Ludvig Holberg
Die Wochenstube
Ludvig Holberg

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Dritter Akt.

Erste Scene.

Eine vornehme Dame. Die Wöchnerin. Die vornehme Dame in einer Portechaise, der Bediente in zerrissener Livree.

Dame. Guten Tag, kleine Madame, ich wünsche Glück. Wer ist zuletzt hier gewesen?

Die Wöchnerin. Hier waren viele recht anständige Bürgerfrauen.

Dame. Es riecht auch so verflucht bürgerlich; lass' Sie ein wenig räuchern. Ich bin durchaus nicht hochmüthig, Madame, das soll mir niemand nachsagen: denn wenn ich es wäre, so hätte ich Ihrem geringen Hause die Ehre nicht angethan, hierher zu kommen. Darum rühmen mich aber auch die Leute und sagen: Gott segne die wohlgeborne Frau, mit der ist das ein Umgang, nicht anders, als wäre sie eine schlichte Bürgersfrau! Aber man muß sich auch nicht gemein machen, das erzeugt. wie ich bemerkt habe, nicht selten Verachtung.

Die Wöchnerin. Nein, gewiß, es wäre Sünde, der wohlgebornen Frau etwas Anderes nachzusagen. Ich hab' es wol gehört, Sie kommt zu bürgerlichen Leuten, so wie sie Ihr nur etwas vorzusetzen haben, ja Sie speist mit ihnen, als wäre Sie an Ihrem eigenen wohlgeborenen Tisch.

Dame. Ja, warum sollt' ich auch nicht, Madame? Denn wenn ich es recht überdenke, so sind die Bürgersleute ja doch auch Christenmenschen und können, wenn sie ein gottgefälliges Leben führen, so gut in den Himmel kommen wie wir. 299

Die Wöchnerin. Aber, wohlgeborne Frau, sollte nicht im ewigen Leben so ein gewisser Unterschied zwischen Personen von Rang und bloßen Bürgerlichen doch stattfinden?

Dame. Nein, kein großer, Madame, unter uns gesagt. Aber Sie hat nicht nöthig, sich vor Andern was davon merken zu lassen, ein gemeiner Handwerker könnte darüber hochmüthig werden. Darum, Madame, tractire ich auch den Schlag Leute mit der Verachtung, die ich meinem hohen Stande gemäß gegen sie hegen darf und kann. Denkt nur, Madame, wie herablassend ich neulich war; ich habe, ma foi, ohne mich selbst zu rühmen, zehn Thaler von meinem Schneider geborgt.

Die Wöchnerin. Das war ja ein unverschämter Schneider, daß er sich unterstand, einer solchen wohlgebornen Frau Geld zu leihen. Der dumme Teufel hätte ja doch merken können, daß die gnädige Frau es nur gethan, um ihn auf die Probe zu stellen.

Dame. Anfangs weigerte er sich auch und krümmte sich, gleich als wollt' er sagen: Dazu bin ich zu gering. Als er aber sah, daß es mein Ernst, so bequemte er sich und gab mir die zehn Thaler mit einem tiefen Seufzer, gleich als wollt' er sagen: Ach, wenn doch alles so herablassend wäre wie diese wohlgeborne Frau! Ich bin gewiß, der arme Mann rühmt mich, wohin er kommt, bis über die Wolken; denn jede thut das nicht, was ich gethan habe. Ist das nicht richtig, Madame?

Die Wöchnerin. Ja, darin hat die wohlgeborne Frau ganz Recht.

Dame. Aber, was hat es auch zu sagen, Madame, zuletzt sind wir ja doch alle Menschen, auch würd' ich mich, meiner Treu', nicht schämen, Ihr dieselbe Ehre anzuthun. Madame, will Sie so gut sein und mir zehn Thaler geben? Ich werde sie Ihr sofort in Gold zurückschicken.

Die Wöchnerin. Ach, die wohlgeborne Frau beliebt nur mit der geringsten ihrer Dienerinnen zu scherzen; ich bin zwar sehr einfältig, aber so wie der Schneider doch nicht.

Dame. Aber es ist meiner Treu' mein voller Ernst, Madame.

Die Wöchnerin. Ei, wohlgeborne Frau, ich würde ja in 300 Verruf kommen als eine ganz unverschämte Person, wollt' ich so naseweis sein. Nein, mein Geld ist zu gering dazu.

Dame. Die Wahrheit zu sagen, Madame, ich habe den Schlüssel zu meinem Geldschrank verlegt und wollte gern in der Eile zehn Thaler zum Trinkgeld für einen Bedienten haben, der mit einem Geschenk von einem Cavalier unterwegs ist.

Die Wöchnerin. Nein, ich thu' das meiner Treu' nicht; ja, wenn die ganze Bürgerschaft so unverschämt wäre, Euer Wohlgeboren Geld zu leihen, so würd' ich es doch nicht thun, dazu hab' ich viel zu großen Respect vor Ihr.

Dame. Je nun, so ist das Ihre eigene Schuld, Madame. Aber was habt Ihr da auf dem Teller?

Die Wöchnerin. Das sind einige gemeine Kuchen.

Dame. Muß sie doch einmal kosten – ei, die schmecken doch nicht so schlecht, wie ich dachte. Wenn Sie erlaubt, will ich doch meiner Treu' ein paar mit nach Hause nehmen. Christopher!

Christopher (in einer zerrissenen Livree). Wohlgeborne Frau!

Dame. Trag' doch mal diese beiden Kuchen nach Hause. (Zur Wöchnerin) Adieu, Madame, lebt wohl und rechnet jederzeit auf meine Gewogenheit.

Die Wöchnerin. Ich danke der gnädigen Frau für die große Gnade, die Sie mir erwiesen.

(Die vornehme Dame geht ab.)

Zweite Scene.

Anne die Wahrsagerin. Die Wöchnerin.

Anne. Nun, Madame, wie geht's mit der Gesundheit?

Die Wöchnerin. Ganz gut, Anne. Nur kann ich des Nachts nicht schlafen, und so wie ich einschlafe, so krieg' ich gleich die schrecklichsten Träume. Woher kommt das wol, Anne?

Anne. Brennt Madame des Nachts Wachslicht oder Talglicht?

Die Wöchnerin. Ich brenne Wachslicht. 301

Anne. Na, da haben wir's. Was denkt Ihr denn, daß Träume anders sind als Geister, die Einem im Schlafe erscheinen? Das Einzige, womit man solche bösen Geister vertreiben kann, ist mit dem Qualm von Talglichtern; den Wachslichtern dagegen laufen sie nach. Woher denkt Ihr denn wol, daß das kommt, daß es in den Kirchen so viel mehr spukt als anderwärts, als von den Wachslichtern, die da gebrannt werden? Ich mache mich verbindlich, eine ganze Million herumschwebender Geister mit einem Dreierlicht zu vertreiben, nämlich, wenn es blos solche Geister sind, die in der Luft fliegen. Sind es aber Erdgeister, die Euch die Unruhen machen, so müßt Ihr nur Leinsamen vors Bett streuen, da kriegen sie gleich Beine und laufen davon.

Die Wöchnerin. Ach, gute Anne, plag' mich doch nicht mit solchem Geschwätz, davon kann ja ein gesunder Mensch krank werden. Solche bösen Träume kommen ja von nichts Anderem als vom Blut; so wie ich mich wohl befinde, schlafe ich auch ruhig. Warum sollten also diese Geister die Leute mehr plagen, wenn sie krank als wenn sie gesund sind?

Anne. Das Warum weiß ich freilich nicht, Madame, aber daß es geschieht, das sieht man doch. Kommt es übrigens vom Blut, so wollen wir schon auf andere Mittel denken; da giebt es nichts Besseres, als Ihr laßt Euch streichen, ich werde gleich wieder hier sein. (Ab.)

Die Wöchnerin. Ach wär' ich doch nur die Hexe los! Aber ihren Willen muß sie haben, sie geht aus und ein in großen Häusern und bringt die ehrlichsten Leute in Mißcredit, wenn sie ihr nicht flattiren wollen. Ich muß mich also schon darein ergeben, in dies und alles Andere, was das Wochenbett mit sich führt. Ach, ach, wenn ich es nur aushalten kann!

Anne (zurückkommend). Entschuldigt nur, ich bin so lange geblieben . . . .

Die Wöchnerin. Hat nichts zu sagen, Anne. (Leise für sich) Mir wär's recht und wenn du nie wieder gekommen wärst. (Laut) Alle Tausend, da ist Meister Bonifacius, nun geht der Zank 302 los. Macht rasch, Anne, lauft hinter den Schirm!

(Anne läuft und verbirgt sich hinter den Schirm.)

Dritte Scene.

Bonifacius. Die Wöchnerin.

Bonifacius. Serviteur, Madame, wie steht es mit der Gesundheit?

Die Wöchnerin. Es macht sich, Meister Bonifacius.

Bonifacius. Sie muß Ader lassen, Madame.

Die Wöchnerin. Der Doctor sagt nein, er hat mir blos ein paar Tropfen gegeben, die ich brauchen soll; in der Flasche da stehen sie.

Bonifacius. Ei, potz Schlapperment, die Tropfen sind ein wahres Gift für Sie! Hat Sie nicht schrecklich danach geschwitzt?

Die Wöchnerin. Ja, vor ein paar Stunden hab' ich stark geschwitzt, als Else David, die Schulmeisterin, hier war. Aber ich weiß nicht, ob das von den Tropfen kam, oder von der hochtrabenden Gratulation, die sie mir abstattete.

Bonifacius. Das war von den Tropfen, Madame. Gott verzeih' dem Doctor die Sünde, so zu handeln an einem armen Patienten. Braucht Ihr diese Tropfen nur eine Woche, so sollt Ihr einmal sehen, ob Ihr nicht die allerschönste Gelbsucht am Halse habt, die sich Einer wünschen kann; braucht Ihr sie aber noch eine Woche, so könnt Ihr die Schwindsucht kriegen oder eine Hypokrisie, Epilepsie, Anomalie, Paralysie und noch verschiedenes Andere, was noch schlimmer ist. Denn da ist Antimonium drin, da ist Arsenicum drin! Ist das nicht unverschämt, für eine arme Wöchnerin ein Recept zu präpariren von Sulphure indigesta und Sale haluminosa und Mercurio, absonderlich in diesem Jahre, wo Saturnus nicht regiert?! 303

Vierte Scene.

Zwei Frauen. Meister Bonifacius. Die Wöchnerin. Eine Mamsell.

Erste Frau. Dienerin, Madame, und Glück zur jungen Tochter!

Zweite Frau. Ebenfalls.

Die Wöchnerin. Seid so gut und nehmt Platz, Ihr guten Madamen. Aber, Meister Bonifacius, wär' es wol gut, sich um die Zeit zu Ader zu lassen?

Bonifacius. Ei ja. Zwar geschieht es besser bei klarem Wetter als bei trübem Wetter, besser bei zunehmendem Monde als bei abnehmendem; doch hat dies nicht viel zu sagen, wenn man sich nur übrigens vor den unglücklichen Tagen in Acht nimmt.

Die Wöchnerin. Aber was heißt das, Meister Bonifacius, glückliche und unglückliche Tage?

Bonifacius. Das ist zu sagen, Madame: wer sich am vierzehnten oder funfzehnten Martii verlobt oder verheirathet, kommt in Armuth und Elend; am zehnten oder achtzehnten April muß man aus einem Hause ins andere nicht ziehen; am siebenten oder achten Maji muß man nicht reisen; am siebzehnten Junii nicht handeln; am achtzehnten Julii keinen Proceß anfangen.

Erste Frau. Meister Bonifacius, Er kann den Leuten gewiß auch in den Händen lesen?

Bonifacius. Ach freilich, das heißt man Negromantia.

Erste Frau. Ach, sei Er doch so gut und seh' Er einmal in meine Hand.

Bonifacius. Ganz gern – ich sehe, Madame, daß Sie noch sechs Kinder kriegt.

Erste Frau. Ei, Possen, mein Mann ist ja schon achtundsechzig Jahre alt.

Bonifacius. Das will nichts sagen, die Striche in der Hand können nicht lügen. Ihr kriegt sechs Kinder, das steht fest: aber von wem Ihr sie kriegt, das kann ich nicht sehen.

Erste Frau. Pfui doch, meint Ihr, ich bin ein liederliches 304 Mensch, daß ich mit jemand anders sollte Kinder kriegen, als mit meinem Mann? Um meinem Manne untreu zu werden, dazu bin ich zu gut erzogen.

Bonifacius. Will Sie Flatterien hören, Madame, so muß Sie sich von Andern aus der Hand lesen lassen, aber nicht von mir.

Erste Frau. Nun, seh' Er auch einmal in der Mamsell ihre Hand.

Das Mädchen. Nein, meiner Treu', ich will nicht, daß mir Einer aus der Hand liest.

Erste Frau. Ja, ganz gewiß sollst Du Dir so gut aus der Hand lesen lassen wie ich; was sind das für Possen?

Bonifacius. Das ist eine einigermaßen schwierige Hand.; wie viel Kinder sie kriegt, kann ich nicht sehen. Zeigt noch einmal her – nein: aber ich sehe, daß Sie bereits ein Kind gekriegt hat.

Das Mädchen. Das ist eine nichtswürdige Lüge, ich bin noch Jungfer.

(Die Uebrigen halten sich vor Scham das Schnupftuch vors Gesicht.)

Bonifacius. Das thut mir leid, meiner Seel', daß ich nicht gewußt habe, daß Sie unverheirathet, sonst würd' ich nichts davon gesagt haben. Laßt mich noch einmal sehen, Jungfer, vielleicht hab' ich das erste Mal falsch gesehen.

Das Mädchen. Den Teufel mögt Ihr sehen, Ihr könntet mir wol gar noch mehr Kinder auflügen, als das eine, das ich gehabt habe. Wer mir anders nachsagt, als daß ich eine Jungfer bin, der ist ein Lügner und Schelm.

(Die Uebrigen fangen an zu kichern; das Mädchen weint.)

Bonifacius. Meine theuerste Jungfer, seid nicht böse auf mich; ich wußte meiner Seel' nicht anders, als Sie wäre Madame. Aber –

Das Mädchen. Ein Lügner und ein Betrüger bist Du! – Ich will den guten Madamen sagen, wo sich das herschreibt. Ich diente auf einem Edelhof mit einer andern Mamsell, die mit dem Schulmeister zu bekannt wurde; die Sache kam vors Consistorium, sie drang auf Verheirathung, er suchte Ausflüchte, und durch verschiedene Advocatenstreiche wurde die Sache so 305 verquackelt, daß er von der Verheirathung losgesprochen wurde, und ich mußte mich mit zweihundert Thalern begnügen.

(Die Uebrigen lachen, das Mädchen geht mit der zweiten Frau fort und droht dem Barbier.)

Die Wöchnerin. Das war eine verwünschte Geschichte. Aber sie verrieth sich selbst; zehn Thaler wollt' ich geben, wäre das nicht in meinem Hause passirt.

Bonifacius. Ich wußte wirklich nicht anders, als sie wäre verheirathet, sonst würde ich sie gerne geschont haben.

Die Wöchnerin. Ich hätte für das Mädchen schwören wollen, so ehrbar sah sie aus. Aber da kommt der Doctor – alle Welt, hinter den Schirm, Meister Bonifacius!

(Er läuft hinter den Schirm.)

Fünfte Scene.

Die Wöchnerin. Ein Doctor.

Die Wöchnerin. Ach – da hab' ich nicht dran gedacht, daß Anne die Wahrsagerin schon vorher hinter dem Schirme war; na, das wird eine Teufelswirthschaft zwischen denen geben. – Dienerin, Herr Doctor!

Doctor. Ihr gehorsamster Diener, Madame! Wie steht es mit der Gesundheit? Hat Sie Beneficium ventris?

Die Wöchnerin. Nein, Herr Doctor, der ist lange nicht dagewesen.

Doctor. Ei, Madame, das thut nicht gut, das muß sich wenigstens zweimal des Tags einfinden.

Die Wöchnerin. Aber wie geht das zu? Früher hat es der Doctor doch öfters nicht haben wollen.

Doctor. Ich?! Das hab' ich nie gethan, Madame, es giebt nichts in der Welt, was ich angelegentlicher empfehle.

Die Wöchnerin. Aber neulich drohtet Ihr doch erst, Ihr wolltet Meister Bonifacius vor die medicinische Facultät citiren, und nun rathet Ihr mir, ihn zweimaltäglich zu brauchen?

Doctor. Ha ha ha, Sie hat mich falsch verstanden; ich 306 sagte ja nicht Bonifacium, sondern Beneficium, das heißt: Hat Sie offenen Leib?

Die Wöchnerin. Das ist freilich was Anderes. Aber darum ist es doch wol das Sicherste, mit Frauenzimmern dänisch zu sprechen. Im Uebrigen, um die Frage nicht unbeantwortet zu lassen, so kann ich mich in dem Punkt nicht beklagen.

Doctor. Wovon findet die Madame sich am meisten incommodirt?

Die Wöchnerin. Ich habe solche Unruhe in den Gliedern.

Doctor. Was eßt Ihr denn, Madame? Worin besteht Ihre Diät?

Die Wöchnerin. Morgens trink' ich ein bischen Thee.

Doctor. Grünen Thee oder Thee de Bon?

Die Wöchnerin. Grünen Thee.

Doctor. Taugt nichts, Madame, der obstruirt.

Die Wöchnerin. Nein, ich versprach mich, was ich trinke, ist Thee de Bon.

Doctor. Taugt nichts, Madame, der löst zu sehr und erschlafft den Magen.

Die Wöchnerin. Ich trinke auch nicht alle Morgen Thee, die meisten Morgen trinke ich eine gute Hafersuppe.

Doctor. Taugt nichts, Madame, die giebt Schleim im Magen. Aber was ißt Sie denn Mittags?

Die Wöchnerin. Eine gute Fleischsuppe.

Doctor. Taugt nichts, Madame, für kranke Leute; Fleisch ist zu hitzig und nährt die Krankheit.

Die Wöchnerin. Ei nun, Herr Doctor, etwas muß ich doch zuletzt essen, ich kann doch nicht immerzu Mehlbrei essen, Mittags und Abends?

Doctor. Mehlbrei?! Es giebt nichts Schädlicheres! Mehlbrei ist ja nichts Anderes als rohes Brod, man kann ja kleistern mit Mehlbrei.

Die Wöchnerin. Soll ich da lieber Gerstengrütze essen?

Doctor. Taugt auch nichts, weil man die Gerstengrütze nie gut gekocht kriegt; wenn die passiren sollte, müßte sie gerade drei Stunden fünf und eine Achtel Minute auf dem 307 Feuer stehen, und zwar müßte das Feuer immer ganz gleich sein.

Die Wöchnerin. Aber welcher Mensch kann das so abpassen?

Doctor. Das ist wol wahr, Madame; aber darum ist es auch das Beste, sich mit dieser Speise gar nicht einzulassen. Ich will Ihr ein Verzeichniß der Speisen und Getränke geben, deren Sie sich enthalten muß. Nämlich Milch, Wein oder Bier ist Gift für Sie; ferner außer den Speisen, von denen ich schon gesprochen habe, muß Sie sich enthalten von aller Art Fisch, item von allen blähenden Speisen, als da sind Speck, Erbsen, Kohl, Zwiebeln, item alles, was salzig oder sauer ist. Brod ist ein unschuldiges Essen, das den Körper stärkt, ohne die Krankheit zu mehren; aber Weißbrod müßt Ihr nicht essen, das verstopft.

Die Wöchnerin. Soll ich denn Schwarzbrod essen?

Doctor. Beileibe nicht, das wird Sauerteig im Magen.

Die Wöchnerin. Aber potz Schlag, Herr Doctor, auf diese Art krieg' ich ja weder zu essen, noch zu trinken?!

Doctor. Zu wünschen wär' es allerdings, daß man sich, so lange man Patient ist, davon enthalten könnte. Denn wie alle Krankheiten durch Essen und Trinken entstehen, so werden sie auch dadurch erhalten. Ich hatte einmal einen Patienten, das war ein Kerl, der konnte sich halten! Aber wo findet man mehr, die so ihrer selbst Meister sind?! Der nahm in einem Fieber sechs Tage lang nicht das Mindeste zu sich, weder Nasses, noch Trocknes.

Die Wöchnerin. Na, dann wird er auch wol gestorben sein, hoff' ich.

Doctor. Ja, was denn sonst? Aber das Fieber war er unterdessen vollständig los geworden, und darum handelte es sich ja auch nur, das zu vertreiben. Febris, Madame, war hier materia substrata; hic Rhodus, hieß es, hic salta. Uebrigens braucht Sie nicht bange zu sein, mit Ihrer Krankheit soll das nicht lange dauern: ich habe eine Tinctur, so ein Arcanum ist. Freilich ist es richtig, daß die Meisten daran sterben, aber sofern sie nicht 308 daran gestorben wären, hätte es nie was Köstlicheres in der Welt gegeben.

Die Wöchnerin. Laßt uns von etwas Anderem sprechen, Herr Doctor. Ich habe Nachts solche erschreckliche Träume, wie geht das wol zu, Herr Doctor?

Doctor. Träume, Madame, die sind unterschiedlicher Gattung, da giebt es somnia divina, diabolica und naturalia, oder wie Hippokrates meint, auch blos somnia divina et naturalia... Aber was ist das für ein Lärm da hinter dem Schirm, das hört sich ja an, als ob sich da welche zanken?

Die Wöchnerin. Ach, das ist die Amme, die wird jedesmal verrückt im Kopf, wenn sie Latein oder Griechisch hört.

Doctor. Weiter nichts? Ja so, ich wollte der Madame ja weiter von wegen den Träumen berichten. St. Gregorius theilt die Träume ein in solche, welche kommen e repletione, ex inanitione excrementorum et illusione, e cogitatione et illusione simul – Aber das ist ja ein verfluchter Lärm, das kann ja doch nicht die Amme allein sein?

Die Wöchnerin. Ja doch, Herr Doctor, neulich, wie David Schulmeister hier war, machte sie es just ebenso.

Doctor. So will ich den Rest in gutem reinen Dänisch erzählen. Die angeführten Eintheilungen sind nicht so übel: aber das Beste dünkt mich doch, die gesammten Träume in sechs Gattungen einzutheilen. Die erste Gattung ist die, welche vor künftigen Dingen warnt; die zweite Gattung enthält diejenigen, welche unseren inneren Sinnen in gewissen Dingen vorgestellt werden, und man nennt sie Erscheinungen . . . Aber was Teufel ist das für ein Geräusch hinter dem Schirm? Die Amme muß ja verrückt im Kopfe sein; wie heißt sie denn, Madame?

Die Wöchnerin. Sie heißt Sire.

Doctor. Höre, Sire, gieb Dich nur zur Ruh', ich spreche ja kein Wort Latein mehr.

Die Wöchnerin. Der Herr Doctor muß nur nicht drauf achten, sie kommt schon wieder zu sich.

Doctor. Die dritte Gattung sind Offenbarungen, so der Himmel uns im Schlafe bescheert, und die bei den Griechen 309 Phasma heißen, Horama oder Chromatismos.... Aber das kann unmöglich die Amme allein sein, Madame, ich höre ja zwei Stimmen?!

Die Wöchnerin. Ja, sie ist's doch, meiner Seel', sie hat es los, zwei Stimmen auf einmal zu machen.

Doctor. Sire, was ist Dir denn?! – Sieh, nun wird sie ruhig. Aber wo blieben wir stehen, Madame?

Die Wöchnerin. Das mag unser Herrgott wissen, ich wenigstens verstehe nur sehr wenig davon.

Doctor. Ja, nun erinnere ich mich, das war beim Phasma.

Die Wöchnerin. Wie dem Herrn Doctor gefällig ist, mir ist's einerlei.

Doctor. Enypnia sind solche Träume, wie sie bei Ihr allein statthaben; ich nenne das die ordinären Träume, einestheils weil sie gemeiniglich eintreten, so wie wir in Schlaf fallen, einestheils auch, weil sie uns gewöhnlich etwas von dem präsentiren, was wir kurz zuvor gethan oder gedacht haben. Es träumt somit der Verliebte von seiner Amour, der Geizige von seinem Reichthum, der Advocat von seinem Proceß, der Schulmeister von Vocabeln –

Die Wöchnerin (leise). Und der Doctor von Pillen.

Doctor. Welches Lucretius libro primo zu erkennen giebt, item Seneca in Octavia et Claudianus de raptu Proserpinae – Aber hört, Madame, das sind ja zwei Menschen, die sich prügeln?! Ich höre ja vier Beine stampfen? Da muß ich sehen, was das ist . . . .

Die Wöchnerin. Es ist wahrhaftig niemand als die Amme mit der Wiege.

Doctor. Hierher gehört auch, was Plutarchus sagt vom Theseo . . . .

(Hier stürzt der Schirm um, der Barbier und die Wahrsagerin fallen auf den Doctor, alle drei auf die Erde. Bonifacius zieht das alte Weib bei den Haaren, der Doctor zieht den Barbier bei den Haaren, worauf der Barbier fortläuft.)

Doctor. Ha ha, Madame, es war doch was Anderes als die Amme. Jetzt seh' ich, was für Leute Ihr consultirt! Ich 310 werde sie vor Gericht laden, sowol die sich brauchen lassen, als Euch, die Ihr sie gebraucht. (Ab.)

Die Wöchnerin. Na, da kann der Herr Doctor sich drauf verlassen, daß ich mit einem Gegenprozeß komme von wegen seines unsinnigen Geschwätzes, womit er mich beinahe ums Leben gebracht hat.

So ging es gestern, geht es heut,
Morgen dieselben Plagen;
Und dennoch darf ich armes Weib
Mich nicht einmal beklagen.

Denn ach, so arg die Pein auch ist,
Man will mich damit ehren,
Und weil die Mode es so will,
Wie dürft' ich mich beschweren?

Ja, fiel's den großen Damen ein,
Ich wette drauf, auf Ehre,
Daß schöner noch ein Wochenbett
Auf offnem Markte wäre:

Wir thäten, weil's die Mode will,
Es gleichfalls sonder Frage,
Und lägen mitten auf dem Markt
Voll zwei und vierzig Tage.

Die Bäuerin, die leben muß
Von ihrer Hände Fleiße,
Die meint: es ist 'ne Marterbank
Sechs Wochen so im Schweiße.

Vergnügt bin ich mit meinem Stand
Will nie von ihm mich scheiden,
Ja Thorheit wär's in unserm Land,
Vornehme Frau'n beneiden. 311


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