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Mit dem Dampfschiff, das jeden Freitag vom Festlande kommend bei Caprera anlegte, pflegten Menschen der verschiedensten Art Garibaldi zu besuchen, Italiener und Ausländer, die ihn sehen und ihm huldigen wollten. Unter diesen waren im Sommer einige junge Amerikaner, die zur Gesandtschaft der Vereinigten Staaten in Brüssel gehörten, um im Auftrage des Präsidenten der großen Republik Garibaldi zu fragen, ob er geneigt wäre, in dem Kriege, der zwischen den nördlichen und südlichen Provinzen entstanden war, den Oberbefehl über die Armee des Nordens zu übernehmen. Der Mann, so sagten die Herren, der in der Alten und Neuen Welt für die 326 Sache der Freiheit und Unabhängigkeit gekämpft habe, könne bei diesem Kriege nicht gleichgültig bleiben, in dem die nördlichen Staaten die Menschlichkeit gegen die Barbarei verträten; denn es handelte sich um die Aufhebung der Sklaverei, von der die südlichen Provinzen nicht lassen wollten, weil ihr wirtschaftliches Uebergewicht darauf begründet war. Wenn demnach die feindlichen Parteien im Grunde jede ihren Vorteil suchten, so war doch die Befreiung einer ganzen, bisher rechtlosen Menschenrasse das Feldgeschrei und im Falle, daß der Norden siegte, das Ergebnis des Krieges, so daß einer, der mehr die großen Gedanken der Geschichte als die Interessen des Augenblicks sah, wohl aus Begeisterung in dem Kampfe Partei ergreifen und sein Schwert in die Wage hätte werfen können. Garibaldi fragte nach dem augenblicklichen Stande der Dinge und ließ seinen lebhaften Anteil und die Freude, die er über den Antrag des Präsidenten empfand, ohne Rückhalt merken; aber eine Zusage gab er nicht. Sein Herz, sagte er, ziehe ihn zu dem freien Volke Amerikas und dem ruhmvollen Unternehmen, doch gebe es vielerlei zu bedenken, wozu er einer kurzen Frist bedürfe.
Mitten in der Nacht, die diesem Tage folgte, wachte Garibaldi mit dem klaren Bewußtsein auf, daß er nach Amerika gehen und den Bürgerkrieg zu Ende führen müsse. Ein stolzes Glücksgefühl überströmte ihn warm und glänzend; es war ihm zumute, als habe der Weg seines Lebens sich plötzlich gegen eine neue Weite, Gipfel und Meere, gewendet, seinen Schritt und Blick aus engen Schluchten ins Unendliche führend. Wie er die Augen schloß und von draußen her das Tönen des Meeres hörte, wurde ihm so, als wäre er schon auf dem Schiffe und triebe nach Westen. Während das Meer endlos auseinanderwogte, versank Italien: Italien mit Rom 327 und Palermo, der Berg Vesuv, der die bewegliche Rauchsäule ausatmete, die Kaffeehäuser auf den Plätzen voll schmausender und schwatzender Wichtigtuer und Tagediebe, die Klöster voll Mönche, das Parlament, der König, der Papst, die Offiziere, deren Brust, mit Orden ausgeputzt, dem Rad eines Pfauen glich; kein Hauch dieses Getümmels erreichte mehr sein Ohr. Es schien ihm, als wäre Italien in seiner eignen Brust versunken und ein Ozean decke es; wie eine Insel würde es wieder auftauchen, wenn er es beim Namen riefe, um ihn wieder aufzunehmen, damit er ihm Hilfe brächte, wenn es seiner bedürfte, oder ins Grab stiege. Vor ihm indessen lag die Neue Welt, einen gigantischen Schatten über die Alte werfend, mit ihren wimmelnden Städten, deren Betriebsamkeit den Reichtum erzeugte, der Europa blendete, mit ihren Steppen und ihren Urwäldern, die Strecken, größer als Länder des Ostens, überwucherten. Die Republik, die einst von stolzen, die Freiheit mehr als das Leben liebenden Männern gegründet war, hatte er immer verehrt; er liebte die englische Sprache und den Charakter des englischen Volkes, dessen Willensstärke und Selbstzucht er überzeugt war drüben gesteigert wiederzufinden. Dort würde er nicht um Soldaten betteln müssen, wie er in Italien getan hatte: jenes unerschöpfliche Land würde ihm seine Söhne bei Tausenden, bei Millionen geben, wie die Erde Berge, Bäume, Früchte und Getreide ungeheuer und im Ueberfluß hervorbrachte.
Indessen waren Garibaldis nächste Freunde mit diesem fremdartigen Plane nicht einverstanden. Nuvolari sagte, die Erde müsse einmal bebaut werden, in Amerika seien die Bauern schwarz und würden Sklaven genannt, das sei der ganze Unterschied, es könne einmal nicht allen Menschen gut gehen. Vielleicht, wenn die Schwarzen frei wären, würden sie 328 über die Weißen herfallen und sie umbringen, schon die Sizilianer wären wilde Menschen, weiter dem Aequator zu möchte es noch ärger sein. Keinesfalls gehe die Sache Garibaldi etwas an. Nächstens würde das Rindvieh ein paar Ochsen an ihn abordnen, damit er sie befreite, weil sie nicht länger wollten geschlachtet werden. Auch der alte Ripari schüttelte den Kopf. Wer außer Landes müsse, meinte er, solle froh über den ehrenvollen Ruf einer fremden Regierung sein, mutwillig aber solle keiner, der daheim sein Brot finden und etwas Nützliches tun könne, sich vom Vaterlande so weit entfernen, geschweige denn Garibaldi. Die Amerikaner sollten ihre Händel allein ausmachen.
Garibaldi entgegnete, das wäre falsch und kleinlich gedacht; denn ihn ginge jeder, der seiner Hilfe bedürfe, gleich viel an, da alle Menschen Brüder, nämlich Kinder Gottes und der Erde wären. Freilich würde es töricht sein, einen nahebei Ertrinkenden untergehen zu lassen, um einem beizuspringen, der in der Ferne um Hilfe riefe, und so sei jeder dem Volke, unter dem er aufgewachsen sei und das er kenne, am innigsten verpflichtet; anderseits sei jeder zu tadeln, der nur seine Landsleute wolle gelten lassen. Er wolle die heilige Elisabeth von Ungarn nicht verteidigen, die unter Anleitung ihres Beichtvaters ihre eignen Kinder verlassen habe, um kranke Bettelkinder zu pflegen; aber ebenso sei die Mutter zu mißbilligen, die ihre eignen Kinder verwöhne und fremde, die sie anriefen, hilflos darben lasse.
Da sähe man, sagte Ripari, was für einen Satan ein Pfaffe aus einem überspannten Weibsbilde machen könne.
Dann erinnerte Garibaldi an die Deutschen, Polen, Franzosen und Ungarn, die im Jahre 1848 und jetzt für Italien, ein fremdes Land, gekämpft 329 hätten. Das wären edle Männer gewesen, die sich Dank und Bewunderung und Heimatsrecht in Italien verdient hätten.
Ripari schnitt ein grimmiges Gesicht und Nuvolari sagte, der General wisse nicht, wieviel Unfrieden daraus entstanden sei, daß er die Fremden im Heere so sichtlich bevorzugt habe. Im Grunde möge sie keiner leiden, das liege im Blute; das Blut habe keinen Verstand, sondern sei ein Tier und könne nur mit seiner Art hausen. Hätten jene Leute zu Hause einen guten Platz gehabt, so würden sie ihre Waffen nicht ins Ausland getragen haben. Auch die vielen Italiener, die als Verbannte in Spanien und Griechenland gekämpft hätten, wären schleunig heimgekommen, sowie es möglich gewesen sei, und hätten recht gehabt; denn in die Heimat gehöre man, vorzüglich wenn dieselbe Italien sei, wo einem unter dem blauesten Himmel der reichlichste, schmackhafteste und feinste Tisch gedeckt sei.
Hingegen waren viele andre für das amerikanische Projekt außerordentlich eingenommen. Die Schüler Mazzinis waren von dem Gedanken erfüllt, daß alle Völker sich einander nähern und gemeinsame Interessen miteinander fördern sollten, nicht abgelöst von ihrer Nationalität, vielmehr jedes in der seinen stark und eigentümlich. Manche dachten hauptsächlich daran, daß Garibaldi seinem Namen durch neue Taten in der Ferne noch mehr Glanz und Wohlklang verleihen würde, was allenfalls auf Umwegen wieder Italien zugute kommen könnte. Schließlich glaubten einige, unter ihnen Medici und Bixio, daß es für die Ruhe Italiens und für Garibaldi selbst besser wäre, wenn er sich eine längere Zeit im Ausland aufhielte, als daß er durch irgendeinen verhängnisvollen Schritt Krieg oder Revolution im Vaterlande hervorriefe.
In diesen Tagen streifte Garibaldi viel allein 330 durch die Wildnis Capreras. Wenn er auf dem höchsten Berge, dem Teggiolone, stand und die Felswand der Insel im Norden und Süden zugespitzt ins Meer schneiden sah, schien sie ihm die Form eines Schiffes zu haben, von dessen Mast er in die Runde blickte. Es lag noch verankert im Hafen, so daß er die schöne Küste des geliebten Landes als ein lila Band das blaue Meer begrenzen sehen konnte. Er fühlte am Schlagen seines Herzens, daß sein Körper Erde von jener Erde sei und daß es ihn dahin ziehen müsse, wohin er auch gehe. Doch fiel ihm ein, daß die Frau, die er geliebt hatte, Anita, ihm folgend, weit von ihrem Vaterlande gestorben und von Fremdlingshänden in fremder Erde verscharrt sei, so daß ihr Staub sich mit dem Staube des italienischen Landes mischte. Vielleicht, dachte er, sei es der Wille der Gottheit, daß der Mensch, was er am meisten liebe, verlassen und überwinden solle, um in immer weiteren Kreisen zu ihr selbst emporzuwachsen, und so wie er jetzt mit seiner Kraft dem unbekannten Erdteil dienen wollte, so würde er einst zu entfernten Sternen geführt werden, um dort gewaltigere Kämpfe zu bestehen und höheren Zielen zuzustreben.
Immerhin beunruhigte es ihn, daß er Italien in einem Zustande der Unruhe und Unzufriedenheit zurückließe, der nicht andauern konnte und dessen Ende doch nicht abzusehen war. Die Briefe, die er aus Sizilien und Neapel von seinen Freunden erhielt, sprachen fortwährend von der Enttäuschung und Erbitterung, die die rücksichtslose Einführung der piemontesischen Gesetze hervorrief; man mußte mit der Möglichkeit eines Abfalls der kaum erworbenen Provinzen rechnen. Die bourbonische Reaktion wurde vom benachbarten Kirchenstaate begünstigt, so daß Raub, Ueberfall und kriegerische Bewegung im Neapolitanischen nicht aufhörten. Das schlimmste war, daß die Regierung, 331 nachdem sie Rom und Venedig als Italien zugehörig proklamiert hatte, doch nichts tat, um die Absicht wirklich zu machen, wodurch das Volk in unruhiger Spannung gehalten wurde und das Gefühl eines dauerhaft befestigten Zustandes sich nicht ausbilden konnte. Wenn Garibaldi das bedachte, stieg in ihm die Frage auf, ob es nicht besser sei, das Werk der Einigung aller Gefahr zum Trotz mit einem Male gewaltsam zu Ende zu führen; aber er hatte dem Könige zugesagt, sich ruhig zu verhalten, bis dieser selbst den Krieg ausriefe, und wenn er auch zuweilen ungeduldig und an dem ehrlichen Willen der Regierung irre wurde, so hatte er sich doch vorgenommen, zu warten, solange es möglich sei.
In diesem Zwiespalt entschied er sich plötzlich dafür, dem Könige die Frage vorzulegen, ob er die ehrenvolle Berufung ins Ausland annehmen oder in Italien bleiben solle, in der Meinung, daß der König, wenn er Krieg für die nächste Zukunft plane, ihn nicht würde gehen lassen. Als er dem alten Ripari erzählte, was er getan hatte, während sie in der Zypressenallee vor dem Hause auf und ab gingen, sagte dieser, er hätte sich die Frage sparen können; denn was der König antworten würde, könne er ihm vorher sagen: daß er ihm Urlaub mit Freuden auf unbegrenzte Zeit gewähre. Garibaldi entgegnete erstaunt und unwillig, wenn die Antwort so ausfiele, sei das ein Zeichen, daß in absehbarer Zeit an Krieg nicht zu denken sei, und in dem Falle tue er vielleicht wirklich besser, fortzugehen, da es ihm schwer fallen würde, ein stiller Zuschauer des heimischen Elends zu bleiben.
Natürlich denke der König nicht an Krieg, sagte Ripari. Er würde Rom vielleicht einstecken, wenn der Papst und der Kaiser Napoleon es ihm aufnötigten, sonst aber ein Kreuz schlagen und ein Knie 332 beugen und vorbeigehen. König und Papst seien zwei Köpfe einer Schlange und bissen einander nicht. Die Nähe Garibaldis sei beiden gleich unangenehm, sie sei dem einen eine Drohung, dem andern Vorwurf und Mahnung, und gerade weil der König überhaupt keinen Krieg wolle, würde er gern sehen, wenn Garibaldi über Meer ginge und womöglich nicht wiederkäme.
Garibaldi blickte betroffen vor sich nieder und bekämpfte ein krampfhaftes Schmerzgefühl, das in ihm aufstieg. Er brach das Gespräch ab und kam nicht darauf zurück, obwohl er beständig daran dachte. Mit Unruhe erwartete er die Antwort des Königs und wünschte so inständig, er möge ihm raten, sich nicht weit von Italien zu entfernen, daß er anfing zu glauben, es müsse so kommen; anstatt dessen lautete sie, wie Ripari vorhergesagt hatte, schlechthin, er möge gehen, der König habe nichts dagegen einzuwenden.
Garibaldis Freunde fanden ihn in diesen Tagen ernst und schweigsam; von Amerika sprach er nicht mehr, und es zeigte sich, daß er den Gedanken, hinzugehen, aufgegeben hatte. Je mehr Tage und Wochen vergingen, ohne daß irgend etwas geschah, um den vielfachen Uebeln abzuhelfen, die Italien bedrohten, desto mehr verdüsterte sich seine Stimmung. Die Regierung suchte ihn dadurch zu zerstreuen, daß sie ihn einlud, die Schützengesellschaft einzuweihen, welche damals als Ausdruck des nationalen Gefühls gegründet wurde und in allen Städten des neuen Reichs vertreten war. Die Reise, die er zu diesem Zweck unternahm, fand im Frühjahr 1862 statt.
*
Im Sommer, als Garibaldi als Gast im Hause Caïroli sich aufhielt, erhielt er einen Brief von Mazzini, in welchem dieser ihn beschwor, die Aktion fortzusetzen und zwar so, daß er zunächst Venedig 333 angriffe, während es Rom anbelangend besser wäre, zu warten, bis die französischen Truppen, die es noch immer seit dem Jahre 1849 besetzten, von dort zurückgezogen wären. Gerade jetzt, schrieb er, dürfe man nicht nachlassen, wo in einem großen Teile Italiens die Wünsche der Unzufriedenen erfüllt wären; nun trete, so sei der Mensch, nach den Erregungen und Anstrengungen der letzten Jahrzehnte Abspannung ein, Behaglichkeit und Vergnügungssucht verbreite sich unter denen, die früher zu den erhabensten Opfern bereit gewesen seien. Ausgegangen sei die Revolution von den höheren Ständen, diese hätten, ein glänzendes Leben preisgebend, ohne Hoffnung auf Erfolg ihr Blut vergossen. Jetzt predige diese Klasse Mäßigung, es sei gemein geworden, rebellisch zu sein, und Königstreue und festliche Sattheit seien die Abzeichen der feinen Menschen geworden. Diejenigen, die bisher die Anführer der Kämpfe gewesen seien, sollten wachsam sein, daß das Feuer nicht ganz erlösche, sollten nicht nachlassen zu erinnern, daß noch etwas zu tun übrig sei. Wenn die Nation nicht sofort und mit Nachdruck zeige, daß sie selbst den jetzigen Zustand noch nicht für vollendet halte, würde sich ein europäischer Kongreß beeilen, die bestehenden Verhältnisse zu sanktionieren.
Garibaldi las den Brief mit unbestimmtem Mißtrauen; er wollte nichts davon hören, daß zuerst Venedig erobert werden sollte; eben weil durch den Angriff auf Rom Napoleon gereizt wurde, wollte er es angreifen. Es empörte ihn, überall dieser Rücksicht auf Napoleon zu begegnen; auf Augenblicke fühlte er mehr das Bedürfnis, dem Kaiser zu zeigen, daß nicht alle Italiener ihn fürchteten, als Rom zu befreien. Wenn er trotzdem zögerte, war es, weil er begriffen hatte, daß es Viktor Emanuel zukäme, selbst Vollender seines Reiches zu sein, und daß es ihm zieme, 334 zur Seite zu stehen. Er liebte es an Viktor Emanuel, daß er nicht nur den Namen des Königs tragen, sondern auch königliche Taten tun wollte, und wenn diese nur getan wären, hätte er sich gern, so glaubte er, mit dem Teil des gehorchenden Soldaten begnügt; aber daß der König sich mit Menschen umgab, die ihn daran hinderten, statt ihn darin zu fördern, erbitterte ihn und ließ ihn immer wieder zweifeln, ob er nicht dennoch selbst handeln müsse, wenn dem Volke sein Vaterland werden sollte. Daß er zum Schwerte greifen würde, wenn das Maß der Geduld voll wäre, stand ihm fest; aber er fühlte noch nicht, daß der Augenblick da sei und wollte sich ihn nicht von Mazzini vorschreiben lassen. Es mißfiel ihm an Mazzini, daß ihm jeder Zeitpunkt zum Handeln gleich gut galt, und er sah es für einen Beweis an, daß er, außerhalb der Geheimnisse des Lebens stehend, etwas Fruchtbares zu schaffen nicht fähig sei. Auch daran wollte er nicht glauben, daß die Menschen sich verändert hätten und daß eine Zeit kommen könnte, wo nicht Begeisterung und Opferwilligkeit genug mehr in Italien aufzubringen wäre, um den Befreiungskampf zu Ende zu kämpfen. Er wußte wohl, daß die Männer, die in den hohen Aemtern saßen, die, welche regierten und sich in die Beute der Freiheitskriege geteilt hatten, den Frieden zu erhalten wünschten; aber er dachte, das sei im Grunde niemals anders gewesen. Er erinnerte sich, wie er im Jahre 1848 bei Fürsten und Ministern um die Erlaubnis, Italien zu befreien, betteln gegangen war und wie sie mit nichts als Bedenken und Ausflüchten darauf geantwortet hatten. Er hatte Cavour wie einen Heiland verehrt, weil er willens gewesen war, zu handeln, freilich mit der Macht Napoleons zum Schutze hinter ihm. Was kümmerte es ihn, da er aller dieser Menschen nicht bedurfte? Nur das Volk, das mit 335 dem Frieden keine Genüsse zu verlieren hatte, sei immer bereit, so schien es ihm, Großes zu wagen, und darin ändere sich nichts. Er dachte an die Reise durch Oberitalien zurück, die er im Frühling wegen der Schützengesellschaft unternommen hatte, und welche Beweise von Anhänglichkeit und kriegerischer Gesinnung das Volk ihm freiwillig gegeben hatte. Der ungeheure Jubel, der ihn in Mailand, Monza, Como, Lodi, Cremona umflutet hatte, strömte in seinem Gedächtnis zusammen, so daß es war, als woge die lombardische Ebene von Männern und Frauen, die seine Stimme mit einem überschwenglichen Echo zurückgaben: Wir sind dein! Nimm uns selbst und unsre Kinder! Aber führe uns nach Rom! Wie er oft, wenn er am Meere saß, in das Wühlen des Wassers starrte, das sein Herz schaukelte und seine Gedanken verschlang, ließ er sich in die Bilder versinken, die vor ihm abrollten. Er sah die Fluren Italiens von Schwertern blitzen, die alten Straßen der Römer durchgossen von der strahlenden Jugend des neuen Reiches, eine unerschöpfliche, unbesiegbare, weltbeherrschende Macht. Darum, dachte er, warf sich das Volk, wenn er erschien, zu seinen Füßen, fast wie vor einem Gotte anbetend, weil sie wußten, daß er ihre Sehnsucht, kräftig und frei zu sein, erfüllen wollte; weil er die Schätze an Mut, Stolz und Todesverachtung, die sie in ihrer Brust bargen, kannte und darauf vertraute, darum ließen sie ihn zum äußersten damit schalten. Da Jahrhunderte der Knechtschaft den Heldenmut des Volkes nicht zu ersticken vermocht hatten, würde er auch jetzt derselbe bleiben, ob er in Monaten oder Jahren das Zeichen gäbe: kommt, es ist Zeit. Noch konnte er warten, davon war er überzeugt, und wollte es; er wollte dem Könige Zeit lassen, sich den Lorbeer vom Kapitole mit eigner Hand zu brechen, wie schwer es ihm auch fiele. In dieser 336 Stimmung beschloß er, nach Caprera zurückzukehren; denn es kam ihm vor, als sei er auf der Insel mehr geschützt vor den Menschen, die seine Sicherheit störten, indem sie ihn nach ihrem Gutdünken treiben oder zurückhalten wollten.
Unterwegs hielt er sich in Turin auf und besuchte den König und den Minister Rattazzi. Sein Gespräch mit dem König war kurz; derselbe versicherte, daß er Rom und Venedig nicht aus den Augen verliere, daß er am liebsten beide sofort mit dem Schwerte erobern würde, daß es aber der politischen Verhältnisse halber nicht angehe, und daß Garibaldi sich wie er selbst bescheiden und warten möge. Dagegen hielt Rattazzi den General lange mit liebenswürdigen Reden fest. Er begriffe wohl, sagte er mit einem Seufzer, warum Garibaldi für die Diktatur sei, damit freilich ließe sich etwas erreichen. In Italien dünke sich jeder ein wenig Diktator sein zu können; da sei Cavour gewesen, da seien Ricasoli, Farini und andre, von denen jeder meinte, er allein vermöge das Heil zu bringen. Er habe den Trieb nicht, alle zu beherrschen, seine Absicht sei, den Volkswillen zu vertreten; freilich müsse er auch manche Rücksicht nehmen, aber er hoffe doch, das Notwendige zu erreichen, wenn auch langsamer, als ein imperatorischer Wille vermocht hätte. Garibaldi fragte, wie er sich verhalten würde, wenn ihm einer Rom und Venedig bedingungslos als Geschenk überreiche, so wie es mit Sizilien gewesen sei. Ja, antwortete Rattazzi, Wunder geschähen nicht alle Tage. Freilich, eine schönere Lösung könne man sich nicht denken, als wenn plötzlich ein Gott die Hand durch die Wolken streckte und das Ersehnte so ordnete, daß alle sich beugen müßten. Der Gedanke tauchte in Rattazzi auf, daß man nicht wissen könne, ob Garibaldi nicht wider Erwarten noch einmal einen glücklich wundervollen Fischzug tun könne, und daß 337 es ihm zur Unehre würde angerechnet werden, wenn er sich ihm widersetzt hätte. Es sei schwer für einen andern, fuhr er fort, sich da einzumischen; denn das Wunder könne niemand regieren, wenn es da sei, müsse man sich dazu fassen. Garibaldi solle nicht glauben, daß er die Franzosen fürchte, seine Unabhängigkeit habe er dadurch bewiesen, daß er gegen die Abtretung Nizzas gestimmt habe. Dem Könige sei es Herzenssache, sich gegen den Kaiser als seinen Verbündeten dankbar zu zeigen und das sittliche Gefühl des Volkes nicht zu verwirren, indem er es in Feindschaft zu der Nation bringe, die ihm in der Not geholfen habe; schließlich sei diese Dankbarkeit Viktor Emanuels ein Trieb, den man schonen und ehren müsse. Uebrigens möge Garibaldi überzeugt sein, daß er sich mit dem Schicksal der unbefreiten Provinzen fortwährend beschäftige und daß er auf des Generals Beistand rechne; vielleicht sei der Tag nicht fern, an dem er ihn bitten würde, die alten Heldentaten zu erneuern. Umgekehrt könne auch Garibaldi auf ihn zählen; sie wollten beide dasselbe und er wisse, daß Garibaldi nichts für Italien Verderbliches beginnen werde.
Als er geendigt hatte, kam es ihm vor, als sei er zu weit gegangen und habe Garibaldi vielleicht zu Taten ermuntert, die ihm Verlegenheiten bereiten würden. Immerhin schien ihm die Gefahr nicht groß zu sein; da er selbst zwar stets geschäftig war und seine Hand in vielerlei Betrieben hatte, aber niemals etwas so Abschließendes und Folgentragendes tat, daß man es Handeln hätte nennen müssen, glaubte er nicht an Ereignisse der Willkür, von wie vielen er auch schon Zeuge gewesen war, sondern meinte, es werde sich schon alles geben und im Sande verlaufen, besonders wenn er da sei, um aufzupassen. Auch machte Garibaldi ihm einen so angenehmen Eindruck, 338 daß er nicht anders konnte als ihm sagen, was er gern hörte. Das bescheidene Auftreten des vor kurzem gewaltigen Mannes hatte für ihn etwas Rührendes; er hatte etwas von einem Kinde an sich, das die Verständigen sprechen läßt und auf seine Art darüber phantasiert. Dazu kam, daß er sich sagen konnte, es sei die Hauptsache, ihn bei guter Laune zu erhalten und sich sein Vertrauen zu sichern; weswegen er denn am Ende überzeugt war, die richtige Sprache geführt zu haben.
Garibaldi kam in unzufriedener Stimmung nach Caprera zurück. An einem der nächsten Nachmittage spielte er mit seinen Söhnen und mehreren jungen Männern, die zu Besuch auf der Insel waren, Boccia, ein Spiel, welches darin besteht, daß mit Kugeln nach einer festliegenden Kugel, die als Ziel dient, geworfen wird. Er hatte einen Platz am Strande dafür hergerichtet, weil ihm das Spiel besonderes Vergnügen machte, so daß er Stunden dabei zubringen konnte. Allein an diesem Tage ließ er die Gesellschaft bald allein und warf sich etwas abseits in den Sand, wohin ihm niemand folgte. Er konnte von dort aus das Treiben der jungen Leute beobachten, aber er wendete sich dem Meere zu und dachte an andre Dinge; erst allmählich wurde seine Aufmerksamkeit wider seinen Willen dorthin gezogen. Die Freunde hörten nämlich auf zu spielen, tranken Kaffee, rauchten und plauderten, wobei ein ausgelassenes Gelächter oft die Worte übertönte. Ein junger Mann aus Udine, der in Sizilien und Neapel tapfer mitgekämpft hatte, besaß die Gabe, Menschen nachzumachen und belustigte die übrigen, indem er eine Reihe von Leuten, die an dem Kaffeehause vorübergingen, wo er täglich ein paar Stunden zu sitzen pflegte, auf diese Weise vorführte. Dann schilderte er einen Priester, einen eifrigen Anhänger des Papstes und Feind des neuen Italien, 339 der infolge großer Schwächen des Geistes und Charakters sich zur Zielscheibe von Neckereien eignete und dessen Umgang aus diesem Grunde gepflogen wurde. Er, der Erzähler, und mehrere Freunde hatten dem Priester Briefe geschrieben, wie wenn sie von einer Dame herrührten, ihn bald hierhin, bald dorthin bestellt und in die Irre geführt und abends, nachdem er getrunken hatte, sich die gehabten Enttäuschungen und neu erregten Hoffnungen erzählen lassen, was er nun mit den Grimassen und Gebärden des Gefoppten darstellte.
Wie Garibaldi Bruchstücke dieser Unterhaltung auffing, verfinsterte sich seine Laune. Es schien ihm unbegreiflich, daß sich junge Männer auf so rohe und alberne Weise belustigten, und unmöglich, daß sie zu großen Dingen noch fähig sein sollten. Waren solche Menschen etwas andres als Tiere, die schwatzen konnten? Wenn er mit einem Hammer auf ihre Herzen schlüge, würde Fett herausspritzen, nicht Feuer herausschlagen. Es fiel ihm ein, ob vielleicht doch die Muße des Friedens verderblich entnervend auf die Menschen wirke? Er stand auf und ging zwischen ein paar Hügeln hindurch in das Innere der Insel hinein, bis er von den jungen Leuten nichts mehr sehen und hören konnte. Auf einer Felsenhöhe blieb er und blickte, im braunen Gestrüpp des Ginsters liegend, auf das blendende Meer.
Es würde ihm jetzt wohler sein, dachte er, wenn er von Italien fort wäre; auf weiten Fahrten hatte sich oft in Zeiten des Unmuts sein Herz geheilt. An Gelegenheit fehlte es nicht; denn nicht nur, daß er nach Griechenland gerufen war, es war auch davon die Rede gewesen, daß er die Unruhen in den Donauländern unterstützen solle, wodurch Oesterreich geschadet, mittelbar also Italien geholfen würde. Indessen er hatte, als er den Gedanken an Amerika aufgab, 340 zugleich auf alle andern Pläne, die ihn von Italien entfernten, verzichtet, und was dieser Art an ihn gelangte, abgelehnt; auch bereute er es nicht, aber es ging ihm wieder durch den Sinn. Er träumte sich auf ein Schiff, das rauschend das blanke Wasser durchschnitte und in die flimmernde Ferne vorstürzte: das war wie auf ungezähmtem Pferde die Prärie zu durchjagen. Sein Herz schlug leichter; er schloß die Augen halb, so daß von der Oberfläche des Meeres her wie von einem besonnten Diamanten Blitze durch seine Lider zucken konnten. Als er sie endlich ganz schloß, war er weit von Caprera und sah aus dem blauen Bade die weißen Paläste von Palermo aufsteigen, wie ein Diadem gebogen, eine stille, schöne Erscheinung. Er blieb eine lange Weile mit geschlossenen Augen liegen, um von dem Frieden und Schimmer, in dem das Bild schwebte, sich überfließen zu lassen.
In heiterer Stimmung gesellte er sich wieder zu den jungen Leuten und teilte ihnen mit, daß er eine Seereise vorhabe; wer ihn begleiten wolle, möge sich bereit machen, denn es gehe schon in den nächsten Tagen fort. Sie waren überrascht und hätten gern gefragt, welches das Ziel der Reise sei, aber selbst Menotti, Garibaldis Sohn, hatte nicht den Mut, seinen Vater danach zu fragen. Als sie unter sich waren, sahen sie sich betroffen an und fragten Menotti, ob er wisse, was im Werke sei; er antwortete, daß er es nicht ahne und ebenso bestürzt sei wie sie selbst. Auch als man unterwegs war, äußerte sich Garibaldi gegen niemand über seine Absichten; er war sehr heiter und wohlwollend, aber meistens schweigsam und in sich vertieft. Eines Abends, da die Freunde auf dem Verdeck zusammen saßen, sagte Guerzoni, ein junger Offizier, ihn lasse die Furcht nicht los, daß es nach Rom gehe; er fürchte es, denn die Regierung werde 341 es nicht dulden, so könne nur Unheil daraus entstehen. Menotti entgegnete, Rom liege wohl seinem Vater immer im Sinn, aber er denke doch jetzt nicht daran, zu handeln, erst kürzlich habe er gesagt, er lasse sich nicht binden, aber er wolle sich auch nicht treiben lassen; freilich könne er auch nicht erraten, wohin es jetzt gehe. Missori, einer der Kühnsten und Tüchtigsten von den Tausend, sagte, er kümmere sich nicht darum; Garibaldi sei wie das Leben, das einem tapferen Mann, der sich ihm ergeben habe, Kampf und Glück und leuchtende Augenblicke verleihe, und Schlimmeres nicht als ehrenvollen Tod; was ihn betreffe, er folge ihm, sei es gegen die Türken oder nach dem Pole.
Nicht einmal der alte Ripari, der mit war, kannte das Ziel der Fahrt; er beobachtete Garibaldi, so gut er konnte, ohne daß es diesem auffiel, wenn er mit den Matrosen verkehrte oder selbst zugriff; oft stand er allein auf der Schiffsbrücke in seinem Mantel, der um ihn wehte, so still, als wäre sein Körper untätig, während seinen Geist ein Traumbild bezauberte. Die fortwährend eingehaltene südliche Richtung ließ Ripari endlich die Möglichkeit erwägen, daß es nach Griechenland gehe, und er enthielt sich nun nicht mehr, Garibaldi zu fragen, ob es sich so verhalte; denn seine Sorge, der General könne Italien auf unberechenbare Zeit verlassen, überwog die Zurückhaltung. Garibaldi erwiderte, er denke nicht an Griechenland, es handle sich um einen Besuch in Sizilien; er habe Sehnsucht dahin gehabt und beschlossen, hinzureisen, da er zu Hause nichts versäume und seine Gegenwart der Insel nutzen könne.
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Man sagt, als Garibaldis Fuß die sizilische Erde betreten habe, erbebte sie, ihr Glutherz kochte und ihr goldener Atem schlug aus den Vulkanen. Wie wenn 342 ein Löwe, der gefangen war, wieder in die Wüste kommt, und die Hügel unter dem Tritt ihres Königs zittern, der Wind aufflammt und den siedenden Sand singend durch die Luft jagt, der Heimgekehrte aber, seiner Kraft und Wildheit sich entsinnend, die Mähne schüttelt und mit todbringenden Augen den Umkreis mustert, so, sagt man, hätten die Insel und ihr Herr sich erkannt und berauscht.
Er zog auf derselben Straße in Palermo ein, die er vor zwei Jahren mit den Tausend gekommen war; vor dem Tore bei der Admiralsbrücke, wo der Kampf am heftigsten und blutigsten gewesen war, ließ er den Wagen halten, in dem er fuhr, und sah sich um. Die Brücke, in vergangenen Jahrhunderten von den Sarazenen erbaut, stieg in spitzen Bogen über den ausgetrockneten Boden; das gelbliche Gestein, aus dem sie besteht, wies im grellen Lichte Spuren des Alters, das sie aber nicht zerstört, sondern dauernder gemacht zu haben schien: sie glich dem versteinerten Gerippe eines aus Fabelzeiten übrig gebliebenen Geschöpfes, durch dessen morsche Poren die Sonne sickerte. Von den Bergen, welche die Stadt umkränzen, schimmerten einige im stärksten Lichte, die andern, die im Schatten standen, waren kalt unter der Bläue des Himmels; die Götter des Lebens und des Todes schienen an dieser Stelle Wache zu halten und feierlich jubelnde Töne gegeneinander zu singen. Nun war es, als führe die Brücke in ein Reich, das durch einen himmlischen Balsam unverweslich gemacht und der Vergänglichkeit entrissen sei. Garibaldi ließ den Wagen langsam fahren. Als er des Tores ansichtig wurde, das sie erstürmt hatten, dachte er an Tukery, den edeln und tapferen Ungar, der ihm teuer gewesen war und der dort von der Kugel getroffen war, an der er nach einigen Tagen in Palermo starb; ihm war zumute, als würde er ihm dort begegnen. 343
Der Platz, wo er damals Halt gemacht, die Berichte der Offiziere in Empfang genommen und Weisungen gegeben hatte, trug noch Spuren der Geschosse, die ihm gegolten hatten. Er erinnerte sich, wie er dort am Brunnen stand, allein mit wenigen Getreuen in der großen, unbekannten Stadt, mit einem Gefühl, wie er es in Stürmen auf dem Meere gehabt hatte: daß die Bretter unter ihm zerbrechen und alle seine Gefährten neben ihm untergehen könnten, daß er stehen werde, bis die letzte Planke weggerissen sein würde, bis sein Herz erlahmte und das Licht erlöschte. Dann hatten plötzlich die Glocken, das Herz der gefangenen Stadt, angefangen zu läuten und die Häuser gesprengt, die wie Gräber dagestanden hatten, wonach der Todeskampf begann, der mit Sieg geendet hatte.
Garibaldi saß still sinnend im Wagen. Das Blau des Himmels über ihm war fast so schwarz wie Blut, ein Abgrund, aus dem die Ewigkeit in stillen Strömen herunterflutete. Der Jubel des Volkes, das seinen Wagen umdrängte, klang ihm wie ein ferner Gesang, der lautete: Wir haben dich erwartet, du Bringer großer Tage! Unsre Herzen rauchen wie Altäre, die Blätter unsrer Bäume klirren wie Schwerter, unser Meer rauscht von Göttern und Helden!
Die königlichen Prinzen, die sich, ohne daß Garibaldi es gewußt hatte, in Palermo aufhielten, verließen am folgenden Tage die Stadt in dem Gefühl, daß es ihnen nicht anstehen würde, zuzusehen, wie das Volk von Sizilien seinem Imperator huldigte. Garibaldi wurde belagert: alte Freunde und neue Verehrer eilten zu ihm und trugen ihm Klagen über die italienische Regierung zu, die wohl grausam genug sei, jede Widerspenstigkeit gegen die neuen, unverstandenen Gesetze mit Härte zu bestrafen, aber nicht kräftig genug, um die Anmaßungen Frankreichs und Oesterreichs abzuwehren und Rom und Venedig zu 344 befreien. Er antwortete allen begütigend: es werde sich zeigen, daß der König Mut habe und Italien liebe; inzwischen solle sich ein jeder zu neuen Gefahren und Opfern bereithalten; denn man solle nichts von andern, alles von sich erwarten und verlangen.
Seit es bekannt geworden war, daß Garibaldi Caprera verlassen hatte, herrschte Unruhe in Italien; die Garibaldiner, die gewohnt und gewillt waren, ihrem Führer überall zu folgen, warteten auf seinen Ruf, doch nicht ohne Besorgnis, die Anhänger der herrschenden Politik fürchteten eine Unterbrechung des Friedens, verwünschten den Eigenmächtigen und hofften im stillen seinen Sturz als Folge seines noch unbekannten Vorhabens. Seine Ankunft in Sizilien schien zwar zu beweisen, daß es auf einen unmittelbaren Angriff auf Rom oder Venedig nicht abgesehen sei; aber die Spannung und Ahnung aufregender Ereignisse blieb in den Gemütern. Die Berichte über die in Palermo herrschende Begeisterung las man mit Unwillen, einmal müsse es doch, so fand man, mit der Ausnahmestellung, die Garibaldi innehabe, ein Ende haben. Größte Bestürzung rief vollends das Bekanntwerden einer Rede hervor, die der General bei Gelegenheit einer Parade der Nationalwache gehalten hatte, in der er das Volk aufforderte, Rom aus den Händen Napoleons zu befreien, der es unter heuchlerischen Vorwänden aus Herrschsucht und Habgier besetzt halte, und gegen den, wenn es nötig sei, eine neue Vesper müsse entfesselt werden. Ohne einen erkennbaren Anlaß war plötzlich der verhaßte Name aus einer seiner kurzen Ansprachen hervorgeschossen, beleidigende Ausdrücke des Zornes und Hasses nach sich ziehend. Hier schien eine unbezähmbare aufspringende Flamme und jähe Erschütterung das Bevorstehen einer Katastrophe zu verraten, und ein 345 angstvolles Gefühl Vorkehrungen zum Schutze treffen zu müssen, griff in den Kreisen der Regierung um sich.
Napoleon zwar, als er von dem Vorfall hörte, war so gestimmt, daß er mit kaiserlicher Gelassenheit erklärte, der Angriff von seiten einer Privatperson, wie Garibaldi sei, könne keinen Einfluß auf seine Politik haben. Nichtsdestoweniger beschäftigte sich das Parlament nur noch mit dieser Angelegenheit, denn es war klar, daß der Kaiser anders denken würde, sowie Garibaldi von kränkenden Worten zu kriegerischen Taten überginge. Urbano Rattazzi, der Ministerpräsident, blieb kühl unter den Aufgeregten und Besorgten und begegnete den stürmisch auf ihn eindringenden Forderungen dies oder das zur Vorsorge zu tun mit beinahe spöttischem Gleichmute. Er hatte eine so große Meinung von der Ueberlegenheit seines Verstandes, daß er die Notwendigkeit, ihn auch wirken zu lassen, leicht vergaß und an und für sich schon alles damit getan glaubte. Außerdem dachte er, der Weg von Sizilien nach Rom sei weit genug, daß sich darauf vieles zerschlagen und im Sande verlaufen könne; jedenfalls wolle er nicht, ohne daß es nötig sei, einen öffentlichen Aufruhr machen und Garibaldi vor den Kopf stoßen, den er schließlich immer noch von einer Torheit oder Verwegenheit zurückhalten könne.
Statthalter Siziliens war zu der Zeit der alte Pallavicino, der den Sizilianern durch seine Freundschaft mit Garibaldi empfohlen war, eben dadurch aber dessen offenen und versteckten Gegnern verdächtig. Es wurde ihm bitter verargt, daß die leidenschaftlichen Worte gegen Napoleon in seiner Gegenwart hatten ausgesprochen werden können, und er schien der beunruhigten Regierungspartei keine Bürgschaft für den Frieden mehr zu sein. Die einlaufenden Nachrichten bestätigten die Befürchtungen mehr und mehr: 346 Garibaldi unternahm eine Reise mitten durch Sizilien und besuchte die Orte, durch die er auf seinem Zuge mit den Tausend gekommen war, getragen von hoher Flut anbetender Ergebenheit. Man fragte sich, wohin das Volk, das die Gegenwart des tatenbrütenden Mannes außer sich versetzte, mit seiner rasenden Begeisterung ziele; was er selbst mit diesen Massen vorhabe, die sich ihm blind mit Gut und Blut anboten? Eines Tages geschah es, daß jemand aus der Menge, die Garibaldi zujubelte, gleichsam seine Anrede beantwortend, ausrief: Roma o morte, Rom oder Tod! vielleicht ohne der Tragweite dieser Worte sich bewußt zu sein; es war wie wenn die Erde selbst, von ihres Befreiers Füßen zauberkräftig berührt und entzündet, das Geheimnis seiner Seele geweissagt hätte. Dieser Ruf wurde sofort von zahllosen Lippen wiederholt, als wären die Herzen längst davon voll gewesen, und Garibaldi nahm ihn als eine Darbringung vom Munde des Volkes.
Nun konnte auch Rattazzi die schwebende Vermutung nicht länger abweisen; es begannen schon freiwillige Soldaten nach Sizilien zu eilen. Er sandte Briefe über Briefe an den Statthalter und die Behörden von Palermo mit Befehlen, die Umtriebe Garibaldis zu verhindern, aber in Wendungen und mit Zusätzen, welche die ausgesprochenen Anweisungen abschwächten; der plötzlich auftauchende Gedanke machte ihn unsicher, daß Garibaldi doch vielleicht im Begriff sei, ein Wunder zu tun, und daß spätere Richter ihm vorwerfen könnten, es sei nicht auf sein Betreiben, sondern ihm zum Trotze geschehen. Auf das Gebot, Garibaldi an dem was er vorhabe im Notfalle mit Gewalt zu verhindern, antwortete Pallavicino, man könne ihm, der Garibaldis Freund sei, nicht zumuten, Mittel wie gegen Räuber und Rebellen gegen den Helden Italiens anzuwenden, und dankte ab. 347 Inzwischen gingen die Freiwilligen ungehindert durch die Straßen Palermos, von den Bewohnern ausgezeichnet; die Warnungen und Verbote der Regierung wurden in ganz Sizilien weniger verachtet als unbeachtet gelassen, wie wenn sie zu einer verabredeten Komödie gehörten. Denn konnte man glauben, daß der König und das Land einen andern Willen hätten als Garibaldi? Das geängstete Parlament bewog bei der zunehmenden Gefährlichkeit der unerhörten Erscheinung den König, ein Manifest zu erlassen, in dem er Garibaldi und alle, die an diesem gegen seinen Willen unternommenen Feldzug teilnehmen würden, für Rebellen erklärte.
Garibaldi befand sich in Mezzajuso, einem kleinen Orte arabischen Ursprungs, etwa eine Tagereise von Palermo, als der Baron Torrearsa, den er seit 1860 kannte, ihm die Nachricht von dem Erlasse des Königs brachte. Der Baron hatte sich selbst anerboten, Garibaldi zum Verzicht auf das nunmehr zum Untergange verdammte Unternehmen zu bewegen; denn er wollte nicht, daß der General gerade durch eine von Sizilien ausgehende Bewegung sich unglücklich machte. Er fühlte sich persönlich und im Namen seines Vaterlandes Garibaldi so sehr verpflichtet, daß er es fast wie den Druck einer Sklavenkette empfand, um so mehr, als er vor zwei Jahren als Anhänger des unmittelbaren Anschlusses an Piemont gewissermaßen zu seinen Gegnern gehört hatte. Es schien ihm deshalb, als sei seine Ehre dabei verpfändet, daß Garibaldi Sizilien nicht verlasse, um einem tragischen Schicksal, dem er nach Ausführung der verhängnisvollen Tat verfallen müsse, entgegenzugehen, und damit er sicher wisse, daß das Menschenmögliche in dieser Hinsicht versucht sei, wollte er selbst gehen und ihn zurückhalten. Da er nun gewöhnt war, teils durch seine Persönlichkeit, teils wegen seines Rufes 348 und seines Namens die Menschen seinem Willen unterwürfig zu finden, dachte er nicht ernstlich an ein Mißlingen seiner Aufgabe; erst als er in einem Zimmer des Gasthofes, wo Garibaldi wohnte, sich ihm gegenüber befand, bemächtigte sich seiner Unsicherheit und ein ihm fremdes Gefühl der Ohnmacht.
Er begann damit, zu erzählen, daß nunmehr der neue Präfekt in Palermo eingetroffen sei, der von der Regierung mit weitgehenden Vollmachten ausgerüstet und angewiesen sei, die äußersten Mittel in Anwendung zu bringen, um Garibaldis Pläne zu hintertreiben. Es zeige sich, sagte er, daß die Regierung fest entschlossen sei, jetzt einen Zusammenstoß mit Frankreich zu vermeiden; man möge darüber denken, wie man wolle, es bleibe doch nichts übrig, als sich ihrem ausgesprochenen Willen zu fügen.
»Es war nicht immer wohlgetan, sich dem ausgesprochenen Willen der Regierung zu fügen,« antwortete Garibaldi. »Wer weiß denn, ob das Manifest des Königs Napoleon gilt oder mir?«
Der Baron schüttelte den Kopf; nach dem Eintreffen des neuen Präfekten sei nicht mehr daran zu zweifeln, daß es der Regierung Ernst sei, sagte er. Wäre er dessen nicht gewiß, würde er nicht gekommen sein. Garibaldi möge nicht den Bürgerkrieg über Italien bringen. Garibaldi richtete den Blick fest auf den Baron, indem er sagte: »Wer sich uns in den Weg stellt, wenn wir Rom befreien wollen, bringt den Bürgerkrieg über Italien, nicht ich!« Seine Züge hatten sich plötzlich verändert, sie schienen in einen ehernen Schild verwandelt zu sein, der Bitten und Drohungen gleicherweise zurückwerfen würde. Die erste Empfindung des Barons war, das Zimmer zu verlassen und sich keiner Niederlage auszusetzen; aber er überwand sich und sagte, er sei nicht gekommen, um mit Garibaldi über Recht und Unrecht zu streiten, 349 sondern um zu bitten. Er habe nie einen Menschen um eine Gunst gebeten, nicht den König, in seiner Heimat leben zu dürfen, ihn wolle er bitten, den Zug auf Rom aufzugeben. Er fühle sich mit allem, was er habe, in Garibaldis Schuld und sei bereit, mit allem, was er habe, zu zahlen. Er möge es ihm, wie einem Flehenden eine Gnade, gewähren, daß er die Unglückstat nicht tue. Der Baron hatte sich im Sprechen aufgeregt, sein sonst blasses Gesicht war gerötet. Da Garibaldis Miene sich nicht veränderte, fuhr er heftiger fort, auch er und viele seiner Freunde seien nicht mit allem einverstanden, was die neue Regierung vornehme; aber sie bemeisterten ihren Unwillen und fügten sich, da sie dem Könige von Italien gehuldigt hätten. Garibaldi solle nicht minder tun als sie. Er habe die Monarchie gewählt, weil sie der Wille der Allgemeinheit gewesen sei, das habe er selbst gesagt; nun aber setze er sich einzelnen gegen den Willen des Landes. Garibaldi unterbrach ihn mit starker Stimme: »Ich tue den Willen des Volkes! Das Volk will Rom. Ihr habt die Revolution gepriesen, als sie euch Befreiung brachte, nun sie andern das gleiche tun will, möchtet ihr sie in Ketten legen. Wenn ihr das vermöchtet, hätte ich nicht angefangen.«
Nach einer Pause, während welcher er mit düsterer Miene an dem Baron vorüber aus dem Fenster sah, sagte dieser langsam: »Man merkt wohl, daß Ihr gewohnt seid, mit den Elementen zu kämpfen und menschliche Gegner, seien es gute oder schlechte, gering achtet.« Garibaldi horchte auf, wendete sich dem Baron zu und erwiderte: »Ihr wollt mich mahnen, daß ich ein Matrose gewesen bin? Ihr habt recht; aber Ihr werdet auch wissen, daß wir vom Meere, wenn wir auch ungestüm und rücksichtslos sein können, doch gerade und warme Herzen haben. Um 350 Garibaldis willen, dessen seid gewiß, sollen keine Schlachten mehr zwischen Italien und Italien geschlagen werden.« Er lächelte bei diesen Worten auf eine zugleich stolze und kindliche Art so gewinnend, daß Torrearsa ihm die Hand bot und mit Beschämung sagte: »Ich bin gekommen, Euch zu überreden, und Ihr überwindet mich. Dennoch bin ich nicht ruhig: über Euch oder über Italien muß Unheil kommen, wenn Ihr Euern Willen nicht opfert!«
Garibaldi öffnete das Fenster, an dem er stand und das auf den Marktplatz des kleinen Ortes hinausging. Vor dem Gemeindehause war eine Menge Menschen versammelt und im Begriff, das eben angeschlagene Manifest des Königs zu lesen; die Munizipalbeamten, die es befestigt hatten, standen noch daneben und beantworteten an sie gerichtete Fragen in augenscheinlich guter Laune; denn man hörte vergnügtes Lachen. Bald jedoch wendete sich die Aufmerksamkeit wieder dem Gasthofe zu, den Garibaldi bewohnte, und als es bemerkt wurde, daß er ein Fenster öffnete und ein Zeichen machte, als wolle er reden, strömten sofort alle über den in der Mittagssonne brennenden Platz zu ihm hinüber. Er sagte einige Worte, die das Volk an die großen Tage der Vergangenheit erinnern und zu künftigen großen Taten entflammen sollten; ihnen folgten begeisterte Zurufe, indem durcheinander »Evviva Garibaldi!« »Evviva l'Italia!« »Roma o morte!«, Rom oder Tod, geschrien wurde. Der Lärm war so betäubend, daß es dem Baron, der still dabeistand, vorkam, als zitterten die Häuser und neigten sich, um zu Füßen des Zauberers, der winkte, in Staub zusammenzustürzen. Er hatte den Auftritt mit Befremden und fast mit Grauen verfolgt, obwohl er in Palermo ähnliche in weit größerem Maßstabe mitangesehen hatte. Dort aber hatte irgendein Anlaß vorgelegen, irgendein eben 351 geschehenes oder bevorstehendes Ereignis, eine inhaltreiche Ansprache Garibaldis hatte den Taumel entzündet; jetzt hingegen, wo die wenigsten Garibaldis Worte verstanden haben mochten, wo sie soeben durch den König selbst vor ihm gewarnt waren, handelte es sich nur um ein unbewußtes jubelndes Mittönen, hervorgerufen durch das geliebte Antlitz, das sich zeigte, durch die Stimme ohnegleichen, die an die Herzen schlug. Um das Manifest bekümmerte sich niemand mehr; es war da und doch nicht da, wie ein Nachtlämpchen, das am Morgen vergessen wurde zu löschen, im herabstürzenden Strome des Sonnenlichtes untergeht.
Während des Tages war Garibaldi mit dem Empfange von Deputationen und andern Dingen, die die Gelegenheit erforderte, beschäftigt. Gegen Abend kehrte er in Begleitung mehrerer Freunde, unter denen Nuvolari war, von einer Musterung der Truppen zurück. Es war von der Beschaffenheit derselben die Rede; Nuvolari fragte, was Garibaldi mit den bettelhaften Kerlen auszurichten gedenke? Das seien Galgenvögel, die nur deshalb noch nicht gehenkt wären, weil sie keinen Strick wert wären. Man habe im Jahre 1860 genug üble Erfahrungen mit den Insulanern gemacht; man könne nicht einmal in seiner Muttersprache mit ihnen reden, deren Kauderwelsch vielleicht von den Türken, sicher nicht von Italienern stamme. Garibaldi entgegnete ruhig, er teile die Abneigung gegen die Sizilianer nicht; sie seien zäh und gutwillig, es ließen sich gute Soldaten aus ihnen machen. Wenn diese Leute arm und schlecht gekleidet wären, so wären sie dafür sicherlich abgehärtet und könnten viel aushalten, auch ließe sich dem vielleicht mit der Zeit abhelfen. Uebrigens rechne er darauf, daß noch Freiwillige aus Oberitalien kämen. Die Häfen wären gesperrt, brummte 352 Nuvolari. Immerhin, sagte Garibaldi, könnte es einzelnen gelingen, sich zu ihm durchzuschlagen; er glaube nicht, daß die Maßregel so strenge würde gehandhabt werden. Vor dem Gasthause trennte man sich; aber Garibaldi wollte vor dem Nachtessen noch spazieren gehen und bog in eine der schmalen Straßen, die vom Platze aus nach allen Richtungen führten. Nach einer Weile kam er zu einem unregelmäßigen, mit Gras bewachsenen Platze, an den mehrere alte, niedrige, halbverfallene Häuser grenzten, und setzte sich auf den Rand einer Zisterne, die er dort bemerkte. Die Sonne stand tief, der Berg, an dessen Fuße der Ort liegt, glühte rosig in die veilchenfarbige Luft. Weit und breit rührte sich nichts als ein kleines Kind, das noch nicht gehen konnte und an der steinernen Treppe des einen der alten Häuser herauf und herunter kroch.
Die Vorgänge des Tages tauchten wieder in Garibaldi auf; er bedachte zum erstenmal, daß das Manifest des Königs dennoch seine wirkliche Meinung und seinen wirklichen Willen ausdrücken konnte. Es konnte sein, daß er seinen Dienern nachgegeben hatte, es konnte wahr sein, daß er Napoleon mehr fürchtete, als er Italien liebte und ihm, Garibaldi, vertraute. Dann wäre Italien mit seinem italienischen Könige, den sich das Volk mit unerhörten Blutopfern erkauft hatte, nicht weniger von Fremden abhängig als früher unter der Herrschaft Oesterreichs. Es kam ihm in den Sinn, daß er im Grunde niemals etwas andres gewesen sei als ein Rebell; man hatte ihm geschmeichelt und gedroht und ihn benutzt; aber auf eigne Gefahr hatte er Sizilien erobert, sein allein war die Tat gewesen. So war es jetzt nicht anders als je: er war nicht dem Worte des Königs oder seiner Minister, noch auch dem Drängen des Volkes gefolgt, sondern einem Stern, den er kannte. 353
In seinen Gedanken störte ihn das Kind, das eben auf der höchsten Stufe der Treppe angelangt und so weit nach vorn gerutscht war, daß es im nächsten Augenblick herunterfallen konnte; er stand auf, ging hin und ergriff es, das ihn bestürzt ansah und weinen wollte, dann aber zu lächeln begann und sich an ihn klammerte. Seine Fragen beantwortete es mit einem leisen freundlichen Lallen, da es noch nicht sprechen konnte; so beschloß er, sich wieder auf seinen Platz zu setzen und zu warten, bis jemand käme, dem er es übergeben könnte.
Jetzt fielen ihm Nuvolaris Worte über die mangelhafte Beschaffenheit der Truppe wieder ein, und er dachte, daß es freilich nicht die Tausend wären, von denen nur eine kleine Anzahl bei ihm war. Wohin war die stolze Schar zerstreut? Einige glaubte er, würden doch noch kommen; viele waren tot. Der brave Montanari, der immer kampflustig war und den Ungestüm so weit trieb, daß er lieber ein paar Unschuldige niederhaute, als daß er einen Vaterlandsverräter am Leben ließ, übrigens aber das treueste und wärmste Herz besaß, war schon bei Calatafimi gefallen. Den jungen Ippolito Nievo, dessen schöne Augen etwas Erinnerungsschweres hatten wie die eines alten Mannes, hatten die Schlachten verschont; aber er war auf der Fahrt nach Genua, wo er über die Verwaltung der Kriegskasse Rechenschaft ablegen wollte, denn er war wie alle die Seinigen auf niedrige Weise verdächtigt worden, bei einem Schiffbruch umgekommen. Das Mädchen, das er geliebt hatte, starb ihm bald nach, eingehüllt im Sterben und bestattet in dem roten Hemde, das er als Garibaldiner getragen hatte. Tukery, der erfahrene, weise und ruhige Mann, der ihm mehr als hundert tapfere Soldaten gegolten hatte, war vor Palermo verwundet und nach schweren Tagen gestorben. Am Volturno war Pilade Bronzetti 354 gefallen, sich opfernd als ein Held, ein Jahr nach seinem Bruder Narciso.
Es wäre besser, dachte er, wenn alle diese noch bei ihm wären, aber es würden andre kommen, die ebenso tüchtig wären. Nuvolari begehe den Irrtum zu glauben, daß die Menschen unersetzlich wären, wie er selbst vor vielen Jahren in Amerika, als alle seine Genossen im Meere umgekommen waren, zuerst nicht glauben konnte, daß er jemals wieder so brave Gefährten finden würde. Es machte ihn betroffen, wie lange das her zu sein schien, und daß die Toten von damals ihm so unendlich fern waren, als ob er sie niemals lebend gekannt hätte; denn seitdem waren viele dazugekommen. Er stützte den Kopf in die Hand und staunte vor sich hin. ›Wie viele ihrer geworden sind,‹ dachte er; und ein Gefühl von Einsamkeit überlief ihn, wie einen wohl plötzlich ein Schauder ankommt, ohne daß es kälter geworden oder sonst eine Ursache ersichtlich wäre.
In diesem Augenblick ertönte von weit her, aus dem Lager der Soldaten, das Lied, das der Hymnus Garibaldis genannt wurde, unter dessen Klängen die Tausend in ihre Schlachten gezogen waren und ihre wunderbaren Märsche gemacht hatten. Die Sonne war inzwischen untergegangen, die Luft leuchtete schneidend hell um die schwarze Masse des Berges. Garibaldi horchte: die Töne schienen ihn zu suchen, daß er sie, eine Flamme, als Sturm zu großer Brunst anbliese und weiterjagte, über das Meer, über die Berge, bis Rom. Sein Sinn wurde heiter; es sollte ihm schon gelingen, dachte er, die königlichen Truppen zu umgehen, begegneten sie ihm aber, so wäre es nicht unmöglich, daß sie, vom Augenblick ergriffen, anstatt ihm zu wehren, sich ihm anschlössen, um gemeinsam mit ihren Brüdern Italien zu vollenden. Indessen hörte er Stimmen und hastige Schritte: 355 Frauen und Kinder kamen gelaufen, die bei der Musterung der Truppen zugesehen und sich verspätet hatten. In einer der Frauen, die ängstlich umherblickte, vermutete er die Mutter des kleinen Kindes, das auf seinem Arme eingeschlafen war, ging auf sie zu und übergab es ihr, indem er sie tadelte, es allein gelassen zu haben, noch dazu in so später Stunde, und ihr empfahl, künftig besser Sorge zu tragen. Während die Frau das Kind erschrocken an sich drückend, ihn anstarrte, halb ahnend, wer er sei, doch zu erregt und scheu, um es auszusprechen, grüßte er und entfernte sich rasch.
In der Frühe des folgenden Tages brach er mit seinem Heere auf und erreichte nach vier Tagen, von den königlichen Truppen verfolgt und belästigt, aber nicht ernstlich aufgehalten, Catania, wo er sich nach dem Festlande einschiffte.
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In Kalabrien waren von der Regierung Vorkehrungen getroffen, um Garibaldis Unternehmen zu vereiteln. General Cialdini besetzte die wichtigsten Plätze an der Küste mit zahlreichen Truppen und schärfte den Behörden ein, dem Rebellen keinerlei Vorschub zu leisten. Sein Aeußeres sowie sein Auftreten waren geeignet Eindruck zu machen und einzuschüchtern; er war ein schöner Mann und immer voll Feuer und Selbstgefühl, ganz besonders bei dieser Gelegenheit, wo er sich als Rächer der Ehre des Königs und des ganzen Landes und als Vertreter heiliger Ordnung gegenüber blinder Zügellosigkeit fühlte. Er hielt Reden, in denen er erklärte, daß der Wille des Königs durchaus auf die Erwerbung Roms und Venedigs gehe, daß er aber das Blut des Volkes nicht umsonst vergießen, sondern eine Gelegenheit abwarten wolle, wo auf Erfolg gerechnet werden könne. Garibaldi scheine wohl erhaben und 356 heldenhaft zu sein, wer aber näher zusehe, müsse erkennen, daß er, von einem gefährlichen Rausch und Ruhmbegier getrieben, vorwärts rase, um sich selber zu sättigen, ohne das Sterben der Jugend, die ihm folge, zu bedenken, noch weniger, daß dabei das neugegründete Reich aufs Spiel gesetzt werde. Ihm seien große Wagnisse geglückt, er habe sich im Besitze der Macht, freilich nicht ohne inneres Schwanken, mäßig und königstreu bewiesen, das solle ihm unvergessen sein; da er nun aber, tyrannischer als je ein Fürst, der italische Provinzen knechtete, sich anmaße, nach seinem Gutdünken den Krieg über Italien entfesseln zu können, so müsse das Volk das Joch, das es aus Liebe und Dankbarkeit auf sich genommen, stolz von sich abschütteln. Es gebe andre Männer in Italien, die ebenso tapfer wären und ebenso gern etwas Großes wagten, sich aber deswegen nicht mehr als ihre Mitbürger zu sein dünkten, sondern sich begnügten, das, wozu eigner Mut und eigne Begeisterung sie antrieben, bescheiden als eine Pflicht gegen den König und ihr Land zu tun.
Als Garibaldi in der Morgendämmerung des vierundzwanzigsten August gelandet war, marschierte er zuerst nach Melito, dessen Bürgermeister ihm entgegenkam und ihn mit vielen Aeußerungen der Ehrerbietung und Ergebenheit willkommen hieß. Er war ein hagerer Mann mit sehr traurigem Gesicht und von pathetischer Beredsamkeit, an der er selbst Gefallen zu finden schien. Er erzählte, wie die kalabrische Bevölkerung in Bewegung sei, um sich Garibaldi anzuschließen; wie sich im Gebirge mehrere Banden aufhielten, ebenso in Catanzaro, Cosenza und andern Städten, und ihn erwarteten. Rom oder Tod, das sei der Herzschlag eines jeden Patrioten in Kalabrien. Freilich hielten die königlichen Truppen das Land so fest, daß die Gesinnung sich nicht offen zeigen könne, im Innern 357 der Brust aber sei der Name Garibaldis unauslöschlich. Da Garibaldi den Wunsch aussprach, daß sein Heer in Melito verpflegt würde, überströmte sein Kummer: nicht ein Stück Brot, nicht ein Schluck Wein sei mehr vorhanden, nachdem die königlichen Truppen bis zum vorhergehenden Tage hier gelagert hätten. Im Gebirge jedoch würde alles zu finden sein, die Dörfer wären mit Proviant versehen, Ochsen und Schafe gebe es in Menge dort, Ueberfluß an allem.
Garibaldi hörte die Beteuerungen des Bürgermeisters nicht bis zum Ende an und schlug den Weg nach Reggio ein. Nuvolari sagte: »Es ist eigentümlich, daß der verstorbene Bombenkönig, der so viele niederschoß, einen Schurken wie diesen am Leben gelassen hat; er muß ein Reich voll Schelme einem voll braver Männer vorgezogen haben und hat denn auch ein ganzes Museum von Mißgeburten aller Art hinterlassen. Die Furchtsamkeit dieses Bürgermeisters war etwas Außerordentliches und Unvergeßliches, denn seine Zähne klapperten so, daß man das Getöse des Meeres davor nicht hören konnte. Schönes Land Kalabrien! nirgend sonst fände sich ein Beruf für einen solchen Mann, hier aber kann er ein Auge zukneifen, wenn die Räuber die andern bestehlen und sich dafür von ihnen beköstigen lassen. O daß ich den Jammermenschen und ganz Melito, das ihn zum Bürgermeister gemacht hat, am Galgen könnte hängen sehen!« Auch Garibaldi und die andern Herren, die in seiner Begleitung waren, belustigten sich über die Furcht des Mannes und wie er sie hinter theatralischen Geberden zu verbergen getrachtet hatte.
Die Straße führte am Meere entlang, das nicht aufhörte mit unersättlicher Leidenschaft neben den Marschierenden zu rauschen; zwischen blauschwarzen, mächtig in den Himmel schwellenden Wolken glühte die Sonne wie ein Karfunkel, zuweilen fast 358 verschwindend, wie vom Sturm ausgelöscht. Die Zacken des Aspromonte standen fest und ungeheuer da, als wären sie eben aus dem Meere heraufgetaucht und die Luft wiche mit Grauen vor ihnen zurück. Die Zeichen deuteten auf starken Regen und Unwetter, sagte Nuvolari, dabei könne man nicht ins Gebirge gehen, besonders nicht bei der mangelhaften Ausrüstung der Leute. Ueberhaupt sei er von Anfang an gegen diesen Feldzug gewesen und werde nun umkehren und nach Hause gehen, er möge die Unannehmlichkeiten nicht länger mit ansehen. Zu essen würde man auch nichts bekommen; wie käme er aber dazu, zu hungern, damit die Italiener Rom erhielten, das sie gar nicht wollten? Ja, für die königlichen Truppen wäre gesorgt, denen gehe nichts ab, für sie wäre das Kriegführen ein Spaziergang und Zeitvertreib. Nichts ärgere ihn mehr, als daß Garibaldi ihnen Gelegenheit gegeben habe, sich hier breitzumachen. Seiner Meinung nach müsse man sich sogleich mit ihnen schlagen, in dem Falle wolle er dableiben, sonst sei sein Entschluß, heimzureisen, gefaßt.
Er denke nicht daran, sich zu schlagen, sagte Garibaldi, und nehme an, daß auch die Königlichen es nicht täten. Wäre es ihr Ernst, ihn zurückhalten zu wollen, so würden sie nicht zugelassen haben, daß er Sizilien verließe; auch habe Rattazzi ihm sein Wort gegeben, daß er ihn nicht im Stiche lassen werde. Nuvolari lachte höhnisch; es gebe trotz des Bürgermeisters von Melito im Norden so gut Lügner und Feiglinge wie im Süden. Er habe genug; sowie er etwas zu essen gefunden habe, kehre er um.
Ob man denn zum Vergnügen ausgezogen sei? fragte der alte Ripari scharf. Ihm sei es gleich, ob man dem Siege oder dem Tode oder sonst einer Fatalität entgegengehe. Er habe auch kein Vertrauen 359 zu diesem Feldzuge gehabt, da es aber einmal angefangen sei, müsse es durchgeführt werden. Ripari möge recht haben; aber in das Gebirge würde er nicht gehen, beharrte Nuvolari.
Bei einer kleinen Meierei vor Reggio kamen Garibaldi der Bürgermeister und mehrere angesehene Herren aus der Stadt entgegen und baten, ihn begrüßen und ihm eine Bitte vortragen zu dürfen. Dem Bürgermeister war ein behäbiges und vergnügliches Wesen anzusehen, das, hervorgehend aus guter Gesundheit und sorglosem Leben, sich nicht verleugnen ließ, obwohl er sich Mühe gab, von Sorgen bedrückt zu erscheinen. Er begann damit, wie glücklich die Einwohner von Reggio und insbesondere er selbst sich geschätzt haben würden, Garibaldi, den größten Mann Italiens, in ihren Mauern zu empfangen; nun aber müsse, fuhr er fort, da Reggio von königlichen Truppen besetzt sei, notwendig eine Schlacht sich entspinnen, wenn der General darauf bestehe einzuziehen. Er werde aber gewiß, da er nicht weniger gut als groß sei, dem schuldlosen Volke das schreckliche Schauspiel eines Kampfes zwischen Brüdern ersparen.
Garibaldi blickte nach den weißen Häusern von Reggio hinüber, die aus braunen und grünen Gebüschen leuchteten, und schwieg; dann sagte er, seine Soldaten seien ohne Lebensmittel und müßten sich verproviantieren, sie hätten den ganzen Tag über noch nicht gespeist, weiter wolle er nichts in Reggio. Wenn es nur das wäre, sagte der Bürgermeister aufatmend, im Gebirge gebe es Vorräte genug von allem, was das Herz begehre. Das unglückliche Reggio könne kaum aufbringen, was die Königlichen verlangten, keine Maus könne sich von dem sättigen, was sie übrigließen, und Garibaldi in seiner Güte würde ihnen eher austeilen, als ihnen nehmen mögen. Im Gebirge dagegen, das er bald erreicht haben würde, 360 könnten die Soldaten ihre Bedürfnisse reichlich befriedigen.
»Dieses Gebirge,« flüsterte Nuvolari seinem Nachbar zu, »scheint das eigentliche Schlaraffenland zu sein, und ich wundere mich nur, warum nicht jung und alt dahin auswandert, besonders diese Hungerleider von Reggio.« Garibaldis Stirne faltete sich, während er forschend nach dem Aspromonte hinsah, so daß ein ernstliches Unbehagen über den Bürgermeister kam und die Herren, die mit ihm gekommen waren, seine Aussage mit kläglichen Worten zu bestätigen anhuben. Mitten in ihre Reden hinein fragte Garibaldi, der sie nicht bemerkt hatte, nach dem Weg ins Gebirge, worauf der Bürgermeister, wieder fröhlich, schwur, daß man nach wenigen Stunden in begüterte Dörfer komme, und daß er ihm einen kundigen und zuverlässigen Mann augenblicklich herbeischaffen könne, der ihm als Führer dienen würde. Während Garibaldi sich mit diesem Manne, der in der Nähe war, besprach, schimpfte Nuvolari laut über die Bevölkerung von Kalabrien, indem er sie heuchlerisch, wortbrüchig, feige und nur auf ihren Vorteil bedacht nannte, welche Vorwürfe die Herren ans Reggio mit betrübtem Lächeln höflich von sich abwiesen.
Nach kurzem Besinnen entschloß sich Garibaldi, den Weg über das Gebirge zu nehmen, um ein Zusammentreffen mit den königlichen Truppen zu vermeiden. In der Nacht tobte der Sturm, aber gegen Morgen ließ er nach, und es fing an zu regnen, stark und gleichmäßig, wie wenn die Schläuche der Wolken geöffnet wären und sich ohne Ende ergössen. Der lange Zug war in einen silbernen Regendunst eingehüllt, in dem man kaum die Nächsten erkennen konnte; das unveränderliche Rauschen hatte etwas Ermüdendes und Betäubendes. Die Fußgänger, ohnehin vom Hunger erschöpft, hatten Mühe, in dem 361 Geröll des immer steiler werdenden Weges vorwärts zu kommen, um so mehr, als die meisten nicht mit gutem Schuhwerk versehen waren; von vielen Stiefeln lösten sich die Sohlen. Es wurde wenig gesprochen, nur der Führer, der dicht hinter Garibaldi ging, erzählte unaufhörlich. Es war ein zierliches Männchen mit einem kleinen Gesicht, das von einem struppigen schwarzen Barte so überwachsen war, daß man nur die Spitze seiner Nase und ein Paar funkelnder Augen sehen konnte, die sich ruhelos drehten und an schwirrende Stechmücken erinnerten. Er war in ausgezeichneter Laune und schien weder die Unbill des Wetters noch die Härte des Weges zu bemerken, noch von Hunger oder Durst zu leiden, auch ließen seine Stimme und seine Einfälle trotz des unermüdlichen Erzählens nicht nach.
Er hatte seit seinem zehnten Jahre an sämtlichen revolutionären Bewegungen des Landes teilgenommen, ohne irgendeine politische Richtung zu haben, meist im Solde des Königs, den er übrigens niemals gesehen hatte. Für gewöhnlich hatte seine Tätigkeit darin bestanden, verdächtige Liberale auszuspionieren, was ihm oft gelang, da es ihm leicht fiel, die Menschen zutraulich und redselig zu machen. Er sprach von seinen Opfern mit Wohlwollen und guter Auffassung, als ob er aus Lust an menschlichen Erscheinungen mit ihnen umgegangen wäre; dazu hatte er eine außerordentliche Darstellungsgabe, so daß er seine Zuhörer unwiderstehlich fesselte. Wie viele Menschen er umgebracht hatte, wußte er selbst nicht zu sagen, und berichtete nur von den besonderen Fällen, die er im Gedächtnis behalten hatte. In den letzten Jahren hatte er auf seiten der Garibaldiner gestanden, weil er glaubte, daß bei ihnen das Glück wäre, doch, sagte er, maße er sich keine Grundsätze an, da er nicht gelehrt erzogen sei; er habe nie aus Haß, Rachsucht 362 oder Eifersucht gemordet, sondern gegen Lohn und im Auftrage andrer, welche die Verantwortung treffe.
Nuvolari hörte mit wachsender Aufmerksamkeit zu und klopfte dann und wann, hingerissen von Vergnügen, dem kleinen Mann auf die Schulter, indem er ihn Schelm und Gauner und abgefeimte Christenseele nannte; überwog jedoch, je nach dem Inhalt des Erzählten, die Entrüstung, so überhäufte er ihn mit Scheltworten und wünschte ihn an den Galgen, worauf dieser schlau lächelnd abwinkte und einen Talisman zeigte, den er zum Schutze bei sich trug. Zuweilen kam Nuvolari in ein Lachen, das laut und angenehm rollte und nicht enden wollte, und rief Garibaldi zu, er müsse auch zuhören, er sei überzeugt, das Männlein führe sie geradeswegs in die Hölle, wo sie aber gewiß um seinetwillen gut aufgenommen würden.
Nachdem der Marsch, nur selten durch kurze Rast unterbrochen, etwa vierzig Stunden gedauert hatte, näherte man sich dem Dorfe San Stefano; man sah es von weitem unter den dunkeln Regenwolken um eine graue Kirche herum leblos wie einen Friedhof liegen. Garibaldi wollte mit seinen Begleitern darauf zueilen, wurde aber durch einen Köhler aufgehalten, der vor seiner Hütte hockte und die herannahenden Reiter mit Spannung betrachtete. Garibaldi blieb stehen und fragte den Mann, ob das San Stefano sei und ob er glaube, daß dort Lebensmittel zur Verpflegung seiner Truppen aufzutreiben wären. Der Köhler schüttelte den Kopf; wozu sie in der Einöde so viele Eßwaren brauchen sollten? um die Bäume und die Steine damit zu füttern? Er hatte eine gelbliche Hautfarbe und war so außerordentlich mager, daß man die Knochen seines Gesichtes wie an einem Totenkopfe erkennen konnte; da er fortwährend lächelte mit einem Ausdruck, der bald Blödsinn, bald Spott 363 zu bedeuten schien, sah man seine großen gelben Zähne. Einer der andern Herren fragte nach der nächsten Ortschaft; die Soldaten wären zwei Tage und zwei Nächte marschiert ohne zu essen, es müßten um jeden Preis Nahrungsmittel geschafft werden. Woher sie denn kämen? fragte der Mann, und als Garibaldi antwortete, von Reggio, sagte er, daß von dort bis San Stefano zwölf Stunden zu gehen wären, daß sie also einen falschen Weg genommen haben müßten. Dabei lachte er, daß man seine großen Zähne alle sehen konnte; so belustigend schien er das überflüssige Irren in dem öden Gebirge beim Regen zu finden. Garibaldi schwieg: ein Unglück weissagendes Gefühl berührte ihn leise, in allen Nerven spürbar. Er drehte sich um, nach dem Führer zu fragen; seit Tagesanbruch hatte ihn niemand gesehen, so daß man annehmen mußte, er habe sich bei Nacht davongemacht. Stillschweigend setzte Garibaldi den Weg fort, auch seine Begleiter waren still; nach einer Weile empfahl er ihnen, das Verschwinden des Führers nach Möglichkeit geheimzuhalten, damit das Bewußtsein, verraten zu sein, die Soldaten nicht vollends entmutige.
Was es in San Stefano an Lebensmitteln gab, wurde von den Freiwilligen verschlungen, ohne sie zu sättigen. Um Mitternacht wurde aufgebrochen und unter fortwährendem Regen bis zum folgenden Nachmittage marschiert. Sie waren jetzt auf der bewaldeten Hochebene angekommen, von der aus der Gipfel, der eigentlich den Namen Aspromonte trägt, aufsteigt; dort floß ein fast ausgetrockneter Bach durch ein steiles, steiniges Bett, aber nirgend weit und breit war eine Behausung von Menschen zu sehen. Der Regen hatte nachgelassen und hörte endlich ganz auf; von den Zweigen der alten Eichen, die wie Klauen dämonischer Tiere durch die neblige Luft griffen, troff 364 es unablässig, so daß ein dünnes, müdes Rieseln durch die Einsamkeit lief. Der Fuß glitt auf den nassen Wurzeln aus, die das Erdreich durchkrochen, und zum Teil von den abgefallenen, fest aneinander klebenden Blättern bedeckt waren. In dieser Höhe herrschte bei der fortwährend verdampfenden Feuchtigkeit eine empfindliche Kälte, und die Soldaten, von denen viele keinen Mantel hatten, und die noch dazu durch Hunger erschöpft waren, schlotterten; nicht wenige hatten Fieber. Die meisten waren in ihrer Entkräftung so abgestumpft, daß sie sich auf den Boden warfen, wo sie standen, und die Augen schlossen, ohne Anteil an ihrer Umgebung zu zeigen. Als Garibaldi die, welche ihm zunächst waren, aufforderte, Reisig zu sammeln, damit Feuer entzündet würden, an denen sie sich wärmen könnten, rührte sich niemand; sie sahen die wohlbekannte und geliebte Gestalt in der grauen Luft der trüben Wildnis, ohne daß ihre Gedanken die Kraft hatten, sie mit der Wirklichkeit zu verbinden. Garibaldi stand einen Augenblick wartend; »so will ich euch vorangehen,« sagte er dann, indem er sich anschickte, mit seinem Schwerte Zweige aus dem Gehölz zu schneiden. Die Ermatteten sahen die Augen, in deren Macht sich zu fühlen sie gewohnt waren, mit gebieterischem Ernst und unergründlicher Trauer auf sich gerichtet, und sprangen auf, plötzlich zu sich gekommen und belebt, um ihm zu folgen. Der Ruf: Evviva Garibaldi! und Roma o morte! schallte durch die Einsamkeit; es war, als ob ein Sterbender sich noch einmal aufrichtete, um dem Anruf eines Geliebten zu antworten.
Um die Feuer herum schliefen die Soldaten ein; einige lagen wie Tote, andre wälzten sich rastlos, von Fieber, Hunger und Kälte gequält. Garibaldi saß in seinen Mantel gewickelt und dachte schmerzvolle Gedanken. Er zweifelte nicht mehr daran, daß das 365 königliche Heer ihm den Weg verlegen und eine Schlacht anbieten wollte; denn zu diesem Zweck mußten sie ihn in das Gebirge gedrängt haben, wo die unwirtliche Natur ihn zugleich bekämpfte. Niemals wäre eine Schlacht so sehr Lust und Erlösung gewesen nach den Tagen des Ausbiegens und untätigen Leidens. Zwar hatte er beinahe die Hälfte seiner Truppen verloren: im Anfang des Marsches, bald hinter Reggio, waren die besten Abteilungen mit den Königlichen, die sie verfolgten, in ein Gefecht geraten, ohne daß er es hatte hindern können, und hatten Verluste an Gefangenen und Toten gehabt; von den Verwundeten waren die meisten zurückgeblieben. Andre hatten sich später von der Masse des Heeres getrennt in der Hoffnung, etwas zu essen aufzutreiben, oder dann, weil sie an einem guten Ausgange überhaupt zweifelten, und schließlich waren einige, deren Körper so außerordentlichen Anstrengungen und Entbehrungen nicht gewachsen war, unterwegs gestorben. Allein so wenige ihrer noch waren und wie sie auch der Hunger und langes Marschieren entkräftet hatte, so glaubte er doch, daß er den Kampf hätte aufnehmen können: sie hätten mit seinem Atem geatmet, mit seinem Marke standgehalten, mit seinem Blute geblutet, er wußte, daß er genug für alle hatte. Was für Augenblicke wären das gewesen, wenn er mit seinem siegreichen Heere die umzingelnden Truppen durchbrechend in das neapolitanische Land, das sich ihm schon einmal jubelnd unterworfen hatte, hinabgestiegen und von da auf freien Wegen nach Rom vorgedrungen wäre! Nicht die vereinigten Armeen Oesterreichs und Frankreichs hätten ihn zurückgehalten; aber die Fahne Italiens in der Hand der Soldaten Viktor Emanuels, das Zeichen, das ihm die Erfüllung seiner heiligsten Träume bedeutet hatte, machte ihn zum Sklaven. Die Nacht schien ihm lang, und doch fürchtete er den Tag, der 366 ihm das Heer seines Königs, ein italienisches Heer, feindlich gegenüberstellen konnte. Er blickte nach dem Himmel, ob er sich klärte; aber er glich noch immer einer Steppe voll schmutzigen Schnees, durch die graue Wolken sich langsam den Weg wühlten, jenseits welcher tief unten die glänzenden Sterne sein mochten. Die einsamen Gedanken drückten sich so schwer in seine Brust, daß er einen Augenblick willens war, einen seiner Freunde zu wecken, doch unterließ er es; denn was hätte er ihm sagen sollen? Seine Traurigkeit war wie ein Geist, nur dem einen erscheinend, dessen Schicksalsstunde der Zeiger näher rückt.
Der Morgen brachte den Erwachenden keine Ermutigung. Garibaldi redete sie an, indem er sagte, die Umstände seien so, daß er die Zucht, die in einer Armee herrschen solle, von ihnen nicht fordern könne. Dies jedoch werde vorübergehen; der unheilvolle Weg werde bald hinter ihnen liegen, so daß sie hoffen könnten, ihr Ziel zu erreichen. Inzwischen sollten sie Mut und Hoffnung zu bewahren suchen. Da es in der Nähe Kartoffelfelder gab, von denen einzelne schon leergerodet waren, während andre das von Sonne und Regen schwarze und aufgeweichte Kraut wie Schlamm bedeckte, zerstreuten sich die Hungrigen, um etwa noch Kartoffeln auszugraben. Einige von diesen kamen etwa um zehn Uhr mit der Meldung zurück, daß feindliche Truppenkörper in Sicht seien, worauf Garibaldi augenblicklich sein Heer zu ordnen begann. Er benutzte dabei die Vorteile, die der Boden, durch den ein Gebirgswasser in tief ausgehöhltem Bette abwärts schoß, und seine vielen hügeligen Erhebungen ihm boten, durchaus nicht, woraus den meisten Offizieren ersichtlich wurde, daß er an keine Schlachtentwicklung dachte. Die, welche ihm ferner standen, wagten keine Aeußerung zu tun, seine Freunde jedoch drängten sich erschreckt und entrüstet an ihn heran, um ihm 367 Vorstellungen zu machen. »Willst du uns den Judasknechten ausliefern?« fragte Nuvolari, indem er mit der Faust auf den Kopf seines Pferdes schlug. Garibaldi entgegnete: »Wolltet ihr mit euern Brüdern kämpfen?« und nahm ihnen durch die Unnahbarkeit seiner Miene den Mut zu weiteren Versuchen, ihn umzustimmen. Doch fuhren sie fort, unter sich zu brummen, und auch die Truppen, denen er im Vorbeireiten zurief, sie sollten nicht kämpfen, wurden unruhig. Unter ihnen waren die Mehrzahl Sizilianer, für deren Gefühl die erwarteten Gegner in Wahrheit Fremde und Feinde waren, Piemontesen, die ihnen ihre Herrschaft aufzwingen wollten, die ihnen an hingebender Vaterlandsliebe nachstanden und sich dennoch für die Besseren hielten, die sie in das wüste Gebirge gelockt hatten, um sie durch Hunger zu verderben, und an ihnen Rache zu nehmen war ihr heißestes Gelüsten. Daß sie anstatt dessen sich von denen sollten niederschießen lassen, die sie nicht gleicherweise als Brüder, Söhne des einen Italiens anerkannten und achteten, schien ihnen eine unerhörte, unfaßbare Zumutung zu sein. Auch die Offiziere, die Garibaldis Gedanken besser verstanden, fühlten sich doch, als er ihnen den Befehl erteilte, um jeden Preis den Kampf zu verhindern, in der Freudigkeit des Gehorsams erschüttert und unsicher, ob sie den Wirkungen eines Angriffs von seiten des Feindes auf ihre Truppen vorbeugen und die eigne Erregung bemeistern könnten.
Inzwischen rückten die königlichen Truppen, geführt von dem Obersten Pallavicini, näher und schickten sich an, die Garibaldiner einzuschließen, was aber bei der Ausdehnung der Strecke, die diese besetzten, und bei der Unebenheit des Bodens schwerlich zur Ausführung hätte kommen können, wenn Garibaldi es hätte verhindern wollen. Als die regulären Truppen sich den Garibaldinern, nämlich der Abteilung, welche 368 Menotti, Garibaldis Sohn, anführte, auf dreihundert Schritt genähert hatten, blieben sie stehen und gaben Feuer. Noch immer wiederholte Garibaldi, an den Reihen entlang reitend, den Befehl, nicht zu schießen; die Stimme, die sonst auch dem Schwächsten und Elendesten Kraft einflößte, daß sie sich, als wären sie Götter, des Sieges gewiß und vom Tode frei, in das Feuer stürzten, wollte jetzt das in Rache und Kampflust empörte Blut aufhalten. Wie ein Renner, der mitten im Galoppieren stehen soll, schaudert und sich bäumt, so zitterte das Heer zwischen dem Triebe, zu kämpfen und sich zu wehren, und dem andern, seinem Herrn zu gehorchen. Im allgemeinen siegte der Gehorsam, da aber in der vordersten Abteilung einige durch die feindlichen Schüsse getötet, andre nur verwundet fielen, wurden plötzlich dort, wie in einer unwillkürlichen Bewegung der Abwehr, mehrere Schüsse abgefeuert. Das Gefecht, das sich an dieser Stelle unaufhaltsam entspann, mochte etwa zehn Minuten gedauert haben, als Garibaldi, der, von mehreren seiner Adjutanten unterstützt, sich bemühte, den Seinigen Einhalt zu gebieten, ohne darauf zu achten, wie sehr er selbst sich dabei aussetzte, von einer Kugel am rechten Fuße getroffen wurde, so daß er nach einem vergeblichen Versuch, sich aufrecht zu halten, zusammensank. Sowie die Verwundung des Generals bemerkt wurde, hörte das Gefecht auf; alles übrige vergessend, drängte sich sein erschrockenes Gefolge um den Baum, unter den man ihn getragen und niedergelegt hatte. Nachdem Waffenstillstand vereinbart war, kamen auch die Offiziere der königlichen Armee näher, von denen einige vor zwei Jahren unter Garibaldis Befehl gestanden hatten, und sahen nicht ohne Grauen den Mann Italiens von italienischem Geschosse blutend liegen. Indessen, als dieser Augenblick verwunden war, gewährte es den meisten ein Hochgefühl, den 369 Rebellen, der für unüberwindlich galt, zum Gefangenen gemacht zu haben, und sie empfingen die Auszeichnungen, mit denen der König die Sieger von Aspromonte überhäufte, als etwas Verdientes mit Genugtuung. General Cialdini selbst überwachte die Einschiffung des Verwundeten an der Küste von Kalabrien, von wo er unter Bewachung nach Spezia gebracht wurde, um, wie es hieß, vor ein Kriegsgericht gestellt zu werden. Dies jedoch war wohl niemals des Königs ernstliche Absicht gewesen; jedenfalls zeigte die Regierung so viel Einsicht, es dazu nicht kommen zu lassen.
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Um den Felsen Caprera, wo Garibaldi an der ungeheilten Wunde krank in Schmerzen lag, wogte das Wintermeer und kreisten Sturmvögel, die Toten Italiens. Die Toten winkten und riefen: Garibaldi, sei unser! Deine Taten sind getan, sie leuchten ruhmvoll wie Gold und Blut. Du hast die Kronen der Menschheit getragen, der Liebe, des Sieges und der Schmerzen, tauche nun dein Haupt in den leichten Aether der Ewigkeit. Trinke mit uns aus der Schale des Raumes von den Fluten der Welt, in denen Sonnen und Sterne wie schäumende Perlen steigen, berausche dich, bis du vergissest! Versinke mit uns in die Nacht deiner Seele, bis ihre tiefsten Gräber sich öffnen und Weihrauch der Erinnerung aushauchen. O Adler, deine Flügel sind gebrochen; laß nicht die herrlichen, die dich wolkenhoch trugen, im Staube schleifen. Laß dich nicht von den Augen betasten, die, vom Lichte geblendet, dir in die Lüfte nicht folgen konnten. Zerreiße die Kette, die an deinem Fuße hängt, stoße die Erde zurück und ströme frei mit uns durch das strahlende All. Wir sind die ewig Siegenden, sei unser Führer. Wenn sie dein Schwert in Wolken blitzen sehen, werden die Menschen sich 370 niederwerfen und werden Feuer auf Altären hüten, dich anzubeten, Heros!
Aber das Leben, das den Ruf der Toten hörte, antwortete mit der Stimme des Meeres: Ich will euch meinen Löwen nicht lassen. Noch lasse ich Garibaldi nicht, meinen Geliebten! Ich habe ihn mit Rosen und Lorbeer bekränzt, ich ließ meine Meere um ihn rauschen und meine Feuer um ihn lodern, um mich an seiner Schönheit zu weiden. Ich habe mein Füllhorn über ihn ausgegossen, um seine Stirne glänzen und seine Lippen lächeln zu sehen. Ich schenkte und nahm ihm überschwenglich, um ihn elend und hoffnungslos die Hände ringen und wieder das Haupt erheben und überwinden zu sehen. Sollte ich die Frucht, die ich schwellen und golden erglühen ließ, an euch verlieren, weil sie euch reif dünkt? Ich will mich satt an meinem Löwen sehen, bis sein Blut zur Neige geht und seine Stimme verendet. Ich will sehen, wie Enttäuschung und Gram und Bitterkeit und Sorgen sich in seine Schönheit graben und sie zerreißen. Ich will ihn stöhnen hören in der Einsamkeit. Ich will ihn kämpfen sehen mit Krankheit, Alter und Schmerzen, ihn unterliegen und sich bäumen und königlich herrschen sehen. Ich will ihn ans Kreuz schlagen, um den Krampf in seinem Körper und das Sterben in seinem Antlitz zu sehen, und ihn herablassen, um die Spuren der Marter an seinem geliebten Leibe zu verfolgen. Alle meine Schwerter sollen ihn durchbohren, den alle meine Rosen bekränzten. Mein Baum, mein stolzer, ich ließ das Licht um deine Krone fluten, ich ließ Vögel und Wolken um deine Stirne spielen; nun will ich die Blätter von deinen Zweigen reißen, und Sturm und Regen an deinem morschen Stamme rütteln lassen, bis er zerbricht und dein Blut aus unheilbaren Wunden in die Erde rinnt. 371
Die Toten antworteten: Er ist unser! Der Duft der Unsterblichkeit durchdrang sein Fleisch und zog uns aus allgegenwärtigen Weiten an diese Küste.
Aber das Leben sagte mit der Stimme des Meeres: Sollte ich meine Harfe lassen, die mir am schönsten spielte, solange sie tönen kann? Ich spielte Siegesmärsche und Jubellieder auf ihr, nun will ich sie träumen und grollen und klagen und sich selber zerreißen hören. Fülle meine Seele mit Tönen, meine Harfe, gib mir deine letzten Akkorde, gib mir deinen letzten Schrei, wenn deine Melodien zu Ende sind. Ich lasse euch meinen Geliebten nicht. Ich will seine Seele pressen, bis ich alle ihre Wohlgerüche in meinem Busen fühle. Wenn die Zauber seiner Schönheit erloschen sind, will ich das Volk an seinem Atem sich berauschen sehen. Aus den Trümmern seines Leibes noch sollen mir Rosen wuchern.
Rund um die Insel hob sich das Meer brandend wie eine springende Mauer, bis die Geister sich verhüllten und dem Leben wichen.