! – Und nimmer kehrt sich das um!
O, Angst! –Hier war mein Kaisertum!
(In den Wald hinein ab.)
(Ein Waldbrand hat gewütet. Verkohlte Baumstämme meilenweit. Weiße Nebel hier und dort über dem Waldboden.)
(Peer Gynt kommt durch den Wald gehastet.)
Peer Gynt.
Asche, Nebel, Wolken Staubes, –
Bauherr, schwing den Zauberstab!
Über Pesthauch faulen Laubes
Wölb' ein übertünchtes Grab!
Dunst, Traum, totgeboren Wissen –
Damit sei der Grund umrissen,
Drüber sich der Turm der Lüge
Stein um Stein zusammenfüge.
Flucht vor Ernst und Scheu vor Buße
Prahl' von ihm mit frechem Gruße
Allen Richtungen der Rose:
Dies schuf Peter Gynt, der Große!
(Lauscht.)
Welch ein Weinen – wie von Kindern –?
Welch ein neuer Spuk und Greuel –?
Und am Boden rollen Knäuel –!
(Stößt mit dem Fuß danach.)
Wollt Ihr mich am Gehen hindern?
Die Knäuel.
Wir sind Gedanken;
Hast Du gedacht uns,
Tanzen auf schlanken
Füßen gemacht uns?
Peer Gynt(geht um sie herum.)
Einer kam durch mich ans Licht; –
Ward ein schiefer, schieler Wicht!
Die Knäuel.
Wir hätten sollen
Wie Vögel ins Blaue, –
Statt hier zu rollen
Als Garnknäuel, graue.
Peer Gynt(stolpert.)
Knäuel! Tropf! Was fällt Dir ein!
Stellst dem eignen Vater Bein!
(Flüchtet.)
Welke Blätter(fliegen vor dem Winde.)
Wir sind eine Losung;
Hast Du gesprochen uns? –
Des Staubs Liebkosung
Hat kläglich gebrochen uns.
Der Wurm zerfraß uns
Bis zu Skeletten;
Dein Geiz vergaß, uns
Um Früchte zu betten.
Peer Gynt.
Kamt doch nicht umsonst zur Erden;
Könnt noch bester Dünger werden.
Sausen in den Lüften.
Wir sind Lieder;
Hast Du gesungen uns? –
Tausendmal nieder
Hast Du gezwungen uns.
In Deiner Seele
Lagen und harrten wir; –
Nimmer nun warten wir.
Gift in Deine Kehle!
Peer Gynt.
Giftin Dich, Du dumm Gesing'!
Hatt' ich Zeit zu Versgekling?
(Schlägt sich durch Gebüsch.)
Tautropfen(tropfen von den Zweigen.)
Wir sind Zähren; –
Hast Du vergossen uns?
Winter zu wehren,
War einst erschlossen uns.
Dein Herz rief leise; –
Du bliebest achtlos.
Nun starrt's von Eise, –
Und wir sind machtlos.
Peer Gynt.
Hab' geflennt im Dovreschlosse, –
Flog zuletzt doch in die Gosse!
Gebrochene Halme.
Wir sind Taten; –
Hast Du bestellt uns?
Weh, nur verraten,
Geknickt und zerspellt uns!
Am jüngsten Tage
Kommen wir allzusamt
Und führen Klage, –
So wirst Du verdammt.
Peer Gynt.
Mir auch noch, verwünschtes Treiben,
Was ich nicht tat, anzuschreiben!
(Hastet davon.)
Aases Stimme (aus der Ferne.)
Pfui, so ein Hingejag'!
Schön hast Du umgekippt!
Schnee fiel den ganzen Tag; –
Arg wurd' ich eingestippt. –
Falsch hast gefahren mich;
Sah nichts vom Schlosse;
Der Teufel hielt zum Narren Dich
Mit der Hühnerstallsprosse!
Peer Gynt.
's Beste, sich von hier zu drücken!
Zu den Sünden, die dich plagen,
Auch noch die des Teufels tragen, –
's ist zu schwer für einen Rücken.
(Eilig ab.)