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Hans Karl nimmt das Paket mit den Briefen Hier sind die Briefe. Sagen Sie der Frau Gräfin, daß ich mich von diesen Briefen darum trennen kann, weil die Erinnerung an das Schöne für mich unzerstörbar ist: ich werde sie nicht in einem Brief finden, sondern überall.
Agathe Oh, ich küss' die Hand! Ich bin ja so glücklich. Jetzt weiß ich, daß meine Frau Gräfin unsern Herrn Grafen bald wiedersehen wird.
Hans Karl Sie wird mich heut' abend sehen. Ich werde auf die Soiree kommen.
Agathe Und dürften wir hoffen, daß Sie – daß derjenige, der ihr entgegentritt, der gleiche sein wird wie immer?
Hans Karl Sie hat keinen besseren Freund.
Agathe Oh, ich küss' die Hand.
Hans Karl Sie hat nur zwei wahre Freunde auf der Welt: mich und ihren Mann.
Agathe Oh, mein Gott, das will ich nicht hören. Oh Gott, oh Gott, das Unglück, daß sich unser Herr Graf mit dem Grafen Hechingen befreundet hat. Meiner Frau Gräfin bleibt wirklich nichts erspart.
Hans Karl geht nervös ein paar Schritte von ihr weg Ja, ahnen denn die Frauen so wenig, was ein Mann ist?! Und wer sie wirklich lieb hat!
Agathe Oh, nur das nicht. Wir lassen uns ja von Euer Erlaucht alles einreden, aber das nicht, das ist zu viel!
Hans Karl auf und ab Also nicht. Nicht helfen können! Nicht so viel! Pause.
Agathe schüchtern und an ihn herantretend Oder versuchen Sie's doch. Aber nicht durch mich: für eine solche Botschaft bin ich zu ungebildet. Da hätte ich nicht die richtigen Ausdrücke. Und auch nicht brieflich. Das gibt nur Mißverständnisse. Aber Aug' in Aug': ja, gewiß! Da werden Sie schon was ausrichten! Was sollen Sie bei meiner Frau Gräfin nicht ausrichten! Nicht vielleicht beim erstenmal. Aber wiederholt – wenn Sie ihr recht eindringlich ins Gewissen reden – wie sollte sie Ihnen denn da widerstehen können? Das Telephon läutet wieder.
Hans Karl geht ans Telephon und spricht hinein Ja, ich bin es selbst. Hier. Ja, ich bin am Apparat. Ich bleibe. Graf Bühl. Ja, selbst.
Agathe Ich küss' die Hand. Geht schnell ab, durch die Mitteltür.
Hans Karl am Telephon Hechingen, guten Abend! Ja, ich hab's mir überlegt. Ich habe zugesagt. Ich werde Gelegenheit nehmen. Gewiß. Ja, das hat mich bewogen, hinzugehen. Gerade auf einer Soiree, da ich nicht Bridge spiele und deine Frau, wie ich glaube, auch nicht. Kein Anlaß. Auch dazu ist kein Anlaß. Zu deinem Pessimismus. Zu deinem Pessimismus! Du verstehst nicht? Zu deiner Traurigkeit ist kein Anlaß. Absolut bekämpfen! Allein? Also die berühmte Flasche Champagner. Ich bringe bestimmt das Resultat vor Mitternacht. Übertriebene Hoffnungen natürlich auch nicht. Du weißt, daß ich das Mögliche versuchen werde. Es entspricht doch auch meiner Empfindung. Es entspricht meiner Empfindung! Wie? Gestört? Ich habe gesagt: Es entspricht meiner Empfindung. Empfindung! Eine ganz gleichgültige Phrase! Keine Frage, eine Phrase! Ich habe eine gleichgültige Phrase gesagt! Welche? Es entspricht meiner Empfindung. Nein, ich nenne es nur eine gleichgültige Phrase, weil du es so lange nicht verstanden hast. Ja. Ja. Ja! Adieu. Schluß! Läutet. Es gibt Menschen, mit denen sich alles kompliziert, und dabei ist das so ein exzellenter Kerl!
Stani aufs neue in der Mitteltür Ist es sehr unbescheiden, Onkel Kari?
Hans Karl Aber bitte, ich bin zur Verfügung.
Stani vorne bei ihm Ich muß dir melden, Onkel Kari, daß ich inzwischen eine Konversation mit der Mamu gehabt habe und zu einem Resultat gekommen bin.
Hans Karl sieht ihn an.
Stani Ich werde mich mit der Helen Altenwyl verloben.
Hans Karl Du wirst dich...
Stani Ja, ich bin entschlossen, die Helen zu heiraten. Nicht heute und nicht morgen, aber in der allernächsten Zeit. Ich habe alles durchgedacht. Auf der Stiege von hier bis in den zweiten Stock hinauf. Wie ich zur Mamu in den zweiten Stock gekommen bin, war alles fix und fertig. Weißt du, die Idee ist mir plötzlich gekommen, wie ich bemerkt hab', du interessierst dich nicht für die Helen.
Hans Karl Aha.
Stani Begreifst du? Es war so eine Idee von der Mamu. Sie behauptet, man weiß nie, woran man mit dir ist – am Ende hättest du doch daran gedacht, die Helen zu nehmen – und du bist doch für die Mamu immer der Familienchef, ihr Herz ist halt ganz Bühlisch.
Hans Karl halb abgewandt Die gute Crescence!
Stani Aber ich hab' immer widersprochen. Ich verstehe ja jede Nuance von dir. Ich hab' von jeher gefühlt, daß von einem Interesse für die Helen bei dir nicht die Idee sein kann.
Hans Karl dreht sich plötzlich zu ihm um Und deine Mutter?
Stani Die Mamu?
Hans Karl Ja, wie hat sie es aufgefaßt?
Stani Feuer und Flamme natürlich. Sie hat ein ganz rotes Gesicht bekommen vor Freude. Wundert dich das, Onkel Kari?
Hans Karl Nur ein bißl, nur eine Idee – ich hab' immer den Eindruck gehabt, daß deine Mutter einen bestimmten Gedanken hat in bezug auf die Helen.
Stani Eine Aversion?
Hans Karl Gar nicht. Nur eine Ansicht. Eine Vermutung.
Stani Früher, die früheren Jahre?
Hans Karl Nein, vor einer halben Stunde.
Stani In welcher Richtung? Aber die Mamu ist ja so eine Windfahn'! Das vergißt sie ja im Moment. Vor einem Entschluß von mir, da ist sie sofort auf den Knien. Da spürt sie den Mann. Sie adoriert das fait accompli.
Hans Karl Also, du hast dich entschlossen?
Stani Ja, ich bin entschlossen.
Hans Karl So auf eins, zwei!
Stani Das ist doch genau das, worauf es ankommt. Das imponiert ja den Frauen so enorm an mir. Dadurch eben behalte ich immer die Führung in der Hand.
Hans Karl raucht.
Stani Siehst du, du hast vielleicht früher auch einmal daran gedacht, die Helen zu heiraten...
Hans Karl Gott, vor Jahren vielleicht. In irgendeinem Moment, wie man an tausend Sachen denkt.
Stani Begreifst du? Ich hab' nie daran gedacht! Aber im Augenblick, wo ich es denke, bring' ich es auch zu Ende. – Du bist verstimmt?
Hans Karl Ich habe ganz unwillkürlich einen Moment an die Antoinette denken müssen.
Stani Aber jede Sache auf der Welt muß doch ihr Ende haben.
Hans Karl Natürlich. Und das beschäftigt dich gar nicht, ob die Helen frei ist? Sie scheint doch zum Beispiel diesem Neuhoff Hoffnungen gegeben zu haben.
Stani Das ist ja genau mein Kalkül. Über Hoffnungen, die sich der Herr v. Neuhoff macht, gehe ich einfach hinweg. Und daß für die Helen ein Theophil Neuhoff überhaupt in Frage kommen kann, das beweist doch gerade, daß eine ernste Okkupation bei ihr nicht vorhanden ist. Solche Komplikationen statuier ich nicht. Das sind Launen, oder sagen wir das Wort: Verirrungen.
Hans Karl Sie ist schwer zu kennen.
Stani Aber ich kenn' doch ihr Genre. In letzter Linie kann die sich für keinen Typ von Männern interessieren als für den unsrigen; alles andere ist eine Verirrung. Du bist so still, hast du dein Kopfweh?
Hans Karl Aber gar nicht. Ich bewundere deinen Mut.
Stani Du und Mut und bewundern?
Hans Karl Das ist eine andere Art von Mut als der im Graben.
Stani Ja, ich versteh' dich ja so gut, Onkel Kari. Du denkst an die Chancen, die ich sonst noch im Leben gehabt hätte. Du hast das Gefühl, daß ich mich vielleicht zu billig weggeb'. Aber siehst du, da bin ich wieder ganz anders: ich liebe das Vernünftige und Definitive. Du, Onkel Kari, bist au fond, verzeih', daß ich es heraussage, ein Idealist: deine Gedanken gehen auf das Absolute, auf das Vollkommene. Das ist ja sehr elegant gedacht, aber unrealisierbar. Au fond bist du da wie die Mamu; der ist nichts gut genug für mich. Ich habe die Sache durchgedacht, wie sie ist. Die Helen ist ein Jahr jünger wie ich.
Hans Karl Ein Jahr?
Stani Sie ist ausgezeichnet geboren.
Hans Karl Man kann nicht besser sein.
Stani Sie ist elegant.
Hans Karl Sehr elegant.
Stani Sie ist reich.
Hans Karl Und vor allem so hübsch.
Stani Sie hat Rasse.
Hans Karl Ohne Vergleich.
Stani Bitte, vor allem in den zwei Punkten, auf die in der Ehe alles ankommt. Primo: sie kann nicht lügen, secundo: sie hat die besten Manieren von der Welt.
Hans Karl Sie ist so delizios artig, wie sonst nur alte Frauen sind.
Stani Sie ist gescheit wie der Tag.
Hans Karl Wem sagst du das? Ich hab' ihre Konversation so gern.
Stani Und sie wird mich mit der Zeit adorieren.
Hans Karl vor sich, unwillkürlich Auch das ist möglich.
Stani Aber nicht möglich. Ganz bestimmt. Bei diesem Genre von Frauen bringt das die Ehe mit sich. In der Liaison hängt alles von Umständen ab, da sind Bizarrerien möglich, Täuschungen, Gott weiß was. In der Ehe beruht alles auf der Dauer; auf die Dauer nimmt jeder die Qualität des andern derart in sich auf, daß von einer wirklichen Differenz nicht mehr die Rede sein kann: unter der einen Voraussetzung, daß die Ehe aus dem richtigen Entschluß hervorgeht. Das ist der Sinn der Ehe.
Lukas eintretend Frau Gräfin Freudenberg.
Crescence an Lukas vorbei, tritt schnell ein Also, was sagt Er mir zu dem Buben, Kari? Ich bin ja überglücklich. Gratulier' Er mir doch!
Hans Karl ein wenig abwesend Meine gute Crescence. Ich wünsch' den allergrößten Erfolg.
Stani erhebt sich stumm.
Crescence Schick' Er mir das Auto retour.
Stani Bitte, zu verfügen. Ich gehe zu Fuß. Geht.
Crescence Der Erfolg wird sehr stark von dir abhängen.
Hans Karl Von mir? Ihm steht's doch auf der Stirne geschrieben, daß er erreicht, was er sich vornimmt.
Crescence Für die Helen ist dein Urteil alles.
Hans Karl Wieso, Crescence, inwiefern?
Crescence Für den Vater Altenwyl natürlich noch mehr. Der Stani ist eine sehr nette Partie, aber nicht epatant. Darüber mach' ich mir keine Illusionen. Aber wenn Er ihn appuiiert, Kari, ein Wort von Ihm hat gerade für die alten Leut' so viel Gewicht. Ich weiß gar nicht, woran das liegt.
Hans Karl Ich gehör' halt selbst schon bald zu ihnen.
Crescence Kokettier' Er nicht mit Seinem Alter. Wir zwei sind nicht alt und nicht jung. Aber ich hasse schiefe Positionen. Ich möcht' schon lieber mit grauem Haar und einer Hornbrille dasitzen.
Hans Karl Darum legt Sie sich zeitig aufs Heiratstiften.
Crescence Ich habs immer für Ihn tun wollen, Kari, schon vor zwölf Jahren. Aber Er hat immer diesen stillen obstinaten Widerspruch in sich gehabt.
Hans Karl Meine gute Crescence!
Crescence Hundertmal hab' ich Ihm gesagt: sag' Er mir, was Er erreichen will, und ich nehm's in die Hand.
Hans Karl Ja, das hat Sie mir oft gesagt, weiß Gott, Crescence.
Crescence Aber man hat ja bei Ihm nicht gewußt, woran man ist!
Hans Karl nickt.
Crescence Und jetzt macht halt der Stani, was Er nicht hat machen wollen. Ich kann gar nicht erwarten, daß wieder kleine Kinder in Hohenbühl und in Göllersdorf herumlaufen.
Hans Karl Und in den Schloßteich fallen! Weiß Sie noch, wie sie mich halbtot herausgezogen haben? Weiß Sie – ich hab' manchmal die Idee, daß gar nichts Neues auf der Welt passiert.
Crescence Wie meint Er das?
Hans Karl Daß alles schon längst irgendwo fertig dasteht und nur auf einmal erst sichtbar wird. Weißt du, wie im Hohenbühler Teich, wenn man im Herbst das Wasser abgelassen hat, auf einmal die Karpfen und die Schweife von den steinernen Tritonen da waren, die man früher kaum gesehen hat? Eine burleske Idee, was!
Crescence Ist Er denn auf einmal schlecht aufgelegt, Kari?
Hans Karl gibt sich einen Ruck Im Gegenteil, Crescence. Ich danke euch so sehr, als ich nur kann, Ihr und dem Stani, für das gute Tempo, das ihr mir gebt mit eurer Frische und eurer Entschiedenheit. Er küßt ihr die Hand.
Crescence Findet Er, daß Ihm das gut tut, uns in der Nähe zu haben?
Hans Karl Ich hab' jetzt einen sehr guten Abend vor mir. Zuerst eine ernste Konversation mit der Toinette...
Crescence Aber das brauchen wir ja jetzt gar nicht!
Hans Karl Ah, ich red' doch mit ihr, jetzt hab' ich es mir einmal vorgenommen, und dann soll ich also als Onkel vom Stani die gewissen seriosen Unterhaltungen anknüpfen.
Crescence Das Wichtigste ist, daß du ihn bei der Helen ins richtige Licht stellst.
Hans Karl Da hab' ich also ein richtiges Programm. Sieht Sie, wie Sie mich reformiert? Aber weiß Sie, vorher – ich hab' eine Idee – vorher geh' ich für eine Stunde in den Zirkus, da haben sie jetzt einen Clown – eine Art von dummem August...
Crescence Der Furlani, über den ist die Nanni ganz verrückt. Ich hab' gar keinen Sinn für diese Späße.
Hans Karl Ich find' ihn delizios. Mich unterhält er viel mehr als die gescheiteste Konversation von Gott weiß wem. Ich freu' mich rasend. Ich gehe in den Zirkus, dann esse ich einen Bissen in einem Restaurant, und dann komm' ich sehr munter in die Soiree und absolvier mein Programm.
Crescence Ja, Er kommt und richtet dem Stani die Helen in die Hand, so was kann Er ja so gut. Er wäre doch ein so wunderbarer Botschafter geworden, wenn Er hätt' wollen in der Karriere bleiben.
Hans Karl Dazu is es halt auch zu spät.
Crescence Also, amüsier Er sich gut und komm' Er bald nach.
Hans Karl begleitet sie bis an die Tür, Crescence geht.
Hans Karl kommt nach vorn. Lukas ist mit ihm hereingetreten.
Hans Karl Ich ziehe den Frack an. Ich werde gleich läuten.
Lukas Sehr wohl, Eure Erlaucht.
Hans Karl links ab.
Vinzenz tritt von rechts ein Was machen Sie da?
Lukas Ich warte auf das Glockenzeichen vom Toilettezimmer, dann geh' ich hinein helfen.
Vinzenz Ich werde mit hineingehen. Es ist ganz gut, wenn ich mich an ihn gewöhne.
Lukas Es ist nicht befohlen, also bleiben Sie draußen.
Vinzenz nimmt sich eine Zigarre Sie, das ist doch ganz ein einfacher, umgänglicher Mensch, die Verwandten machen ja mit ihm, was sie wollen. In einem Monat wickel ich ihn um den Finger.
Lukas schließt die Zigarren ein. Man hört eine Klingel. Lukas beeilt sich.
Vinzenz Bleiben Sie nur noch. Er soll zweimal läuten. Setzt sich in einen Fauteuil.
Lukas ab in seinem Rücken.
Vinzenz vor sich Liebesbriefe stellt er zurück, den Neffen verheiratet er, und er selber hat sich entschlossen, als ältlicher Junggeselle so dahinzuleben mit mir. Das ist genau, wie ich mir's vorgestellt habe. Über die Schulter nach rückwärts, ohne sich umzudrehen Sie, Herr Schätz, ich bin ganz zufrieden, da bleib' ich!
Der Vorhang fällt.