Henrik Ibsen
Komödie der Liebe
Henrik Ibsen

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DRITTER AKT

(Abend und klarer Mondschein. Rings an den Bäumen brennen farbige Lampions. Im Hintergrund gedeckte Tische mit Weinflaschen, Gläsern, Kuchen usw. Aus dem Hause, dessen Fenster sämtlich erleuchtet sind, hört man während der folgenden Auftritte gedämpftes Klavierspiel und Gesang. Schwanhild steht an der Veranda. Falk kommt von rechts mit einigen Büchern und einer Schreibmappe unter dem Arm. Der Hausdiener folgt ihm mit einem Koffer und einer Reisetasche.)

Falk.
Das ist wohl alles?

Der Hausdiener.   Ja, das wär's wohl so.
Es fehlt nur noch Ihr Sommerpaletot
Und eine kleine Tasche.

Falk.                                 Schön; das trag'
Ich selbst. Nun, Friedrich, hör, was ich Dir sag': –
Sieh diese Mappe hier!

Der Hausdiener.         Das Schloß ist zu? –

Falk.
Das Schloß ist zu, – ja.

Der Hausdiener.         Gut.

Falk.                                       Ich will, daß Du
Sie gleich verbrennst –

Der Hausdiener.         Verbrennen?

Falk (lächelnd.)                                   Ja; – nur frei
Von all den Wechseln auf die Dichterei!
Die Bücher aber – will ich gern Dir schenken.

Der Hausdiener.
Nein, aber, – mich so reichlich zu bedenken!
Doch wenn Herr Falk all das nicht mehr verwendet,
So hat er seine Lehrzeit wohl beendet?

Falk.
Was man aus Büchern lernen kann – und mehr
Hab' ich gelernt.

Der Hausdiener.
                        Und mehr? Das wäre schwer.

Falk.
Nur zu! Die Träger stehn schon vor den Türen, –
Und hilf den Leuten das Gepäck verschnüren.

(Der Hausdiener links ab.)

Falk (nähert sich Schwanhild, die ihm entgegenkommt.)
Noch eine Stunde, Schwanhild, hier im Grün,
In Gottes Licht und seiner ewigen Sterne!
Sieh, wie sie durch das dunkle Laubdach glühn,
Wie Frucht vom Zweig, des Weltbaums goldne Kerne.
Das letzte Knechtschaftsjoch, nun warf ich's ab,
Kein Büttel peitscht mir mehr die Stirn in Flamme;
Wie Jakobs Stamm steh' ich mit Wanderstab
Und Reisekleidern vor dem Passahlamme.
Du stumpf Geschlecht, das hinterm Wüstensand
Kein Kanaan kennt, kein gelobtes Land,
Du Zeitsklav', bau' nur emsig und zufrieden
Den Mumien weiter ihre Pyramiden, –
Ich zieh' durch Eintagssand der Freiheit zu,
Vor mir weicht ebbend selbst das Meer zurücke;
Euch aber schlingt, trotz aller Macht und Tücke,
Dasselbe Meer in tiefe Grabesruh'!
(Kurze Pause; er blickt sie an und ergreift ihre Hand.)
Du bist so still!

Schwanhild.     Aus Glückes Überschwang!
O, laß mich träumen, träumend Dich genießen.
Sprich Du für mich, – Gedanken halb und bang,
Erblühn bei Deiner Rede zu Gesang,
Wie Waldseelilien sich im Mond erschließen.

Falk.
Nein, laß noch einmal mir der Wahrheit reine,
Truglose Stimme sagen, daß Du mein!
O, sag es, Schwanhild, sag's –

Schwanhild (wirft sich an seine Brust.)
                                            Ja, ich bin Dein!

Falk.
Du Gottgeschenk an mich, nur mich alleine.

Schwanhild.
Ich war im Haus der Mutter heimatlos,
Verstand mich kaum mir selber mitzuteilen,
Schien Jubelnden ein lebender Verstoß, –
Galt nichts da – ja noch weniger zuweilen.
Sieh, da kamst Du! Zum erstenmal vernahm
Ich, wie mein Sinn von fremden Lippen kam;
Wo ich nur träumte, tatst Du Wege weisen,
Du Jugendfrischer unter all den Greisen!
Halb schreckte mich Dein ätzender Verstand,
Halb wußte mich Dein Lichtblick anzuziehen, –
So liebt die See den laubgesäumten Strand,
Doch Klippen zwingen sie, zurückzufliehen.
Jetzt aber kenn' ich Deinen wahren Sinn,
Jetzt hast Du mich mit allem, was ich bin,
Du lieber Laubbaum überm Brandungsschimmer, –
Mein Herz hat nur noch Flut, doch Ebbe nimmer.

Falk.
Und Dank sei Gott, daß er mein Lieben mir
Im Bad des Leidens taufte. Was ich wollte,
Ich wußt' es selber kaum, eh' ich in Dir
Den Schatz sah, den ich fast verlieren sollte
Ja, Preis ihm, der auf meine Leidenschaft
Des Schmerzes reinigendes Siegel drückte,
Der uns den Freibrief gab auf eigne Kraft,
Und uns der langen würdelosen Haft
Als auserwähltes Adelspaar entrückte!

Schwanhild (zeigt auf das Haus.)
Da drinnen lärmt das Fest in allen Zimmern,
Umschwärmt ein froher Kreis das junge Paar,
Und Lieder schallen dort und Lampen schimmern.
Wer von der Straße würd' all das gewahr –
Und glaubte, daß das wahre Glück dort fehle?
(Mitleidig.)
Glückskind der Welt, Du, – arme Schwesterseele!

Falk.
Du nennst sie arm?

Schwanhild.           Ja, arm, weil sie erduldet,
Daß alles in ihr Kapital sich teilt,
Daß all ihr Gold in hundert Händen weilt,
Und keiner ihr die ganze Summe schuldet.
Von keinem hat sie alles zu verlangen,
Und keiner will ihr ganzes Herz empfangen.
O, wieviel reicher ward mein Los bestellt;
Ich hab' nur einen auf der ganzen Welt.
Leer war mein Herz, da Du mit Siegerfahnen
Und Liederjubel es erobern kamst,
Bis daß Du, Herr auf allen seinen Bahnen,
Wie Frühlingsodem es gefangen nahmst.
O laß mich Gott in dieser Stunde danken, –
Daß ich so einsam war, bis ich Dich fand –
Ja tot war, bis Sein Glockenschall die Schranken
Des Grabes sprengte – und ich auferstand.

Falk.
Ja wir, die freundlos hier im Dunkel stehen,
Wir sind die Reichen, – unser ist das Glück.
Wir stehen draußen, aber neidlos sehen
Wir auf das leicht entbehrte Fest zurück.
Laß Lampen leuchten, laß Gesänge klingen,
Laß die da drinnen sich im Tanze schwingen!
Blick' aufwärts, Schwanhild, – in die blaue Nacht!
Da sind auch tausend Lämpchen aufgewacht –

Schwanhild.
Still, horch, Geliebter, – wie der Abendwind
Im Lindenwipfel süße Märchen spinnt –

Falk.
Für uns nur funkelt's dort im hohen Saal –

Schwanhild.
Für uns nur raunt und rauscht das weite Tal!

Falk.
Mir ist, als wär' ich der verlorene Sohn; –
Ich ließ von Gott und tat den Menschen Frohn.
Da rief er mich zurück zum Vaterherzen –
Und, nun ich komme, zündet er die Kerzen
Zum Fest, und schenkt dem heimgekehrten Kind
Sein schönstes Kunstwerk, Dich, zum Angebind'.
Von stund an dien' ich nur mehr seinem Lichte
Und weiche nimmer aus dem ersten Glied; –
Und Dein und mein beglücktes Leben dichte
Siegreicher Liebe hehres Hohelied!

Schwanhild.
Und sieh, da ist für Zweifel kein Verbleib,
Wo er ein Mann

Falk.                         Und sie ein ganzes Weib,
Zwei solche müssen alles überstehn!

Schwanhild.
Wohlauf zum Kampf denn wider Not und Sorgen.
(Zeigt Falk seinen Ring, den sie am Finger trägt.)
Und jetzt, jetzt sollen sie ihn alle sehn!

Falk.
Nein, Schwanhild, jetzt nicht! Warte noch bis morgen!
Heut, mit von Rosen überfüllten Händen,
Noch Tagwerk üben, hieße Sabbat schänden.
(Die Tür vom Gartenzimmer öffnet sich.)
Verbirg Dich! 's tät mir weh, wenn hier im Haus
Heut abend Dich noch andre Blicke fänden!

(Sie gehen durch die Bäume bei der Laube ab. Frau Halm und Goldstadt treten auf die Veranda.)

Frau Halm.
Er zieht wahrhaftig aus!

Goldstadt.                     Es sieht so aus.

Stüber (kommt.)
Er zieht wahrhaftig –

Frau Halm.                 Nun so zieht er aus!
Was weiter!

Stüber.           's ist 'ne mißliche Geschichte.
Er macht kaltblütig unsern Ruf zunichte
Und setzt uns allzusammen in sein Blatt.
Da steht denn meine Braut gedruckt inmitten
Von Körben, Zwillingen, Gevatterbitten ...
Nein, wißt Ihr, setzen wir uns lieber matt
Und die Gewehre wiederum in Ruhstand!

Frau Halm.
Doch glauben Sie, daß er –

Stüber.                                 Unzweifelhaft!
Indizien sind gegeben, deren kraft
Die ganze Prahlerei und Leidenschaft
Zurückzuführen auf berauschten Zustand.
Zum Beispiel ist, wenn auch nicht alles klärend,
Doch weitern Schlüssen reichlich Raum gewährend,
Was er heut Nachmittag, wie man erfuhr,
In Linds und seiner Wohnung angerichtet,
Wie er dort Lamp' und Tintenfaß vernichtet,
Wie er sich –

Goldstadt (sieht Falk und Schwanhild flüchtig, wie sie sich trennen; Falk geht nach dem Hintergrund, Schwanhild bleibt verborgen an der Laube stehen.)
                    Halt! Da sind wir auf der Spur.
Nur auf ein Wort, Frau Halm! Herr Falk wird bleiben,
Und geht er doch, so nicht in bösem Sinn.

Stüber.
Nicht wahr, Sie glauben auch –?

Frau Halm.                                 Wo woll'n Sie hin?

Goldstadt.
Nicht weiter, als mich Herz und Klugheit treiben.
Getrost, ich stell' den Frieden wieder her.
Auf einen Augenblick nur –

Frau Halm.                           Bitte sehr!

(Sie gehen zusammen in den Garten; während des Folgenden sieht man sie ab und zu im Hintergrund, in eifrigem Gespräch begriffen.)

Stüber (steigt in den Garten hinab und entdeckt Falk, der sinnend übers Wasser hinausblickt.)
Die Dichter sind Gewalts- und Attentatsmänner,
Doch wir Regierungsleute feine Staatsmänner;
lch möchte mich salvieren –
(Sieht den Pastor, der aus dem Gartenzimmer kommt.)
                                        Ah, sieh da!

Strohmann (auf der Veranda.)
Er zieht wahrhaftig!
(Gesellt sich zu Stüber.)
                              Würden Sie wohl – ja? –
Nur einen Augenblick mein Amt verwalten?
So halten Sie mein Weib –

Stüber.                               Wen soll ich halten?

Strohmann.
Verstehn Sie, – ich, die Kleinen und Mama
Sind immer wie ein Leib und seine Glieder,
Und niemals –
(Die Frau und die Kinder zeigen sich in der Tür.)
                    Na, da sind sie ja schon wieder!

Frau Strohmann.
Wo bist Du, Strohmann?

Strohmann (leise zu Stüber.)
                                    So, nun los, und wähl'n Sie
Was Fesselndes! Erfinden Sie! Erzähl'n Sie!

Stüber (geht zu Frau Strohmann auf die Veranda.)
Sie lasen schon das Bittgesuch des Kreises?
Der Stil der Schrift ist etwas Vorzugsweises!
(Zieht ein Buch aus der Tasche.)
Wenn Sie vielleicht ein Pröbchen draus ergetzt –

(Nötigt sie höflich ins Zimmer hinein und geht selbst mit. Falk kommt nach vorn; er und Strohmann begegnen sich. Sie messen sich eine Weile mit den Augen.)

Strohmann.
Nun?

Falk.       Nun?

Strohmann. Herr Falk!

Falk.                               Herr Pastor!

Strohmann.                                     Sind Sie jetzt
Zugänglicher, als da wir schieden?

Falk.                                                 Nein.
Mein Weg schließt keine Kompromisse ein.

Strohmann.
Und wenn Ihr Fuß des Nächsten Glück zertrat?

Falk.
So streue ich dafür der Wahrheit Saat.
(Lächelnd.)
Sie fürchten sich gewißlich vor den Blättern
Für Liebende?

Strohmann.     Na, war das etwa Scherz?

Falk.
Ja, trösten Sie sich über diesen Schmerz;
Ich will mit Taten reden, nicht mit Lettern.

Strohmann.
Und schonen Sie mich auch, wer wird mich schützen,
Wenn sich einmal der andere vergißt?
Der Aktuar wird seinen Vorteil nützen,
Und das ist Ihre Schuld, wenn dem so ist;
Sie rührten an vergangne Schwärmereien,
Und wenn sie jetzt im Reichstag drohn und schreien,
Und nur ein Wort von mir dagegen fällt,
So schwör' ich drauf, daß er den Mund nicht hält.
Zudem hat, sagt man, der Beamtenstand
Die Presse heute ganz in seiner Hand.
Ein simpler Nasenstüber kann mich fällen,
Wenn er in jener großen Zeitung steht,
Die nach der Art Simsonischer Gesellen
Brutal und ränkevoll zu Werke geht, –
Und das am Schluß des Vierteljahrs zumal –

Falk (mit Entgegenkommen.)
Doch Ihre Sache war ja kein Skandal!

Strohmann (zaghaft.)
Gleichviel! Das Blatt hat Raum für jede Sache,
Man schleppt mich doch auf den Altar der Rache.

Falk (launig.)
Der Strafe, meinen Sie, – und das mit Fug.
Es schreitet eine Nemesis durchs Leben,
Die sicher trifft, wenn auch oft spät genug, –
Und keinem wird von ihr Pardon gegeben.
Hat einer sich an der Idee vergangen,
Die Presse sieht's mit Argusblick und packt
Den Schuldigen, und stracks ist er gehangen.

Strohmann.
Du lieber Gott, wann schloß ich je Kontrakt
Mit der Idee, von der Sie immer reden!
Ich bin Familienvater, Ehemann, –
Ein Dutzend kleiner Kinder hängt mir an, –
Mein Tagwerk wäre sicher nicht für jeden.
Ich habe meinen Hof und meine Herden,
Ein ganzes Kirchspiel will beraten werden, –
Da wird gepflegt, geschoren und gefuttert,
Da wird gedüngt, gedroschen und gebuttert,
Der Magd, dem Küster soll man Orders geben, –
Wann hätt' ich Muße, der Idee zu leben?

Falk.
Ja, kehr'n Sie heim – was wollen Sie hier weiter! –
Und kriechen Sie in Ihre Strohbaracke!
Norwegens Jugend rüstet zur Attacke,
Der kühne Heerbann zählt schon tausend Streiter,
Und Morgenbrise füllt die stolze Flagge.

Strohmann.
Und kehrt' ich also, junger Mann, zurück,
Mit all den Meinen, ja mit all dem Glück,
Das eines kleinen Königs Glück mich deuchte, –
Was, glauben Sie, daß mir dies Heute nahm?
Kehrt' ich so reich zurück, als wie ich kam?
(Da Falk antworten will.)
Erlauben Sie, daß ich noch tiefer leuchte.
(Tritt näher.)
Es war einmal, da war ich jung wie Sie
Und wohl nicht minder keck und unerschrocken.
Da kam des Broterwerbs Monotonie, –
Das bräunt die Hand wohl, aber bleicht die Locken.
Mein Weltkreis war ein Kirchspiel hoch im Norden,
Mein Heim ein still Gebirgspfarrhaus geworden.
Mein Heim, Herr Falk! Ob Sie das Wort verstehn?

Falk (kurz.)
Bedaure.

Strohmann.
              Ja, das hab' ich gleich gemeint.
Ein Heim ist da, wo reichlich Raum für zehn,
Obwohl's dem Feind zu eng für zweie scheint.
Ein Heim ist da, wo dein Gedankenleben
Als wie ein Haufe Kinder spielt und springt,
Und keine deiner Worte so verschweben,
Daß nicht verwandte Antwort wiederklingt;
Ein Heim ist, wo die Jahre dich zerhämmern,
Doch niemand merkt, daß deine Haare graun,
Wo dich Erinnerungen traut umdämmern,
Wie Bergesrücken hinterm Walde blaun.

Falk (mit gezwungenem Spott.)
Sie werden warm –

Strohmann.             Bei dem, was Sie verlachen!
So ungleich schuf uns zwei der liebe Gott.
Mir fehlt, womit Sie Glück und Schule machen;
Doch wo ich siegte, würden Sie bankrott.
Gewiß, was ist dem Adler drum zu tun,
Ob hier, ob dort ein Wahrheitskörnlein liegt!
Sie woll'n empor – ich kaum aufs Dach! Jenun,
Der Vogel ward ein Aar –

Falk.                                     Und der ein Huhn.

Strohmann.
Gut, gut, ein Huhn, – ich geb' mich gern besiegt.
Ich bin ein Huhn – nun wohl! Doch hab' ich einen
Schwarm Küchlein unterm Flügel – und Sie keinen,
Und hab' des Huhnes Herz und Heldentum,
Und wehr' mich, wenn man meine Brut gefährdet.
Ich weiß recht wohl, Sie halten mich für dumm,
Wenn sich Ihr Spruch nicht übler noch gebärdet
Und mich sogar gemeiner Habgier zeiht – –
Nun, deshalb zwischen uns kein weitrer Streit!
(Ergreift Falks Arm und fährt leise, aber mit steigender Kraft fort.)
Ja, gierig ward ich, dumm und stumpf in einem,
Doch gierig nur für sie, die Gott mir gab,
Und dumm im Krieg mit Nüchternem und Kleinem,
Und stumpf im weltverlaßnen Felsengrab.
Doch immer, wenn der Stürme Wiederkehr
Ein Boot voll Idealen kentern machte,
Erschien ein ander Boot auf hohem Meer,
Das neuen Lebenslohn zur Küste brachte.
Für jeden Stern, der mir wie nasser Zunder
Erlosch, für jeden Traum, der mir versank,
Ward mir zum Trost ein kleines Gotteswunder,
Und ich empfing des Herrn Geschenk voll Dank.
Für die war's, daß wir kämpften, darbten, scharrten,
Für die erklärt' ich selbst die heilige Schrift –
Mein Kinderkreis, das war mein Blumengarten –
Da kamen Sie mit Ihres Spottes Gift
Und zeigten literarisch und ästhetisch,
Daß eines Toren Wahn mein ganzes Glück,
Daß meines Lebens Angelpunkt ein Fetisch – –
Jetzt geben Sie mir meine Ruh' zurück,
Jetzt, fordr' ich, sühnen Sie Ihr Sakrileg –

Falk.
Wie, ich soll Ihnen Sicherheiten geben? –

Strohmann.
Ein Stein des Zweifels fiel auf meinen Weg,
Und diesen Zweifel können Sie nur heben.
Ich fühl' mich von den Meinen abgeschnitten,
Die Fessel Ihrer Logik läßt nicht frei –

Falk.
Nun glauben Sie, ich könnt' mit Lügenbrei
Des Glücks zersprungne Schüssel wieder kitten?

Strohmann.
Ich glaube dies: Der Glaube, den Ihr Wort
Zerstört, den kann Ihr Wort auch wieder schaffen.
Noch einmal schwingen Sie des Geistes Waffen
Und jagen jene bösen Geister fort,
So kann ich ruhig meinen Mantel raffen –

Falk (stolz.)
Ich stemple Messing nicht zu Gold.

Strohmann (blickt ihn fest an.)     Der Ort
Vernahm hier eben eine Warnung, und
Sie kam aus eines Wahrheitswittrers Mund:
(Mit erhobenem Finger.)
Es schreitet eine Nemesis durchs Leben –
Und keinem wird von ihr Pardon gegeben!
(Er geht dem Hause zu.)

Stüber (kommt heraus, die Brille auf der Nase, das offne Buch in der Hand.)
Herr Pastor, kommen Sie, die Kinder schrein
Nach Ihnen –

Die Kinder (in der Tür.)
                    Vater!

Stüber.                       Und die Gattin wartet!

(Strohmann ins Haus ab.)

Stüber.
Juristisch ist die Dame nicht geartet.
(Steckt Buch und Brille in die Tasche und nähert sich.)
Falk!

Falk.     Ja!

Stüber.     Du siehst wohl Deinen Mißgriff ein.

Falk.
Warum denn?

Stüber.               O, das wäre wohl erklärlich.
Du mußt es doch verstehn, wie wenig ehrlich
Es ist, wenn, was vertraulich mitgeteilt wird,
Den Leuten auszutragen sich beeilt wird.

Falk.
Ja, ja, ich hörte, das ist oft gefährlich.

Stüber.
Ja, Mord und Tod!

Falk.                         Doch nur für große Herrn.

Stüber (eifrig.)
Nein, nein, das gilt für Hoch und Subaltern.
Wie, meinst Du, schädigte das meine Chance,
Erführ' mein Vorgesetzter, was geschah: –
Daß ein Bureau von solcher Contenance
Mein Flügelroß in seinen Wänden sah.
Du weißt, man zieht in jeglichem Ressort
Den Mann der Prosa dem der Dichtung vor.
Allein am schlimmsten wär's, erführ' der Chef,
Daß ich das Amtsgeheimnis brach, betreff
Verrats von Fakten von Gewichtigkeit –

Falk.
So straft sich solche Unvorsichtigkeit?

Stüber (geheimnisvoll.)
So, daß gar leicht ein homo publicus
Im Umdrehn seinen Abschied nehmen muß.
Ein Staatsbeamter hat in allen Lagen –
Sogar zu Haus – ein Schloß vorm Mund zu tragen.

Falk.
Wie kann sich nur ein Herrscher unterwinden
Und dem – Aktuar, der drischt, den Mund verbinden!

Stüber (zuckt die Achseln.)
Dem, was legal ist, kannst Du nicht entgehn.
Und sondermaßen, wenn, wie augenblicklich,
Gehaltsreformen vor der Türe stehn,
Da wär' es weder nützlich noch erquicklich,
Auf solche Amtsprobleme einzugehn.
Sieh, darum bitt' ich, tu mir nicht den Tort –
Und schweig; denn ich verlier' sonst –

Falk.                                                     Das Portefeuille?

Stüber.
"Kopierbuch" ist das offizielle Wort.
Das Protokoll ist eigentlich das œil
de bœuf am Busentüchlein des Bureaus;
Wer dort sondierte, wär' prinzipienlos.

Falk.
Doch mich zu Deinem Sprecher zu bestallen –
Mich selbst zu bitten: Sag dem Pastor –

Stüber.                                                   Ja,
Ich wußte nicht, wie tief der Mann gefallen,
Der doch nun längst schon bessre Tage sah,
Im Amt ist, Frau und Kinder hat und Geld,
Das ihn im Kampf ums Dasein sicher stellt.
Konnt' er so philiströs zu werden wagen,
Was soll man dann von uns Aktuaren sagen,
Von mir, als der noch unbefördert ist,
Der eine Braut hat, sich demnächst vermählen wird,
Wozu man denn auch bald Familie zählen wird,
Et cetera!
(In Heftigkeit geratend.)
              O, wär' ich Kapitalist,
Ich wollt' mir einen Harnisch überhängen,
Und auf den Tisch haun, daß die Fenster sprängen!
Und hätt' ich Deine Unabhängigkeit,
Ich führte, glaub' mir, durch den Prosaschnee
Den unentwegten Schneepflug der Idee!

Falk.
So rette Dich doch, Mann!

Stüber.                                 Wie?

Falk.                                             Noch ist Zeit!
Der Menschen Eulenurteil acht' geringe!
Freiheit macht selbst aus Raupen Schmetterlinge!

Stüber (tritt zurück.)
Du meinst doch nicht, ich sollte brechen –?

Falk.                                                             Doch!
Die Perl' ist weg, was soll die Schale noch?

Stüber.
Der Vorschlag paßt für einen Luftikus,
Doch nicht für einen Mann, gereift im Jus!
Ich rechne nicht, was Christian der Vierte
Seinzeitlich sub "Verlöbnis" dekretierte, –
Denn im Gesetz von anno zweiundvierzig
Ist derlei nicht berührt, – gewiß, man irrt sich,
Wenn man den Fall für strafbar ansieht; er
Ist just kein Bruch des Rechts, das heutzutage –

Falk.
Da siehst Du's also!

Stüber (fest.)               Wenn auch, – nimmermehr!
Ein solcher Ausnahmsfall kommt nicht in Frage.
Wir trugen schwere Zeiten treu und fügsam,
Sie fordert sich nicht viel, ich bin genügsam,
Und hab' es längst gespürt, Bureau und Haus,
Die machen meine wahre Heimat aus.
Mag der und jener mit den Schwänen fliegen, –
Im kleinen Leben kann auch Schönheit liegen.
Was sagt doch irgendwo Geheimrat Goethe
Von der Milchstraße, die den Himmel ziert,
Daß sie uns leider keine Sahne böte
Und Butter nun erst recht nicht –

Falk.                                               Konzediert!
Doch soll ich nicht Dein Buttermachen tadeln,
So muß der rechte Geist das Ganze weihn.
Ein Mann soll Bürger seiner Tage sein,
Doch auch zugleich ihr Bürgerleben adeln.
Wohl nichts entbehrt der Schönheit ganzer Gunst;
Doch sehen und verstehn, das ist die Kunst.
Nicht jedermann, der von Beruf ein Töpfer,
Ist deshalb schon ein Künstler, schon ein Schöpfer.

Stüber.
So laß uns friedlich unsrer Straße gehn;
Wir wollen Dir ja nicht im Wege stehn.
Du magst, so hoch Du willst, gen Himmel schweben.
Traun! Einmal wollt' auch sie und ich dahin;
Doch Arbeit will der Tag, nicht leichten Sinn;
Dem stirbt man ab, so nach und nach im Leben.
Das Jugendleben, schau, ist ein Prozeß –
Und zwar ein törichter im großen Ganzen.
Vergleich Dich, Freund, und denk nicht an Regreß.
Denn Du verlierst in sämtlichen Instanzen.

Falk (frisch und zuversichtlich, mit einem Blick nach der Laube hinüber.)
Nein, würden mich auch alle Richter richten, –
Begnadigung würd' ihren Spruch vernichten!
Es können zwei ihr Sein in hohem Streben
Und reinem Glauben auch zu Ende leben.
Doch Du vertrittst der Jetztzeit ekle Lehre,
Das Ideal sei erst das Sekundäre!

Stüber.
"Primäre" sag, – denn sprang die Frucht daraus,
Ist sein Beruf, wie der der Blüte, aus.
(Am Klavier drinnen spielt und singt Frl. Elster: "Ach du lieber Augustin." Stüber bricht ab und horcht in stiller Bewegung.)
Sie lockt mich mit den nämlichen Akkorden,
Bei denen wir uns einst bekannt geworden.
(Legt seine Hand auf Falks Arm und sieht ihm in die Augen.)
So oft sie sich mit diesem Lied beschäftigt,
Da weht ihr erstes Ja, wie neu bekräftigt,
Aus ihrem sehnsuchtsvollen Spiel mich an.
Und wird einst unsre Lieb' zu Grabe gehen,
Um dann als Freundschaft wieder aufzustehen,
Verknüpfe dieses Lied das Einst dem Dann.
Und wird mein Schreiberkreuz auch krumm und krummer
Und mein Beruf nur Krieg mit Not und Kummer,
So kehr' ich doch getrost nach Haus, wo mich
In Tönen wieder grüßt, was längst entwich.
Ist dort dann nur ein Stündlein unser eigen, –
So will ich gern zu all dem andern schweigen.

(Ab ins Haus. Falk wendet sich der Laube zu. Schwanhild kommt hervor; sie ist bleich und erregt. Sie sehen sich einen Augenblick schweigend an und umarmen einander heftig.)

Falk.
O Schwanhild, halten wir uns überm Schlamm,
Du Rosenstock auf wüstem Totenacker!
So "leben" sie nun, die geplackten Placker!
Nach Leichen riecht die Braut, der Bräutigam.
Nach Leichen riecht's, wo zwei im Sonnenschein
An Dir vorbeigehn, Lächeln auf den Lippen,
Der Lüge schwüles Kalkgrab im Gebein,
Verwesung hinter den gebrochnen Rippen.
Das heißen sie dann leben! Himmel und Erde!
Dazu der Aufwand tragischer Gebärde?
Dazu so vieler Kinderherden Zucht?
Dazu die Mast mit Pflicht- und Rechtesfrucht?
Dazu der Hoffnung kurze Sommerweide, –
Daß nur die Schlachtbank nimmer Mangel leide?

Schwanhild.
Falk, laß uns fort!

Falk.                       Fort, Schwanhild? Und wohin?
Ist nicht die Welt sich gleich an jedem Orte,
Und ist nicht Lüge doch der letzte Sinn
All der mit Wahrheit aufgeputzten Worte?
Nein, nein, genießen wir die Maskerade,
Die tragikomische Hanswurstiade:
Lügner, die ihre eignen Gläubigen sind!
Sieh Strohmann und sein Weib, sieh Stüber, Lind –
Der Liebe feierliche Wachtparade;
Betrug im Herzen, Glaubenswort im Munde, –
Und doch welch ehrenwertes Volk im Grunde!
Sie lügen vor sich selbst und jedem dritten;
Ihr Recht dazu scheint ihnen unbestritten –
Ein jeder preist, zerbrach auch längst sein Steuer,
Sich einen Krösus, einen Gott des Glücks;
Sich selber fuhr er blindlings übern Styx, –
Pardauz – da saß er schon im Höllenfeuer;
Doch sagst Du's ihm, er läßt Dich ruhig reden
Und dünkt sich nach wie vor ein Gast in Eden
Und lächelt unter Ach und Weh Dich an;
Und kommt mit Horn und Bocksfuß Urian
Und überschüttet ihn mit Schimpf und Spott,
So stößt er eifrig seinen Nebenmann:
"Du, zieh den Hut! Da geht der liebe Gott!"

Schwanhild (nach einem kurzen nachdenklichen Schweigen.)
Wie ließ mich wundersam ein liebes Licht
Den Weg zu unserm Frühlingsglück erkennen.
Ein Leben, mir bis heute nur Gedicht,
Soll ich von morgen an mein Tagwerk nennen.
O guter Gott! Ich ging gleich einer Blinden, –
Da schufst du Licht – und ließest ihn mich finden!
(Betrachtet Falk mit stiller, zärtlicher Bewunderung.)
Wie stark Du bist! So ragt ein Baum voll Trutz
Dem alles fällenden Orkan entgegen, –
Noch mehr! Er nimmt noch mich in seinen Schutz –!

Falk.
Der Geist der Wahrheit, Schwanhild, macht verwegen!

Schwanhild (blickt mit einem Anflug von Scheu nach dem Haus.)
Als arge Frager kamen sie zu zwein,
Und hinter jedem stand die halbe Welt.
Der fragte: Wie kann Liebe wohl gedeihn,
Wenn Geld und Gut das Herz gefangen hält?
Der andre: Wie kann Liebe wohl bestehn,
Wenn ihre Augen nichts als Armut sehn?
Entsetzlich – das als Wahrheit auszugeben,
Und dann ein solches Sein noch fortzuleben!

Falk.
Und wenn das uns nun gälte?

Schwanhild.                         Uns? Was dann?
Was ficht uns all solch Äußerliches an?
Du weißt, willst Du den Weg der Wahrheit wallen,
So will ich mit Dir stehn und mit Dir fallen.
Die leicht'ste Schrifterfüllung, die es gibt,
Ist, alle zu verlassen und von allen
Nur dem zu Gott zu folgen, den man liebt.

Falk.
So mag uns, was da will, den Weg vergällen!
Wir stehn dem Sturm, – und niemand kann uns fällen.

(Frau Halm und Goldstadt treten rechts im Hintergrund auf. Falk und Schwanhild bleiben an der Laube stehen.)

Goldstadt (mit leiser Stimme.)
Sehn Sie!

Frau Halm (überrascht.)
              Zusammen!

Goldstadt.                 Zweifeln Sie noch, Frau?

Frau Halm.
Das wär' doch –!

Goldstadt.           O, ich merkt' es bald genug,
Womit sich unser Freund im stillen trug.

Frau Halm (vor sich hin.)
Mich wundert nur, – wie konnte sie so schlau –
(Lebhaft zu Goldstadt.)
Nein, nein –

Goldstadt.   Ich werde Ihren Zweifel heben.

Frau Halm.
Sie wollten selbst –?

Goldstadt.               Jawohl und das nachdrücklich.

Frau Halm (reicht ihm die Hand.)
Mit Gott!

Goldstadt (ernst.)
              Ja, er muß seinen Segen geben.
(Kommt in den Garten herab.)

Frau Halm (sich umsehend, während sie geht.)
Wie das auch enden mag, mein Kind wird glücklich.
(Ins Haus ab.)

Goldstadt (nähert sich Falk.)
Die Zeit ist wohl gemessen?

Falk.                                       Ungefähr
Noch zehn Minuten.

Goldstadt.               Es bedarf nicht mehr.

(Schwanhild will sich entfernen.)

Goldstadt.
Nein, nicht!

Schwanhild.
                  Ich soll –?

Goldstadt.                   Ja, bis Sie mich vernommen;
Es muß nun zwischen uns zur Klarheit kommen.
Wir drei, wir wollen uns jetzt alles sagen.

Falk (überrascht.)
Wir drei?

Goldstadt.
              Ja, Falk, – das Spiel sei aufgeschlagen!

Falk (unterdrückt ein Lächeln.)
Zu Diensten.

Goldstadt.     Es ist jetzt ein halbes Jahr,
Daß wir bekannt geworden sind, obzwar
Nicht grade freund –

Falk.                             Nein.

Goldstadt.                         Einigkeit war selten,
Wir ließen manche glatte Lage spielen;
Sie standen da, vorkämpfend großen Zielen,
Ich konnte nur als simpler Gegner gelten.
Und doch umschloß uns ein gemeinsam Band;
Berührten Sie doch tausend alte Fragen
Aus meiner eignen Zeit Entwicklungstagen,
Daß mir so manches wieder auferstand.
Sie zweifeln, daß dies graugesprenkte Haar
Auch einmal frisch und braun und lockig war?
Und diese Stirn, vom Alltagsschweiß zerfressen,
Sie hätte nie der Jugend Glanz besessen?
Genug davon! Ich bin Geschäftsmann und –

Falk (leicht spottend.)
Ihr Sinn ist einfach, praktisch und gesund –

Goldstadt.
Was ihm Ihr hoffnungsfroher Sinn nicht neidet.
(Tritt zwischen die beiden.)
Doch deshalb, Falk und Schwanhild, steh' ich da.
Wir müssen sprechen, – denn die Stund' ist nah,
Die unser Unglück oder Glück entscheidet.

Falk (gespannt.)
Nun denn!

Goldstadt (lächelnd.)
                Sie wissen, daß mich eine Dichtung
Bewegt –

Falk.           Realer Art –

Goldstadt (nickt langsam.)
                                Jawohl, real!

Falk.
Nun, und auf welchen Stoff fiel Ihre Wahl?

Goldstadt (blickt einen Moment Schwanhild an und wendet sich wieder Falk zu.)
Wir wählten beide in der gleichen Richtung.

Schwanhild (will gehen.)
Jetzt darf ich wohl –

Goldstadt.               Nein, bleiben Sie noch, bitte!
Von keiner andern bät' ich solcherlei;
Doch wären Sie nicht Sie, wenn Ziererei
Nicht Ihrem ganzen Wesen widerstritte!
Ich sah Sie wachsen, sah Sie hold gedeihn;
Was ich am Weibe schätzte, schien gefunden, –
Doch lang' hab' ich nur väterlich empfunden: –
Heut frag' ich, – wollen Sie mir Gattin sein?

(Schwanhild weicht scheu zurück.)

Falk (ergreift ihn beim Arm.)
Nicht weiter!

Goldstadt.     Ruhig! Sie soll Antwort geben.
Fragen auch Sie, – – so mag sie selbst ihr Los
Entscheiden.

Falk.                 Ich?

Goldstadt (blickt ihn fest an.)
                          Jawohl! Es gilt, drei Leben
Dem Glück zu wahren, – nicht das meine bloß.
Im Sichverstellen, Falk, sind Sie nicht groß;
Und bin ich auch ein schlichter Mann, ich habe
Doch eine Art hellseherischer Gabe.
Ja, Falk, Sie lieben Schwanhild. Ohne Neid
Verfolgt' ich Ihrer Liebe Blütezeit;
Doch scheint sie auch den Himmel zu versprechen,
Gerade sie kann Schwanhilds Glück zerbrechen.

Falk (fährt auf.)
Mit welchem Recht –!

Goldstadt (ruhig.)     Mit dem des Älteren.
Wenn Sie sie nun gewännen –

Falk (trotzig.)                             Gut?

Goldstadt (langsam und mit Nachdruck.)
                                                    Nun denn,
Und sie, sie setzte nur auf diese Karte,
Sie baute alles nur auf diesen Grund, –
Und dann, dann bröckelte die Mauer und
Der Winter dräng' herein, die Blüt' erstarrte –?

Falk (vergißt sich und ruft aus.)
Unmöglich!

Goldstadt (blickt ihn bedeutungsvoll an.)
                  Hm, so dacht' ich auch einmal.
Da war ich jung und tat mich auch verlieben.
Nun, gestern traf ich hier mein Ideal
Von damals wieder, – nichts mehr ist geblieben.

Falk.
Hier?

Goldstadt (mit einem ernsten Lächeln.)
        Hier. Die Frau des Pastors, die Sie kennen –

Falk.
Wie? Sie, sie brachte –

Goldstadt.                   Einst mein Herz zum Brennen.
Ihr trauert' ich so manche Jahre nach,
Und immer stand sie so vor meiner Seele,
Wie sie, das junge Mädchen sonder Fehle,
An einem Frühlingstag einst mit mir sprach.
Nun lodert Ihr in gleicher blinder Glut,
Nun wagt Ihr an das Gleiche Euer Blut, –
Seht, darum sag' ich Euch: Bedenkt Euch ehrlich!
Ihr spielt ein Spiel – Ihr wißt nicht wie gefährlich!

Falk.
Ich ließ vorhin das ganze Teegelag'
Mein unerschütterliches Credo wissen –

Goldstadt (den Sinn ergänzend.)
Daß rechte Liebe, was sie will, vermag –
Trotz Alter, Alltag, Not und Kümmernissen.
Vielleicht, daß man ein Beispiel finden kann, –
Doch sehn Sie's mal von anderm Standpunkt an.
Was Lieb' ist, weiß wohl keiner recht zu sagen;
Woher man just den frohen Glauben nimmt,
Man sei zu seligem Doppelsein bestimmt –
Das dürften Sie von niemandem erfragen.
Die Ehe, ja, die ist was Praktisches,
Auch ein Verlöbnis ist schon mehr konkret,
Und leicht erkennt man, wo ein faktisches
Verständnis zwischen dem und dem besteht.
Die Lieb' hingegen kürt in blinder Minne,
Sie hat das Weib nur, nicht die Frau im Sinne!
Und wenn nun dieses Weib zu Ihrer Frau
Nicht paßt –?

Falk (gespannt.)
                    Was dann?

Goldstadt (zuckt mit den Achseln.)
                                    So wankt der ganze Bau.
Ein glückliches Verlöbnis hängt von mehr
Als nur von Liebesschwüren ab, – da gibt
Es Anverwandte, die man gleichfalls liebt,
Doch sie zu einigen ist manchmal schwer.
Die Ehe aber ist ein Ozean
Von Fordrungen, die mit dem schönen Wahn
Der Liebe wenig mehr zu schaffen haben.
Hier frommen keine großen Geistesgaben,
Hier gilt es Häuslichkeit, Genügsamkeit,
Geduld, Fleiß, Pflichtbewußtsein, Fügsamkeit, –
Und viel noch, was des Fräuleins Gegenwart
Mir, weiter auszuführen, wohl erspart.

Falk.
Und darum –?

Goldstadt.       Wenn ich Ihnen raten soll,
So schaun und hören Sie herum im Leben.
Da nimmt ein jedes Paar den Mund so voll,
Als hätt' es Millionen zu vergeben.
Da wird denn spornstreichs zum Altar gerannt,
Ein Nest gebaut, das Glück steht im Zenith;
Ein Weilchen meint man alle Not verbannt;
Dann kommt der Rechnungstag – dann kommt die Gant –
Ja, ja! dann ist das große Haus fallit!
Fallit der Mädchenwangen Jugendglut,
Fallit der Mädchenträume Frühlingsblüte,
Fallit des Mannes siegesfroher Mut,
Fallit ein jeder Funke, der einst glühte;
Fallit, fallit des Hauses ganze Masse –:
Und prahlten doch einst beide, jung und gut,
Als Liebeshandelsfirma erster Klasse!

Falk (bricht leidenschaftlich in die Worte aus:)
Das ist ja Lüge!

Goldstadt (unerschütterlich.)
                        Doch vor einer Stunde,
Da war's noch Wahrheit, war's Ihr eigen Wort,
Da Sie hier standen und die Teetischrunde
Bekämpften, – und da klang's auch hier und dort,
Wie jetzt von Ihnen: All das ist ja Lüge!
Doch Ihnen drob zu zürnen, liegt mir fern,
Wir hören alle nicht gerade gern
Vom Tode, tun wir just die letzten Züge.
Sehn Sie den Pastor, der, auf Freiersfüßen,
Mit Art und Witz gemalt und komponiert –
Und sehn ihn nun mit langer Dumpfheit büßen,
Daß er so rasch mit ihr sich kopuliert.
Sie war geschaffen, daß er für sie schwärmte
Doch nicht mit ihr, als seiner Frau, sich härmte.
Und der Kopist mit seinem Verstalent?
Kaum hat der Mann den Hals im Joche liegen,
Ist auch die ganze Reimerei zu End',
Und seine Muse hat seitdem geschwiegen,
In Schlaf gekarrt vom ewig gleichen Jus.
Da seht Ihr deutlich – –
(Betrachtet Schwanhild.)
                                  Friert Sie?

Schwanhild (leise.)                     Nein, mich friert nicht.

Falk (zwingt sich zu einem spöttischen Ton.)
Und endet's stets mit Minus, nie mit Plus, –
Weswegen spielen Sie dann? Denn verliert nicht
In dieser zweifelhaften Lotterie
So der wie jener? Oder halten Sie
Sich selbst für einen, der vom lieben Gott
Speziell zum Bankrotteur geschaffen sei?

Goldstadt (blickt ihn an, lächelt und schüttelt den Kopf.)
Mein kecker, junger Falk, – was soll der Spott! –
Der Arten sich ein Haus zu baun, sind zwei.
Man kann's auf Illusionskredit hin wagen,
Auf Wechsel felsenfester Zuversicht,
Auf Permanenz von ewigen Jugendtagen
Und auf Unmöglichkeit von Gripp' und Gicht;
Auf Augen, deren Schimmer nie erblindet,
Auf langes Haar und frisches Wangenrot,
Auf Sicherheit, daß all dies nie verschwindet
Und der Perücke Stunde niemals droht.
Man kann's auf stimmungsvolle Träume gründen,
Luftspiegelungen und Sirenensang,
Auf Herzen, die sich täglich neu entzünden,
Wie, da des Jaworts erster Funke sprang.
Wie nennt man doch Geschäfte, so betrieben? –
Man nennt sie Humbug, Humbug, meine Lieben!

Falk.
Sie sind mir ein Versucher, muß ich sagen, –
Dem seine Million nicht Abbruch tut, –
Indessen just mein ganzes Hab' und Gut
Zwei Kofferträger durch die Gassen tragen.

Goldstadt (scharf.)
Was soll das heißen?

Falk.                             Nun, worauf beruht
Denn ein solides Haus? Ich kann mir's denken; –
Doch wohl auf Geld – dem Wundermittel Geld,
Das ält'ster Witwen schlotternden Gelenken
Noch Reiz verleiht –

Goldstadt.               Ach nein, mein junger Held;
Es ruht doch noch auf mehr als totem Erze.
Es ruht auf Achtung vor des andern Wert,
Auf stiller, warmer Freundschaft, die ein Herze
So tief wie des Berauschten Jubel ehrt;
Darauf, daß man der Pflichterfüllung Segen,
Der Sorgfalt Glück, des Obdachs Frieden kennt,
Den Hausschatz, der sich Selbstverleugnung nennt,
Des Wachens Süßigkeit, das von den Wegen
Der Auserkornen jedes Unheil trennt.
Es ruht auf Händen, die die Wunden lindern,
Auf Schultern, denen jede Last behagt,
Auf Gleichgewicht, das Jahre nicht vermindern,
Auf Armen, deren Treue nie versagt –
(Zu Schwanhild.)
Mit dem will ich Ihr Glück zu gründen wagen,
Das ist mein Einsatz, – nun entscheid' es sich.
(Schwanhild macht heftige Anstrengungen zu sprechen, Goldstadt erhebt abwehrend die Hand.)
Durchdenken Sie's, eh' Sie mir Antwort sagen!
Und wählen Sie bewußt – Falk oder mich.

Falk.
Und woher wissen Sie –

Goldstadt.                     Daß Sie sie lieben?
Das stand zu klar auf Ihrer Stirn geschrieben.
Ich gehe jetzt, – nun sprechen Sie mit ihr.
(Drückt ihm die Hand.)
Nicht wahr, des Spiels ist nun genug getrieben!
Und können Sie mit Hand und Munde mir
Geloben, stets so über sie zu wachen,
Ihr solch ein Halt, ihr solch ein Trost in Not
Zu sein, wie ich es sein kann, –
(Wendet sich zu Schwanhild.)
                                              Gut, so machen
Wir einen Strich durch alles, was ich bot.
Dann siegt' ich, siegte ganz in aller Stille; –
Sie werden glücklich, und das war mein Wille.
(Zu Falk.)
Noch eins, – das Geld, das nehm' ich doch in Schutz,
's ist doch wohl mehr als eitel Tand und Putz.
Ich steh' allein, hab' keinen Freund auf Erden;
All das, was mein ist, das soll Ihrer werden.
Sie sollen mir wie Sohn und Tochter stehen.
Sie wissen wohl, ein Landgut ist noch mein;
Da richt' ich mich, hier richten Sie sich ein;
Und jährt sich's, wollen wir uns wiedersehen.
Sie kennen mich nun, – prüfen Sie sich gut,
Bedenken Sie, daß auf des Lebens Flut
Allein die Könner, nicht die Schwärmer zählen, – –
Und nun in Gottes Namen – mögt Ihr wählen.

(Geht ins Haus ab. Pause. Falk und Schwanhild sehen sich scheu an.)

Falk.
Du zitterst.

Schwanhild.
                Und du schweigst.

Falk.                                         Wie meisterhaft –!

Schwanhild.
Er war zu arg.

Falk (vor sich hin.)
                      Er stahl mir meine Kraft.

Schwanhild.
Wie hart er traf.

Falk.                     Er wußte gut zu schlagen.

Schwanhild.
Als würd' ein Bau bis unten abgetragen, –
So war's.
(Ihm näher.)
              Was schien uns alles aufgeschlossen,
Da uns die Welt zu Einsamen geprägt,
Und unsere Gedanken sich ergossen,
Wie Brandung nachts an stille Ufer schlägt.
Wie meinten wir schon jede Schlacht gewonnen,
Wie sahn wir uns auf ewig treu gesellt; –
Da kam er mit den Gaben dieser Welt –
Und pflanzte Zweifel, – und da war's zerronnen.

Falk (mit wilder Energie.)
Reiß es aus Deinem Herzen! Was er sprach,
Ist wahr für andre, – uns war es gelogen!

Schwanhild (schüttelt still das Haupt.)
Das Korn, das einmal Hagel niederbrach,
Kann niemals wieder hoch im Winde wogen.

Falk (mit hervorbrechender Angst.)
Doch wir –!

Schwanhild.
                  Was war's doch, was wir eben lernten?
Der Mensch, der Lüge sät, wird Tränen ernten.
Die andern, sagst Du? Glaubst Du, Lieber, nicht,
Daß so wie Du und ich ein jeder spricht,
Daß jeder sich als Blitzgefeiten achtet,
Den nie ein Sturm zu Boden schlagen wird,
Und dem, was fern am Horizonte nachtet,
Nie auf Gewitterschwingen tagen wird?

Falk.
Die andern plagen sich mit hundert Fragen;
Ich will nur Deine Liebe, sie allein.
Mag einer doch den andern überschrein, –
Ich will Dich still auf starken Armen tragen.

Schwanhild.
Und wenn nun diese Liebe doch einst bräche,
Was für ein Pfeiler rettet dann das Haus?
Hast Du dann das, was doch noch Glück verspräche?

Falk.
Nein, mit der Liebe wäre alles aus.

Schwanhild.
Und kannst Du mir Dein heilig Jawort geben,
Daß nie sie welken soll, sich nie verjähren,
Nein, daß sie, so wie heut, das ganze Leben
Lang duften soll?

Falk (nach einer kurzen Pause.)
                          Sie dürfte lange währen.

Schwanhild (schmerzlich.)
O, "lange", "lange", – Wort, so arm, so trist!
Wie kann man Liebe so mit Maßen messen?
Das heißt, die Faust ihr um die Kehle pressen.
"Ich glaube, daß die Lieb' unendlich ist" –
Das Lied soll also schweigen, und statt dessen
Soll sein: "Ich liebte Dich vor Jahresfrist."
(Wie von einer mächtigen Eingebung emporgerichtet.)
Nein, so soll unser Glückstag nicht verfärben,
Wie hinter Wolken Abendglut verfahlt,
Nein, unsre Sonne soll am Mittag sterben,
Da sie in ihren schönsten Feuern strahlt!

Falk (erschrocken.)
Was willst Du, Schwanhild?

Schwanhild.                       Daß uns unverloren
Der Lenz sein treues Sonnenantlitz zeige,
Daß Deiner Seele Nachtigall nie schweige
Noch je vergess', daß sie in ihm geboren, –
Daß nie des Winters weite Leichendecke
Auf unsre Träume sinke, kalt und bleich, –
Daß unsre Lieb', die frohe, siegeskecke,
Kein Siechtum zehre, kein Verfall beflecke, –
Sie sterbe, wie sie lebte, jung und reich!

Falk (in tiefem Schmerz.)
Und fern von Dir – was war' mir da mein Leben!

Schwanhild.
Was wär' es bei mir, – wenn die Liebe fehlte?

Falk.
Ein Heim!

Schwanhild.
                Wo sich das Glück mit Sterben quälte.
(Kraftvoll.)
Dir Frau zu sein, ward mir nicht Kraft gegeben, –
Es wäre nutzlos, wenn ich mir's verhehlte.
Die Lieb', als heitres Spiel, – das konnt' ich wagen,
Doch käm' ihr Ernst, ich würde bald versagen.
(Näher und mit wachsendem Feuer.)
Nun jubelten wir einen Lenzrausch lang, –
Nun kein Geträum', kein schlaffes Polsterliegen!
Laß Deinen Geist in brausendem Gesang
Mit jungen Göttern um die Wette fliegen!
Und ist es auch gekentert, unser Boot, –
Ein Brett blieb über Wasser, – keine Not!
Dem kühnen Schwimmer winken Lichtgestade!
Das Glück, das laß versinken, laß dem Tod, –
Doch unsre Liebe rührt – o Gott der Gnade,
Der Du im Sturm ihr Retter warst! – kein Schade!

Falk.
O, ich versteh' Dich, Schwanhild! Aber muß
Es denn grad' jetzt sein, an den offnen Toren
Der Welt, – grad' heut sein, wo der Sonnenkuß
Des Frühlings eben unsren Bund geboren!

Schwanhild.
Grad' heut. Entscheiden wir's nicht heut, ja dann –
Dann geht's nur noch bergab, nicht mehr bergan.
Und wehe, werden wir einst auferstehn,
Und werden uns vor unserm Richter sehn,
Und wird er, als gerechter Gott, den Hort,
Den er uns anvertraut, zurückbegehren, –
Und wir, wir müssen mit dem düstren Wort
"Verloren!" selber jeder Gnade wehren!

Falk (fest und entschlossen.)
So wirf den Ring fort!

Schwanhild (feurig.) Ja?

Falk.                                   Ja, Schwanhild, ja!
Ich komme nur auf diesem Weg Dir nah!
Wie erst dem Tod der ewige Tag entstrebt,
Empfängt auch Lieb' erst wahren Lebens Ehren,
Wenn sie, erlöst von Sehnsucht und Begehren,
Zur Heimat der Erinnerung entschwebt!
Ja, wirf ihn fort!

Schwanhild (jubelnd.)
                        So tat ich meine Pflicht!
Ich füllte Dein Gemüt mit Lied und Licht!
Flieg frei! Du hast Dich siegreich aufgeschwungen, –
Und Schwanhild hat ihr Schwanenlied gesungen!
(Zieht den Ring vom Finger und drückt einen Kuß darauf.)
Hinab, mein Traum! Hinab, Welteitelkeit!
Da nimm mein Opfer, tiefer, bittrer Bronnen!
(Tut ein paar Schritte nach dem Hintergrund, wirft den Ring in den Fjord hinaus und nähert sich Falk mit verklärten Zügen.)
Nun hab' ich Dich verloren für die Zeit –
Doch Dich auf Ewigkeit dafür gewonnen!

Falk (kraftvoll.)
Ans Werk nun, hüben der und drüben der!
Auf Erden kreuzt sich unser Weg nie mehr.
Ein jeder geh' den seinen ohne Klage!
Auch uns beschlug der Neuzeit Fieberdampf;
Wir wollten Siegespreise ohne Kampf,
Wir wollten Sabbat ohne Werkeltage,
Obschon die Pflicht sprach: Kämpfe und entsage!

Schwanhild.
Doch, Falk, nicht siech!

Falk.                                 Nein, – mit der Wahrheit Mut.
Uns droht kein Irrlicht trügerischer Flut;
Denn die Erinnerung, die wir erwarben,
Steht unverrückbar überm Wolkentrott,
In siebenfachen Regenbogenfarben
Als Wunderzeichen zwischen uns und Gott.
In ihrem Schein gehst Du zu stillen Pflichten –

Schwanhild.
Und Du empor zu ewigen Gedichten!

Falk.
Als Dichter, ja, – denn das ist jeder Mann,
Ob er als Lehrer, Priester, Redner handelt,
Ob er ein Geistwerk oder Handwerk kann,
Der mit dem Ideal vor Augen wandelt.
Jawohl, empor! Mein Flugroß steht bereit, –
Mein Lebenswerk, ich weiß, es ist geweiht!
Lebwohl!

Schwanhild.
              Lebwohl!

Falk (umarmt sie.)     Ein Kuß –!

Schwanhild.                         Der letzte Kuß!
(Reißt sich los.)
Nun kann ich tragen, was ich tragen muß!

Falk.
Und würd' auf Erden alles Licht ein Spott,
Der Lichtgedanke lebt, denn der ist Gott.

Schwanhild (entfernt sich nach dem Hintergrund.)
Lebwohl!
(Geht weiter.)

Falk.           Lebwohl! – Und was uns auch geschah, –
(Schwenkt den Hut.)
Die Lieb' auf Gottes schöner Welt, hurrah!

(Die Tür öffnet sich. Falk geht nach rechts hinüber. Die jüngeren Gäste drängen in lauter Fröhlichkeit heraus.)

Die jungen Mädchen.
Zum Tanz, zum Tanz!

Eine Stimme.                 Das Leben ist ein Tanz!

Eine Andere.
Zum Tanz in Blütenduft und Sternenglanz!

Mehrere.
Ja, tanzen, tanzen!

Alle.                         Schlingt den Reigenkranz!

(Stüber und Strohmann kommen Arm in Arm. Dahinter Frau Strohmann und die Kinder.)

Stüber.
Ja, Du und ich sind Freunde von heut an.

Strohmann.
Und ich und Du stehn künftig einen Mann.

Stüber.
Und stützt dies Säulenpaar des Staats Gebäude –

Strohmann.
Ersprießt für jeglichen –

Stüber (rasch.)                 Gewinn!

Strohmann.                                 Und Freude.

(Frau Halm, Lind, Anna, Goldstadt und Fräulein Elster samt den übrigen Gästen erscheinen. Die Augen der ganzen Familie suchen Falk und Schwanhild. Allgemeine Verblüfftheit, da man jeden für sich allein sieht.)

Frl. Elster (inmitten der Tanten, schlägt die Hände zusammen.)
Wie? Geh' ich denn in Träumen oder Wachen?

Lind, (der nichts gemerkt hat.)
Ich will mich doch an meinen – Schwager machen.
(Zugleich mit mehreren anderen Gästen nähert er sich Falk; aber er fährt bei seinem Anblick unwillkürlich einen Schritt zurück und bricht in die Worte aus:)
Was ist mit Dir geschehn? Du hast wie Janus
Zwei Antlitze!

Falk (mit einem Lächeln.)
                      Ich rufe mit Montanus:
Die Erd' ist flach, Messieurs; – nun ist's entschieden;
Flach wie ein Fladen, – seid Ihr's nun zufrieden?
(Geht rasch rechts ab.)

Frl. Elster.
Ein Korb!

Die Tanten.
              Ein Korb?

Frau Halm.               Nur still! Nichts weiter sagen!
(Geht zu Schwanhild hinüber.)

Frau Strohmann (zum Pastor.)
Denk Dir, ein Korb!

Strohmann.             So ist es möglich?

Frl. Elster.                                         Ja.

Die Damen (durcheinander.)
Ein Korb! Ein Korb!

(Einzelne Gruppen bilden sich weiter drinnen im Garten.)

Stüber (wie versteinert.)
                              Er hat sich angetragen?

Strohmann.
Ja, denk Dir, Du! Er höhnte uns, haha –
(Sie sehen einander sprachlos an.)

Anna (zu Lind.)
Ganz recht! Sein Poltern ging doch übern Scherz.

Lind (umarmt und küßt sie.)
Hurrah, nun bist Du mein in allen Teilen!
(Sie gehen tiefer in den Garten.)

Goldstadt (blickt auf Schwanhild zurück.)
Hier ist wohl ein gebrochnes junges Herz;
Doch was in ihm noch lebt, das will ich heilen.

Strohmann (gewinnt die Sprache wieder und umarmt Stüber.)
Nun ist der Teufel endlich ausgetrieben,
Und Du magst Deine Elster weiter lieben!

Stüber.
Und Du magst Jähr- um Jährlein Dein Geschlecht
Mit jungen Strohmännern vergnügt vermehrt sehn!

Strohmann (reibt sich vergnügt die Hände und sieht hinaus nach Falk.)
Das freut mich, das geschah dem Burschen recht; –
Möcht' jeder Weisheitsrab' sich so belehrt sehn.

(Sie gehen im Gespräch nach hinten, während Frau Halm sich mit Schwanhild nähert.)

Frau Halm (leise, eifrig.)
Und Dich hält nichts?

Schwanhild.               Nein, nichts auf dieser Welt.

Frau Halm.
Nun gut, – so kennst Du einer Tochter Pflicht –

Schwanhild.
Bestimme!

Frau Halm. Danke, Kind!
(Mit einem Wink nach Goldstadt hin.)
                                    Verschmäh ihn nicht;
Der Mann ist reich, – und wenn Dich sonst nichts hält –

Schwanhild.
Nur eins verlange ich bei diesem Pakt:
Fort, fort von hier –

Frau Halm.             Das riet auch ihm sein Takt.

Schwanhild.
Und Frist –

Frau Halm.   Wie lang? Dir winkt ein Glück vor allen –

Schwanhild (lächelt still.)
Nicht lang mehr; nur noch bis die Blätter fallen.
(Sie geht nach der Veranda hinüber; Frau Halm sucht Goldstadt auf.)

Strohmann (unter den Gästen.)
Eins, Freunde, hat uns dieser Tag gelehrt:
Wie dicht auch Zweifelsschlangen uns umliegen,
Läßt doch zuletzt der Wahrheit gutes Schwert
Die Liebe siegen –

Die Gäste.                 Ja, die Liebe siegen!
(Sie umarmen und küssen sich paarweis. Draußen links hört man Lachen und Singen.)

Frl. Elster.
Was ist das?

Anna.               Die Studenten!

Lind.                                       Die Kapelle,
Die ins Gebirg will – das Quartett –, und ich
Hab' rein vergessen –

(Die Studenten kommen links herein und bleiben am Eingang stehen.)

Ein Student (zu Lind.) Hier sind wir zur Stelle.

Frau Halm.
Sie suchen Lind?

Frl. Elster.           Ja, das ist ärgerlich,
Der ist verlobt –

Eine Tante.         Und Sie begreifen, – nun,
Hat er im Grünen weiter nichts zu tun.

Der Student.
Verlobt!

Alle Studenten.
            Wir gratulieren!

Lind.                                 Besten Dank!

Der Student (zu den Kameraden.)
So läg' das Sängerboot denn auf 'ner Bank.
Was machen wir? Nun fehlt uns der Tenor.

Falk, (der von rechts kommt, in Sommeranzug, mit Studentenmütze, Ranzen und Stock:)
Den sing' ich in Norwegens Jugendchor!

Die Studenten.
Du, Falk! Hurrah!

Falk.                         Hinaus in Gottes Welt,
Wie Bienenvolk, das seinen Ausflug hält!
Ich trag' ein Lautenspiel in meiner Brust,
Das schwingt von zweier Saitenreihen Klange:
Die oben tönt von jeder Lebenslust,
Doch drunter zittert's heimlich, tief und lange.
(Zu einzelnen Studenten.)
Du hast Papier für Skizzen? – Du für Lieder?
So schwärmt denn, Bienen, aus ins grüne Laub, –
Einst bringen wir der Heimat Blütenstaub
Der Königin und großen Mutter wieder!
(Zur Gesellschaft gewendet, während die Studenten abgehen, und das Chorlied des ersten Aktes draußen leise angestimmt wird.)
Vergebt mir alles, des ich mich vermessen,
So will auch ich vergeben –
(leise:)
                                        nicht vergessen.

Strohmann (in übermaßiger Freude.)
Nun ist der Glückstopf wieder ohne Fehle!
Mein Weib hat eine Hoffnung, eine reizende –
(Zieht ihn flüsternd beiseite.)
Vorhin vertraute mir die gute Seele –
(Man hört von seinen Worten nur noch:)
Geht alles gut ... St. Michelstag ... das dreizehnte!

Stüber (mit Frl. Elster unter dem Arm, wendet sich zu Falk, lächelt triumphierend, und sagt, während er auf den Pastor deutet:)
Ich krieg' die hundert Taler, richt' mich ein –

Frl. Elster (verneigt sich ironisch.)
Zum Christ kann ich mein Mädchenkleid verschenken.

Anna (ebenso,während sie den Arm ihres Bräutigams nimmt.)
Mein Lind bleibt hier, läßt Glauben Glauben sein –

Lind (sucht seine Verlegenheit zu verbergen.)
Und predigt Mädchenschul- statt Kirchenbänken.

Frau Halm.
Ich lehre Anna'n einen Hausstand leiten –

Goldstadt (ernst.)
Ich geh' an ein bescheidenes Gedicht
Von einem Mann und seiner heiligen Pflicht.

Falk (mit einem Lächeln über die Menge hin.)
Und ich empor – zu tausend Möglichkeiten!
Lebt wohl!
(Mit gedämpfter Stimme zu Schwanhild.)
                Mein Frühlingslieb, Gott segne Dich!
Wo ich auch bin, – mein Werk soll dich umschweben!
(Schwenkt den Hut und folgt den Studenten.)

Schwanhild (sieht ihm einen Augenblick nach und sagt still, aber fest:)
Nun ist es aus, mein frisches Freiheitsleben;
Nun fällt das Laub, – nun, Welt, empfange mich!

(In diesem Augenblick wird am Piano zum Tanz aufgespielt, und die Champagnerpfropfen knallen im Hintergrund. Die Herren, ihre Damen am Arm, rennen durcheinander; Goldstadt nähert sich Schwanhild und verbeugt sich vor ihr; sie fährt einen Moment zusammen, faßt sich aber und reicht ihm die Hand. Frau Halm und die nächsten Familienangehörigen, die die Szene mit Spannung beobachtet haben, eilen herzu und umringen das Paar unter dem Ausdruck lauter Freude, die jedoch von der Musik und der Munterkeit der tiefer im Garten Tanzenden übertönt wird.)

(Aber weit droben vom Lande her, die Tanzmusik übertönend, singen kräftig und keck)

Falk und der Chor der Studenten.
Und segelte ich auch mein Boot in den Grund,
O, so war es doch selig zu fahren!

Die meisten auf der Bühne.   Hurrah!

(Tanz und Jubel; der Vorhang fällt.)


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