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Vierter Akt

Côte 3018.

Gratscharte. Graugelber Nebel. Oberhalb der Scharte die Konturen der Hilfsstütze Nummer fünf, wie eine riesige Spinne. Neuschnee.

Moser, Reiter, Sliwinski, Simon ließen Oberle an einem Seile in den Abgrund, um den abgestürzten Schulz zu bergen.

Maurer auf einem Gratzacken; ruft durch Handtrichter: Huuu! – Huuu!

Xaver, Hannes lauschen auf Antwort.

Stille.

Hannes Nix.

Sturmstoß in der Ferne, der sich rasch nähert.

Xaver Horch, wie die Berg scheppern!

Hannes Des winselt, wie a kranke Katz.

Maurer Huuu!

Sliwinski Maurer! Des hat kan Sinn, des Schrein! Des Wetter plärrt besser! Des überplärrt jeds Signal!

Der Sturmstoß fegt vorüber. Maurer klettert vom Zacken herab.

Xaver leise: Wie so an Unglück passiert –

Maurer ebenso: Schnell! Der Reiter hat a Klammer braucht, und der Oberle sagt zum Schulz: hol ane her! und der arm Teufl springt dahin, ganz eifrig, und schreit glei, ganz entsetzli, und runter is er a scho über d'Wand. So vierzig Meter. Und bloß ausgrutscht –

Moser erregt, unterdrückt: Hörts! Stehts do net so rum! Der Oberle holt den scho rauf! Laufts um a Tragbahr und telefonierts um an Dokter! Zu!

Hannes Da werd nimmer viel zum doktern sein.

Moser Meinst?

Hannes Ja. Der is hin.

Moser Was is hin? Wer is hin?! Der is net hin, du Rindvieh! Der darf net hin sein!

Reiter Achtung, Moser!

Oberles Stimme aus dem Abgrund: Auf!

Moser, Reiter, Sliwinski, Simon, Xaver, Maurer ziehen das Seil empor.

Hannes will ihnen helfen.

Moser Weg! Tepp!

Simon zu Moser: Halts Maul!

Im Abgrund wimmert Schulz; schreit gellend auf; verstummt.

Reiter Achtung! Um Gotts Willn!

Sturmstoß.

Sliwinski Net auslassen! Zu!

Oberle, Schulz erscheinen am Seile über der Kante; Oberle stützt den bewußtlosen Schulz, der sofort aus den Schlingen befreit und unter einer überhängenden Felspartie gebettet wird.

Oberle löst den Seilknoten; verschnauft: Seids alle da?

Reiter untersucht Schulz: Habts ka Wasser?

Simon Hier!

Sliwinski Net so tief, an Kopf!

Reiter Des überlaß nur mir! I bin Samariter!

Oberle Den hats da drunt auf an Zackn ghaut, daß der Fels kracht hat.

Xaver A Gsicht voll Blut. Wie a roter Neger.

Schweigen.

Reiter erhebt sich langsam: Aus. Der werd nimmer. Dem is ja des ganz Geripp zersplittert.

Simon Ja, der ist runter.

Maurer gedämpft: Der Neuschnee halt, der Neuschnee! Und des Schuhzeug is a nix fürs Hochgebirg. Die Sohln wie Papier. Da liegt er.

Schweigen.

Sliwinski Als tat er bloß träumen.

Reiter Träumen, schlafn. – Das Best für den is gar nimmer aufwachn.

Xaver Das Best ists freili. Für an Jedn.

Simon Möchst denn du scho eingscharrt sein? Und verfauln?

Xaver Manchmal!

Simon I net. No lang net!

Sliwinski Manchmal ists a direkte Gnad, der Tod.

Schweigen.

Maurer Wo war denn der zhaus?

Oberle In Stettin.

Hannes Stettin?

Oberle Stettin liegt am Meer.

Hannes Da hätt er mehr als Matros –

Moser unterbricht ihn bestürzt: Ruhe!! Der hört ja! Schauts hi, wie der schaut!!

Alle schrecken zusammen, versteinern.

Schulz hatte die Augen aufgeschlagen und gehorcht; fixiert nun einen nach dem anderen; lächelt; schwach: – wer kennt Stettin? Und Warnemünde? – Hm – Also: Gnade: Sterben. Verfaulen. Hm – Muß man denn wirklich schon verfaulen? Ja? Nein, ihr irrt! Ihr irrt! Ich bin ja nur gestolpert – die Haut klein wenig abgeschürft, jedoch nichts gebrochen, verrenkt, alles intakt! Ich fühle mich sauwohl, tatsächlich: sauwohl – und dann will ich wieder arbeiten. Rasieren, frisieren. Nehmen Sie Platz, bitte – Ich rasiere, frisiere, ich rasiere, ich frisiere – ich, habe, gehört – hier würden, noch – Leute – eingestellt werden – Er stirbt.

Stille.

Alle entblößen ihr Haupt.

Hannes fällt langsam in die Knie; betet: Vater unser, der Du bist im Himmel, geheiliget werde Dein Name –

Moser unterbricht ihn: Verflucht! Ka Litanei, ka Rosenkranz! Der da drobn is taub für uns arme Leut!

In weiter Ferne Donnerrollen.

Ja, donnern, des kann der! Und blitzn und stürmen! Schreckn und vernichtn! – Was gedeiht, ghört net uns. Was ghört dem armen Mann? Wenn die Sonn scheint, der Staub, wenns regnet, der Dreck! Und allweil Schweiß und Blut!

Ein leiser Wind hebt an, der allmählich zum Sturme wird.

Ingenieur erscheint; atemlos; aufgeregt: Was ist hier los? Warum steht man so herum? Wer gab das Notsignal?

Maurer I.

Ingenieur Was ist denn geschehen?!

Oberle Still, Herr! Hier liegt a Toter.

Ingenieur Wieso? Wo? Wer?

Oberle Dort. Den Ihr gestern eingstellt habt, der Schulz.

Ingenieur Scheußlich!

Oberle Er is bloß gestolpert – über die Wand da. So vierzig Meter.

Schweigen.

Ingenieur Verdammt! Tja, da kann keiner dafür. – Wollen wir ihn ehren, indem wir geloben, ihm, der in Erfüllung seiner Pflicht fiel, nachzueifern: weiterzuarbeiten. – Ich muß unbedingt darauf bestehen, daß die Arbeit sofort wieder aufgenommen wird. Den Leichnam lassen wir bis zum Abend hier liegen und nun –

Moser unterbricht ihn: Na, der werd zuerst nuntergtragn und aufbahrt. Nacher werd weitergschafft. Eher net!

Ingenieur Hoppla! Hier hat nur einer zu befehlen und das bin ich! Pflicht kommt vor Gefühlsduselei!

Reiter Pflicht is, a Leich net liegn zu lassn, wie an verrecktn Hund.

Ingenieur Ich verbitte es mir, über Pflicht belehrt zu werden! Merken Sie sich das, Sie! Ich habe mir mein Ziel erkämpft und pflege meinem Willen Geltung zu verschaffen. Und seis mit schärfsten Mitteln!

Simon Bravo! Bravo!

Ingenieur Was soll das?!

Schweigen.

Es wird weitergearbeitet. Mit Hochdruck und sofort. Los!

Keiner reagiert.

Schweigen.

Hört: sollte das Wetter umschlagen und wir hätten die Vorarbeiten noch nicht beendet, – das Werk, der Bau, die Bahn ist gefährdet!

Moser Sonst nix! Werd scho schad sein um die Scheißbahn! Sehr schad! Wer werd denn damit amüsiert? Die Aufputztn, Hergrichtn, Hurn und Wucherer! Wer geht dran zu Grund?! Wir!

Simon Wir! Wir!

Ingenieur höhnisch, doch etwas unsicher: So?

Maurer Gfährdet ist bloß unser Leben!

Ingenieur Hier gibt es Hetzer?

Reiter Und Ghetzte!

Moser Und was is denn scho, wenns überhaupt kane Bahnen gibt?! Kamst um dei Seelenheil? Stürzet die Welt ein?!

Ingenieur Unreifes Zeug, dummes!

Reiter Wenn Sie, Herr, so a gscheits Genie san, so denkens halt mal an uns! Bauns ka Bergbahn! Bauns uns Häuser statt Barackn!

Ingenieur Hier wird nicht geredet, hier wird gearbeitet! Ohne Kritik!

Oberle Habt Ihrs net donnern ghört, zuvor?

Ingenieur Quatsch! Quatsch! Ich kenne das Wetter! Das hält!

Hannes lacht.

Oberle Herr, i bin a alter Arbeiter und die Verantwortung –

Ingenieur unterbricht ihn: Nur keine Anmaßung! Die Verantwortung trage ich. Nur ich!

Es donnert. Stille.

Hm. Jetzt dürfte sich manches geändert – Grinst nur grinst! Ja, jetzt könnt ihr den aufbahren. Alles aufbahren! Auch euch selbst! Er will absteigen.

Maurer Halt! An Augenblick! Darf man fragn, obs stimmt, daß wir ghetzt werdn? Und daß es ganz gleich is, ob wir runterfalln, wenn nur das Kabel herobn hängt, bevors Wetter umschlägt? Und daß wir, wanns umgschlagn hat, fortgtriebn werdn –

Ingenieur unterbricht ihn: Jetzt könnt ihr gehen.

Maurer Wohin?

Ingenieur Die Arbeit ist eingestellt. Alles ist eingestellt. Ihr seid entlassen.

Maurer Habts es ghört?! Habts es ghört?!

Reiter Des hättns uns scho früher sagn können!

Sliwinski Solln!

Simon Müssn!

Ingenieur braust auf: Ich bin nicht verpflichtet –

Reiter unterbricht ihn: Jetzt kriegst nirgends Arbeit! Jetzt nimmer!

Ingenieur Wer arbeiten will, der kann! Jetzt und immer!

Simon applaudiert.

Wird immer erregter. Hört! Ich habe alles verlassen, um mein Ziel zu erreichen! Ich habe in Baracken gehaust –

Moser Wir habn no nie anderswo ghaust!

Ingenieur – ich habe verzichtet, ich habe im Schatten geschuftet an dem Werk!

Sliwinski Im Schatten deiner Villa!

Ingenieur Ich habe keine Villa!

Simon Aber a Wohnung hast! Unds Fressn hast! Und an Mantl, wanns di friert! Ists wahr oder net?!

Ingenieur Ich werde mir erlauben eine Wohnung zu besitzen! Doch ich hätte auch hungernd und frierend an meinen Plänen gearbeitet – Er hält plötzlich verwirrt die Hand vor die Augen. Aber ich habe ohne den lieben Gott kalkuliert! Allerdings, ja, jetzt schlägt das Wetter um –

Maurer Also, weil Sie Herr sich verrechnet habn, drum stehn wir da, mittn im Winter! Ohne Dach, ohne Holz, ohne Brot!

Simon A jeder redt si aufs Wetter naus, aber kaner rechnet damit!

Hannes Die ganzn Plän san halt falsch.

Ingenieur Was?! Kritik? Kritik! Du Trottel! Ungebildetes Pack erlaubt sich –

Xaver unterbricht ihn: Ohne uns Pack, was war denn dei Werk?! Bloß a Plan! Papier! Papier!! Stille. Ingenieur geht langsam auf Xaver zu und hält dicht vor ihm; fixiert ihn; plötzlich schlägt er ihm vor die Brust, daß er zurücktaumelt. Stille.

Ingenieur verliert die Nerven: Jetzt könnt ihr gehen! Verschwindet! Marsch!

Oberle Wohin?

Ingenieur Was weiß ich?! Wohin ihr wollt! Wohin ihr könnt! Wohin ihr gehört! Zum Teufel!

Moser Halt! Komm mit!

Simon, Sliwinski Komm mit zum Teufl!

Moser Dort hockn alle armen Sünder hinterm Ofen – alle in aner warmen Stub. Komm mit zum Teufl! Mit uns! Komm mit, komm mit! Er schlägt ihn nieder. Sturm.

Reiter Schlag ihn nieder, den Satan!

Simon Schlag ihn tot!

Xaver Ganz tot!!

Hannes Tot! Tot! Tot! Es blitzt und donnert. Ingenieur stürzt zu Boden, springt jedoch sofort wieder empor: zerfetzt und blutend.

Sliwinski spuckt ihn an: Pfui Teufl! Alle, außer Oberle, wollen sich auf den Ingenieur stürzen.

Oberle reißt Moser zurück, der perplex ist über seine Kraft, und stellt sich schützend vor den Ingenieur: Zurück, Leut! Zurück!

Ingenieur zieht einen Revolver, stößt Oberle zur Seite: Weg! Weg! Ein Revolver langt für Halunken! Zurück! Und Hände hoch! Hoch! Oder –

Alle, außer Oberle, weichen und heben die Hände hoch. Revoltieren Zuchthäusler? Jetzt kommt das Gesetz.

Maurer Paragraph! Paragraph!

Sliwinski Kanonen, Kettn und Schafott! Nur zu!

Simon lacht: Das Gesetz!

Ingenieur Lach! Lach! Du erstickst daran!

Reiter Die Ordnung! Die Ordnung!!

Ingenieur Hände hoch! Auch Sie, werter Herr Oberle! Hoch, Kerl, oder ich funke dich nieder! Hoch!

Oberle folgt nicht; fixiert ihn: Wir san kane Zuchthäusler, Sie –

Ingenieur Kusch! Und die Hände hoch! Hoch, my boy!

Oberle Nie! Ehrlich schaffn diese Hand!

Ingenieur Zurück. Er schießt ihn nieder.

Oberle wirft lautlos die Hände hoch und bricht tot zusammen.

Es blitzt ohne zu donnern; der Wind zirpt; durch den graugelben Nebel bricht ein Sonnenstrahl und fällt fahl auf die Gruppe; alles verstummt; in weiter Ferne erklingen drei Harfenakkorde; Stille; dann ein gewaltiger Donnerschlag; Verfinsterung; der Sturm winselt und heult.

Moser Der Satan! Der Satan!

Alle Der Satan!!

Moser röchelt und will sich auf den Ingenieur stürzen. Ingenieur schießt toll.

Moser wankt und bricht knapp vor ihm in die Knie. Die übrigen fliehen und suchen Deckung; finden keine; kleben an einer Wand mit hocherhobenen Händen. Ingenieur schießt trotzdem.

Xaver Mörder!

Sliwinski Danebn! Danebn!

Simon Bravo! Bravo!

Maurer Wir san doch kane Scheibn! Danebn!

Hannes läuft irr vor Angst dem Ingenieur entgegen: Es lebe der Schütznkenig! Er lebe hoch! Hoch! Hoch!

Ingenieur will schießen.

Moser Danebn!

Er schnellt sich mit letzter Kraft empor und schlägt dem Ingenieur den Revolver aus der Hand; stürzt wieder.

Ingenieur entsetzt; will fliehen, doch Moser klammert sich fest an seinem Bein.

Orkan.

Die übrigen nähern sich drohend.

Ingenieur tritt und schlägt winselnd auf Moser ein; reißt sich los und retiriert sprunghaft, den Abgrund im Rücken: Die Kreatur! Er lacht höhnisch-irr hellauf; tritt ins Leere; krallt in die Luft, brüllt verzweifelt und stürzt kopfüber hinab.

Finsternis.

 

Côte 2735.

In der Arbeiterbaracke Nummer vier der Bergbahn A. G. Draußen die Landschaft im gelben Licht.

Aufsichtsrat sitzt am rechten Ende des langen Holztisches und ißt Koteletts, Kartoffeln und Salat; Teller, Schüssel, Messer und Gabel auf weißer Serviette; Thermosflaschen in verschiedenen Größen stehen vor ihm, aus denen er ab und zu trinkt.

Veronika sitzt am linken Ende des Tisches und sieht ihm zu.

Aufsichtsrat sieht auf seine goldene Uhr: Zwanzig nach drei.

Veronika Schmeckts?

Aufsichtsrat Sie sollten mal im Adlon essen –

Veronika Wo?

Aufsichtsrat Im Adlon. Im Hotel Adlon!

Stille.

Mit vollem Munde. Zum Donnerwetter, was glotzen Sie denn so?! Haben Sie noch nie jemanden essen sehen?! So ein Geglotze! Ist ja widerlich!

Veronika tritt scheu an den Herd und hantiert.

Sturmstoß.

Lauscht; sieht wieder auf die Uhr. Siebenundzwanzig nach drei. Wo der Kerl nur bleibt –

Verfinsterung.

Veronika Schnee! Schnee!!

Aufsichtsrat Was?

Veronika Es schneit, es schneit! Und d'Leut drobn! Jetzt schlagts Wetter um!

Aufsichtsrat schnellt empor: Was?!

Veronika So schauns do naus! Wies stürmt, wies schneit, wie d'Höll herwaht! Und d'Leut drobn, d'Leut! Es werd do nix gschehn!

Aufsichtsrat Was soll denn schon geschehen?! Wie?

Veronika Es san scho paar runter –

Aufsichtsrat wird immer nervöser: Wo runter? Was runter? Wohin runter?! So machen Sie doch Ihr Maul auf, gefälligst, ja!

Veronika Schreins nit so mit mir!

Aufsichtsrat brüllt: Was erlauben Sie sich für einen Ton?! Freches Frauenzimmer! – Nichts ist geschehen. Es darf nichts geschehen! Basta!

Orkan.

Simon, Reiter, Hannes treten erschöpft, zerfetzt ein; setzen sich stumm auf die Bank um den Tisch und stieren übermüdet vor sich hin.

Stille.

Hannes beugt sich langsam über den Tisch, vergräbt den Kopf in den Händen und schluchzt.

Veronika leise: Wo is der Moser?

Reiter ebenso: Der Moser? Und der Oberle, und der Schulz, und –

Veronika schreit gellend auf.

Aufsichtsrat Wo ist der Ingenieur?

Simon, Reiter, Hannes starren ihn an.

Simon Wer is denn des?

Reiter Der Direkter.

Hannes Was für a Direkter?

Simon Der Zirkusdirekter.

Aufsichtsrat Wo ist der Ingenieur?

Veronika Wo is der Moser?

Aufsichtsrat Was schert mich der Moser?!

Veronika Der Hals, der Hals! Schauts nur den Hals an! Wie des rausquirlt, der Speck – da sollt man mit an Brotmesser dran, mit an scharfn Brotmesser –

Aufsichtsrat Ist die Person verrückt geworden! Was ist denn los?! Was ist denn geschehen?!

Veronika lacht verzweifelt: Es darf ja nix gschehn! Es darf nix gschehn! Sie setzt sich in eine Ecke und weint.

Aufsichtsrat Wo ist der Ingenieur?!

Stille.

Reiter Der Ingenieur, der is nunter.

Aufsichtsrat Ins Tal?

Simon In d'Höll!

Hannes Kopfüber is er nunter, kopfüber!

Simon Über d'Wand! Vierhundert Meter! Oder tausend!

Reiter Ins Leere is er gtretn, ins Nix.

Stille.

Hannes erhebt sich schwerfällig, tritt an das Matratzenlager, setzt sich und zieht sich die Stiefel aus; fixiert plötzlich den Aufsichtsrat: – und wissens, Sie Herr Direkter – bevor der zur Höll gfahrn is, da hat er vorher no auf Scheibn gschossn. Er war a braver Schütz! A jedsmal hat er ins Schwarze gtroffn, a jedsmal! Akkurat! Der Schütznkenig. Er legt sich nieder.

Aufsichtsrat Ich fordere Aufklärung.

Simon Niedergschossn hat er uns, niedergschossn.

Aufsichtsrat Quatsch! Ihr hockt doch da! Simon Wir hockn da! Aber wir liegn a drobn, im Schnee! Derschossn, derfrorn, verblut und verreckt!!

Veronika leise: Kimmt denn kaner mehr zruck?

Stille.

Reiter Der Maurer und der Dings, und – die kommen scho no. Aber an Moser werdns lassn müssn. Der war ja scho drobn verblut – Den runterbringn wolln, des is bloß a Quälerei.

Veronika Des is glogn!

Reiter Halts Maul!

Veronika Der lebt!

Reiter Jetzt nimmer! Jetzt nimmer!

Aufsichtsrat Der Tatbestand muß klargestellt werden.

Reiter Der is scho klargstellt.

Aufsichtsrat höhnisch: Ohne Justiz? Ohne Gendarmerie?

Veronika nähert sich Simon: Du, – is des wahr, daß er tot is –?

Simon Ja.

Veronika unterdrückt: Simon, was werd jetzt no alls kommen?!

Simon Zuerst: die Gendarmerie.

Veronika Horch, der Sturm! – Simon, i kann an Moser nimmer sehn, i möcht fort, i kann kane Leich net sehn! I hab so Angst, Simon –

Simon I hab ka Angst.

Veronika Simon, laß mi nur nit allein – i kann jetzt nit allein nunter –

Aufsichtsrat zündet sich nervös eine Zigarre an. Alle glotzen ihn an. Aufsichtsrat unsicher; kaut an der Zigarre.

Simon grinst: Nur kane Angst!

Aufsichtsrat kreischt: Ich habe keine Angst, Sie!

Hannes lacht ihn aus.

 

Schneesturm. Man sieht kaum fünf Schritte weit. Unterhalb eines Grates.

 

Maurer, Sliwinski, Xaver steigen ab und stützen den verwundeten Moser.

Moser Halt! I kann nimmer –

Sliwinski No hundert Meter!

Moser Kan Schritt mehr.

Maurer Zu! Wir san bald drunt!

Moser Was soll i denn drunt mit an lahmen Knie? Betteln?! – Laßt mi! Wißt, man is halt bloß a Vieh –

Sliwinski Bist verruckt?! Zu!

Blitz und Donner.

Moser Holla! Jetzt sprengt der liebe Gott. Da fliegn Staner, schwarer als Stern – Er reißt sich los. Rettet euch! Lauft! Lauft! Laßt den Moser liegn! Der kann nimmer, der mag nimmer, der is verreckt!

Maurer Und wenn wir alle verreckn! Komm!

Moser Na, ihr dürft net verreckn! Ihr müßt nunter und scharf aufpassn, daß ka Tropfn Blut vergessn werd – verstehst? – Vergeßt uns net. Und der Vroni, der sagts an schön Gruß und es hat halt nicht sollen sein – Vergeßt uns net. Den alten Oberle Ludwig, den Schulz, und den Moser Karl aus Breitenbach – Geht! Flieht! Flieht und vergeßt uns net! Zu!

Xaver I kann di net lassn –

Moser Du mußt! Sonst verwaht uns alle der Sturm, wie a Spur im Schnee.

Er bricht nieder.

Maurer, Sliwinski, Xaver verschlingt der Sturm.

Moser allein; kauert.

Der Sturm läßt auf Augenblicke nach; Schnee fällt in großen Flocken. Leise. Wie des schneit, wie des schneit – still und weiß. – Wie des blut, wie des blut – rot und warm – Leb wohl, Kamerad – leb wohl – Er nickt ein; in der Ferne heult der Sturm: Kreatur! Kreatur! – Er schreckt zusammen. Nur net einschlafn, nur net einschlafn! Er lauscht. Ho! Jetzt kommen die Paragraphen! Mit Musik! Horch! – Links, rechts, links, rechts! Das Gewehr über! Das Gesetz! Das Gesetz! – Links, rechts, links, rechts, links, rechts, links, rechts – Es klingt wie Trommeln, marschierendes Militär und Gewehrgriffe.

Stille.

Die Ordnung!

Sturmstoß.

Ho! Ho, wohin soll i mi denn stelln?! Wohin? Er reckt sich empor. Schießt! Schießt! Los! Legt an! Feuer!!

Trommelwirbel.


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