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Der Christkirchhof in Bergen. Im Hintergrund die Kirche, deren Hochportal den Zuschauern zugewandt ist. Links im Vordergrunde stehen Håkon Håkonsson, Dagfinn, Vegard Väradal, Ivar Bodde mit mehreren Lehnsmännern und Häuptlingen. Ihnen gegenüber Jarl Skule, Gregorius Jonsson, Paul Flida und andere Anhänger des Jarls. Weiter zurück auf derselben Seite erblickt man Sigurd Ribbung mit seinem Gefolge, und in mäßiger Entfernung von ihm Guthorm Ingesson mit verschiedenen Häuptlingen. Die Zugänge zur Kirche sind mit Wachen besetzt; die Volksmenge erfüllt den ganzen Kirchhof; viele sitzen hoch in den Bäumen und auf der Kirchenmauer; mit höchster Spannung scheinen alle auf etwas zu warten, das sich ereignen soll. Von allen Kirchtürmen fern und nah läuten die Glocken.
Jarl Skule mit gedämpfter Stimme und ungeduldig zu Gregorius Jonsson. Auf was harren sie drinnen so lange?
Gregorius Jonsson. Still! Jetzt beginnt der Gesang.
Aus dem Innern der geschlossenen Kirche erschallt mit Posaunenbegleitung:
Chor der Mönche und Nonnen. Domine coeli usw. usw.
Während des Gesanges wird die Kirchentür von innen geöffnet; in der Vorhalle gewahrt man den Bischof Nikolas, umgeben von Priestern und Klosterbrüdern.
Bischof Nikolas tritt in die Tür und verkündet mit erhobenem Stabe. Nun besteht Inga von Vartejg die Eisenprobe für Håkons Thronrecht.
Die Kirche wird wieder geschlossen; der Gesang drinnen dauert fort.
Gregorius Jonsson leise zum Jarl. Ruf den heiligen König Olaf an für das, was Rechtens ist.
Jarl Skule hastig und abwehrend. Jetzt nicht. Besser, ihn nicht an mich zu mahnen!
Ivar Bodde ergreift Håkons Arm. Bete Zu Gott Deinem Herrn, Håkon Håkonsson.
Håkon. Tut nicht not – ich bin seiner gewiß.
Der Gesang aus der Kirche erschallt stärker; alle entblößen das Haupt, viele fallen auf die Knie und beten.
Gregorius Jonsson zum Jarl. Dies ist eine große Stunde für Dich und viele.
Jarl Skule blickt voll Spannung nach der Kirche. Eine große Stunde für Norwegen.
Paul Flida dicht neben dem Jarl. Jetzt hält sie das Eisen.
Dagfinn drüben bei Håkon. Sie schreiten den Kirchenflur hinab.
Ivar Bodde. Christus schirme Deine reinen Hände, Inga, Du Königsmutter!
Håkon. Diese Stunde will ich ihr gewißlich mein Lebelang lohnen.
Jarl Skule, der mit Spannung gelauscht hat, ruft plötzlich. Schrie sie auf? Ließ sie das Eisen fallen?
Paul Flida geht auf die Kirche zu. Ich weiß nicht, was es war.
Gregorius Jonsson. Die Weiber weinen laut in der Vorhalle.
Der Chor in der Kirche fällt jubelnd ein. Gloria in excelsis deo!
Das Portal springt auf; Inga tritt heraus, begleitet von Nonnen, Priestern und Mönchen.
Inga auf der Kirchentreppe. Gott hat gerichtet! Seht diese Hände – mit ihnen trug ich das Eisen!
Stimmen aus der Menge. Sie sind rein und weiß, wie zuvor!
Andere Stimmen. Ja, schöner noch!
Die ganze Volksmenge. Er ist gewißlich Håkon Sverressons Sohn!
Håkon seine Mutter umarmend. Hab Dank, Dank, Du Gesegnete des Herrn!
Bischof Nikolas im Vorbeigehen zum Jarl: Unklug war's, die Eisenprobe zu befürworten.
Jarl Skule. Nein, Herr Bischof, in dieser Sache mußte Gott sprechen.
Håkon hält tiefbewegt Ingas Hand fest. Nun ist es also vollbracht, das, wogegen alles in meiner Seele geschrieen – das, worunter mein Herz sich gewunden und gekrümmt hat –
Dagfinn zur Volksmenge. Ja, seht dieses Weib an, und besinnt Euch, alle die Ihr hier seid! Wer hat an ihrem Worte gezweifelt, ehe es einzelnen gelegen kam, daß Zweifel entstände?
Paul Flida. Der Zweifel raunte in jeder Hütte von der Stunde an, da Håkon, der Thronerbe, als Kind in Königs Inges Haus getragen ward.
Gregorius Jonsson. Und letzten Winter wuchs der Zweifel zu einem Schrei an und ging laut durchs Land, gen Norden und Süden, – das kann jedermann, denk' ich, bezeugen.
Håkon. Am besten kann ich selbst es bezeugen. Drum hab' ich auch dem Rate so vieler treuer Freunde nachgegeben und mich so tief gebeugt, wie kein andrer zum König erwählter Mann seit langen Zeiten es getan hat. Mit der Eisenprobe hab' ich meine Geburt, hab' ich mein Recht bewiesen, als Håkon Sverressons Sohn Land und Reich in Erbe zu nehmen. Nicht will ich hier genauer forschen, wer den Zweifel genährt und ihm eine so laute Stimme geliehen hat, wie die Freunde des Jarls sagen; aber das weiß ich, daß ich bitterlich darunter gelitten habe. Schon als Kind bin ich zum König gewählt worden, aber geringe Königsehre ward mir erwiesen, selbst da, wo ich es meines Bedünkens am sichersten hätte erwarten dürfen. Ich will nur an den letzten Palmsonntag in Nidaros erinnern, da ich zum Altar schritt, um dem Herrn zu opfern, und der Erzbischof sich umwandte und tat, als ob er mich nicht sähe, um mich nicht grüßen zu müssen, wie's Könige zu grüßen Brauch ist. Solches hätt' ich leicht zu tragen gewußt; doch offener Krieg drohte im Lande auszubrechen, und den mußte ich verhindern.
Dagfinn. Gut mag es für Könige sein, weisen Ratschlägen zu lauschen; aber wäre mein Rat in dieser Sache gehört worden, so wäre nicht mit glühendem Eisen, sondern mit kaltem Stahle Håkon Håkonsson sein Recht wider seine Gegner verschafft worden.
Håkon. Beherrsche Dich, Dagfinn; das ziemt dem Manne, der als der Erste im Reich regieren soll.
Jarl Skule mit einem leichten Lächeln. Des Königs Feind nennt man so gern jeden, der dem Willen des Königs zuwider ist. Ich meine nun, der ist dem König der ärgste, der ihm davon abrät, sein Recht auf den Königsnamen zu erhärten.
Håkon. Wer weiß! Wär' es mein Recht allein, um was es sich hier handelte, dann vielleicht hätt' ich es nicht so teuer erkauft; aber wir müssen den Blick höher richten; hier gilt es Beruf und Pflicht. Ich fühle das tief und warm in mir, und ohn' Erbleichen darf ich sagen: ich allein bin der Mann, der das Land in diesen Zeiten zum Besten vorwärts zu steuern vermag; – königliche Geburt bringt königliche Pflichten mit –
Jarl Skule. Es gibt hier mehr Leute, die sich ein so günstiges Zeugnis ausstellen.
Sigurd Ribbung. Ich tu's, und aus ebenso gutem Grunde. Mein Großvater war König Magnus Erlingsson –
Håkon. Ja, wenn Dein Vater, Erling Stejnvaeg, der Sohn des Königs Magnus war; aber die meisten leugnen das, und noch hat keiner in dieser Sache die Eisenprobe bestanden.
Sigurd Ribbung. Die Ribbunger nahmen mich zum König und taten das aus freien Stücken, indessen Dagfinn und andere Birkebeiner Dir einen Königsnamen ertrotzten.
Håkon. Ja, so arg hattet Ihr mit Norwegen geschaltet, daß Sverres Sproß sein Recht sich ertrotzen mußte.
Guthorm Ingesson. Sverres Sproß bin ich so gut wie Du –
Dagfinn. Aber nicht in gerader Linie von Sohn zu Sohn.
Bischof Nikolas. Es ist ein weibliches Zwischenglied da, Guthorm.
Guthorm Ingesson. Und doch weiß ich, daß Inge Bårdsson, mein Vater, auf gesetzliche Art zum König über Norwegen gemacht wurde.
Håkon. Weil da niemand wußte, daß Sverres Enkel am Leben war. Seit dem Tage, da dies ruchbar wurde, regierte er das Reich als Vormund für mich, – nicht anders.
Jarl Skule. Das läßt sich nicht mit Sicherheit behaupten; Inge war sein Lebtag König mit aller gesetzlichen Macht und ohne Vorbehalt. Daß Guthorm geringes Anrecht besitzt, kann schon wahr sein – denn er ist von unechter Geburt. Allein ich bin König Inges rechtmäßiger Bruder, und das Gesetz ist für mich, wenn ich nach ihm sein volles Erbe fordere und in Besitz nehme.
Dagfinn. Ei, Herr Jarl, sein volles Erbe habt Ihr gewißlich an Euch genommen, und nicht allein das Hausvermögen Eures Vaters, sondern alles, was Håkon Sverresson an Gütern hinterließ.
Bischof Nikolas. Nicht alles, guter Dagfinn. Der Wahrheit die Ehre! – König Håkon behielt einen Brustschmuck und den Goldreif, den er um den Arm trägt.
Håkon. Sei dem, wie ihm wolle; mit Gottes Hilfe werde ich neues Gut gewinnen. Und nun, Ihr Lehnsleute und Richtersleute, Ihr Kirchenbrüder und Häuptlinge und Gefolgschaften, jetzt ist es an der Zeit, die Reichsversammlung festzusetzen, die beschlossen ist. Mit gebundenen Händen hab' ich gesessen bis zum heutigen Tage; ich meine, kein Mann wird mir's verdenken, daß ich mich sehne, sie gelöst zu sehen.
Jarl Skule. Es geht mehr Leuten wie Euch, Håkon Håkonsson.
Håkon wird aufmerksam. Herr Jarl, was meint Ihr?
Jarl Skule. Ich meine, daß wir Thronforderer alle denselben Grund zur Sehnsucht haben. Alle waren wir gleich straff gebunden; denn keiner von uns wußte, wie weit sein Recht sich erstreckt.
Bischof Nikolas. Schlimm stand es um die Angelegenheiten der Kirche wie des Landes; aber nun wird das Gesetz des heiligen Olaf entscheiden.
Dagfinn halblaut. Neue Ränke!
Håkons Anhänger rücken dichter zusammen.
Håkon zwingt sich zur Ruhe und geht dem Jarl ein paar Schritte entgegen. Ich will annehmen, daß ich den Sinn Eurer Worte nicht verstanden habe. Die Eisenprobe hat mein Erbrecht auf das Reich beglaubigt, und daher vermein' ich, daß die Reichsversammlung nur meiner Königswahl, die schon vor sechs Jahren auf dem Oerething stattfand, Gesetzeskraft zu geben hat.
Mehrere der Anhänger Jarls und Sigurds. Nein, nein, – das bestreiten wir!
Jarl Skule. Das war niemals die Absicht, als beschlossen ward, hier eine Reichsversammlung abzuhalten. Durch die Eisenprobe habt Ihr noch nicht des Reiches Besitz erlangt, sondern nur Euer Anrecht bewiesen, Euch heute mit uns andern Thronbewerbern hier einzufinden und den Anspruch geltend zu machen, den Ihr zu haben vermeint –
Håkon beherrscht sich. Das will also klipp und klar heißen, ich habe sechs Jahre lang unrechtmäßig den Königsnamen geführt, und Ihr, Herr Jarl, habt sechs Jahre lang unrechtmäßig das Land als mein Vormund verwaltet.
Jarl Skule. Keineswegs. Einer mußte den Königsnamen führen, da mein Bruder tot war. Die Birkebeiner, und zumeist Dagfinn, waren tätig für Eure Sache und setzten Eure Wahl ins Werk, ehe wir andern mit unsern Forderungen hervortreten konnten.
Bischof Nikolas zu Håkon. Der Jarl meint, jene Wahl verlieh Euch nur das Nießbrauch-, nicht das Eigentumsrecht auf das Königtum.
Jarl Skule. Ihr saßet da im Besitz aller Gerechtsame; aber sowohl Sigurd Ribbung, wie Guthorm Ingesson, wie ich, wir vermeinen ebenso nahe Erben zu sein wie Ihr, und jetzt wird das Gesetz zwischen uns entscheiden und bestimmen, wer das Erbe fest für alle Zeit bekommen soll.
Bischof Nikolas. Die Wahrheit zu sagen, der Jarl hat nicht schlechten Grund für seine Meinung.
Jarl Skule. Sowohl von der Eisenprobe wie von der Reichsversammlung war mehr als einmal in diesen Jahren die Rede, immer aber kam etwas dazwischen. Und, Herr Håkon, wenn Ihr vermeintet, Euer Recht stünde durch die erste Königswahl unerschütterlich fest, warum habt Ihr da Eure Zustimmung gegeben, daß die Eisenprobe jetzt noch vorgenommen werde?
Dagfinn erbittert. Braucht Euer Schwert, Königsmannen, und laßt das entscheiden!
Viele der Mannen vorstürmend. Führet die Waffen gegen des Königs Widersacher!
Jarl Skule zu den Seinen. Tötet keinen! Verwundet keinen! Haltet sie Euch nur vom Leibe!
Håkon hält seine Mannen zurück. Das Schwert stecke jeder ein, der es zog! Steckt das Schwert ein, sag' ich! Ruhig. Ihr macht mir's zehnfach schwer durch solches Gebahren.
Jarl Skule. So streitet Mann wider Mann ringsum im Lande. Da seht Ihr's, Håkon Håkonsson; ich denke, jetzt erweist sich's am besten, was Ihr zu tun habt, wenn des Landes Frieden und das Leben der Menschen Euch am Herzen liegen.
Håkon nach kurzem Besinnen. Ja, – ich seh's. Er ergreift Ingas Hand und wendet sich zu einem der Umstehenden. Torkell, Du warst ein treuer Mann in meines Vaters Dienst; führe diese Frau heim in Deine Herberge und sei gut zu ihr; – sie war Håkon Sverresson besonders teuer. – Gott segne Dich, meine Mutter, –ich muß jetzt zur Reichsversammlung. Inga drückt ihm die Hand und geht mit Torkell ab. Håkon schweigt eine Weile, dann tritt er vor und spricht mit klarer Stimme: Das Gesetz soll richten – es allein. Ihr Birkebeiner, die Ihr mit auf dem Oerething wart und mich zum König machtet, Ihr seid jetzt des Eids entbunden, den Ihr mir dorten geschworen habt. Du, Dagfinn, bist nicht mein Staller mehr; ich will weder mit Stallern noch mit Gefolge, weder mit Königsmannen noch mit eidverpflichteten Kämpen erscheinen; ich bin ein armer Mann; all mein Erbe ist ein Brustschmuck und dieser Goldreif – das ist zu geringes Gut, um so vieler wackern Mannen Dienste zu lohnen. Jetzt, Ihr andern Thronforderer, jetzt steht es gleich zwischen uns; ich will nichts vor Euch voraushaben, ausgenommen das Recht, das ich von oben empfing, – das kann und will ich mit niemand teilen. – Laßt blasen zur Reichsversammlung, und mögen Gott und das Gesetz des heiligen Olaf richten!
Er geht mit seinen Mannen links ab; Hörner- und Lurenklang aus der Ferne.
Gregorius Jonsson zum Jarl, indem die Volksmenge sich zu zerstreuen beginnt. Bei der Eisenprobe dünktest Du mich zaghaft, und jetzt siehst Du so froh und zuversichtlich aus.
Jarl Skule vergnügt. Sahst Du, er hatte Sverres Augen, da er sprach? Die Wahl wird gut, mögen sie ihn oder mich zum König machen.
Gregorius Jonsson unruhig. Aber weiche nicht! Denk an die alle, die mit Deiner Sache fallen.
Jarl Skule. Hier steh' ich auf des Rechtes Grund; jetzt versteck' ich mich nicht vor dem Heiligen. Geht mit seinem Gefolge links ab.
Bischof Nikolas, Dagfinn nacheilend. Es geht schon, guter Dagfinn, es geht schon – aber halte den Jarl recht fern vom Könige, wenn er gewählt ist – halt' ihn ja recht fern!
Alle ab links hinter der Kirche.
Eine Halle im Königsschlosse.
Links im Vordergrunde ein niedriges Fenster; rechts eine Eingangstür; im Hintergrunde eine größere Tür, die zur Königshalle hineinführt. Am Fenster steht ein Tisch; sonst Stühle und Bänke. Frau Ragnhild und Margrete kommen durch die kleinere Tür; Sigrid folgt ihnen auf dem Fuße.
Frau Ragnhild. Hier herein!
Margrete. Ja, hier ist's am dunkelsten.
Frau Ragnhild ans Fenster tretend. Und hier kann man auf den Thingwall herniedersehen.
Margrete vorsichtig hinausblickend. Ja, drunten hinter der Kirche sind sie alle versammelt. Wendet sich schluchzend ab. Da unten soll nun das geschehen, das so folgenschwer sein wird.
Frau Ragnhild. Wer herrscht hier morgen in der Halle?
Margrete. O schweig! Nie hätt' ich gedacht, einen so schweren Tag zu erleben.
Frau Ragnhild. Der mußte kommen: Königsvormund zu sein, das war ein unzulängliches Geschäft für ihn.
Margrete. Ja, – der mußte kommen; der Königsname allein konnte ihm nicht genügen.
Frau Ragnhild. Von wem sprichst Du?
Margrete. Von Håkon.
Frau Ragnhild. Ich sprach vom Jarl.
Margrete. Es gibt keine stattlicheren Männer als die beiden.
Frau Ragnhild. Siehst Du Sigurd Ribbung? Wie arglistig er dasitzt, – recht wie ein Wolf in Ketten.
Margrete. Ja, sieh –! Er faltet die Hände vor sich über dem Schwertknauf und stützt das Kinn darauf.
Frau Ragnhild. Er beißt sich in den Schnurrbart und lacht –
Margrete. Wie häßlich er lacht.
Frau Ragnhild. Er weiß, niemand wird seine Sache vertreten – und das macht ihn so giftig. – Wer ist der Richtersmann, der jetzt redet?
Margrete. Das ist Gunnar Grjonbak.
Frau Ragnhild. Ist er für den Jarl?
Margrete. Nein, er ist wohl für den König –
Frau Ragnhild sieht sie groß an. Für wen, sagst Du?
Margrete. Für Håkon Håkonsson.
Frau Ragnhild blickt hinaus; nach kurzer Pause: Wo sitzt Guthorm Ingesson? – Ich seh' ihn nicht.
Margrete. Hinter seinen Leuten, dort, ganz unten, – im langwallenden Mantel.
Frau Ragnhild. Ja, dort.
Margrete. Er sieht aus, als schäme er sich –
Frau Ragnhild. Wohl der Mutter wegen.
Margrete. Das hat Håkon nicht nötig.
Frau Ragnhild. Wer spricht jetzt?
Margrete hinausblickend. Tord Skolle, Richter zu Ranafylke.
Frau Ragnhild. Ist er für den Jarl?
Margrete. Nein, für – Håkon.
Frau Ragnhild. Wie unbeweglich der Jarl dasitzt und zuhört!
Margrete. Håkon scheint still, – aber doch zuversichtlich. Lebhaft. Stünde ein wildfremder Mann hier, er müßte die beiden unter all den tausend andern erkennen.
Frau Ragnhild. Sieh, Margrete; Dagfinn schiebt Håkon einen vergoldeten Stuhl hin –
Margrete. Paul Flida stellt ebenso einen hinter den Jarl –
Frau Ragnhild. Håkons Leute wollen es verhindern!
Margrete. Der Jarl hält den Stuhl fest –!
Frau Ragnhild. Håkon fährt ihn zornig an – Sie tritt mit einem Schrei vom Fenster zurück. O Jesus Christus! Sahst Du die Augen – und das Lächeln –! Nein, das war nicht der Jarl!
Margrete, die ebenfalls schaudernd zurückgefahren ist. Und auch nicht Håkon? Weder der Jarl noch Håkon!
Sigrid am Fenster. O erbärmlich, erbärmlich!
Margrete. Sigrid!
Frau Ragnhild. Du bist da?
Sigrid. So tief unten herum muß man schleichen, um auf den Königssitz hinauf zu gelangen!
Margrete. O, bete mit uns, daß sich alles zum besten wende.
Frau Ragnhild bleich und erschrocken zu Sigrid. Sahst Du ihn –? Sahst Du meinen Eheherrn –? Die Augen und das Lächeln, – ich hätte ihn nicht erkannt!
Sigrid. Glich er Sigurd Ribbung?
Frau Ragnhild leise. Ja, er glich Sigurd Ribbung!
Sigrid. Lachte er wie Sigurd?
Frau Ragnhild. Ja, ja!
Sigrid. Dann laßt uns alle beten.
Frau Ragnhild mit der Kraft der Verzweiflung. Der Jarl muß zum König erkoren werden! Er leidet Schaden an seiner Seele, wenn er nicht der erste Mann im Lande wird!
Sigrid kräftiger. Dann laßt uns alle beten!
Frau Ragnhild. Still! was ist das? Am Fenster. Was für Rufe! Alle Männer haben sich erhoben – alle Banner und Zeichen flattern im Winde.
Sigrid ihren Arm packend. Bete, Weib! Bete für Deinen Eheherrn!
Frau Ragnhild. Ja, heiliger Olaf, gib ihm alle Macht in diesem Lande!
Sigrid leidenschaftlich. Keine, – keine! Sonst wird er nimmer gerettet!
Frau Ragnhild. Er muß die Macht haben. Alles Gute in ihm wird wachsen und blühen, wenn er sie bekommt –. Sieh hinaus, Margrete! Hör' hin! Sie weicht einen Schritt zurück. Alle Hände erheben sich zum Schwur!
Margrete lauscht am Fenster.
Frau Ragnhild. Bei Gott und dem heiligen Olaf, wem gilt das?
Sigrid. Bete!
Margrete lauscht und gebietet mit erhobener Hand Schweigen.
Frau Ragnhild nach einer Weile. Sprich! Hörner- und Lurenschall vom Thingwalle.
Frau Ragnhild. Bei Gott und dem heiligen Olaf, wem galt das?
Margrete wendet den Kopf und spricht: Nun haben sie Håkon Håkonsson zum König erkoren. Die Musik des Königszuges fällt ein, zuerst gedämpft, dann näher und näher. Frau Ragnhild klammert sich schluchzend an Sigrid, die sie still hinausführt nach rechts; Margrete bleibt unbeweglich am Fenster stehen, gelehnt an den Rahmen. Die Leute des Königs öffnen die Flügeltür; man blickt in die Halle, die allmählich der Zug vom Thingwalle füllt.
Håkon wendet sich in der Tür zu Ivar Bodde um. Bring mir Schreibfeder und Wachs und Seide, – Pergament hab' ich schon. Er geht in lebhafter Bewegung zum Tische und legt einige Pergamentrollen darauf. Margrete, jetzt bin ich König!
Margrete. Ich grüße meinen Herrn und König.
Håkon. Dank! – Er schaut sie an und ergreift ihre Hand. Verzeiht – ich dachte nicht daran, daß es Euch kränken mußte.
Margrete zieht die Hand zurück. Es hat mich nicht gekränkt – Ihr seid gewißlich zum König geboren.
Håkon lebhaft. Ja, muß nicht ein jeglicher das sagen, wenn er bedenkt, wie wunderbar Gott und die Heiligen mich wider alles Böse beschirmt haben? Als ich ein Jahr alt war, trugen die Birkebeiner mich in Frost und Unwetter übers Gebirge und mitten durch die hindurch, die mir nach dem Leben trachteten. In Nidaros entkam ich unverletzt den Baglern, als sie die Stadt verbrannten und so viele von den Unsern erschlugen, während König Inge sich selbst mit Not an Bord eines Schiffes rettete, indem er am Ankertau emporklomm.
Margrete. Ihr hattet eine harte Jugend.
Håkon blickt sie fest an. Mich will jetzt bedünken, Ihr hättet sie mir freundlicher machen können.
Margrete Ich?
Håkon. Ihr hättet mir eine so gute Pflegeschwester sein können in all den Jahren, da wir miteinander aufwuchsen!
Margrete. Aber es fügte sich nicht so.
Håkon. Nein, – es fügte sich nicht so; – wir schauten einander an, jedes aus seiner Ecke, aber selten sprachen wir zusammen – Ungeduldig. Wo bleibt er nur! Ivar Bodde erscheint mit Schreibgerät. Bist Du da? Gib her!
Håkon setzt sich an den Tisch und schreibt. Bald darauf tritt Jarl Skule ein, darauf Dagfinn, Bischof Nikolas und Vegard Väradal.
Håkon blickt auf und läßt die Feder sinken. Herr Jarl, wißt Ihr, was ich hier schreibe? Der Jarl kommt näher. Ich schreibe an meine Mutter; ich danke ihr für alles Gute und küsse sie tausendmal – auf dem Papier, versteht sich. Ich schicke sie ostwärts nach Borgasyssel, und dort soll sie mit allen königlichen Ehren leben.
Jarl Skule. Ihr wollt sie nicht bei Hof behalten?
Håkon. Sie ist mir allzu teuer, Jarl. – Ein König darf keinen um sich haben, der ihm allzu teuer ist; ein König muß mit freien Händen handeln können, muß allein stehen, sich nicht locken und nicht leiten lassen. Hier in Norwegen gibt es so viel zu sühnen. Schreibt weiter.
Vegard Väradal leise zu Bischof Nikolas. Das war mein Rat, – die Sache mit der Königsmutter.
Bischof Nikolas. Ich erkannte Euch sogleich an dem Rat.
Vegard Väradal. Nun aber Gleiches für Gleiches!
Bischof Nikolas. Wartet! Ich halte, was ich versprach.
Håkon gibt Ivar Bodde das Pergament. Falt' es zusammen und überbring es ihr selbst mit vielen zärtlichen Grüßen –
Ivar Bodde, der einen Blick in das Pergament geworfen hat. Herr – noch heute, schreibt Ihr –!
Håkon. Der Wind ist jetzt gut, – er streicht südwärts durch die Inseln.
Dagfinn langsam. Bedenket, Herr König, daß sie die Nacht hindurch in Fasten und Gebet auf den Altarstufen gelegen hat.
Ivar Bodde. Und es könnte sein, daß sie müde ist nach der Eisenprobe.
Håkon. Wohl wahr, wohl wahr – meine gute, zärtliche Mutter –! Sich fassend. Ja, wenn sie allzu müde ist, soll sie bis morgen warten.
Ivar Bodde. Euer Wille geschehe. Er legt ihm ein anderes Pergament vor. Und nun das andere, Herr!
Håkon. Das andere? – Ivar Bodde, ich kann nicht.
Dagfinn deutet auf den Brief an Inga. Ihr konntet doch das da.
Ivar Bodde. Mit allem, was sündhaft ist, müsset Ihr brechen.
Bischof Nikolas, der sich mittlerweile genähert hat. Bindet dem Jarl jetzt die Hände, König Håkon.
Håkon mit gedämpfter Stimme. Meint Ihr, das sei nötig?
Bischof Nikolas. Ihr werdet den Frieden des Landes um billigeren Preis niemals erkaufen.
Håkon. So kann ich's. Her mit der Feder! Er schreibt.
Jarl Skule zum Bischof, der nach rechts hinübergeht. Ihr habt das Ohr des Königs, wie es scheint.
Bischof Nikolas. Zu Eurem Frommen.
Jarl Skule. Ist das wahr?
Bischof Nikolas. Vor Abend noch werdet Ihr mir danken. Er entfernt sich.
Håkon reicht das Pergament hin. Lest das, Jarl.
Jarl Skule liest, sieht den König erstaunt an und sagt mit halber Stimme: Ihr gebt jeden Umgang auf mit Kanga, der jungen?
Håkon. Mit Kanga, die ich über alles in der Welt geliebt habe. Von heut an darf sie sich nie auf dem Wege betreffen lassen, den der König wandelt.
Jarl Skule. Groß ist, was Ihr da tut, Håkon – ich weiß aus eigener Erfahrung, was es Euch kosten muß –
Håkon. Fort muß jeder, der dem König allzu teuer ist. – Binde den Brief zu. Er gibt ihn Ivar Bodde.
Bischof Nikolas beugt sich über den Stuhl. Herr König, da habt Ihr einen großen Schritt vorwärts getan in der Freundschaft des Jarls.
Håkon reicht ihm die Hand. Dank, Bischof Nikolas; Ihr habt mir zum besten geraten. Bittet Euch eine Gnade aus, sie soll Euch gewährt sein.
Bischof Nikolas. Gewiß?
Håkon Ich gelob' es Euch mit meinem Königsworte.
Bischof Nikolas. So ernennt Vegard Väradal zum Vogt auf Hålogaland.
Håkon. Vegard? Er ist der treueste Freund fast, den ich habe; ungern lass' ich ihn so weit fort von mir.
Bischof Nikolas. Des Königs Freund verdient königlichen Lohn. Bindet den Jarl auf die Art, wie ich Euch geraten habe, dann seid Ihr für alle Zeiten sicher.
Håkon ergreift ein Pergamentblatt. Vegard soll die Vogtei auf Hålogaland erhalten. Er schreibt. Hier geb' ich's ihm königlich verbrieft.
Der Bischof tritt zurück.
Jarl Skule nähert sich dem Tische. Was schreibt Ihr da?
Håkon reicht ihm das Blatt. Lest!
Jarl Skule liest und blickt den König fest an. Vegard Väradal? Auf Hålogaland?
Håkon. Im nördlichen Amte, das erledigt ist.
Jarl Skule. Bedenkt Ihr denn nicht, daß Andres Skjaldarband auch ein Amt dort im Norden hat? Die beiden sind erbitterte Feinde – Andres Skjaldarband hält zu mir –
Håkon lächelt und steht auf. Und Vegard Väradal zu mir. Darum müssen sie sehen, sich je eher je lieber zu vertragen. Zwischen den Mannen des Königs und des Jarls darf hinfort kein Zwist mehr sein.
Bischof Nikolas. Hm, das könnte doch am Ende schlimm ablaufen! Nähert sich unruhig.
Jarl Skule. Ihr denkt klug und tief, Håkon.
Håkon mit Wärme. Jarl Skule, ich nahm Euch heute das Reich, – aber laßt Eure Tochter es mit mir teilen!
Jarl Skule. Meine Tochter!
Margrete. Gott!
Håkon. Margrete, – wollt Ihr Königin sein?
Margrete schweigt.
Håkon ergreift ihre Hand. Antwortet mir.
Margrete leise. Ich will gern Eure Ehefrau sein.
Jarl Skule mit einem Handschlag. Frieden und Vergleich von Herzen!
Håkon. Dank!
Ivar Bodde zu Dagfinn. Gelobt sei der Himmel – jetzt tagt es.
Dagfinn. Fast glaub' ich's. So gut hat der Jarl mir noch nie gefallen.
Bischof Nikolas hinter ihm. Seid immer auf der Hut, guter Dagfinn, – immer auf der Hut!
Ivar Bodde zu Vegard. Nun seid Ihr Vogt auf Hålogaland – da habt Ihr des Königs Handschrift. Gibt ihm den Brief.
Vegard Väradal. Für seine Gnade werd' ich dem König später danken. Will gehen.
Bischof Nikolas tritt ihm in den Weg: Andres Skjaldarband hat einen harten Nacken – laßt Euch nicht einschüchtern.
Vegard Väradal. Das ist bisher noch keinem gelungen. Ab.
Bischof Nikolas folgt ihm. Seid wie Fels und Kiesel gegen Andres Skjaldarband, – und im übrigen nehmt meinen Segen mit Euch.
Ivar Bodde, der mit den Pergamenten in der Hand hinter dem König gewartet hat. Hier sind die Briefe, Herr –
Håkon. Gut. Gib sie dem Jarl.
Ivar Bodde. Dem Jarl? Wollt Ihr sie nicht siegeln?
Håkon. Das pflegt ja der Jarl zu tun – er hat das Siegel.
Ivar Bodde mit gedämpfter Stimme. Ja, bisher, – solang er die Vormundschaft für Euch führte – aber jetzt!
Håkon. Jetzt wie sonst – der Jarl hat das Siegel. Entfernt sich.
Jarl Skule. Gebt mir die Briefe, Ivar Bodde.
Er geht damit zum Tische, zieht das Reichssiegel hervor, das er im Gurte verwahrt trägt, und siegelt während der folgenden Szene.
Bischof Nikolas halblaut. Håkon Håkonsson ist König – und der Jarl hat des Königs Siegel – es wird schon gehen, wird schon gehen!
Håkon. Was sagt Ihr, Herr Bischof?
Bischof Nikolas. Ich sage, Gott und Sankt Olaf wachen über ihre heilige Kirche. Ab in die Königshalle.
Håkon nähert sich Margreten. Eine kluge Königin kann Großes im Lande wirken; Euch durft' ich ruhig wählen, denn ich weiß, Ihr seid klug.
Margrete. Nur das?
Håkon. Was meint Ihr?
Margrete. Nichts, nichts, Herr.
Håkon. Und Ihr hegt keinen Groll wider mich, daß Ihr vielleicht holde Wünsche um meinetwillen habt aufgeben müssen?
Margrete. Ich habe keine holden Wünsche um Euretwillen aufgeben müssen.
Håkon. Und Ihr wollt mir nahe stehen und mir guten Rat geben?
Margrete. Ich möchte so gern Euch nahe stehen.
Håkon. Und mir guten Rat geben. Ich dank' Euch dafür. Der Rat der Frauen frommt jedem Manne, und ich habe fortan keine andere als Euch; – meine Mutter mußt' ich fortschicken –
Margrete. Ja, sie war Euch allzu teuer.
Håkon. Und ich bin König. Lebt denn wohl, Margrete! Ihr seid so jung noch – aber nächsten Sommer soll unsere Hochzeit sein, und ich gelobe, von der Stunde an Euch in aller geziemenden Treue und Ehre bei mir zu halten.
Margrete mit wehmütigem Lächeln. Ja, ich weiß, es wird lange dauern, bis Ihr mich fortschickt.
Håkon lebhaft. Euch fortschicken? Das werd' ich niemals tun!
Margrete mit tränenerfüllten Augen. Nein, das tut Håkon nur mit denen, die ihm allzu teuer sind.
Sie geht auf den Ausgang zu. Håkon blickt ihr gedankenvoll nach.
Frau Ragnhild von rechts. Der König und der Jarl so lange hier drinnen! Die Angst tötet mich – Margrete, was hat der König gesagt und getan?
Margrete. O, so viel! Zuletzt hat er sich einen Vogt und eine Königin erkoren.
Frau Ragnhild. Du, Margrete?
Margrete am Halse ihrer Mutter. Ja!
Frau Ragnhild. Du wirst Königin!
Margrete. Nur Königin – aber ich glaube, ich bin auch darüber froh.
Sie und ihre Mutter rechts ab.
Jarl Skule zu Ivar Bodde. Da sind Eure Briefe – bringt sie der Königsmutter und Kanga.
Ivar Bodde verneigt sich und geht.
Dagfinn in der Tür zur Halle. Der Erzbischof von Nidaros begehrt, dem Könige Håkon Håkonsson seine Huldigung darbringen zu dürfen.
Håkon aus voller Brust aufatmend. Endlich bin ich denn König in Norwegen! Ab in die Halle.
Jarl Skule steckt das Siegel des Königs in den Gurt. Ich aber regiere Land und Reich.