Henrik Ibsen
Der Bund der Jugend
Henrik Ibsen

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Dritter Akt

Elegantes Vorzimmer, mit Eingang im Hintergrunde. Links die Tür zum Comptoir des Kammerherrn; weiter zurück die Tür zur Wohnstube. Rechts eine Tür zu den Comptoiren des Inspektors; davor ein Fenster.

Thora sitzt weinend auf dem Sofa links. Der Kammerherr geht aufgeregt hin und her.

Der Kammerherr. Da haben wir nun das Nachspiel! Tränen und Jammer –

Thora. O Gott, hätten wir doch den Menschen nie gesehen!

Der Kammerherr. Welchen Menschen?

Thora. Den abscheulichen Stensgård, natürlich.

Der Kammerherr. Du solltest lieber sagen: hätten wir doch nie den abscheulichen Doktor gesehen!

Thora. Fjeldbo?

Der Kammerherr. Ja, Fjeldbo, Fjeldbo! War er's nicht, der mir vorgelogen hat –?

Thora. Nein, liebster, bester Papa, ich war's.

Der Kammerherr. Du? Also Ihr beide! Im Einverständnis miteinander – hinter meinem Rücken! Das ist ja reizend!

Thora. Ach, Papa, wenn Du wüßtest –

Der Kammerherr. Ach, ich weiß genug; mehr als genug und noch mehr!

Doktor Fjeldbo durch die Mitte.

Fjeldbo. Guten Morgen, Herr Kammerherr! Guten Morgen, gnädiges Fräulein!

Der Kammerherr geht weiter auf und ab. Na, sind Sie da? – Sie Unglücksrabe, –

Fjeldbo. Ja, es war ein höchst unangenehmer Vorfall.

Der Kammerherr sieht zum Fenster hinaus. Finden Sie das wirklich?

Fjeldbo. Ich meine, Sie müssen bemerkt haben, wie ich die ganze Zeit über Stensgård nicht aus den Augen gelassen habe. Als ich hörte, man arrangiere ein Pfänderspiel, da dachte ich leider, es wäre keine Gefahr –

Der Kammerherr mit dem Fuße stampfend. An den Pranger gestellt zu werden von solch einem Windbeutel! Und was haben nicht meine Gäste von mir denken müssen? Daß ich erbärmlich genug sei, diesen Wicht kaufen zu wollen, diesen – diesen – wie nennt ihn doch Lundestad?

Fjeldbo. Ja, aber –

Thora, ohne daß ihr Vater es bemerkt. Still!

Der Kammerherr nach einer kurzen Pause; wendet sich zu Fjeldbo. Sagen Sie mir aufrichtig, Doktor, – bin ich wirklich dümmer als die meisten andern Menschen?

Fjeldbo. Wie können Sie so fragen, Herr Kammerherr?

Der Kammerherr. Aber wie konnte es denn geschehen, daß ich wahrscheinlich der einzige war, der nicht verstanden hat, daß die verdammte Rede auf mich gemünzt war?

Fjeldbo. Soll ich's Ihnen sagen?

Der Kammerherr. Gewiß sollen Sie das.

Fjeldbo. Darum, weil Sie selbst Ihre Stellung hier in der Gegend mit andern Augen ansehen als die übrige Bevölkerung.

Der Kammerherr. Ich sehe meine Stellung so an, wie mein seliger Vater seine Stellung hier angesehen hat. Meinem seligen Vater hätte man nie so etwas zu bieten gewagt.

Fjeldbo. Ihr seliger Vater starb aber auch so um 1830 herum.

Der Kammerherr. Nun ja; seit der Zeit ist so manches hier anders geworden. Übrigens bin ich selbst schuld daran. Ich habe mich zu tief mit den guten Leuten eingelassen. Deshalb muß ich mich jetzt darein finden, mit einem Lundestad auf eine Stufe gestellt zu werden.

Fjeldbo. Offen gesagt, darin sehe ich keine Herabwürdigung.

Der Kammerherr. Sie verstehen mich recht gut. Ich poche natürlich nicht auf irgend welche Vornehmheit oder auf Titel oder dergleichen. Aber was ich in Ehren halte, und was andere mir in Ehren halten sollen, das ist die durch alle Generationen vererbte Rechtschaffenheit unsrer Familie. Was ich meine, ist das: wenn man, wie Lundestad, in das öffentliche Leben eingreift, so kann man seinen Charakter und Wandel nicht durchaus makellos erhalten. Deshalb muß Lundestad es sich auch gefallen lassen, daß man ihn mit Schmutz bewirft. Aber mich soll man in Ruhe lassen; ich stehe über den Parteien.

Fjeldbo. Nicht so ganz, Herr Kammerherr. Sie haben sich jedenfalls gefreut, solange Sie glaubten, der Angriff gälte Monsen.

Der Kammerherr. Nennen Sie mir diesen Namen nicht! Monsen ist's, der den moralischen Sinn hier in der Gegend abgestumpft hat. Leider hat er auch meinem Herrn Sohn den Kopf verdreht.

Thora. Erik?

Fjeldbo. Ihrem Sohn?

Der Kammerherr. Ja; was brauchte der sich in Handelsgeschäfte einzulassen? Das führt ja doch zu nichts.

Fjeldbo. Aber, lieber Herr Kammerherr, er muß doch leben und –

Der Kammerherr. Bei einiger Sparsamkeit könnte er recht gut von seinem Muttererbe leben.

Fjeldbo. Ja, da von könnte er vielleicht leben; aber wo für sollte er leben ?

Der Kammerherr. Wofür? Nun, mußte er durchaus für etwas leben, so ist er ja Rechtskandidat; er konnte ja für seine Wissenschaft leben.

Fjeldbo. Nein, das konnte er nicht; denn es ist wider seine Natur. Er konnte fürs erste auch nicht daran denken, sich um ein Amt zu bewerben; die Verwaltung Ihrer Besitztümer haben Sie sich selbst vorbehalten; Ihr Sohn hat keine Kinder zu erziehen. Und wenn er unter solchen Umständen verführerische Beispiele vor sich sieht, – Leute sieht, die im Begriffe sind, aus nichts eine halbe Million zu machen –

Der Kammerherr. Eine halbe Million? Ach, hören Sie mal, lassen Sie uns bei den Hunderttausend bleiben. Aber weder die halbe Million noch die Hunderttausend kratzt man mit so ganz reinen Händen zusammen; – ich meine nicht der Welt gegenüber, Gott bewahre! Die Gesetze kann man ja streng beobachten; doch dem eigenen Bewußtsein gegenüber. Zu dergleichen kann sich ja natürlich mein Sohn nicht verstehen. Sie können daher ganz ruhig sein: die Tätigkeit des Großkaufmanns Bratsberg wirft sicherlich keine halbe Million ab.

Selma,im Promenadenkostüm, kommt durch die Mitte.

Selma. Guten Morgen! Ist mein Mann nicht hier?

Der Kammerherr. Guten Morgen, Kind! Du suchst Deinen Mann?

Selma. Ja, er sagte, er müßte hierher. Monsen kam heute früh zu ihm, und da –

Der Kammerherr. Monsen? Monsen kommt zu Euch?

Selma. Ab und zu einmal; meist in Geschäften. Aber, liebe Thora, was ist das? Du hast geweint?

Thora. O, es ist nichts.

Selma. Doch! – Zu Hause war Erik verstimmt, und hier – ich seh's Euch allen an, irgend etwas ist los. Was ist es?

Der Kammerherr. Na, na; für Dich ist es jedenfalls nichts. Du bist zu fein, um Bürden zu tragen, meine kleine Selma. Geht Ihr beide so lange in die Wohnstube. Hat Erik gesagt, daß er kommt, so wird er wohl auch kommen.

Selma. Laß uns gehen; – und bewahr' mich ja vor der Zugluft! Umarmt sie. O, ich könnte Dich zermalmen, süße Thora!

Beide Damen ab nach links.

Der Kammerherr. So sind sie also handelseins geworden, die beiden Spekulanten! Sie sollten ein Kompagniegeschäft eröffnen. Monsen und Bratsberg, – das würde herrlich klingen! Es klopft im Hintergrunde. Herein!

Stensgård tritt ein.

Der Kammerherr weicht einen Schritt zurück. Was ?

Stensgård. Ja, da bin ich wieder, Herr Kammerherr.

Der Kammerherr. Das sehe ich.

Fjeldbo. Aber, Mensch, bist Du toll?

Stensgård. Sie haben sich gestern abend zeitig zurückgezogen. Nachdem Fjeldbo mich über den Zusammenhang aufgeklärt hatte, waren Sie bereits –

Der Kammerherr. Ich bitte, – jede Erklärung wäre überflüssig –

Stensgård. Ganz gewiß. Sie dürfen auch nicht glauben, daß ich deshalb komme.

Der Kammerherr. So? und weshalb?

Stensgård. Ich weiß, daß ich Sie schwer gekränkt habe.

Der Kammerherr. Das weiß ich auch; und ehe ich Sie zur Tür hinauswerfen lasse, werden Sie mir vielleicht sagen, weswegen Sie gekommen sind.

Stensgård. Weil ich Ihre Tochter liebe, Herr Kammerherr!

Fjeldbo. Wie –!

Der Kammerherr. Was sagt er, Doktor?

Stensgård. Sie können sich da nicht hineindenken, Herr Kammerherr. Sie sind ein alter Mann; Sie haben nichts, wofür Sie kämpfen –

Der Kammerherr. Und Sie unterstehen sich –!

Stensgård. Ich komme, Sie um die Hand Ihrer Tochter zu bitten, Herr Kammerherr.

Der Kammerherr. Sie –, Sie –? Wollen Sie nicht Platz nehmen?

Stensgård. Danke; ich stehe lieber.

Der Kammerherr. Was sagen Sie dazu, Doktor?

Stensgård. Ach, Fjeldbo sagt nur Gutes; er ist mein Freund; der einzige wirkliche Freund, den ich habe.

Fjeldbo. Nein, nein, Mensch; bei Gott im Himmel nicht, wofern Du –

Der Kammerherr. Haben deswegen der Herr Doktor ihn in unser Haus eingeführt?

Stensgård. Sie kennen mich nur aus meinem Auftreten von vorgestern und gestern. Und das genügt nicht. Auch bin ich heute nicht derselbe wie gestern. Das Zusammensein mit Ihnen und Ihrer Familie ist wie ein Frühlingsregen über mich gekommen. In einer einzigen Nacht sind Keime aufgeschossen! Sie dürfen mich nicht wieder zurückstoßen ins Unwirtliche. Ich habe niemals bis auf diesen Tag teil gehabt an des Lebens Herrlichkeit –; die war für mich nur wie der Vogel auf dem Dach –

Der Kammerherr. Aber meine Tochter –?

Stensgård. O, die werde ich gewinnen.

Der Kammerherr. So? Hm!

Stensgård. Ja, weil ich es will. Erinnern Sie sich, was Sie mir gestern erzählt haben. Sie waren auch mit der Heirat Ihres Sohnes nicht zufrieden; – sehen Sie, es hat sich doch zum Guten gewandt. Sie sollen sich das Lehrgeld hinter die Ohren schreiben, wie Fjeldbo sagte –

Der Kammerherr. Hm, war das so gemeint?

Fjeldbo. Nicht im entferntesten! Lieber Herr Kammerherr, lassen Sie mich allein mit ihm reden –

Stensgård. Unsinn! Ich habe mit Dir nichts zu reden. Hören Sie, Herr Kammerherr! Seien Sie gescheit und vernünftig. Eine Familie, wie die Ihrige, bedarf neuer Verbindungen, sonst verdummt das Geschlecht –

Der Kammerherr. Jetzt wird's mir aber zu arg!

Stensgård. Pst! Pst! Nur nicht hitzig! Lassen Sie diese törichten vornehmen Grillen! Zum Geier, es sind ja doch im Grunde nur Narrenspossen. Sie sollen sehen, wie zufrieden Sie mit mir sein werden, wenn Sie mich nur erst kennen gelernt haben. Ja, ja! Sie sollen zufrieden mit mir sein, – Sie wie Ihre Tochter! Die werd' ich zwingen –

Der Kammerherr. Was meinen Sie, Herr Doktor?

Fjeldbo. Ich glaube, es ist Tollheit!

Stensgård. Für Dich würd' es Tollheit sein; aber ich, siehst Du, ich habe hier auf Gottes schöner Erde ein Werk zu vollbringen; – ich lasse mich nicht abschrecken durch Gerede und Vorurteil!

Der Kammerherr. Herr Rechtsanwalt, dort ist die Tür!

Stensgård. Sie weisen mir –

Der Kammerherr. Die Tür.

Stensgård. Tun Sie das nicht!

Der Kammerherr. Hinaus mit Ihnen! Sie sind ein Glücksritter und ein – ein –; verwünscht noch einmal! Sie sind –

Stensgård. Was bin ich?

Der Kammerherr. Sie sind das andere; das, was mir auf der Zunge liegt, das sind Sie!

Stensgård. Halten Sie mich in meiner Karriere auf, so hüten Sie sich!

Der Kammerherr. Wovor?

Stensgård. Dann werde ich Sie verfolgen, in den Zeitungen gegen Sie schreiben, Sie verleumden, Ihre Ehre untergraben, wo ich nur kann. Sie sollen schreien unter den Geißelhieben. Sie sollen wähnen, Geister in der Luft zu sehen, die auf Sie einhauen. Sie sollen sich verkriechen vor Angst, die Arme verschlungen über dem Kopf halten, um die Streiche abzuwehren – auf allen vieren Schutz vor mir suchen –

Der Kammerherr. Suchen Sie selber Schutz – im Tollhause! Da gehören Sie hin!

Stensgård. Haha! das ist ein wohlfeiler Rat! Aber Sie verstehen es nicht besser, Herr Bratsberg! Lassen Sie mich Ihnen sagen: der Zorn des Herrn ist in mir! Es ist sein Wille, dem Sie widerstreben. Er will meinen Weg mit eitel Sonnenschein segnen, – werfen Sie keinen Schatten darüber. – Na, ich sehe schon, daß ich heut mit Ihnen zu keiner Verständigung komme; aber das tut nichts. Ich verlange nichts weiter, als daß Sie mit Ihrer Tochter reden. Bereiten Sie sie vor; geben Sie ihr doch Gelegenheit, zu wählen! Überlegen Sie sich's, und sehen Sie sich hier um. Wie können Sie erwarten, einen Schwiegersohn unter diesen Schafsköpfen und Tagedieben zu finden? Fjeldbo sagt, sie ist tief, still und treu. Nun wissen Sie alles. Leben Sie wohl, Herr Kammerherr; Sie können mich haben, wie Sie wollen, – zum Freund oder zum Feind. Adieu!

Ab durch die Mitte.

Der Kammerherr. So weit ist es also gekommen! So etwas wagt man mir in meinem eigenen Hause zu bieten!

Fjeldbo. Stensgård wagt es; kein anderer.

Der Kammerherr. Er heut; morgen andere.

Fjeldbo. Mögen sie kommen! Ich werde den Stoß parieren, ich werde durchs Feuer für Sie gehen –

Der Kammerherr. Ja Sie, der an allem schuld ist! – Hm; dieser Stensgård ist doch der unverschämteste Schlingel, der mir je vorgekommen ist! Und doch, – was, zum Kuckuck, ist es nur? – er hat etwas an sich, was mir gefällt.

Fjeldbo. Er weckt Hoffnungen –

Der Kammerherr. Es ist Offenherzigkeit in ihm, Herr Doktor! Er treibt sein Spiel nicht hinter unserm Rücken, wie gewisse Leute! Er nicht!

Fjeldbo. Darüber verlohnt es sich nicht zu streiten. Nur fest geblieben, Herr Kammerherr! Nein und abermals nein Stensgård gegenüber –

Der Kammerherr. Behalten Sie Ihren Rat für sich! Sie können sich darauf verlassen, daß weder er noch irgend ein anderer –

Inspektor Ringdal aus der Tür zur Rechten. Erlauben Sie, Herr Kammerherr, – ein Wort – Flüstert ihm etwas zu.

Der Kammerherr. Was? Bei Ihnen drin?

Ringdal. Er ist durch die Hintertür gekommen und bittet nachdrücklich um eine Unterredung mit Ihnen.

Der Kammerherr. Hm. – Ach, Doktor, gehen Sie einen Augenblick zu den Damen hinüber; da ist einer, der –; aber sagen Sie Selma nichts von Herrn Stensgård und seinem Besuch. Sie darf von all diesen Widerwärtigkeiten nichts erfahren. Was meine Tochter betrifft, so wär's mir ebenfalls lieb, wenn Sie reinen Mund hielten; aber – –. Ich möchte nicht –! Bitte, gehen Sie hinein!

Fjeldbo ab nach der Wohnstube. Ringdal ist inzwischen wieder in sein Comptoir gegangen, aus dem gleich darauf Monsen herauskommt.

Monsen in der Tür. Ich bitte den Herrn Kammerherrn recht sehr um Entschuldigung –

Der Kammerherr. Na, nur herein, nur herein!

Monsen. Die Familie ist doch hoffentlich wohl?

Der Kammerherr. Danke. Wünschen Sie etwas?

Monsen. Das könnte ich nicht sagen. Ich bin, gottlob! ein Mann, der so ziemlich alles hat, was er sich wünschen kann.

Der Kammerherr. Ei, ei! Ein großes Wort.

Monsen. Aber ich habe auch gearbeitet, Herr Kammerherr. Ja, ich weiß, Sie sehen meine Wirksamkeit nicht mit günstigen Augen an.

Der Kammerherr. Es ist wohl auch ohne Einfluß auf Ihre Tätigkeit, mit was für Augen ich sie ansehe.

Monsen. Wer weiß? Jedenfalls gedenke ich mich so allmählich von den Geschäften zurückzuziehen.

Der Kammerherr. Wirklich?

Monsen. Ich habe Glück gehabt, will ich Ihnen sagen. Ich bin jetzt so weit gekommen, wie ich zu kommen strebte; deshalb, mein' ich, wär's an der Zeit, nach und nach zu liquidieren und –

Der Kammerherr. Na, da gratuliere ich Ihnen und vielen anderen.

Monsen. Und wenn ich dabei gleichzeitig dem Herrn Kammerherrn einen Dienst leisten könnte –

Der Kammerherr. Mir?

Monsen. Als die Wälder von Langerud vor fünf Jahren unter den Hammer kamen, da machten Sie ein Gebot –

Der Kammerherr. Ja, aber nach der Auktion haben Sie mich überboten und den Zuschlag bekommen.

Monsen. Sie könnten sie jetzt mit Sägewerk und allen Gerechtsamen kriegen –

Der Kammerherr. Nach der sündhaften Abholzung, die dort vorgenommen worden –?

Monsen. I, sie haben noch beträchtlichen Wert; und bei Ihrer Betriebsart werden sie in wenig Jahren –

Der Kammerherr. Danke; ich kann leider auf die Sache nicht eingehen.

Monsen. Aber es wäre ein schön Stück Geld dabei zu verdienen, Herr Kammerherr. Und was mich betrifft, – ich will Ihnen sagen, ich habe eine große Spekulation vor; es steht viel dabei auf dem Spiel; ich meine, es ist viel dabei zu verdienen; zirka hunderttausend Taler.

Der Kammerherr. Hunderttausend Taler? Das ist in der Tat keine geringe Summe.

Monsen. Hahaha! Recht nett mitzunehmen und auf die hohe Kante zu legen. Aber wenn einer 'ne große Schlacht schlagen will, so braucht er Reserven, wie man so sagt. Bar Geld gibt's hier nicht viel; die Namen, die was taugen, sind stark in Anspruch genommen –

Der Kammerherr. Ja, dafür haben gewisse Leute gesorgt.

Monsen. Eine Hand wäscht die andere. Na, Herr Kammerherr, wollen wir nicht das Geschäft machen? Sie können die Waldungen für ein Spottgeld kriegen –

Der Kammerherr. Ich will sie um keinen Preis, Herr Monsen.

Monsen. Aber ein gutes Anerbieten ist doch ein anderes wert. Herr Kammerherr, wollen Sie mir helfen?

Der Kammerherr. Was meinen Sie?

Monsen. Ich stelle natürlich Sicherheit. Ich habe ja Liegenschaften genug. Sehen Sie hier! Diese Dokumente – darf ich Ihnen auseinandersetzen, wie ich stehe?

Der Kammerherr, die Schriftstücke zurückweisend. Mit Geld soll ich Ihnen aushelfen –?

Monsen. Nicht mit barem Geld, bewahre! Nur des Herrn Kammerherrn Garantie –. Gegen Vergütung natürlich; – und gegen Sicherheit, und –

Der Kammerherr. Und mit einer solchen Zumutung wagen Sie mir zu kommen?

Monsen. Ja, gerade Ihnen. Ich weiß, Sie haben schon manchmal Ihren Groll vergessen, wenn einer so recht in der Patsche saß.

Der Kammerherr. Nun, in gewisser Beziehung muß ich Ihnen für Ihre gute Meinung danken, – zumal in einer Zeit, wie dieser; gleichwohl –

Monsen. Herr Kammerherr, wollen Sie mir nicht sagen, was Sie gegen mich haben?

Der Kammerherr. Was für einen Zweck könnte das haben?

Monsen. Den Zweck, daß unser Verhältnis besser würde. Soviel ich weiß, habe ich Ihnen nie auch nur einen Strohhalm in den Weg gelegt.

Der Kammerherr. Wirklich nicht? Da will ich Ihnen doch einen Fall nennen, wo Sie mir in den Weg getreten sind. Ich gründete den Hütten-Vorschußverein zugunsten meiner Untergebenen und anderer. Aber da fingen Sie an, sich auf Bankgeschäfte zu legen; die Leute gehen zu Ihnen mit ihren Sparpfennigen –

Monsen. Begreiflich, Herr Kammerherr; denn ich gebe höhere Zinsen für Einlagen.

Der Kammerherr. Freilich; aber Sie nehmen auch höhere Zinsen für Darlehen.

Monsen. Und dann mache ich nicht so viel Schwierigkeiten mit Kautionen und dergleichen.

Der Kammerherr. Leider; deshalb sieht man auch, daß hier Geschäfte in der Höhe von zehn-, zwanzigtausend Talern abgeschlossen werden, ohne daß der Käufer oder der Verkäufer einen roten Heller besitzt. Sehen Sie, Herr Monsen, das habe ich gegen Sie. Und noch etwas, das noch näher liegt. Glauben Sie etwa, es geschah mit meinem Willen, daß mein Sohn sich in diese wüsten Unternehmungen eingelassen hat?

Monsen. Aber dafür kann ich doch nichts!

Der Kammerherr. Es war Ihr Beispiel, das ihn und die übrigen angesteckt hat. Weshalb sind Sie nicht bei Ihrem Leisten geblieben?

Monsen. Als Holzflößer, wie mein Vater?

Der Kammerherr. War es etwa ein Schimpf, in meinen Diensten zu stehen? Ihr Vater ernährte sich redlich und war geachtet in seinem Stande.

Monsen. Jawohl, bis er sich zuschanden gearbeitet hatte und schließlich mit seinem Floß im Bergstrom unterging. Haben Sie eine Ahnung von dem Leben dieses Standes, Herr Kammerherr? Haben Sie ein einzig Mal durchgemacht, was die Leute ertragen müssen, die sich für Sie abschinden drinnen in den Hochwäldern und auf und längs den Flußläufen, während Sie in Ihrer warmen Stube sitzen und die Früchte ernten? Können Sie's solch einem Manne verdenken, daß er sich emporarbeiten will? Ich habe nun etwas besseren Unterricht genossen, als mein Vater; hatte vielleicht auch ein bißchen bessere Anlagen –

Der Kammerherr. Mag sein. Aber durch was für Mittel sind Sie emporgekommen? Sie fingen an mit einem Branntweinhandel. Dann kauften Sie unsichere Schuldforderungen und trieben sie unerbittlich ein; – dann gingen Sie weiter und weiter. Wie manchen haben Sie nicht ruiniert, um vorwärts zu kommen!

Monsen. Das ist des Handels Lauf; der eine kommt herauf, der andere herunter.

Der Kammerherr. Aber die Art und die Mittel? Hier gibt es ehrenwerte Familien, die durch Ihre Schuld an den Bettelstab gebracht sind.

Monsen. Daniel Hejre ist auch nicht weit vom Bettelstab.

Der Kammerherr. Ich verstehe Sie. Aber mein Verfahren kann ich vor Gott und den Menschen verantworten! Als nach der Trennung von Dänemark das Land in Not war, half mein seliger Vater über seine Kräfte. Dadurch kam ein Teil unserer Güter an die Familie Hejre. Zu was führte das? Es saßen Geschöpfe von Fleisch und Blut auf diesen Gütern, und die litten unter Daniel Hejres unkluger Verwaltung. Er ließ die Wälder abholzen zum Schaden, ja, ich kann wohl sagen zum Unglück des Distrikts. War es nicht geradezu meine Pflicht, solches zu hindern, wenn ich konnte? Und ich konnte es; ich hatte das Gesetz auf meiner Seite; ich habe also mit gutem Fug mein Allodialrecht wieder geltend gemacht.

Monsen. Auch ich hab' mich nicht gegen das Gesetz vergangen.

Der Kammerherr. Aber gegen Ihr eigenes Bewußtsein, gegen Ihr Gewissen, das Ihnen hoffentlich noch nicht ganz abhanden gekommen ist. Und wie haben Sie nicht Brauch und Ordnung hier zerstört? Wie haben Sie nicht die Achtung untergraben, die der Reichtum wecken sollte! Man fragt nicht mehr danach, wie ein Vermögen erworben ward, oder wie lange es im Besitz einer Familie gewesen ist; man fragt nur noch: wieviel hat der oder der? Und danach wird er beurteilt. Unter all diesen Dingen leide auch ich; wir beide sind gewissermaßen Kameraden geworden; man nennt uns zusammen, weil wir die beiden größten Grundbesitzer hier sind. Das dulde ich nicht! Ich will es Ihnen einmal für allemal sagen: das habe ich gegen Sie.

Monsen. Das soll ein Ende haben, Herr Kammerherr; ich will meine Tätigkeit einstellen, will Ihnen überall das Feld räumen; aber ich bitte, ich beschwöre Sie, helfen Sie mir nur dies eine Mal!

Der Kammerherr. Ich tu's nicht.

Monsen. Ich bin bereit, jede Summe zu zahlen –

Der Kammerherr. Zu zahlen! Und das wagen Sie –

Monsen. Wenn nicht um meinetwillen, so um Ihres Sohnes willen!

Der Kammerherr. Meines Sohnes?

Monsen. Ja, er ist mit dabei; ich denke, es werden zirka zwanzigtausend Taler auf seinen Teil fallen.

Der Kammerherr. Gewinn?

Monsen. Ja!

Der Kammerherr. Aber, du lieber Gott, wer verliert denn das Geld?

Monsen. Wieso –?

Der Kammerherr. Wenn mein Sohn es verdient, so muß es doch einer verlieren!

Monsen. Ein vorteilhafter Handel; mehr darf ich nicht sagen. Aber ich brauche einen geachteten Namen; schon Ihre Unterschrift –

Der Kammerherr. Unterschrift? Auf Dokumenten –?

Monsen. Nur für zehn- bis fünfzehntausend Taler.

Der Kammerherr. Und Sie haben einen einzigen Augenblick denken können, daß –? Mein Name! In einer solchen Affäre! Mein Name? Als Garantie also?

Monsen. Nur der Form wegen –

Der Kammerherr. Schwindelei! Mein Name! Um keinen Preis. Ich habe nie meinen Namen unter fremde Schriftstücke gesetzt.

Monsen. Nie? Das ist doch eine Übertreibung, Herr Kammerherr!

Der Kammerherr. Es ist wörtlich so, wie ich Ihnen sage.

Monsen. Wörtlich so – aber nicht doch! Ich habe es ja selbst gesehen!

Der Kammerherr. Was haben Sie gesehen?

Monsen. Den Namen des Herrn Kammerherrn, – zum mindesten unter einem Wechsel.

Der Kammerherr. Erlogen, sag' ich Ihnen! Das haben Sie nie gesehen!

Monsen. Aber ja doch! Unter einem Wechsel, der auf zweitausend Taler lautet. Besinnen Sie sich nur!

Der Kammerherr. Weder auf zwei- noch auf zwanzigtausend! – Auf mein Ehrenwort, niemals!

Monsen. Dann ist er falsch.

Der Kammerherr. Falsch?

Monsen. Jawohl, falsch; die Handschrift muß nachgemacht sein – denn gesehen habe ich ihn.

Der Kammerherr. Falsch? Falsch! Wo haben Sie ihn gesehen? Bei wem?

Monsen. Das sage ich nicht.

Der Kammerherr. Haha, wir werden es schon herausbekommen!

Monsen. Hören Sie mich an –

Der Kammerherr. Schweigen Sie! So weit hat man es getrieben! Eine Fälschung! Mich in schmutzige Sachen zu verwickeln! Ja, dann ist es kein Wunder, daß ich mit den andern auf dieselbe Stufe gestellt werde. Aber jetzt sollen mich die Leute kennen lernen.

Monsen. Herr Kammerherr, – um Ihrer selbst und vieler willen –

Der Kammerherr. Bleiben Sie mir vom Leibe! Gehen Sie Ihrer Wege! Sie sind der Anstifter –! Ja, das sind Sie! Wehe dem, durch den das Ärgernis kommt! Es ist ein sündhaftes Leben, das man in Ihrem Hause führt. Und was für Umgang suchen Sie! Personen aus Christiania und anderswoher, die nur darauf ausgehen, gut zu fressen und gut zu trinken, und denen es nicht so genau darauf ankommt, in welcher Gesellschaft das geschieht. Schweigen Sie! Ich habe selbst Ihre noblen Weihnachtsgäste die Landstraße herauffahren sehen wie ein Rudel heulender Wölfe. Und noch Schlimmeres passiert da. Sie haben skandalöse Geschichten mit Ihren eigenen Dienstmädchen gehabt. Über Ihren Ausschweifungen und Ihrer rohen Behandlung hat Ihre Frau den Verstand verloren.

Monsen. Nein, das geht zu weit! Die Worte sollen Sie bereuen!

Der Kammerherr. Zum Henker mit Ihren Drohungen! Was können Sie mir anhaben? Mir? Sie haben gefragt, was ich gegen Sie hätte. Sie haben jetzt die Antwort. Jetzt wissen Sie, warum ich Ihnen die gute Gesellschaft verschlossen habe.

Monsen Jawohl; aber jetzt werde ich die gute Gesellschaft herunterziehen –

Der Kammerherr. Hinaus – da!

Monsen. Ich kenne den Weg, Herr Kammerherr!

Ab durch die Mitte.

Der Kammerherr geht zur Tür rechts, öffnet und ruft: Ringdal! Ringdal, – kommen Sie herein!

Ringdal. Herr Kammerherr?

Der Kammerherr ruft in die Wohnstube: Herr Doktor, seien Sie so gut –! Ringdal, nun gehen meine Prophezeiungen in Erfüllung.

Fjeldbo. Was steht zu Diensten, Herr Kammerherr?

Ringdal. Was für Prophezeiungen?

Der Kammerherr. Was sagen Sie nun, Doktor? Sie haben immer gemeint, ich übertriebe mit der Behauptung, daß Monsen unsere Bevölkerung verdirbt.

Fjeldbo. Nun ja; und was ist –?

Der Kammerherr. Man hat es herrlich weit gebracht, – davon kann ich Ihnen erzählen. Was glauben Sie wohl? Falsche Wechsel sind hier in Umlauf.

Ringdal. Falsche Wechsel?

Der Kammerherr. Falsche Wechsel, jawohl! Und mit wessen Unterschrift, glauben Sie? Mit meiner!

Fjeldbo. Aber um Gottes willen, wer hat das getan?

Der Kammerherr. Wie kann ich das wissen? Kenne ich alle Spitzbuben? Aber es wird schon eines Tages herauskommen! – Doktor, tun Sie mir einen Gefallen. Die Wechsel sind entweder bei der Sparkasse oder beim Hütten-Vorschußverein untergebracht worden. Fahren Sie zu Lundestad; von den Bankverwaltern hat er die klarste Einsicht in alles. Ermitteln Sie, ob ein solches Dokument –

Fjeldbo. Gleich, gleich!

Ringdal. Lundestad ist heut hier auf der Hütte; er hat Sitzung in der Schulkommission.

Der Kammerherr. Um so besser. Suchen Sie ihn auf; bringen Sie ihn her.

Fjeldbo. Unverzüglich, – wird gleich besorgt werden.

Ab durch die Mitte.

Der Kammerherr. Und Sie, Ringdal, müssen sich beim Vorschußverein erkundigen. Sobald wir klar in der Sache sehen, machen wir Anzeige beim Staatsanwalt. Kein Erbarmen mit den Betrügern!

Ringdal. Gut, Herr Kammerherr. Ach du lieber Gott, wer hätte je so etwas gedacht!

Ab nach rechts.

Der Kammerherr geht mehrmals auf und ab; dann will er in sein Comptoir treten. Im selben Augenblick kommt Erik durch die Mitte.

Erik. Lieber Vater –!

Der Kammerherr. So, – Du bist es?

Erik. Ich habe notwendig mit Dir zu reden.

Der Kammerherr. Hm; ich bin wirklich zu Unterhaltungen wenig aufgelegt. Was gibt's?

Erik. Du weißt, Vater, ich habe Dich noch nie mit meinen Geschäften behelligt.

Der Kammerherr. Das wollt' ich mir auch sehr verbeten haben.

Erik. Aber heute bin ich genötigt –

Der Kammerherr. Wozu bist Du genötigt?

Erik. Vater, Du mußt mir helfen!

Der Kammerherr. Geld! Du kannst Dich darauf verlassen, daß –!

Erik. Nur ein einziges Mal! Ich schwöre Dir, daß ich nie wieder –; ich muß Dir sagen, ich stehe in gewissen Verbindungen mit Monsen –

Der Kammerherr. Das weiß ich. Ihr habt ja eine schöne Spekulation vor.

Erik. Eine Spekulation? Wir? Nein. Wer hat das gesagt?

Der Kammerherr. Monsen selbst.

Erik. Ist Monsen hier gewesen?

Der Kammerherr. Jawohl – in diesem Augenblick; und ich habe ihm die Tür gewiesen.

Erik. Vater, wenn Du mir nicht hilfst, so bin ich ruiniert.

Der Kammerherr. Du?

Erik. Ja, – Monsen hat mir Geld vorgestreckt. Das mußte ich furchtbar hoch bezahlen; und überdies ist es jetzt fällig –

Der Kammerherr. Da haben wir's! Was hab' ich gesagt –?

Erik. Ja, gewiß, – aber es ist zu spät, darüber zu reden –

Der Kammerherr. Ruiniert! Nach zwei Jahren! Ja, hast Du es etwa anders erwartet? Was hast Du unter diesen Taschenspielern zu suchen, die geschäftig hier den Leuten Reichtümer vorspiegeln, die nie existiert haben? Das war doch keine Gesellschaft für Dich; – unter der Bande muß man mit allen Hunden gehetzt sein, sonst wird man übers Ohr gehauen. Da siehst Du's nun.

Erik. Vater, willst Du mich retten oder nicht?

Der Kammerherr. Zum letztenmal, nein; ich will nicht.

Erik. Meine Ehre steht auf dem Spiel –

Der Kammerherr. Ach, nur keine hochtrabenden Phrasen! Es ist absolut keine Ehrensache, hier ein glücklicher Geschäftsmann zu sein; im Gegenteil, hätte ich fast gesagt. Geh nach Hause und ordne Deine Angelegenheiten; gib jedem das Seine, und mache der Geschichte je eher je lieber ein Ende.

Erik. Ach, Du weißt nicht –!

Selma und Thora kommen aus der Wohnstube.

Selma. Ist das nicht Eriks Stimme? – Gott, was ist denn los?

Der Kammerherr. Nichts. Geht wieder hinein!

Selma. Nein, ich gehe nicht. Ich will es wissen. Erik, was ist geschehen?

Erik. Was geschehen ist? – Ich bin verloren.

Thora. Verloren!

Der Kammerherr. Da haben wir's!

Selma. Was ist verloren?

Erik. Alles.

Selma. Meinst Du Dein Geld?

Erik. Geld, Haus, Erbteil, – alles!

Selma. Freilich, für Dich ist das »alles«.

Erik. Selma, komm, laß uns gehen. Jetzt bist Du das Einzige, was ich noch habe. Wir müssen das Unglück zusammen tragen.

Selma. Das Unglück? Es zusammen tragen? Schreit auf. Bin ich jetzt gut genug?

Der Kammerherr. Um Gottes willen –!

Erik. Was meinst Du damit?

Thora. Aber so fasse Dich doch!

Selma. Nein! Ich will nicht! Ich kann nicht länger schweigen und heucheln und lügen! Jetzt sollt Ihr's wissen. Nichts will ich ertragen!

Erik. Selma!

Der Kammerherr. Kind, was sagst Du?

Selma. O, wie habt Ihr mich mißhandelt! Schändlich, – einer wie der andere! Immer sollte ich nehmen; nie durfte ich geben. Ich bin die Arme unter Euch gewesen. Nie seid Ihr gekommen, ein Opfer von mir zu fordern; ich war nicht gut genug, auch nur das Kleinste mitzutragen. Ich hasse Euch! Ich verabscheue Euch!

Erik. Was ist denn das?

Der Kammerherr. Sie ist krank; sie ist außer sich!

Selma. Wie habe ich nicht gedürstet nach einem Tropfen von Euren Sorgen! Doch wenn ich bat, so habt Ihr mich immer nur mit einem leichten Scherz abgewiesen. Ihr zogt mich an wie eine Puppe; Ihr spieltet mit mir, wie man mit einem Kinde spielt. Und ich hätte doch mit heller Freude das Schwere getragen; ich hatte eine ernste Sehnsucht nach allem, was da stürmt und emporhebt und erhöht. Jetzt bin ich gut genug; jetzt, da Erik nichts anderes mehr hat. Aber ich will nicht der Notbehelf sein. Jetzt will ich nichts von Deinen Sorgen haben! Ich will fort von Dir! Lieber spielen und singen auf der Gasse –! Laßt mich! Laßt mich!

Eilt durch die Mitte hinaus.

Der Kammerherr. Thora, war in alledem ein Sinn, oder –?

Thora. O ja; jetzt sehe ich's erst; es war Sinn darin.

Ab durch die Mitte.

Erik. Nein! Alles – nur sie nicht! Selma!

Ab durch die Mitte.

Ringdal kommt von rechts. Herr Kammerherr –

Der Kammerherr. Was wollen Sie?

Ringdal. Ich komme vom Vorschußverein –

Der Kammerherr. Vom Vorschußverein ? Nun, und der Wechsel –?

Ringdal. Alles ist in Ordnung; es ist niemals ein Wechsel mit Ihrem Namen vorgekommen.

Doktor Fjeldbo und Lundestad kommen aus dem Hintergrunde.

Fjeldbo. Blinder Lärm, Herr Kammerherr!

Der Kammerherr. So? Auch nicht in der Sparkasse?

Lundestad. Kein Gedanke. In den ganzen Jahren, da ich die Kasse verwalte, habe ich nicht einmal Ihren Namen gesehen; – das heißt natürlich: ausgenommen auf dem Wechsel Ihres Sohnes.

Der Kammerherr. Dem Wechsel meines Sohnes?

Lundestad. Jawohl, auf dem Wechsel, den Sie im Frühjahr für ihn akzeptiert haben.

Der Kammerherr. Mein Sohn? Mein Sohn! Was unterstehen Sie sich –!

Lundestad. Aber lieber Himmel, so besinnen Sie sich doch; der Wechsel auf zweitausend Taler von Ihrem Sohn –

Der Kammerherr nach einem Stuhle tastend. O, du barmherziger –!

Fjeldbo. Um des Himmels willen!

Ringdal. Es ist doch nicht möglich –!

Der Kammerherr ist auf den Stuhl gesunken. Ruhig, ruhig! Ein Wechsel von meinem Sohne? Mit meinem Akzept? Auf zweitausend Taler?

Fjeldbo zu Lundestad. Und dieser Wechsel, der ist in der Sparkasse?

Lundestad. Nicht mehr; vergangene Woche wurde er von Monsen eingelöst –

Der Kammerherr. Von Monsen!

Ringdal. Monsen ist vielleicht noch auf der Hütte; ich will gleich –

Der Kammerherr. Bleiben Sie!

Daniel Hejre kommt durch die Mitte. Guten Morgen, meine Herren! Guten Morgen, Verehrtester! Schönsten Dank für den angenehmen Abend gestern! Jetzt sollen Sie aber Geschichten hören –

Ringdal. Verzeihen Sie, wir haben es eilig –

Hejre. Es gibt noch andere, die es auch eilig haben; der Proprietarius von Storli zum Exempel –

Der Kammerherr. Monsen?

Hejre. Hähä! Eine großartige Geschichte! Die Wahlintrigen sind im vollen Gange. Weißt Du, was man beabsichtigt? Man will Dich bestechen, Verehrtester!

Lundestad. Bestechen, sagen Sie?

Der Kammerherr bitter. Man beurteilt den Stamm nach dem Apfel.

Hejre. Ja, straf mich Gott, es ist das Plumpste, was ich je gehört habe. Ich komme zu Madam Rundholmen, um mir einen Bittern zu leisten. Da sitzen Monsen und Stensgård und trinken Portwein; scheußliches Zeug; pfui Teufel, brächt's nicht über die Lippen! Na ja, sie haben mir auch nichts angeboten; das zu behaupten, wäre eine Gemeinheit. Aber da sagt Monsen – »Was wetten Sie,« sagt er, »daß Kammerherr Bratsberg sich morgen bei der Urwahl unserer Partei anschließen wird?« So? frag' ich, wie sollte das zugehen? »O,« sagt er, »mit Hilfe dieses Wechsels –«

Fjeldbo und Ringdal. Wechsels?

Lundestad. Bei der Urwahl?

Der Kammerherr. Nun! Und was weiter?

Hejre. Ja, weiter weiß ich nichts. Es war ein Wechsel, hörte ich, auf zweitausend Taler. So hoch taxiert man vornehme Leute. Das ist schändlich – schändlich!

Der Kammerherr. Ein Wechsel auf zweitausend Taler?

Ringdal. Und den hat Monsen?

Hejre. Nein, er hat ihn an Stensgård zediert.

Lundestad. Ja so!

Fjeldbo. An Stensgård?

Der Kammerherr. Bist Du dessen sicher?

Hejre. Bei Gott, das bin ich. »Sie können Gebrauch davon machen, ganz nach eigenem Belieben und Ermessen,« sagte er. Aber ich begreife nicht –

Lundestad. Hören Sie, Herr Hejre; – und auch Sie, Ringdal –

Die drei reden leise im Hintergrunde miteinander.

Fjeldbo. Herr Kammerherr!

Der Kammerherr. Ja.

Fjeldbo. Der Wechsel Ihres Sohnes ist natürlich echt –

Der Kammerherr. Man sollte es meinen.

Fjeldbo. Natürlich. Aber wenn nun der falsche Wechsel ans Licht kommt –?

Der Kammerherr. Ich werde keine Anzeige beim Staatsanwalt machen.

Fjeldbo. Selbstverständlich; – aber Sie müssen mehr tun.

Der Kammerherr steht auf. Mehr kann ich nicht tun.

Fjeldbo. Doch, doch, um Gottes willen! Sie können und Sie müssen. Sie müssen den Unglücklichen retten –

Der Kammerherr. Und auf welche Weise?

Fjeldbo. Ganz einfach; erkennen Sie die Unterschrift an.

Der Kammerherr. Ihre Meinung ist, Herr Doktor, daß in unserer Familie jede Art von Handlungsweise möglich ist?

Fjeldbo. Ich habe die beste Meinung, Herr Kammerherr.

Der Kammerherr. Und Sie konnten mich auch nur einen Augenblick einer Lüge für fähig halten? Konnten glauben, ich möchte mit Fälschern unter einer Decke stecken?

Fjeldbo. Und wissen Sie, was die Folge ist?

Der Kammerherr. Eine Auseinandersetzung zwischen dem Verbrecher und Strafgesetz.

Ab nach links. Der Vorhang fällt.


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