Hugo von Hofmannsthal
Der Kaiser und die Hexe
Hugo von Hofmannsthal

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Der Kaiser.
Trug und Taumel! wessen Stimme?
Vogel war's! Die Taube flog!
    In der Nähe, aufschreiend.
Was für Augen, welche Lippen!
    Kriecht auf den Knieen der Hingesunkenen näher.

Die Hexe, sanft wie ein Kind.
Lieber, schlägst Du mir mit Eisen
rote Wunden, blutig rote
neue Lippen? Dort wo Deine
Lippen lagen oft und oft!
Weisst Dir alles das nicht mehr?
so ist alles aus? Leb wohl,
aber Deiner nächsten Freundin,
wenn ich tot bin, sei getreuer,
und bevor Du gehst und mich
hier am Boden sterben lässt,
deck mir noch mit meinen Haaren
meine Augen zu, mir schwindelt!
Alle Bäume drehen sich
um mich her und thun mir weh.

Der Kaiser hebt die Hände auf, sie zu berühren.
    In diesem Augenblick überschüttet die dem Untergang
    nahe Sonne den ganzen Waldrand mit Licht und den
    rötlichen Schatten der Bäume. Der Kaiser schaudert
    zurück, richtet sich auf, geht langsam, die Augen
    auf ihr, von ihr weg; sie liegt wie tot
.

Der Kaiser.
Tot! was ist für diese Wesen
tot? die Sonne ist nicht unten,
dunkel flammt sie, scheint zu drohen.
Soll ich sie hier liegen sehen?
sollen Ameisen und Spinnen
über ihr Gesicht hinlaufen
und ich sie nicht anrühr'n? ich!
der mit zehnmal soviel Küssen
ihren Leib bedeckt hab', als
das Gewebe ihres Kleides
Fäden zählt, wie? soll ich sie
liegen lassen, dass mein Hof,
meine Diener ihr Gesicht
mir betasten mit den Blicken?
Ich ertrüg' es nicht, ich würfe
mich auf sie, sie zuzudecken!
Dort! ein Mensch, der Stämme schleppt,
abgeschälte, schwere Stämme.
Hier ist eine schön're Last.
    Er tritt in eine Lichtung und winkt.
Du, komm her! komm hierher! hier!
zwar, womit den Menschen lohnen?
auf den Gold- und Silberstücken
ist mein Bild, doch hab ich keines!
Doch, der Reif, den ich zerbrach:
wenn die Krone auch zerschlagen
da und dort am Boden rollt,
ist sie doch noch immer Gold.
    Er bückt sich und hebt ein paar Stücke auf.
    Er betrachtet die Stücke, die er in der Hand hält
.
Wohl, so lange Du geformt warst,
warst Du viel. Dein blosses Blinken
konnte ungeheure Heere
lenken wie mit Zauberwinken.
Krone, brauchtest nur zu leuchten,
nur zu funkeln, nur zu droh'n –
kaum die Dienste eines Knechtes
zahlt Dein Stoff, der Form entfloh'n.
    Eine kleine Stille.
Mitten drunter kann ich denken,
ruhig denken, sonderbar.

Der arme Mensch, in Lumpen, ein junges, entschlossenes
    Gesicht und eine unscheinbare gebückte Haltung
.
Herr, was riefst Du, dass ich thun soll?

Der Kaiser, steht von der Leiche abgewandt.
Diesen Toten . . .

Der Mensch.                 Herr, ein Weib!

Der Kaiser.
Frag nicht, schaff' sie fort!

Der Mensch.                             Fort?
Wohin?

Der Kaiser.   Gleichviel! ins Dickicht.
Wo sie keiner sieht, wo ich
sie nicht sehe! später dann . . .
Hier ist Gold für Deine Arbeit.

Der Mensch, steht starr.
Dies? dafür? für nichts als das?

Der Kaiser.
Nicht genug? komm später wieder.

Der Mensch.
Nicht genug? es wär genug,
mir mein Leben abzukaufen.
Herr, wer bist Du? um dies Gold
stoss' ich Dir am hellen Tag,
wen Du willst von Deinen Feinden,
während er bei Tisch sitzt, nieder . . .
um dies Gold verkauft Dir meine
Schwester ihre beiden Töchter!
    Er richtet sich gross auf, mit ausgestreckten Armen.

Der Kaiser.
Später dann, wenn's dunkel ist,
kommst Du wieder und begräbst sie,
gräbst im Dunkeln ihr ein Grab,
aber so, dass auch kein Wiesel
davon weiss und je es aufspürt;
hüte Dich!

Der Mensch.     Ich will es graben,
dass ich selber morgen früh
nicht den Ort zu sagen wüsste:
denn mit diesem Leib zugleich
werf' ich in die dunkle Grube
meinen Vater, meine Mutter,
meine Jugend, ganz beschmutzt
mit Geruch von Bettelsuppen,
mit Fusstritten finstren Schicksals!

Der Kaiser.
Geh' nun, geh'! Doch hüte Dich,
dass Du sie nicht anrührst, nicht
mehr als nötig, sie zu tragen.
Ich erführ' es, sei versichert,
ich erführ's, und hinter Dir
schickte ich dann zwei, die grüben
schneller Dir ein Grab im Sand,
schneller noch und heimlicher
als Du diese wirst begraben.
    Er winkt ihm, Hand anzulegen, setzt sich selbst auf
    einen Baumstrunk und schlägt die Hände vors Gesicht
.

Der Mensch schleppt den regungslosen Leib
    ins Gebüsch. Lange Stille
.

Der Kaiser, aufstehend, umherschauend.
Ist sie fort, für immer fort? . . .
und die Sonne doch noch da? . . .
zwar nicht Tag, nicht schöner Tag,
vielmehr Nacht mit einer Sonne.
Und ich that es wirklich, that es?
unsre Thaten sind die Kinder
eines Rauchs, aus rotem Rauch
springen sie hervor, ein Taumel
knüpft, ein Taumel löst die Knoten.
Meine Seele hat nicht Kraft,
sich zu freu'n an dieser That!
Diese That hat keinen Abgrund
zwischen mich und sie gethan,
ihren Atem aus der Luft
mir nicht weggenommen, nicht
ihre Kraft aus meinem Blut!
Wenn ich sie nicht noch einmal
sehen kann, werd' ich nie glauben,
dass ich mich mit eignem Willen
von ihr losriss; dies noch einmal
sehen! dies, was eine Hand
zudeckt, dieses kleine Stück
ihres Nackens, wo zur Schulter
hin das Leben sich so trotzig
und so weich, so unbegreiflich
drängt, nur dieses eine sehen!
sehen und freiwillig nicht –
nicht! – berühren . . . aber wo?
Fort! er trug sie . . . ich befahl,
schuf mir selber diese Qual.
Aber dort die grünen Ranken
seh' ich, spür' ich nicht? sie beben!
frag ich viel, ob's möglich ist!
spür' ich nicht dahinter Leben?
    Er reisst die Ranken weg, die den Eingang
    der Höhle verhängen
.

Ein uralter Blinder tritt ängstlich hervor, weit mit
    einem dürren Stecken vor sich hintastend.
    Sein ganzes Gewand ist ein altes, linnenes Hemd
.

Der Kaiser, hinter sich tretend.
Wie, hier auch ein Mensch! Dies feuchte
Loch noch immer Raum genug
für ein Leben? ist's damit,
dass ich sehen soll, welch ein Ding
herrschen ist, dass mir der Wald
und die Strasse, ja das innre
eines Berges nichts wie Menschen
heut' entgegenspei'n? Heisst dies,
Kaiser sein: nicht atmen können,
ohne mit der Luft ein Schicksal
einzuschlucken?

Der Greis.
War es Sturm, der meine Thüre
aufriss? Weh, es ist nicht Nacht!
Nicht das kleine Licht der Sterne
rieselt auf die Hände nieder . . .
Schwere Sonne! schwacher Wind!

Der Kaiser, für sich.
Diese Stirn, die riesenhaften,
ohnmächtigen Glieder, innen
ist mir, alles dieses hab' ich
schon einmal gesehen! wann?
Kindertage! Kindertage!
Hier ist irgend ein Geheimnis
und ich bin darein verknüpft,
fürchterlich verknüpft

Der Greis.
Dort! es steht! es atmet jung!
    Pause.
Wie ein junges Tier!
    Pause.
                                  Ein Mensch!
    Er zittert.
Hab' Erbarmen! ich bin blind,
lass mich leben! leben! leben!

Der Kaiser.
Alter Mann!, ich thu' Dir nichts.
Sag mir Deinen Namen.

Der Greis.
Lass mich leben, hab' Erbarmen!

Der Kaiser.
Fühl', ich habe leere Hände!
Sag' mir, wer Du bist.
    Lange Pause.

Der Greis, seine Hände anfühlend.
Ring!

Der Kaiser. Den Namen, sag' den Namen!

Der Greis.
Was für Stein?

Der Kaiser.             Ein grüner.

Der Greis.                                 Grüner?
grosser grüner?

Der Kaiser.               Deinen Namen!
    Er fasst ihn an, der Greis schweigt. Im Hintergrunde
    sammelt sich der Hof. Sie geben ihre Spiesse an die
    Jäger ab. Links rückwärts wird ein purpurnes Zelt
    aufgeschlagen. Unter den anderen steht der Verurteilte,
    er trägt ein rotseidenes Gewand, darüber den Mantel
    des Kaisers, in der herabhängenden Hand einen kurzen
    Stab aus Silber und Gold
.

Tarquinius, knieend.
Herr! die allergnädigste
Kaiserin lässt durch mich melden,
dass sie sich zurückgezogen,
weil die Zeit gekommen war
für das Bad der kaiserlichen
Kinder.

Der Kaiser, ohne aufzumerken, betrachtet den Greis, wirft dann
    einen flüchtigen Blick auf seinen Hof, alle beugen ein Knie
.
Decken!
    Man bringt purpurne Decken und Felle, und legt sie in die
    Mitte der Bühne. Der Kaiser führt den Blinden hin und lässt ihn
    setzen. Er sitzt wie ein Kind, die Füsse gerade vor sich.
    Die weichen Decken scheinen ihn zu freuen
.

Der Kaiser, von ihm wegtretend.
Grossfalkonier! ich habe diesen Menschen im kaiserlichen Forst
gefunden. Wer ist das? Kannst Du mir sagen, wer das ist?
    Tiefe Stille.
Grosskämmerer, wer ist der Mann? mich dünkt ich seh' ihn heute
nicht zum erstenmal.
    Stille.
Präfekt des Hauses, wer ist dieser Mensch?
    Stille.
Grosskanzler, wer?
    Stille.
Grossdragoman, wer ist das?
    Stille.
Die Kapitäne meiner Wachen! wer?
    Stille.
Du, Tarquinius, bist zu jung,
um mich anzulügen, hilf mir!

Tarquinius, um den Blinden beschäftigt.
Herr, er trägt ein Band von Eisen
um den Hals geschmiedet, einen
schweren Ring mit einer Inschrift.

Der Kaiser winkt ihm, zu lesen, tiefe Stille.

Tarquinius liest.
Ich, Johannes der Pannonier,
war durch dreiunddreissig Tage
Kaiser in Byzanz.
    Pause. Tiefe Stille.
                              Geblendet
bin ich nun und ausgestossen
als ein Frass der wilden Tiere
auf Befehl –

Der Kaiser, sehr laut.
                      Lies weiter, Kämm'rer!

Tarquinius, liest weiter.
auf Befehl des höchst heiligen, höchst
weisen, des unbesiegbarsten, erlauchtesten
Kindes –
    Stockt.

Der Kaiser, sehr laut.
                Kindes . . . lies!

Tarquinius.                                 Dein Name, Herr!
    Lange Stille.

Der Kaiser, mit starker Stimme.
Grosskämmerer! wie alt war ich, der Kaiser,
als dies geschah?

Der Grosskämmerer, knieend.
                            Drei Jahre, hoher Herr.
    Lange Stille.

Der Kaiser, mit halber Stimme; nur zu Tarquinius.
Kämm'rer, schau', dies war ein Kaiser!
Zu bedeuten, das ist alles!
was sonst bleibt, ist Schlamm und Staub.
    Nach einem langen Nachdenken.
Ja, den Platz, auf dem ich stehe,
gab mir ungeheurer Raub,
und mit Schicksal angefüllt
ist die Ferne und die Nähe.
Von viel buntern Abenteuern,
als ein Märchen, starrt die Welt,
und sie ist der grosse Mantel,
der von meinen Schultern fällt.
Ueberall ist Schicksal, alles
fügt sich funkelnd ineinander,
und unlöslich wie die Maschen
meines goldnen Panzerhemdes.
Denn zu unterst sind die Fischer
und Holzfäller, die in Wäldern
und am Rand des dunklen Meeres
atmen und ihr armes Leben
für die Hand voll Gold dem ersten,
der des Weges kommt, verkaufen.
Und dann sind die vielen Städte . . .
und in ihnen viele Dinge:
Herrschaft, Weisheit, Hass und Lust,
eins um's andre feil, zuweilen
eines mit dem andern seine
Larve tauschend und mit trunknen
Augen aus dem ganz verkehrten
Antlitz schauend. Und darüber
sind die Könige, zu oberst
ich. von dieser höchsten Frucht
fällt ein Licht zurück auf alles
und erleuchtet jede tiefre
Stufe; jede: auf den Mörder
fällt ein Strahl, Taglöhner, Sklaven
und die Ritter und die Grossen,
mir ist alles nah; ich muss das
Licht in mir tragen für den,
der geblendet ward um meinet-
willen, denn ich bin der Kaiser.
Wunderbarer ist mein Leben,
ungeheuer aufgetürmt,
als die ungeheuren Dinge,
Pyramiden, Mausoleen,
so die Könige vor mir
aufgerichtet. Ich vermag
auf den Schicksalen der Menschen
so zu thronen, wie sie sassen
auf getürmten toten Steinen.
Und so ungeheure Kunde,
wer ich bin und was ich soll,
brachte diese eine Stunde,
denn ihr Mund war übervoll
von Gestalten. –

Der Greis wendet sich mit heftiger Unruhe und einem
    leisen Wimmern nach dem Hintergrunde
.

Tarquinius.
Herr, es ist, er riecht die Speisen,
die sie hinteren Zelt bereiten,
und ihn hungert.

Der Kaiser.               Bringt zu essen.
    Es kommen drei Diener mit goldenen Schüsseln. Den ersten
    und zweiten beachtet der Greis nicht, nach der Richtung,
    wo der dritte steht, begehrt er heftig. Tarquinius nimmt dem
    dritten die Schüssel aus der Hand, kniet vor den Greis hin und
    reicht ihm die Schüssel
.

Tarquinius, bei dem Greis knieend.
Er will nur von dieser Speise:
Süsses ist es.
    Tarquinius will ihm die Schüssel wieder wegnehmen, der Greis
    weint. Er stellt ihm die Schüssel hin
.

Der Greis winkt mit der Hand, alle sollen wegtreten, versichert sich,
    dass er die Schüssel hat, richtet sich gross auf, streckt die Hand,
    an der des Kaisers Ring steckt, gebieterisch aus, – der Arm zittert
    heftig, – und ruft schwach vor sich hin
.
                      Ich bin der Kaiser!
    Sogleich setzt er sich wieder hin, wie ein Kind, isst die Schüssel leer.

Der Kaiser, rührt ihn sanft an.
Du, Du hast aus meiner Schüssel
jetzt gegessen; komm, ich geb' Dir
jetzt mein Bett, darin zu schlafen.

Der Greis nickt, der Kaiser stützt und führt ihn in das Zelt.
    Der Hof zieht sich nach links rückwärts zurück. Man sieht sie
    zwischen den Bäumen lagern und essen. Rechts rückwärts geht
    eine Wache auf und ab. Die Sonne steht nun in dem Walddurchschlag,
    dem Rand des Hügels sehr nahe
.

Der Kaiser, aus dem Zelt zurückkommend, neben ihm Tarquinius.
Immer noch dieselbe Sonne!
Geht mir's doch wie jenem Hirten,
der, den Kopf im Wasserschaff,
meinte, Welten zu durchfliegen.
    Er setzt sich links vorne auf einen Stumpf.
Ich bin heiterer, mein Lieber,
als ich sagen kann – gleichviel,
denk nicht nach! . . . Es ist der neue
Admiral, der mich so freut.
Sieh, ein Schicksal zu erfinden,
ist schon schön, doch Schicksal sein,
das ist mehr; aus Wirklichkeit
Träume bau'n, gerechte Träume,
und mit ihnen diese Hügel
und die vielen weiten Länder
bis hinab ans Meer bevölkern,
und sie vor sich weiden seh'n,
wie der Hirt die stillen Rinder –
    Eine kleine Pause.
Grauenhaftes, das vergangen,
giebt der Gegenwart ein eignes
Leben, eine fremde Schönheit,
und erhöht den Glanz der Dinge
wie durch eingeschluckte Schatten.

Tarquinius.
Die Kaiserin!
    Er springt zurück.
    Von hinten her ist mit leisen Schritten die Hexe herangetreten.
    Sie trägt das Gewand der Kaiserin, in dessen untersten Saum
    grosse Saphire eingewebt sind. Ueber das Gesicht fällt ein dichter,
    goldner Schleier. In der Hand trägt sie eine langstielige goldne Lilie
.

Der Kaiser, ohne aufzustehen.
                        So kommst Du
doch! Man hat mir was gemeldet –
Doch Du kommst, so sind die Kinder
wohl gebadet, Helena.
Lass uns von den Kindern reden!
Zwar Du redest von nichts anderm –
in der Kammer, wo sie schlafen,
wohnt die Sonne, Regenbogen,
Mond, die schönen klaren Sterne,
alles hast Du in der Kammer,
nicht? Mich dünkt, Du lächelst nicht!
Lächelst doch so leicht: zuweilen
bin ich blass vor Zorn geworden,
wenn ich sah, wie leicht Dir dieses
Lächeln kommt, wenn ich bedachte,
dass ein Diener, der Dir Blumen
bringt, den gleichen Lohn davon hat,
wie ich selber . . . es war unrecht!
Heut' begreif' ich's. Ueber alle
Worte klar begreif' ich's heute:
welch ein Kind Du bist, wie völlig
aus Dir selbst dies Kinderlächeln
quillt. Ich bin so froh, zu denken,
dass . . . ich mein, dass Du es bist,
die mir Kinder auf die Welt bringt.
Meine Kinder, Helena – . . .
wie von einer kleinen Quelle
hergespült, wie aufgelesen
von den jungen grünen Wiesen,
die Geschwister ahnungsloser,
aus dem Nest gefallner kleiner
Vögel sind sie, Helena,
Weil es Deine Kinder sind!
Keine Antwort? und den Schleier
auch nicht weg? Wir sind allein!

Die Hexe schlägt den Schleier zurück.

Der Kaiser, aufspringend.
Hexe Du und Teufelsbuhle,
stehst Du immer wieder auf?

Die Hexe, indem sie sich halb wendet, wie ihn fortzuführen.
Komm, Byzanz! Wir wollen diese
Schäferspiele nun vergessen!
Mit einander wieder liegen
in dem goldnen Palankin,
dessen Stangen Deine Ahnherrn
Julius Cäsar und die andern
tragen.

Der Kaiser lacht.

Die Hexe, mit ausgebreiteten Armen.
            Ich kann nicht leben
ohne Dich!

Der Kaiser.       Geh' fort von mir!

Die Hexe.
Sieben Jahre!

Der Kaiser.             Trug und Taumel!
Sieben Tage brachen alles!

Die Hexe.
Hör' mich an!

Der Kaiser.             Vorbei! Vorbei!

Die Hexe.
Keine Stunde! Deine Lippen
beben noch.

Der Kaiser.         Gott hat's gewendet!
Jeden Schritt von Deinen Schritten
gegen Dich! Aus allen Klüften
von der Strasse, aus den Wäldern,
aus dem Boden, aus den Lüften
sprangen Engel, mich zu retten!
Wo ich hingriff, Dich zu spüren,
thaten sich ins wahre Leben
auf geheimnisvolle Thüren,
mich mir selbst zurückzugeben.

Die Hexe schleudert ihre goldene Lilie zu Boden,
    die sogleich zu Qualm und Moder zerfällt
.
Hingest doch durch sieben Jahr
festgebannt an diese Augen
und verstrickt in dieses Haar!
Völlig mich in Dich zu saugen
und in mir die ganze Welt;
Hexe denn! und Teufel Du,
komm! uns ziemt das gleiche Bette!

Der Kaiser.
Willst Du drohen? sieh, ich stehe!
sieh, ich schaue! sieh, ich lache!
Diese Flammen brennen nicht!
Aber grenzenlose Schwere
lagert sich in Dein Gesicht,
Deine Wangen sinken nieder
und die wundervollen Glieder
werden Runzel, werden Grauen
und Entsetzen anzuschauen.

Die Hexe, zusammensinkend, wie von unsichtbaren Fäusten gepackt.
Sonne! Sonne! ich ersticke!
    Sie schleppt sich ins Gebüsch, schreit gellend auf und rollt im
    Dunkel am Boden hin. Die Sonne ist fort. Der Kaiser steht,
    die Augen starr auf dem Gebüsch. Eine undeutliche Gestalt,
    wie ein altes Weib, humpelt im Dickicht nach rückwärts
.

Der Kaiser.
Gottes Tod! dies halten! haltet!
Wachen! Kämm'rer! dort! dort! dort!

Tarquinius, kommt gelaufen.
Hoher Herr!

Der Kaiser.         Die Wachen, dort!
sollen halten!
    Lange Pause.

Tarquinius, kommt wieder.
                      Herr, die Wachen
schworen: niemand ging vorüber
als ein runzlich altes Weib,
eine wohl, die Beeren sammelt
oder dürres Holz.

Der Kaiser, ihn anfassend, mit einem ungeheuren Blick:
                            Tarquinius!
    Zieht ihn an sich, überlegt, schweigt eine Weile, winkt ihm,
    wegzutreten, kniet nieder
.
Herr, der unberührten Seelen
schönes Erbe ist ein Leben,
eines auch ist den Verirrten,
denen eines, Herr, gegeben,
die dem Teufel sich entwanden
und den Weg nach Hause fanden.
    Während seines Gebetes ist der Vorhang langsam gefallen.


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