Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
De mortuis nil nisi bene:
Wie ist der Spruch voll Lug und schlecht!
De mortuis nil nisi vere:
So sollte es heißen mit Fug und Recht!
Tod, wo ist dein Stachel?
Sag mir einer dies! –
Ei, der blieb im Namen stecken,
Den der Tote hinterließ!
Auf Gräber passen Epigramme ausgezeichnet;
Aufschriften sind ja hier am rechten Ort.
Dünkt euch zum Leichenschmuck die Rose so geeignet,
So müßt ihr dulden auch ein dornicht Wort.
Es gibt kein Gasthaus in der Welt,
Das so viel Betten wie dieses hält,
Das so viel Gäste wie dieses hat,
Von denen jeder still und satt,
Von denen keiner sich Sorgen macht,
Daß Schulden er auf morgen macht.
Konntest heute her dich wagen,
Gehst auch heimwärts wieder frei;
Kommst du morgen, wer will sagen,
Ob der Heimweg offen sei?
*
Du predigst vor leeren Bänken,
Dein Küster war die Langeweil.
Um eine Herde satt zu tränken,
Ward Wasser dir genug zuteil;
Doch brauchtest du dich nur zu zeigen,
Da rissen alle Schafe aus.
Bewahr' nur jetzt ein tiefes Schweigen,
Den Kirchhof treibst du sonst nach Haus!
Die Kraft des Wortes war dir ungeheuer.
Einst sprachst du von der Hölle Flammenmeer,
Da schrie der Türmer auf der Kirche: Feuer!
Und mit der Spritze kam die Feuerwehr.
Doch jetzt ist's jedermännlich klar,
Daß alles blinder Feuerlärm nur war.
Den Durst nach Himmelsschätzen wußtest du
In andrer Herzen zu erwecken,
Um mittlerweil in aller Seelenruh
Die Erdengüter einzustecken,
Und solches Tun, es war bei dir
Nicht Habsucht etwa oder Gier;
Du wolltest die Versuchung mindern
Den Glauben streuen teils auf Erden,
Teils sollte deinen Himmelskindern
Das Erbteil oben größer werden.
Wo du erschienst, da mußten andre schweigen,
Wie einem Pächter, war das Wort dein eigen.
Von einer Weisheitsquelle mag man etwa sprechen,
Von einem Weisheitsborne wissen alle,
Doch deine Weisheit kam in tiefen Bächen,
Aus Wolkenbrüchen und im Wasserfalle.
Es war ein Glück, daß du nicht bliebst am Leben,
Denn eine Weisheitssündflut hätte es gegeben.
*
Du guter alter Kandidat!
Du hofftest stets auf Amt und Würden,
Bis daß der Tod dazwischen trat,
Und von dir nahm der Hoffnung Bürden.
Wir alle sind ja gleich wie du
Auch stille Kandidatenseelen,
Und warten's ab in Fried und Ruh;
Die Grabespfründe wird nicht fehlen.
Hätt' nun der Tod von ungefähr
Gewartet auf dein Pfarrerwerden,
Du wärst ein zweiter Ahasver
Umhergewandelt lang auf Erden.
*
Du hast Mohren getauft und Juden bekehrt,
Indianern das Wort des Erlösers gelehrt;
Zu Hause dann halfst du in blinder Wut
Den Glaubenshaß schüren zu heller Glut.
O wärst du doch bei den Deinen geblieben,
Und hättest nicht den Export betrieben
Von christlicher Liebe und christlichen Worten!
Sie wären vielleicht nicht so rar geworden.
*
Da unversehens dich der Tod erreichte,
So fuhrst du in die Grube ohne Beichte,
Und bringst nun deine Sünden in's Gericht.
Nimm sie nur mit! Beruhige dich dabei:
An Passagiergut hast du ein Gewicht
Von vierzig Pfunden auf der Reise frei.
*
Du warst ein braver Bürstenbinder;
Da fuhr in dich der Geist des Herrn,
Und in der Schar der Gotteskinder
Erglänztest du, ein heller Stern.
Du stiegst zu immer höhern Stufen,
Und wardst »Apostel und Prophet«,
Zum »Engel« wardst du gar berufen,
Der über der Gemeinde steht.
Was magst du nun im Himmel treiben?
Du kehrst beim alten Handwerk ein.
Ein Engel kannst du doch nicht bleiben,
Du wirst dort Bürstenbinder sein.
*
Es liegt ein Vater hier der Armen,
Ein Herz voll Liebe, voll Erbarmen;
Zumal den Frauen war er mild gesinnt,
Und nahte bittend ihm ein schönes Kind,
So war er gern bereit zu Liebesgaben,
Zu größern oft, als man sie wollte haben.
Den Häßlichen und Alten freilich blieb
Nichts übrig mehr von so viel Menschenlieb'.
Sein Namen lebt in denen, die ihn kennen,
Und Vater wird ihn heimlich mancher nennen.
*
Der große Buddha suchte einst den Tod,
Um seinen Freunden in der Hungersnot
Den eig'nen Leib als Rettung zu gewähren;
So starbst auch du im Glanz des Hoffnungsscheins,
Erfüllt vom Geiste unseres Vereins,
Mit deinem Leibe Würmer zu ernähren.
Erhabner Zweck! – doch muß die Not sehr groß
Gewesen sein, eh' sich ein Wurm entschloß,
Von solcher Nahrung etwas zu verzehren.
*
Ein alter Schlaukopf! Er belog zugleich
Die Erde hier und dort das Himmelreich.
Als armen Schlucker trug man ihn hinaus,
Und fand die Truhen reich voll Gold zu Haus;
Des Himmels Heilige wollten mit ihm prunken,
Und fanden statt des Dulders den Halunken.
*
»In Frieden ruhet!« Man sieht den Satz
An allen Ecken und Enden,
Als ob wir uns auf dem Begräbnisplatz
Von Hunden und Katzen befänden.
*
Beim Kirchenliede warst du stets der Lauteste,
Mit Bibelsprüchen warst du der Vertrauteste,
Im Händefalten ganz ein Unvergleichlicher,
Im Augendrehen gar ein Unerreichlicher;
Das alles war die Frömmigkeit des Leibes nur,
Geübt zum Zweck des Zeitvertreibes nur.
Zu was nur deine Seele oben taugen kann,
Wo sie den Schnickschnack alle gar nicht brauchen kann?
Langweilig warst du aus der Haut zu fahren.
Vom Himmel sprachst du und von Wiedersehn;
Doch wenig wirst du wohl davon gewahren,
Weil kluge Seelen aus dem Weg dir gehn.
Du gingst zur Kirche und zum Tisch des Herrn,
Du zahltest deine Steuern auf die Stund',
Von Trunk und Händeln bliebst du sorglich fern,
Den Armen gabst du, das war allen kund;
Kurzum du warst ein frommer Mann im Leben,
– Und doch ein ganzer schlechter Kerl daneben.
Die reinsten Freuden dieser Erde
Verdammtest du als Sünderkost,
Mit abgemergelter Gebärde
Süß äugelnd nach des Himmels Most.
Und dort auch kannst du nichts vertragen;
Ein Kerl, wie du, ist ruiniert.
Es ist so schwach sein Seelenmagen,
Daß er auf alles gleich vomiert.
*
Gar jämmerlichen Angesichts
Dem allerletzten Bettler gleich
Sprachst du: »Das schnöde Geld ist nichts;
Den Armen ist das Himmelreich.«
Du starbst im Ruf des ärmsten Wichts;
Doch darauf war man nicht gefaßt,
Man fand bei dir sehr vieles »Nichts«,
Das heimlich du erwuchert hast.
*
In dieser Grube faulen Fleisch und Bein,
Seel' und Gedanken faulen mitten drein,
Und alle Weisheit deiner Lehre ist
Verklärt zur höchsten Glorie, zum erhab'nen Mist.
Kommt her, des stolzen Meisters stolz're Jünger ihr,
Und riecht; so wird die Weisheit endlich Dünger hier!
*
Dein Tod allein eröffnet den Klienten
Die Aussicht ihren Rechtstreit zu beenden,
Denn deine Seele hatt' ein zwiefach Haus;
Sie wohnte in dem Leib und in den Akten.
Erst als sie jenen in die Lade packten,
Ging diesen das papierne Leben aus.
Eins scheint mir ausgemacht zu sein:
Sankt Peter ließ dich nicht hinein;
Denn als er frug, ob du gestorben seist,
Da sagtest: Nein! du keck und dreist.
Dein Kniff war: nega, si fecisti!
Und wär's vor dem Statthalter Christi.
Du wolltest von Naturrecht nie was wissen,
Dir galt vom Rechte das Geschriebne nur.
Was half's? du hast dich dennoch fügen müssen
Dem letzten Rechtspruch der Natur.
Vor allem eins schien dir der ärgste Hohn,
Man weigert dir die Appellation.
Jus heißt die Suppe; heißt das Recht,
Und wie man's nimmt, es paßt nicht schlecht.
Du zum Exempel, warst ein feiner Koch,
Der, da es oft nach faulen Fischen roch,
Die Suppe manchem scharf versalzen hat,
So daß er noch daran zu schnalzen hat,
Und der gar manchen schlau dazu verlockt,
Zu löffeln, was du schmählich eingebrockt.
Ihr Herrn Klienten, ruhig! Fürchtet nichts!
Hier liegt der rechte Anwalt nun begraben.
Ihr werdet ihn am Tage des Gerichts,
Am jüngsten Tage einst zur Seite haben.
Und solltet ja ihr den Prozeß verlieren,
Seid guten Muts! Dann wird er appellieren.
*
Prozesse waren dir die Lust des Lebens,
Prozesse dir das höchste Ziel des Strebens,
Und als dein letzter Rechtstreit war entschieden,
Da rafft dich hin der ungewohnte Frieden.
In Todesängsten wolltest du vergehen,
Ein Freund sprach flüsternd dir den Trost in's Ohr:
»Sei ruhig! Wie man sagt, so stehen
Dir chemische Prozesse jetzt bevor.« –
»Prozesse, Ha!« – O süße Seelenspeisung!
Du starbst im Herzen tröstliche Verheißung.
*
Geschrieben steht im Buch der Bücher:
Die Werke folgen den Gerechten.
Du aber meinst, es wäre klüger,
Wenn sie dich
nach den Werken brächten.
Daß du hier liegst, das weiß ich nicht zu deuten;
Erklärlich find' ich's bei den andern Leuten.
Dich hat gewiß ein Dämon angetrieben,
Und ein Rezept hast du dir selbst verschrieben.
Ihr sehet, so ein Doktor ist
Ein echter liebevoller Christ,
Dieweil er sorgt zur rechten Zeit,
Daß über Fehler und Gebrechlichkeit,
Über Fremde und eig'ne zunächst,
Vergeßliches Gras in Frieden wächst.
Der Tod, das große Handelshaus,
Hat dich als Commis-voyageur gesendet
Auf Reisen in die Menschenwelt hinaus,
Und manch Geschäftchen hast du gut vollendet.
Zum Danke packt – jetzt sieh einmal!
Zu seinen Waren dich der Prinzipal.
Man sieht an dir, was böses Beispiel tut,
Und wie zuletzt die besten Menschen wanken.
Du lebtest gerne, und du lebtest gut;
Und folgtest doch dem Vorgang deiner Kranken.
Du ordnetest den armen Kranken
So bittre Schauderbrühen an,
Daß sie, sobald sie davon tranken,
Im Tod die süße Nachkost sahn.
Du warst der Zierlichste von all den Söhnen
Des bärt'gen Gottes mit dem Schlangenstab,
Der stille Freund der nervenschwachen Schönen,
Der süße Worte, kühle Tropfen gab;
Poetisch schwärmend drücktest du die feuchten
Hysterischen Hände, und ein Seufzer rief
Das Echo deines Busens wach; das Leuchten
Des matten Auges drang so süß, so tief;
Du rochst so gut, du warst so glatt gekleidet.
Kein Wunder, daß die Männer dich beneidet,
Gehaßt sogar! – da trat der Tod heran. –
Es ist der Tod ein Mann, ein Grobian!
Die Toten überrieselt kalter Schweiß,
Seit du in ihre Reihen bist gestiegen.
»Ach Gott, er ist's!« so flüstert's unten leis;
Ein jeder rückte, etwas fern zu liegen,
Und seinen Nachbar mancher frug:
»Ist einmal sterben denn noch nicht genug?«
*
Ein Sprüchlein, das im Volke lebt,
Scheint wie für dich gemacht zu sein:
Wer andern eine Grube gräbt,
Fällt endlich selbst einmal hinein.
*
Der Tod, das ist ein Sammler, der's versteht,
Wie man im Großen gleich zu Werke geht,
Und was er findet in der weiten Welt,
Hat er in Reihen zierlich hingestellt,
Und Namen, Fundort, Alter und Geschlecht
Fein säuberlich dabei bemerkt, wie recht.
Wie Schade nun, da du die Sammlung zierst,
Daß du dich nicht gehörig konservierst.
*
Zukunftsmusik! Ich will sie euch nicht stören;
Doch eines scheint unbillig mir und hart.
Ihr mögt sie schreiben; aber zwingt zu hören
In Teufels Namen, nicht die Gegenwart!
Bewahrt die Mordspektakelspartituren
Für's derbere Ohr zukünftiger Naturen!
Noch besser wär', ihr nehmt sogleich
Den Wust mit euch in's Himmelreich,
Um sie dann aufzuführen fern
Auf einem einsam öden Stern.
*
Du warst auf dem Klavier
Ein wahres Wundertier.
Es klagten darum die Leute:
Zehn Finger begräbt man heute.
Im Rest' bis auf die Hand
War weder Sinn noch Verstand.
*
Du warst kein Mucker in der Kunst,
Und triebst nicht Firlefanze.
Zwar atmetest du Kneipendunst
Und spieltest auf zum Tanze;
Und doch aus deiner Geige quoll
Ein Strom von Lust so lebensvoll,
So sonnenrein,
Daß dir gewiß die Engelein
Zuriefen dort, die frommen:
»Willkommen! Sei willkommen!«
*
Es ist der Tod ein einfach Thema,
Ein Canto fermo, ernst und klar;
Die Menschen aber variieren
Ihn tausendfach und immerdar.
Doch durch die Schnörkel und Triolen,
Durch Modetriller, Kunstgesang,
Tritt er mit eisenfesten Sohlen
Den ewig vorgeschrieb'nen Gang.
*
Wenn du in Trikothosen und im Gazegewand
Die Beine nach den Logen standst gehoben,
Verlor das Publikum schier den Verstand,
Und das Parterre begann vor Lust zu toben:
»Parole d'honneur! Das Weib ist göttergleich!
In solchen Beinen wohnen schöne Seelen!«
Was aber machst du nun im Himmelreich,
Du schöne Seele, der die Beine fehlen?
*
Hier modert nun das Seelenbein.
Es machte manchem Seelenpein,
Es hat gar manchen arm gemacht,
Und hat auch manchem warm gemacht,
Und manchen Warmen kalt gemacht,
Und manchen Jungen alt gemacht,
Und Alte doch nicht jung gemacht,
Bis es den letzten Sprung gemacht.
*
Gar manchen Band hast du der Welt geschenkt,
An den kein Mensch auf dieser Welt mehr denkt;
Doch einer, ja! vergaß dich nicht – bei Gott! –
Dein Herr Verleger, und der ist bankrott.
Dein Epitaph gabst du zuletzt heraus;
Doch der Verleger Tod ist ein solides Haus.
*
Tröste dich, du Allerärmster!
Sieh, es ist nun einmal so:
Äpfel, so wie deutsche Dichter
Werden reif nur auf dem Stroh.
*
Da haben wir eine der alten Geschichten,
Von denen sie täglich auf's neu berichten.
Sie priesen dich hoch und ließen dich darben,
Der Unsterblichen einen, die Hungers starben;
Und setzen jetzt prunkend auf dein Gebein
Ein Denkmal von glänzendem Marmorstein.
Ach! hätten sie doch nur bei deinem Leben
Für jedes Pfund Stein ein Pfund Brot dir gegeben!
*
Es bringt dein Tod das Weltall in Gefahr.
Es kamen deine Lieder Jahr für Jahr
Des Winters Obmacht zu bezwingen;
Denn kaum vernahm er dein gewöhnlich Singen
Von Lindenblüt und Veilchenduft und Blau,
Von Wonnehauch und lind und lau,
So überlief es kälter noch den Kalten,
Er nahm den Reißaus und war nicht zu halten;
Jetzt aber wird ihn nichts mehr stören.
Du schienst uns zur Ekliptik zu gehören
Wie Sternenschnuppen, wie der Wassermann.
Wer weiß, ob je es Frühling werden kann?
Denn du bist tot und tot sind die Gedichte,
In's alte Chaos löst sich die Geschichte.
*
Du wünschtest wohl in deinem Grabe
Recht still und unbesucht zu ruhn,
Und hattest doch in dir die Gabe
Hierzu das Wirksamste zu tun.
Du mußtest eine eigne Dichtung
Nur schreiben auf den Leichenstein,
Dann würde man nach jeder Richtung
Dem Platze ausgewichen sein.
*
Und so erfuhrst auch du die Kränkung,
Daß man dir letzten Abschied gab;
Du tratest hin zu der Versenkung,
Und sankst hinab in's stille Grab.
Bei diesem Spiel, dem Schluß von allen,
Da ruft dich niemand mit Applaus;
Doch bist du etwa durchgefallen,
Getrost! es zischt dich niemand aus.
*
Du weißt es, wie man lobt und prahlt,
Und möchtest wohl dir selbst die Grabschrift schreiben;
Doch lobst du nur, wenn man dich zahlt,
Und darum läßt du's diesmal lieber bleiben.
*
Der Malerei warst du ergeben
Und auch der Tonkunst sehr beflissen.
Was du nun wirklich warst im Leben,
Ich weiß es nicht und kann's nicht wissen.
Die Sänger sagten: Ja! Zum Malen
Da hatte er ein groß Geschick;
Die Maler aber, die empfahlen
Dein schön Talent für die Musik.
*
Gesündigt hast du viel in Bildern,
Und schwer vergangen dich an Gottes Kreatur.
Du wolltest eine schönre Welt uns schildern,
Und maltest eine Schöpfungskorrektur.
Unmöglich war dir's länger auszuhalten
Hier unter den natürlichen Gestalten;
Du starbst, und suchst nun durch die Himmelsräume
Die dürren Engel deiner blassen Träume.
*
An deinen Bauten war das Beste,
Daß sie nicht lange hielten stand,
Und daß man morgens meist nur Reste
Vom abendlichen Unsinn fand.
Die einen meinten, du gehörtest
In die romantische Kunst hinein,
Weil du dein eigen Werk zerstörtest,
Um in Ruinen groß zu sein;
Die andern glaubten, es geschehe
Das gleiche heute jeden Tag,
Oft komme, wenn ein Werk entstehe,
Der beste Einfall hinten nach.
Kein sich'rer Mittel gibt's auf Erden,
Um nicht lebendig begraben zu werden,
Als wenn du dem Toten die Gruft gebaut;
Die stürzt zusammen, eh' der Morgen graut.
*
Sit tibi terra levis!
Ich denk', das erlangst du gewiß;
Du warst auf zu leichtes Gewicht
Ja längst schon im Leben erpicht.
Sie mußten um ein passend Grab zu graben
Für dich des Raumes doppelt so viel haben;
Und dann als Wunder noch erzählten sie:
Im Maße, als dein Brot sich schmächtig zeigte,
Dein Leib der Fülle Übermaß erreichte.
Jetzt leugne einer noch die Sympathie!
*
In diesem Grabe ruht ein Schneider,
Der nebenbei als Dichter sang;
Doch wurden meist zu kurz die Kleider
Und seine Verse meist zu lang.
*
Du warst der höchstgestellte Mann,
Jetzt liegst du bei den andern tief.
Der Stadt schlugst du die Stunden an,
Bis dich die letzte selber rief.
*
Daß alte Liebe nimmer rostet,
An deinem Grabe wird es klar.
Wie mancher Rücken hat gekostet
Das Holz, das dir das liebste war!
Der Hasel war die Wünschelrute,
Die du nach Geistesschätzen frugst,
Und die voll treuem Glaubensmute
Du stets in strengen Händen trugst.
Jetzt ruhst du aus von deinem Wirken,
Doch bliebst du treu dem alten Brauch;
Nicht unter Eichen, Fichten, Birken,
Du schläfst bei einem Haselstrauch.
*
Mein Gott! Was hat der Mann für einen Stein
Der lieben, guten Frau auf's Grab gesetzt!
Wie muß die Trennung schwer gewesen sein,
Und wie sein Herz zerrissen, ja zerfetzt!
Nur ruhig, ruhig! Was ihr übertreibt!
Er tat es nur, daß sie hübsch unten bleibt.
Sein Liebstes hat der Mann hierher,
Hier hat er seinen Schatz begraben,
Und würde, wenn's gegangen wär,
Vor Jahren schon getan dies haben.
*
Es zeugt von Sitte und von feiner Art,
Wenn man den Damen stets den Vortritt wahrt,
Die Türe öffnet, sich verbeugt, sie dann
Eintreten läßt; es folgt der Mann.
Sieh! Diesen Ton verstand dein Gatte gut,
Und darum hat er eher nicht geruht,
Bis du auch hier die Erste tratest ein;
Er wollte artig und der Letzte sein.
*
Hier liegt die Frau, weit ab der Mann,
Daß keins das andre sehen kann.
Wer Ruhe auf dem Kirchhof will,
Der sag ihr nichts! Der schweige still!
*
Du hieltest deinen Schnabel nie im Zügel,
Und deine scharfe Zunge war nicht faul.
Es wächst auf deinem stillen Grabeshügel
Symbolisch jetzt das Löwenmaul.
*
Du armes Kind! Du starbst an Liebesschmerzen;
Es war dein dreißigster Roman.
Wie grüne Weiden zäh sind junge Herzen,
Die alten knicken wie ein dürrer Span.
*
Nachdem sie dich haben
Hier unten begraben,
Müssen oben auf Erden
Zwei Dinge billiger werden:
Ein guter Kaffee und ein guter Namen.
Schlaf weiter in Frieden! Amen! Amen!
*
Dein Neffe hätte dir dem lieben
Herrn Onkel gern auf's Grab geschrieben:
»Was ist der Mensch ein töricht Kind,
Den Tod zu scheuen, der doch jeden faßt!
Es stirbt sich, wenn es sein muß, so geschwind;
Die leben bleiben, tragen schwere Last.
Die Qual des Schmerzes ist so klein den Sterbenden,
Die Qual des Wartens, ach! so groß den Erbenden.«
*
Die Seele ist ein Staatspapier,
Der Leib erscheint als der Kupon;
Da kommt Kassierer Tod zu ihr,
Und löst den Kupon ab davon.
Der wird zum Wechseln eingereicht,
Die Kasse Erde nimmt ihn auf;
Doch das Papier, das steigt und steigt,
Bis in den Himmel geht der Lauf.
Nun, toter Mann, wer sagt es mir,
Wie's an der Himmelsbörse geht?
Ich fürchte sehr, daß dein Papier
Dort weit noch unter Pari steht.
*
Man konnte eure Aktien kaum bezahlen,
Die höchste Dividende war bereit.
Ihr wolltet Sommersonnenstrahlen
Einmachen für die kalte Winterzeit.
Was waren da Prozente zu erlangen!
Promessen kaufte man um jeden Preis,
Und alles wäre trefflich auch gegangen,
Wär' nur das Zeug geblieben etwas heiß.
So aber ging dein Geld dabei verloren,
Das war das einzige, was wirklich ging.
Und eines Morgens fand man dich erfroren,
Erfroren dich, der Sonnenstrahlen fing.
*
Das Leben und den Todesfall, zu Wasser und zu Land,
Die Menschen und das Vieh im Stall, bei Hagelschlag und Brand,
Versichert habt ihr alles, was sich nur versichern ließ,
Bis auf die ewige Seligkeit und auf das Paradies.
Doch da du jetzt gestorben bist, wer weiß? da macht sich's schon;
Es gibt der Gott im Himmel euch auch dort die Konzession.
Die Engel kaufen Aktien sich im ganzen Firmament,
Sankt Lazarus, der rechte Mann, wird himmlischer Agent.
*
Wie ärgerlich, daß nur um Mitternacht
Die Geisterschar in ihrem Grab erwacht,
Und auf der Erde wandern geht!
Ja! wenn's die zwölfte Stunde mittags wär',
Geschlichen kämst du sicherlich dann her,
Zu sehen, wie es mit den Kursen steht;
Zur Börsenstunde wärst du stets erschienen;
Selbst als Gespenst läßt sich da was verdienen.
Börsenstund hat Gold im Mund,
Aber ist sehr ungesund;
Und vorab der Ultimo
Bringet manchen auf das Stroh.
*
Jetzt endlich hast du, was du erstrebtest,
So lange du lebtest.
Du brauchst nicht Schuster, nicht Schneider,
Kein Holz, kein Licht, keine Kleider,
Nicht Speise, nicht Trank,
Keinen Arzt, wenn du krank.
Eins nur war leider nicht umsonst zu haben:
Du hättest so gern noch dich selbst begraben!
*
Du schriebst auf deinen Leichenstein,
Es solle hier der Ruhplatz sein
Für dich und deine Erben.
Ob du nun ruhst, was fragt ihr mich?
Doch deine Erben fanden sich
Beruhigt durch dein Sterben.
*
Dies Grabmal hier ist weit und breit
Das Denkmal größter Dankbarkeit;
Und nichts ist wohl auf Erden hier
So dankbar als ein Stück Papier.
Aus Lumpen wird Papier gemacht
Und aus Papier dann Geld,
Und dieses Geld hat über Nacht
Dich armen Lumpen reich gemacht,
Und glänzend hoch gestellt.
So gehen die Lumpen Hand in Hand,
Und Dankbarkeit wird anerkannt.
*
Verrücktes Zeug! Ein Kreuz auf deinem Grab,
Der keinen Kreuzer je den Armen gab!
Die Inschrift schwatzt von allen Seligkeiten,
Von Himmelshoffnung und von Engelgruß.
Du zuckst die Achseln bei den Albernheiten.
Ich weiß für dich was, das hätt' Hand und Fuß:
»Verehrten Freunden, Nachbarn und Verwandten,
Die etwa mich zu Hause nicht mehr fanden,
Will ich hiermit es angemeldet haben,
Daß ich gestorben bin und hier begraben;
Doch deshalb möge niemand etwa meinen,
Daß das Geschäft sei unterbrochen worden;
Wir führen Javakaffee, guten reinen,
Melis und Kandis in diversen Sorten,
Sowie auch Tafelfeigen und Rosinen,
Dürrobst und Mandeln, Zimmt und Apfelsinen,
Streichfeuerzeuge; Punsch- und Maiessenz
Hab für den Platz ich in Vertrieb genommen.
Zigarren ausgezeichneter Kreszenz
Sind eben auf dem Lager angekommen,
Als Extramuros, Duros, Stincadores,
Casernas, los Amigos inodores.
Indem ich mich für alle diese Dinge
Den alten Kunden in Erinnerung bringe,
Wollt' ich zugleich geziemendst nicht verfehlen,
Der neuen Nachbarschaft mich zu empfehlen.
Kirchhof und Marktplatz,
Nummer hundert drei,
Seeligmann und Compagnie,
In Öl und Spezerei.
*
Es wirkt die Quelle Homburgs doch sehr stark
Abführend und eröffnend bis in's Mark.
Dich führte sie nun gar in's Jenseits ab,
Und öffnete gewaltsam dir das Grab.
Wiesbaden half dir von der Gicht,
Du starbst an der Roulette.
Hätt' jenes dir geholfen nicht,
so lägst du noch zu Bette.
Bad Nauheim mit seinem Sprudel,
Oft heilt der Ausschlag hier.
Bad Nauheim mit seinem Strudel,
Es gab den Ausschlag dir.
Das kleine liebe Wilhelmsbad!
Ein Bad, das keine Bäder hat,
Wie sieht sich's harmlos an!
Das ist ein stiller grüner Platz,
Ein halber Gulden nur der Satz,
Und liefert seinen Mann.
Den deutschen Patrioten
Ist Schwarz-Rot-Gold verboten;
Doch sterben dürft ihr, soviel ihr wollt,
Für rouge et noir und für euer Gold.
*
Auf deinem Grab steht eine Urne da.
Was soll der Topf aus Marmor dir und leer?
Ja, wenn darin ein paté aux foies gras,
Ein vol au vent, ein poulet roti wär,
Du würdest mitternachts herauf dich wagen,
Um solchen Schatz an sichern Ort zu tragen.
*
Er starb bei einem Mittagsmahl,
Als man die besten Bissen kaute,
Und in ihm trug man aus dem Saal
Manch Leckerstückchen, manches unverdaute.
Hier liegt der Leib, ein fein Gericht,
An dem gemeine Würmer nagen.
Die Seel'? Nein! die verließ ihn nicht,
Die weint betrübt auf dem verlass'nen Magen.
*
Es lösen manche Stoffe sich in Wasser
Und andre lösen sich in Weingeist nur;
Du nun gehörtest in die zweite Klasse,
Es war nun einmal chemische Natur.
Du trankst und trankst zu allen Stunden,
Bis man dich gänzlich aufgelöst gefunden.
*
Unsterblichkeit! O Wahn! Hier unten haben
Sie Leib und Geist verscharrt von dir.
Es liegt ein ganzer Keller hier begraben;
Der Geist des halben Rheingau's schlummert hier.
*
Sobald nur deine Zunge Wein geschmeckt,
War auch die Redelust in ihr geweckt,
Und unter zwölf Toasten brachtest du
Die einmal aufgeregte nie zur Ruh':
Gesundheit auf Gesundheit! Schlag auf Schlag!
Es hätt' gereicht bis zu dem jüngsten Tag.
Man sieht es wohl, du warst kein Egoist,
Da du trotz all dem selbst gestorben bist.
*
Du hattest nichts zu tun dein Leben lang,
Und stöhntest immer in Geschäftigkeit;
Du warst ein Virtuos im Müßiggang,
Und hattest stets zu allem keine Zeit.
So wundr' ich mich, wie du die freien Stunden
Zum Sterben wirklich doch zuletzt gefunden.
*
Entschlafen bist du; – und wohl recht gemach.
Im Leben warst du nie vollkommen wach.
*
Dir kam das Sterben sauer an.
Es war dein Geld zwar längst vertan;
Doch hätte dein Kredit vielleicht
Vier Wochen weiter noch gereicht.
*
Du warst ein feiner Diplomat;
Dir galt das Wort mehr als die Tat,
Und auch das Wort war dir nur eigen
Zum Reden nicht, nur zum Verschweigen.
Früg einer jetzt dich: Herr Baron,
Sie faulen wohl dort unten schon?
Du sagtest wohl: der Leib, die Exzellenz,
Hat bei der Majestät geheime Audienz;
Der Königin Mutter Erde, die ihn rief,
Gibt er soeben sein Akkreditiv.
*
Du findest solchen Kirchhof sehr gemein
Und ganz und gar nicht comme il faut;
Krethi und Plethi kommt herein,
Schuster und Schneider und Herr So und So.
Jawohl, so ist es! Leider, das gesteh' ich,
Das Bürgerpack ist wirklich kirchhoffähig.
*
Sie schrieben dir auf diesen Stein
Geburts- und Sterbetag;
Das andre soll verschwiegen sein,
Was zwischen beiden lag.
*
Sie schrieben hier auf deinen Stein
Mit großen Lettern deutlich ein,
Mit was für hohen Ritterorden
Du einst begnadet warst geworden.
Da nun kein Mensch bis jetzt entdeckt,
Wo dein Verdienst dazu gesteckt,
So wäre treffender gewesen,
Man könnt' auf deinem Grabe lesen:
Was hier liegt, das hat einst im Leben
Einen wandelnden Erker abgegeben,
Ein Schaufenster in Fleisch und Bein
Für Gold, Silber und Edelstein.
Es ging hier unter eine ganze Schar
Von Sternen aller Klassen;
Doch wird darum im Himmelsinventar
Kein einziger sich missen lassen.
Und dies berechtigt wohl zum Schluß, es sei
Gewesen nichts, als Sternenschnupperei.
*
Hier ruht Herr Ochs. Doch nein! der Herr Baron
Von Ochs! Vergeßt mir nicht das Wörtchen »von«!
Er war ein Ochs im Bürgerstand,
Und ist jetzt ein geadelt Blut.
Je nun! Ein Ochs gehört auf's Land,
Aufs Bauern- oder Rittergut.
Und wirklich sollt' es niemanden verdrießen,
Wenn sich die Ochsen alle adeln ließen.
*
Ein großes Tier in unserm kleinen Staat
War dieser »Wirkliche Geheime Rat«.
So etwas stirbt nicht. Merkt es euch und wißt,
Daß er jetzt wirklicher geheimer Unrat ist.
*
Du warst ein Mann in Amt und Würden
Just wie der Esel in der Mühl',
Nur trugst du nicht so schwere Bürden,
Und hattest weit mehr Selbstgefühl.
Nur einmal warst du tiefverständig,
Du starbst und gingst zur ewigen Ruh'.
Es staunte alle Welt unbändig,
Man hielt dich für zu dumm dazu.
Von Toten wird gar oft gelogen,
Ich finde dies recht ungezogen;
Jedoch die gröbste Lüge, die ich je vernommen,
Ist über dich mir zu Gehör gekommen.
Es sagte einer frech und dreist,
Und einer, der dich kannte gut im Leben,
Du hättest eben deinen Geist,
Den Geist, bedenke! hätt'st du aufgegeben.
*
Daß deine Seele auf der Wandrung war,
Ist jedem, der dich kannte, sonnenklar,
Denn zwischen Ochs und Esel mitten drein
Schien sie auf ihrer Pilgerfahrt zu sein.
Nur ob der Ochs hier im Perfectum stand,
Ob sich im Esel das Futurum fand,
Ob umgekehrt der Weg ging zwischen beiden,
Das freilich schien mir schwer zu unterscheiden.
*
Hier liegt ein sehr gewichtiger Mann aus unserer Stadt,
Der an dreihundert Pfund gewogen hat;
Es war sein Einfluß unbestritten groß,
Da er zehn Flaschen täglich in sich goß.
*
Dem einen kommt mit seinem Amt Verstand,
Der andere wird mit seinem Amt ein Flegel.
Das ist schon wahr; jedoch ist's weltbekannt,
Ausnahmen hat die allerbeste Regel.
So warst und bliebst auch du von Anfang an
Nach wie zuvor ein dummer Grobian.
Die haute volée wird dich aus ihren Kreisen
Im Himmel in die Kutscherstube weisen.
*
Du warst des Landes rüstiger Vertreter,
Und hattest einen derben guten Tritt;
Und galt's zu treten, nun da wüßt' ein jeder:
Das ist der Mann, der tritt auf alles mit!
So hast du wohl die Grabschrift dir erworben:
Es liegt ein Volksvertreter hier gestorben.
*
Hier liegt ein reicher Mann aus dieser Stadt,
Der weit den schönsten Stall besessen hat,
Der beste Wagenlenker wohl im Land,
Der sich auf weiter freilich nichts verstand.
Verkehrtes Los so vieler hier auf Erden!
Sein eigner Kutscher hätt' er sollen werden.
*
Zu was auf deinem Grab der große Stein!
Es sei denn, um darauf zu schreiben,
Was alles das für Taten mochten sein,
Die du getan? – Nein! – die du ließest bleiben.
*
Wenn du die Grabschrift für dein gutes Geld
Bei einem Dichter eigens dir bestellt,
Er hätte, ohne viel zu übertreiben,
Sie etwa also können schreiben:
»O Wandrer, steh' und wein' an diesem Hügel!
Hier ist ein Schatz, ein wahrer Tugendspiegel,
Hier ist ein Mann, wie wenige, begraben,
Ein Mann im Glanz der schönsten Geistesgaben,
Ein Licht des Wissens und ein Stern der Tage,
Der Armen Vater, Tröster jeder Klage,
Das Muster eines Bürgers liegt allda,
Et cetera, et cetera!
Mehr kann ich nicht zu dem Gesagten fügen;
– Für zwanzig Taler kann man mehr nicht lügen.«
*
Du zogst als ein versättigt Herz hinaus,
Und sahst die Welt von einem End' zum andern;
Langweilig war dir alles wie zu Haus,
Und gähnend kamst du heim und müd' vom Wandern.
Jetzt bist du tot! Und früg' ich dich: Wie nun?
So würdest du mir gähnend Antwort geben:
Eins wie das andre! Was ist da zu tun?
Langweil' im Tod, und Langeweil' im Leben!
*
Es war der Sommer dir nicht heiß genug,
Und winters war der Schnee nicht weiß genug,
Das Wasser schien dir nicht gehörig naß,
Der Mond nicht groß genug und viel zu blaß,
Der Tag zu blau, die Nacht zu schwarz getuscht,
Kurzum, die Wirtschaft ganz total verpfuscht.
Wie schade, daß dich Gott beim Bau der Welt
Als Schöpfungsrat nicht einst hat angestellt!
Jetzt bist du dort und kannst ihm alles sagen:
Er merkt sich's schon für neue Weltauflagen.
*
Hier liegen zwei, die sich als Nachbarn fanden,
Obgleich im Leben sie sich nie verstanden.
Der Alte meinte, alles würde stürzen,
Dem Jungen ging die Welt nicht rasch genug;
Der Alte wollte ihr die Zügel kürzen,
Der Junge rief nach Vorspann für den Zug.
Ich wüßte, wie man so was arrangierte:
Abwechselnd müßte einer zieh'n die Welt,
Dieweil der andre sie vom Bock kutschierte,
So wär' das Ding in's rechte Gleis gestellt.
*
Auf schiefen Beinen leider
Gingst du im Leben zwar;
Doch war dein Sinn so heiter,
Dein Herz so grad und wahr.
Jetzt wirst du voll des Dankes
Und voll des Lobes sein
Im Himmel als ein schlankes
Und schmuckes Engelein.
Dein Nachbar kam gezogen
Schlank her, im Modeputz;
Doch war das Herz verlogen,
Verdreht und wenig nutz.
Jetzt muß er – so will's scheinen –
Mit dünnen Flügeln steh'n,
Und ewig auf den Beinen,
Die dir gehörten, geh'n.
*
Du hocktest wohl ein Lebenlang
In dumpfig engem Zimmer;
Vor frischem Lufthauch war dir bang
Und bang vor Sonnenschimmer.
Du nagtest wie ein Wurm dich ein
In Bücher und in Schriften;
Und jetzt wirst selbst ein Buch du sein,
Um Würmer zu vergiften.
*
Du krochst durch alle Rumpelkammern,
Und suchtest da nach altem Schund.
Du starbst, auch ohne viel zu jammern,
Du rechnetest auf besten Fund.
Den Flammberg hoffst du aufzuspüren
In einer Himmelseck', verkannt,
Mit dem der Engel vor den Türen
Des Paradieses Schildwacht stand.
*
Ein Freund von Autographen freut sich
Vor allem auf sein selig Sterben;
Im Himmel erst da oben beut sich
Gelegenheit, was zu erwerben.
Er sucht von Kekrops, jenem Alten,
Ein Schreibe-ABC-Buch zu erhalten;
Vielleicht sogar gibt Gott dem frommen Sohn
Von seinen zehn Geboten den Brouillon.
*
Es ist ein pudelnärrisch Treiben,
Was diese Philosophen tun und schreiben.
Du lehrtest souveräne Weltverachtung
Und satten Menschenekel, Lebenshaß,
Und trankst dabei in stoischer Betrachtung
Den besten Wein stets aus dem besten Faß;
Du wußtest stets an wohlbesetzten Tischen
Die feinsten Bröcklein dir herauszufischen. –
Jetzt wo die guten Bissen hier geblieben,
Wärst du imstande wohl, das Menschenvolk zu lieben.
*
Du warst ein modischer Nekromant,
Der sich aufs Tischedreh'n verstand,
Der durch den Psychographen schrieb,
Und die Geister zum Klopfen und Schwatzen trieb.
Schlecht mag's deinem Geiste ergangen sein,
Als er da oben trat herein;
Die Klopfgeister wurden ganz ungezügelt
Und haben aus Rache dich durchgeprügelt.
*
Stumm liegt allhier im tiefen Grund
Ein Mann, der sich verstand auf vierzehn Sprachen;
Und dennoch wußte ein so fixer Mund
Im Leben nie ein kluges Wort zu sagen.
*
Es rauschen über dir die grünen Zweige,
Ein Summen geht durch's Gras, durch's halmenreiche;
Die Blüten haben sich was zuzunicken,
Zu lauschen und verwundert herzublicken.
Wie sie sich flüsternd in die Ohren raunen!
Und die es hören, hören's mit Erstaunen:
»Da unten liegt er! Hört ihr? Liegt begraben,
Den wir so oft im Feld gesehen haben,
Der lange Mann mit seinen langen Beinen.
Bald rauft' er hier, bald dort der unsern einen,
Beschaute scharf ihn, steckte den Erfaßten
Zuletzt in einen grünen Rappelkasten,
Den er beständig auf dem Rücken trug.
Es war der Mann gewiß im Kopf nicht klug.
Er brummte oft, er wolle uns schon fassen,
Wir alle müßten in's System ihm passen.
Und denkt nur, zwischen großen weißen Bogen
Hielt er getrocknet uns und aufgezogen;
So sei erst alles in der Ordnung recht,
Hier außen aber kunterbunt und schlecht.«
Hi! Hi! – Ha! Ha! Hört man es ringsum kichern.
»So ist's wahrhaftig! Ich kann's euch versichern«,
Versetzte nun der bittere Löwenzahn;
»Doch hört, wie's ihm ergangen, weiter an!
Als man solch' tolles Tun bei ihm entdeckt,
Hat man in einen Kasten ihn gesteckt,
Ihn selbst in einen Kasten schwarz und lang,
Und hat ihn mit Gebet nun und Gesang
Hier tief hinab in diesen Grund gelassen.
So muß er selbst in das System jetzt passen.« –
Und flüsternd rauscht es fort in Blatt und Zweigen,
Und summend weht's im Gras, im halmenreichen.
*
Das Aug', das stets geleuchtet hat
In hellen Freudenfunken,
Es blickt gebrochen, todesmatt;
Es liegt die Hand gesunken.
Die Hand, die keck und meisterlich
Zum Tanz den Bogen führte,
Und, wenn sie muntre Weisen strich,
Nie Müdigkeit verspürte.
Jetzt läßt die Hand das Geigen sein,
Jetzt läßt der Mann das Scherzen.
Ihm fallen keine Tänze ein,
Ihm sitzt der Tod am Herzen.
Da blickt der Alte plötzlich frei,
Sitzt frei auf seinem Bette;
Er winkt den Knaben sich herbei
Und deutet nach dem Brette.
»Mein Junge, komm', du sollst mir doch
Die Fidel einmal reichen;
Zum letzten Tanz will ich mir noch
Das schönste Liedlein streichen.
Das stände schlecht mir zu Gesicht,
So jämmerlich zu sterben!
Ein Stündlein Todes soll mir nicht
Den Lebenslauf verderben.«
Er nimmt die Geige. Horch! wie laut
Es lachen und jauchzen die Noten,
Als wär's um Bräutigam und Braut
Und nicht um einen Toten.
»Nie sprach ich: Herr laß dein Gesicht
Bald schaun mich Knecht, mich Frommen;
Doch ängstet mich das Stündlein nicht,
Da es herbei gekommen.
Wie ich gelebt mein Leben lang,
Will ich zum Himmel gehen.
Mein Herrgott freut sich am Gesang,
Er wird mich schon verstehen.
Ich habe treulich allezeit
Viel schöne Lust gespendet.
So fing ich's an in Fröhlichkeit,
So sei es auch geendet!
Die Geige gebt mir mit in's Grab,
Mit Saiten gut bezogen,
Daß ich mein Liebstes bei mir hab',
Und auch den Fidelbogen.
Begrabt mich an dem Lindenbaum,
Wo sie den Reigen schlingen;
Die junge Lust soll wie ein Traum
Hinab zum Alten dringen.
Doch kommt des Weges je fürbaß
Ein grämlich arger Schlucker,
Und gar gesenkten Hauptes, blaß,
Ein frommer Heuchelmucker,
Dann fahr' ich mit dem Bogen d'rein;
Die sollen mich schon spüren,
Weil sie im frischen Sonnenschein
Solch dunkel Leben führen!
So ist's genug! Der Leib soll ruh'n,
Ihm frommt ein Schlaf, ein fester;
Die Seele nimmt mein Herrgott nun
In's himmlische Orchester.«
Er sinkt; es schweigt der Geige Klang. –
Jetzt schläft er an der Linde,
Und über ihm ist Vogelsang
Und lust'ges Spiel der Winde.
Doch finden auf der Straße sich
Scheelsüchtige Lustvergifter,
Mit seinem Bogen sicherlich
Die Muckerbeine trifft er.
Sie stolpern hin und stolpern her,
Und krächzen wie die Raben:
»Verflucht! Es scheint, als ob hier wär'
Ein Musikant begraben!«
*
Das eine Grab in Marmor stolz geschmückt,
Das andere leer, dem Boden gleich gedrückt;
Auch hier noch auf der Erde arm und reich;
Drei Spatenstiche tiefer, alles gleich.
*
Von all den vielen Hunderten,
Die, Schönste, dich bewunderten,
War nur ein einziger wahr.
Es kam, es ging, es freute sich,
Es scherzte, es zerstreute sich
Die bunte Freierschar.
Der Rechte hielt umfangen dich,
Daß dir das Rot der Wangen blich;
Es löste sich dein Haar;
Dein Auge blickt ihn brechend an,
Da nickt er dich wie sprechend an:
Mein bist du immerdar!
*
Es hat der Mond die helle Silberpracht
Weit auf den Friedensgarten ausgegossen;
Mit ihren Mutterarmen hält die Nacht
Lebendiges und Totes sanft umschlossen.
Lautlose Stille! Einzig hör' ich hier
Des eignen Atems leisen Hauch verwehen.
Die dichtgedrängten Reihen konnt' ich mir
Der Schlummerhügel träumend übersehen.
Wohl stolze Marmorbilder ragten dort
Besät mit Sprüchen, frommen, lobesreichen;
Doch nicht den Toten schien so Bild, als Wort,
Es schien den Lebenden ein Ehrenzeichen.
Ein einfach Grab vom Pfade seitwärts lag,
Der Blumen Schmuck im Glanz des Mondenscheines,
Umschlossen sorglich hielt's ein grüner Hag,
»Maria« war die ganze Schrift des Steines.
Und wie mich so der stille Platz erfreut,
Da glaubt' ich Schritte, die sich nah'n, zu hören.
Wer ist's, der nachts die Totenflur nicht scheut?
Wer will mir diese Friedensstunde stören?
Ich seh' ein Weib, gebeugt, in dunkler Tracht,
An dem Mariengrabe dort erscheinen.
Am Hügel kniet sie nieder; durch die Nacht
Hör' ich ein heißes bitterliches Weinen.
Ich fühl's, wie ein Gebet sich leis und lind
Von ihren Lippen auf zum Himmel schwinget,
Und mitten durch den Ruf: Mein Kind! Mein Kind!
So schmerzvoll, daß es tief die Brust durchdringet.
Sie hat sich ausgeweint, steht auf und geht,
Um Nacht für Nacht dies Opfer zu erneuen,
Um sehnsuchtsvoll in liebendem Gebet
Den Perlenschmuck der Tränen hinzustreuen.
Mit zager Hand nun eine Rose dort
Leg' ich aufs Grab, ein frommes Andachtszeichen.
O Mutterherz! Du sprachst das rechte Wort;
Die Marmorbilder blicken kalt und schweigen.
*
Man brachte dich mit Trauerflören
In schwarzbehängtem Totenschrein,
Und senkte unter Schmerzeschören
Dich in den Schoß der Erde ein.
Dir aber war solch Wehgebaren
Recht widerlich dein Leben lang;
Wie deine Tage fröhlich waren,
So war dein Abend Sang und Klang.
Viel besser weiß es Mutter Erde,
Was ihren heitern Sohn erfreut,
Und sie, die stets dich Freude lehrte,
Hat rasch den hellen Schmuck erneut.
Sie flocht um deine Ruhestätte
Den frischen Rasen dicht und grün,
Und ließ um ihres Zöglings Bette
Der Blumen duftigen Reigen blühn.
Und aus den Zweigen schmetternd bricht es
Hervor der Vögel Jubellied,
Dieweil der Strom des Morgenlichtes
Durch Blütenpracht und Tauglanz zieht.
Und sollt' ich alles dieses deuten,
So schrieb ich hier mit Blumen ein:
Es schuf der Herr die Welt voll Freuden,
Die Schmerzen trägt der Mensch hinein.
*
Die Philosophen und die Humoristen,
Sie treiben alle eitle Theorie.
Im Predigen, da sind wir gute Christen;
Wie aber steht es mit der Praxis? wie?
So tanzt auch dir die Zunge keck im Munde,
Wenn du an fremden Gräbern Reden hältst;
Doch zeigen wird sich's in der letzten Stunde
Ob du nicht schmählich durch's Examen fällst.
Du scheinst mir weniger ein scharfer Dichter
Als ein Scharfrichter,
Weniger ein Totenbeleber
Als ein Totengräber,
Weniger ein Pfeilbringer
Als ein Seilspringer,
Weniger ein Blitzträger
Als ein Witzjäger;
Denn du predigtest unschuldigen
Und geduldigen
Gestorbenen, die sich nicht wehren,
Deine weisen Lehren,
Die ihnen nicht mehr not sind.
Woher wißt ihr denn, daß die Leute tot sind?
*
Und die, die nun gelesen haben
Dies Büchlein bis zu diesem Schluß,
Die fühlen sich wohl wie begraben
In Langweil' und in Überdruß.
Mir ist es leid, doch mein die Schuld nicht;
Ich habe mir dies gleich gedacht.
Ich selber hätte die Geduld nicht,
Und hätt' das Buch längst zugemacht.
Da waren andere weidlich klüger;
Die haben kaum hineingeblickt,
Da wirkt das Chloroform der Bücher;
Sie sind behaglich eingenickt;
Sie träumen wohl viel fein're Sachen,
Und feilen spitziger das Wort;
Doch leider sind, wenn sie erwachen,
Die abgeschoss'nen Pfeile fort.
*
Für jedes Grab ein Kerzenlicht!
So will's der Aller-Seelen-Tag;
Doch klagen dürft ihr dann auch nicht,
Wenn's heller wird, als mancher mag.
Für jedes Grab ein Blumenstrauß.
Ein frommer Brauch voll Liebeshuld.
Doch sticht nun wo ein Dorn heraus,
Ertragt's! Es ist nicht meine Schuld.