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1. Tag.
Benoa, 19.11.1989 (Sonntag)
Das Schwierigste beim Einhandsegeln ist das Ankerlichten. Eigentlich wollte ich am Freitag, den 17. November auf den großen Trip nach Darwin in Australien gehen. Donnerstag waren schon alle Lebensmittel eingekauft, aber es scheiterte schon beim Ausklarieren.
3 Kisten Becks Bier (alle am 27.11.) 1 Kiste Tonic 2 Flaschen Gin 0.7 l 3 Dosen Corned Beef 340g 4 Dosen Corned Beef 270g 9 Dosen Thunfisch 185g 9 Tüten Indomie 9 Dosen Erdnüsse 100g 2 Dosen Luncheon Meat 400g 1 Dose Sardinen in Tomatensauce 425g 1 Dose Sardinen in Tomatensauce 155g 2 Dosen Leberwurst 200g (aus Botschaftsbestellung) 4 Flaschen Kecap Manis 140ml 13 Pakete Indomilk je 250ml 5 Dosen Gemüse 225g 2 Dosen Linseneintopf 800g 3 Dosen Erbseneintopf 800g 1 Dose Weinkraut 800g 1 Dose Röschti 430g 1 Dose Bambussprossen 300g 1 Dose Maiskörner 425g 1 Dosen grüne Bohnen 400g 2 Dosen Erbsen 400g 2 Dosen Tomatenmark 6oz 2 Backpulver 110g 2 Glas saure Gurken 400g (alle am 26.11) 3 Dosen Santen 250g 2 Pineapple juice 565g 4 Dosen Kondensmilch 400g 2 Glas Senf 255g 40 Maggiwürfel 4 Pakete Spaghetti 225g 2 Pakete Makkaroni 225g 3 Pakete Hörnchennudeln 225g 4 Dosen Bauernbrot 250g 3 Flaschen Kochöl 600ml 1 Dose Rotkohl 680g 450g Milchpulver 2 Flaschen Kecap Asin 140ml |
3 Flaschen Sambal 140ml 1 Sari 350g (Pulver für Orangensaft) 1 Herb candy 250g 1 chocolate wafers 600g 1 Flasche Essigessenz 600ml 2 Dosen Schiffszwieback je 1000g 3 Flaschen Essigessenz 150ml 3 Pfund Kaffee 1 Glas Nescafe 200g 3 Glas Mayonnaise 180ml 4 kg Reis 1 kg Zucker 2 kg Mehl 500g rote Bohnen, getrocknet 500g Mungobohnen, getrocknet 500g Pferdebohnen, getrocknet
An Gemüse: 5 kg Kartoffeln 2 kg Zwiebeln 2 kg Tomaten 1 kg kleine Zwiebeln 1 kg Stangenbohnen (sind schnell schlecht geworden) 2 kg Mango 2 kg Zitronen, (1 kg schlecht geworden) 1 kg Äpfel 1 Hand Bananen (wurde viel zu schnell reif) 1 Weißkohl 1 kg Möhren (verfaulen sehr schnell) 1 kg Rettich 1 Büschel Zitronengras (vertrocknet schnell) 2 Chinakohl 4 Ananas 200 g Ingwer
2 Toastbrote (eins verschimmelte vor dem Essen) 2 Baguettes 250g Aufschnitt 0.5 kg Filet 15 Eier |
Die Reihenfolge beim Ausklarieren ist: Immigration, Quarantine, Customs, Navy und dann zum Harbour Master. Der Typ vom Immigration ließ sich den ganzen Tag nicht im Büro sehen. Ich bin extra noch mit dem gecharterten Bemo Moped mit Fahrgastkabine vom Markt in Denpasar Hauptstadt von Bali auf dem Rückweg beim zentralen Immigration Office im Ortsteil Renon vorbeigefahren. Also wird die Abfahrt doch erst am Freitag sein. Am Freitag war natürlich wieder keiner im Büro (Tag des Gebets für die Muslime). Da bis Donnerstag meine beiden Tischler an Bord waren, wird jetzt erst einmal Klarschiff gemacht, soweit das bei dem vielen Schleifstaub und den Sägespänen überhaupt noch geht. Das Schiff war gegen Abend tatsächlich reisefertig.
Zum Sundowner kamen Elke und ihr neuer Freund an Bord (ich war der alte Freund). Wir verabredeten uns zum Abendessen in Legian. Die beiden fahren mit dem Auto vorweg, ich mit meinem Motorrad hinterher. Als ich bei der Immigration vorbeifahre, sehe ich Licht im Büro. Also zurück zum Schiff, es werden Paß und Papiere geholt. Die ganze Prozedur hat dann zwei Stunden gedauert (allein das Anfertigen von Kopien vom Kaufvertrag des Schiffes hat eine Stunde gedauert). Ich nehme Paolo von der Segelyacht »Tenera Luna« auf dem Sozius mit. Kurz vor dem Ortseingang von Kuta bemerken wir den Platten am Hinterrad. Ich stelle das Motorrad so ab, da Ketut nicht im Losmen ist. Ein letztes Mal sitze ich in Made Restaurant, dann geht es zurück zum Hafen von Benoa. Für die anderen Verabredungen ist es sowieso schon zu spät.
Am Samstag werden dann endgültig alle Dinge an Bord verstaut. Es bleibt sogar noch Platz in einigen der neu gebauten Schrankfächer. Auch einige verschließbare Plastikkästen bleiben leer. Das bestellte Eis ist nicht gekommen. Na ja, dann fahre ich erst am Sonntag ab. Ohne gekühlte Getränke für die ersten Tage möchte ich lieber nicht starten. Abends besuche ich ein letztes Mal Hans und Brigitte auf der »Perintis«. Wir treffen unsere Verabredungen für die Funkverbindung während der Segeltour.
Am Sonntag hat Pak »Yari« das Eis vergessen, ich muß also noch ein wenig warten und dann geht es tatsächlich los. Von allen Bekannten ist Abschied genommen. Karin und Nuraka haben mir den lange vermißten Garuda geschenkt – und eine Flasche lokalen Whisky.
Ein leerer Ölbehälter wird an die Mooring Leine gebunden, der Anker ist schon lange im Bugbereich verstaut. Ich habe das Großsegel schon vor dem Lösen der Mooringleine gesetzt, immer in der Angst, daß der Motor zu schnell überhitzt. Das passiert natürlich auch schon vor der Tonne 2, also knapp innerhalb der Riffeinfahrt des Hafens von Benoa. Es weht nur wenig Wind, doch ich kann mich freisegeln. Mein letztes Funkgespräch auf Kanal 12 führe ich mit Christa vom Bali Yacht Club, mit Echo Lima (»Electric Lamb«) und deutschen Gästen auf dem Charterschiff »Pendekar Bali«.
Dann bin ich allein in der Lombok-Straße. Heute sind Wind und Strömung gnädig, ich komme gut voran. Im März bin ich mit Britta drei Tage lang in dieser verrückten Straße gesegelt um eine Distanz von vielleicht 70 Seemeilen zurückzulegen.
2. Tag.
Montag, 21.11.
Morgens um 10.30 bin ich in der Bucht von Tembobor im Nordwesten von Lombok. Gili Air ist gerade noch zu sehen und der Gunung Agung von Bali erhebt sich im Hintergrund der Insel.
Soll ich mich Schlafen legen oder das Unterwasserschiff säubern? Das wollte ich nicht im verschmutzten Hafenbecken von Benoa machen sondern erst zu Beginn der Reise in klarerem Wasser. Also mit Wurzelbürste und Taucherbrille ab ins Wasser. Danach schlafe ich bis zum ersten Funkkontakt nach Deutschland. Das zweite Funkgespräch mit Hans von der Perintis habe ich dann glatt verschlafen. In der Nacht kommt starker Wind aus Südwest auf, aber der Anker hält. Wie gut, daß ich ihn noch habe überholen lassen. Das Gelenk ist jetzt wieder frei beweglich.
3. Tag.
Dienstag, 21.11.
Das Ankerwerfen unter Segeln hat gestern gut geklappt. Die Maschine stand aber für den Notfall einsatzbereit. Also sollte auch das Ankerbergen unter Segeln einhand möglich sein. Erst wird das Großsegel gesetzt, damit der Bug in den Wind geht. Ich ankere in 14 bis 15 Metern Wassertiefe, es ist kaum Wind. So bleibt genug Zeit den Kurs von den Korallen weg zu nehmen, wenn der Anker freikommt. Es klappt so gut als hätte ich mein Leben lang nichts anderes gemacht als einhand mein Schiff zu fahren. Ich mache zwei Fotos um die Bucht zu dokumentieren. Mir schwebt immer noch ein Buch über Fahrtensegeln in Indonesien vor.
Ich bin noch nicht ganz aus der Bucht heraus, da setzt eine Flaute ein. Ich habe ja nun viel Zeit und denke nicht daran, den leidigen Motor einzusetzen.
Erst um 10 Uhr kommt ein wenig Wind auf und ich verlasse den schönen Ankerplatz. Von jetzt an sind alle Ankerplätze Neuland für mich. Hier in Tembobor war ich im letzten Monat mit der »Raden Mas« für die Fotoserie.
Um 12.30 Uhr kommt plötzlich Starkwind, verbunden mit einer Winddrehung. Alle Segel stehen back, das Groß war mit einem Bullenstander gesichert. Dafür legt sich das Schiff aber bei 6–7 Windstärken mindestens 45 Grad auf die Seite. Das Wasser wäre beinahe bis in den Niedergang zur Kabine gekommen, ehe ich das Groß auf der anderen Seite habe. Ein ganz schönes Chaos; im Inneren des Schiffes purzelt natürlich alles auf die andere Seite. Beide Körbe mit Obst und Gemüse entleeren sich auf dem Fußboden und auch die Wasserkanister fallen um. Das war ein schöner Schreck zu Beginn der Reise. Es bleibt bei Südwestwind mit 6 bis 7 Windstärken. Besan und Fock habe ich schon weggenommen. Ich reffe noch zusätzlich das Großsegel und schiebe nicht mehr soviel Lage. Um 16 Uhr ist der Spuk dann vorbei. Jetzt weht es nur noch mit 2 bis 3 Windstärken aus Ost. Ab 20 Uhr ist dann totale Flaute. Ich befinde mich jetzt im Norden von Lombok auf der Höhe des Gunung Rinjani. Alle zwei Stunden klingelt der Wecker oder ich wache auf, wenn der Autopilot aus dem Ruder läuft und piept (Er könnte lauter sein, in der Kabine kann man ihn kaum hören).
4. Tag.
Mittwoch, 22.11.
Morgens um 7 Uhr kommt ein wenig Wind auf, der aber gleich darauf wieder einschläft. Wie schön, dann kann ich sogar Filterkaffee trinken. Das ist ein echter Luxus auf See. Dennoch warte ich auf den Tag, an dem der Kaffeefilter von der Thermoskanne fällt und sich alles in die Pantry ergießt.
Diesmal kommt der starke Wind gegen 11 Uhr aus Südosten. Es ist anscheinend der Übergang vom nächtlichen Landwind zum sich durchsetzenden Nordwestmonsun. Diesmal fahre ich nur mit Stagsegel und stark gerefftem Großsegel. So mache ich allerdings nur noch 4 Knoten, schiebe aber dafür weniger Lage. Wie gut, daß ich die Genua noch nicht eingesetzt habe. So einen großen Lappen möchte ich nicht unbedingt gesetzt haben, wenn plötzlicher Starkwind einsetzt.
Es sieht so aus, als würde ich die Küste von Sumbawa noch vor Sonnenuntergang erreichen. Mein letzter Fix um 14 Uhr zeigt mir aber, daß es knapp werden wird. Ich peile eine kleine Inselgruppe am Nordwestlichen Kap an. »Seringit«, »Ayar Tawar« und »Kramat«, es sind etwa 2 Meilen Abstand zwischen den Inseln und der Küste. Die Karte zeigt Tiefen zwischen 12 und 18 Metern an. Leider sind auch Korallenbänke zwischen Küste und Inseln, sodaß die Navigation nur bei Tageslicht möglich ist. (ich habe diese Inseln später mit der Kembara besucht)
Etwa 6 Seemeilen weiter östlich ist eine niedliche kleine Bucht auf der Karte eingezeichnet. Es sieht wie ein richtiges Schlupfloch aus. Die Einfahrt ist aber vermutlich weniger als 100 m breit. Da ich maximal 60 Grad am Wind fahren kann, entscheide ich mich für letzteren Hafen. Es wird ein Wettlauf mit der Zeit. Es fehlen noch gut drei Meilen, da setzt der Wind aus. Eine weitere Nacht auf See möchte ich eigentlich nicht verbringen. Also wird die Maschine gestartet und ich versuche, den Hafen noch vor Einbruch der Dunkelheit zu erreichen. Aber der Motor ist schon nach 20 Minuten überhitzt, die Sonne ist untergegangen und es fehlt noch etwa eine Seemeile bis zur Einfahrt. Ich habe den Wettlauf mit der Zeit verloren und drehe ab auf See.
Kurz nach Einsetzen der Dunkelheit setzt natürlich wieder Wind ein. Es scheint mir, ich soll verhöhnt werden. Etwa 5 Meilen vor der Küste nehme ich alle Segel weg und lasse mich treiben. Das Leuchtfeuer der Insel Madang sieht sehr nahe aus, aber dies täuscht bei Nacht.
Natürlich treibt mich der Wind auch genau auf diese Insel zu. Nach meinem Funkkontakt um 21, 22 und 23 Uhr stelle ich den Wecker auf drei Uhr morgens. Ich will nun die kleine Bucht trotzdem erreichen, das habe ich mir in den Kopf gesetzt.
Der Wecker muß etwa 30 Minuten geklingelt haben. Ich habe nichts gehört. Als ich aus dem Schlaf schrecke, ist es bereits hell. Ich springe sofort an Deck. Aber alles Land ist »meilenweit« entfernt.
5. Tag.
Donnerstag, 23.11.
Natürlich ist jetzt wieder totale Flaute, ein Fix um zehn Uhr zeigt mir, daß ich etwa sieben Meilen bis zum Hafen benötige. Ich hoffe, daß ich bis zum Mittag dort sein werde um noch ein wenig am Schiff arbeiten zu können.
Aber weit gefehlt, erst um 14.15 kommt ein wenig Wind. Es ist so wenig, daß ich genug Muße habe um eine Wende zu fahren und ein leeres Gehäuse eines Nautilus auffischen kann (ich muß mir noch ein Netz basteln, mit dem Eimer klappt das nicht so gut).
Der Wind steht wieder einmal so ungünstig, daß ich nicht direkt auf mein Ziel zufahren kann. Ich komme drei Meilen zu weit im Osten an der Küste von Sumbawa an und muß noch zweimal aufkreuzen, bis ich die Einfahrt klarmachen kann.
Groß und Stagsegel bleiben oben. Als ich die schmale Einfahrt sehe bin ich froh, hier nicht bei Nacht hereingefahren zu sein. Ich mache die Maschine an, denn der Wind kommt genau von vorn. Die Fahrrinne ist keine 50 Meter breit. Dann öffnet sich die Einfahrt und ich fahre in eine kreisrunde Bucht (mehr ein Kessel). Der Durchmesser ist vielleicht 500 mal 500 Meter.
Mein Anker fällt in 10 Metern Wassertiefe. Das Schiff liegt noch nicht klar, da kommen die Insulaner mit ihren Einbäumen angerudert. Und glotzen, und glotzen und glotzen. Beim Ankerbergen, beim Abwaschen, beim Zubereiten des Essens. Erst nach Sonnenuntergang verschwinden sie.
Dieser Hafen heißt nicht wie auf der Karte angegeben »Teluk Poto Paddu«, sondern »Teluk Dalam« (Bucht innen). Dieser Name paßt viel besser. Teluk Poto Putih ist anscheinend auch im Westen von hier und nicht im Osten wie auf der Karte angegeben. Poto Paddu soll sieben Kilometer weiter östlich sein.
6. Tag.
Freitag, 24.11.
Zum erstenmal seit Beginn der Reise ist das Wasser spiegelglatt. Ich schlafe kurz nach dem Funkkontakt mit der Perintis ein. Die Windscoop hat sich bewährt, es wird mir fast zu kalt. Um sieben Uhr morgens klingelt der Wecker, um acht Uhr bin ich wieder von Einbäumen umringt. Auf zwei Einbäumen befinden sich »cewehs« (Tsche-Wes), die Gesichter mit Sandelholzmehl eingerieben und mit Lockenwicklern im Haar. Ich muß energisch werden, damit keine(r) an Bord kommt. Erst recht nicht die Prostituierten, die recht eindeutige Angebote machen.
Der Kampung im Süden der Bucht zählt bestimmt keine einhundert Seelen. Aber mindestens vier Prostituierte, ein ganz schön hoher Prozentsatz. Da alle durch die Fenster starren, stelle ich mir vor was passieren würde, wenn ich eine mit in die Kabine nähme. Seit einem Monat »ohne« bin ich natürlich schon recht scharf, bleibe aber meinen Prinzipien treu. Und wer will schon mit einer Frau schlafen, die zwei Lockenwickler im Haar trägt. Da kann ich ja gleich in die U.S.A. fahren.
Bei den vielen starrenden Leuten kann ich nicht vernünftig arbeiten. Ich beschließe, erst am Sonnabend weiterzusegeln. Es ist auch wenig Wind, dazu noch aus Nordosten. Und in genau diese Richtung will ich segeln.
Gegen Mittag ist der Spuk endlich verschwunden. Ich will noch den Bypass für das Kühlwasser probieren und auf den Hügel klettern, um eine Aufnahme der Bucht zu machen.
Heute morgen haben sich viele Affen am Ufer gezeigt, die hier in den kargen Bergen herumturnen. Es muß sehr trocken hier sein, denn die umgebenden Hügel haben wenig Grün. Es sieht ein wenig wie im Mittelmeer aus.
Am Besan sind drei Mastrutscher gebrochen, ich versuche sie zu kleben (der Kleber heißt 3-tons-epoxy, mal sehen ob er hält). Und so sieht diese Traumbucht aus:
7. Tag.
Samstag, 25.11.
Hurra! Die Bypass-Operation am Motor hat Erfolg gehabt. Die Maschine läuft seit eineinhalb Stunden, die Temperatur bleibt konstant bei 68 Grad. Vermutlich habe ich nur einen leichten Kühlwasserverlust. Die Pumpe für den Frischwasser-Kreislauf ist in Jakarta schlecht gepreßt worden, daran erinnere ich mich noch. Dies werde ich später noch kontrollieren.
Ich lichte den Anker um 7 Uhr 30, eigentlich wollte ich um 6 Uhr aufbrechen. Aber ich bin wieder eingeschlafen. Bevor die ersten Einbäume kommen, habe ich mich aus der kleinen Bucht von Teluk Dalam davongemacht. Es weht nur wenig bis kein Wind, der laufende Motor ist ein Genuß, auch wenn das laute Motorengeräusch etwas unbekannt in meinen Ohren ist.
Es ist nicht zum Aushalten. Zum erstenmal seit mehr als einem Jahr läuft der Motor wieder ohne Überhitzung. Heute ist so wenig Wind, daß ich nicht einmal »Selat Saleh« erreicht hätte. Ich traue der Sache noch gar nicht und fahre nur drei Knoten. Nach meinen Rechnungen müßte ich dann gegen 17 Uhr an meinem Ziel, der Insel »Liang Maya« sein. Alle zwei Stunden kippe ich zwei Schöpfkellen Frischwasser in den Vorratsbehälter. Das ist alles. Da ich noch Häfen anlaufen werde um weiteres Frischwasser zu bunkern ist dies kein Problem. Aber ich muß nun unbedingt nach Bima und Diesel tanken. Mein Vorrat hätte ja für alle Hafenmanöver gereicht, aber nun läuft die Maschine ununterbrochen und verbraucht auch entsprechend viel.
Hurra! Nach acht Stunden unter Motor komme ich pünktlich um 17 Uhr an. In der Anfahrt bei »Palimpa Asu Kecil« hatte ich nur noch 5 Meter Wasser unter dem Kiel, aber ich saß mit der Fernbedienung des Autopiloten in der neuen Mastleiter. Leider sieht man dann die Tiefenanzeige nicht. Mir kommt die Idee für ein neues Projekt in Hamburg: Echolot mit Sprachausgabe. Das haben wir in Hamburg doch alles schon in der Schublade.
Noch einmal wird geschwitzt bei der Einfahrt in die Bucht. Es befinden sich keine Tiefenangaben in der Seekarte. Die Barre am Nordende geht bis auf 2.5 m, innen sind es wieder 10 Meter. Aber mit »patches« von nur 5 Metern Wassertiefe dazwischen. Mit weniger als zwei Knoten Fahrt ist auch dies kein Problem. Der Anker fällt auf 8 Meter, genau in der Mitte der Bucht.
8. Tag.
Sonntag, 26.11.
Seit zwei Jahren ist dies die erste Nacht ohne Menschen um mich herum, nicht einmal das Licht einer Petroleumlampe ist weit und breit zu sehen. Um mich herum nur die Geräusche der Wildnis, nur die Stimmen der Vögel kann ich mit Sicherheit identifizieren. Schon bevor ich in Deutschland aufbrach hatte ich oft daran gedacht, ob ich mich wohl fühlen würde (und keine Angst hätte), wenn ich ganz allein nachts vor Inseln mit dem Schiff liege, auf denen sich keine Menschenseele befindet.
Aber diese Nacht habe ich mich so wohl gefühlt wie lange nicht mehr zuvor. Meine Angst war anscheinend total unbegründet.
Heute bin ich zusammen mit der Sonne aufgestanden und habe eine klassische Musikkassette in den Walkman getan: »Also sprach Zarathustra«.
Auch diese Bucht ist so gut geschützt, daß ich ohne Probleme wieder einmal Filterkaffee genießen kann. Nach dem Frühstück wird schnell die Lichtmaschine gecheckt. Eine Mutter der Befestigung war abgefallen, die gesamte Lichtmaschine hing nur noch an einer Schraube. In einer halben Stunde war alles repariert. Jetzt ist die Keilriemenspannung wieder richtig eingestellt.
Unter Motor fahre ich aus der Bucht heraus und mache Lotungen für eine exakte Karte. Der Ort »Kalining« befindet sich zwei Kilometer weiter nördlich als er auf der Karte vermerkt ist. Am Nordwestlichen Ende der Insel ist eine nicht in der Karte markierte Korallenbank. Durch die beiden Riffe im Nordwesten von »Dangar Besar« steuere ich das Schiff wieder, in dem ich mich in die Mastleiter stelle. Es sind aber etwa 10 Meter Wassertiefe zwischen den beiden Riffen. Um 10 Uhr, nach nur zwei Stunden Fahrt unter Motor, kommt Wind auf und ich setze alle Segel. Drei Knoten Fahrt sind mir genug, ich will die Genua nicht riskieren, da am Nachmittag sicher wieder der plötzliche Starkwind einsetzen wird. Ein Köderfisch wird mir abgebissen, direkt am Stahlvorfach.
Ich brauche vermutlich eine richtige Rolle, die den starken Zug nach dem Biß abfangen kann. Aber soll ich mehrere hundert Mark für einen möglichen Fang ausgeben? Das wäre ein ganz schön teurer Fisch.
Um 14 Uhr fange ich mit dem zweiten Köderfisch meinen ersten Barrakuda, etwa 50 Zentimeter lang und 2 Kilo schwer. Fast hätte ich den Angelhaken voll in meinem Finger gehabt, so stark zappelte der Fisch beim Einholen. Zum Glück ist der Haken nicht bis über den Widerhaken in den kleinen Finger eingedrungen.
Der Fisch wird filetiert, einen Teil esse ich roh (mit der guten japanischen »Wasabi«). Der Rest (vier Filets) wird gebraten.
Bis 16 Uhr muß ich vor der Straße von »Batahai« aufkreuzen. Und um 16 Uhr habe ich dann Santondan querab. Ich schreibe eine Ansichtskarte an Andreas Lipp, der hier auf Santondan mehrere Wochen kampiert hatte (zusammen mit Günter Landmann).
Der gute Wind bleibt die ganze Nacht, ich segle aus Sicherheit keinen Schlag gegen Land. Falls ich den Wecker nicht höre.
9. Tag.
Montag, 27.11.
Morgens bin ich dann viel zu weit von Sumbawa entfernt, natürlich weht der Wind jetzt fast genau aus Süden, und dorthin will ich. Der Wind flaut ab und ich mache um 10 Uhr die Maschine an. Ich muß mindestens 4 Knoten Fahrt machen, um noch vor Sonnenuntergang in Bima zu sein.
Das war die Generalprobe für eine lange Fahrt unter Motor. Acht Stunden marschierte die Maschine ohne Überhitzung. Nur ab und zu mußte ich ein wenig Kühlwasser auffüllen. Ich habe die Marschfahrt von gestern drei Knoten auf vier Knoten erhöht. Die Motortemperatur steigt dann um nur drei Grad.
Um 17 Uhr sehe ich dann Bima vor mir liegen, ein wenig enttäuschend für eine Hauptstadt. Bima sieht eher wie ein kleines Dorf aus. Vorsichtig taste ich mich an die wenigen Schiffe heran, die hier vor Anker liegen. Kleine Versorgungsschiffe für die benachbarten Inseln. Näher zur Jetty und näher zum Ort wird es plötzlich sehr flach (weniger als 2 Meter). Ich sehe zu, daß ich kein »Land gewinne«. Zum Schluß ankere ich auf 6 Metern, genügend weit von den anderen Schiffen entfernt.
Zehn Minuten später haben drei Einbäume an meinem Schiff festgemacht und acht Mann entern das Schiff. Wie gut, daß ich indonesisch spreche, man stellt so viel schneller fest, ob jemand in guter oder böser Absicht kommt.
Wie immer ist das Erstaunen sehr groß als die Indonesier bemerken, daß ich allein segele. Und wieder höre ich das Wort »berani«. Ich lese es zum erstenmal im Wörterbuch nach. Es heißt »tapfer«.
10. Tag.
Dienstag, 28.11.
Um sechs Uhr morgens bin ich aufgewacht. Das Funkgespräch am gestrigen Abend um 23 Uhr hatte ich dafür aber verschlafen. Ein großes Schiff näherte sich dem Hafen von Bima. Es war die M.S. »Kalimutu« auf ihrem Weg nach Ujung Pandang. Ich konnte nicht mehr wieder einschlafen. Also Frühstück (Kaffee). Wenig später kam auch der gestern bestellte Diesel per Einbaum. Für 40 Liter bezahlte ich 10.000 Rupiah (also etwa 10 Mark).
Während ich Klarschiff machte, wurde schon die nächste Lieferung angekündigt. Ich wollte mir nun erst einmal Eis besorgen. Mit dem Dingi ruderte ich die 500 Meter bis zur Jetty, dann ging es zu Fuß bis zum Hafenposten. Dort habe ich mir ein »Cidomo« (Pferdekarren) für 500 Rp. gechartert und bin damit zur Eisfabrik gefahren. Es sieht eher wie eine Bäckerei aus. Vier Stangen Eis, das war der Rest der Produktion der letzten Nacht. Und mit dem Pferdekarren zurück zum Hafentor.
Die Cidomos dürfen nicht auf die Jetty, also wird das Eis in einen Handkarren umgeladen und dann zum Dingi transportiert. Ich rudere zurück zum Schiff und fülle die Eisbox. Aber die kleinen Stangen füllen die Kiste nicht aus, ich brauche noch einmal genausoviel Eis. Also wird noch einmal zur Jetty gerudert. Ich bin inzwischen schon klitschnaß. Ich chartere ein weiteres Cidomo für 1000 Rupiah die Stunde. Zuerst geht es zur Post, vielleicht die letzten Briefe in die Heimat, bevor ich in Australien bin. Danach suche ich den Supermarkt und finde einen kleinen chinesischen Laden. Aber immerhin gibt es dort Bier, Zigaretten, Arrak und Klopapier. Die Genußmittel haben mein letztes indonesisches Geld aufgebraucht. Ich muß nun also auch noch zur Bank. Diese befindet sich in der gleichen (Haupt-) Strasse wie der Chinese. Mit neuem Geld versehen fahre ich nun noch zum Basar. Was ich dort finde, ist nicht viel: Tomaten, Gurken, Mangos, Zwiebeln und kleine kugelförmige Auberginen. Vermutlich war es schon zu spät.
(Ich habe ein Jahr später dort mit Angela von der Kembara eingekauft, das Angebot war reichhaltiger. Vor allen Dingen gab es dort den besten Tabak, den ich jemals geraucht habe )
Fleisch habe ich nicht gefunden, nur getrockneten Fisch.
Der Wind hatte aufgefrischt. Als ich am Hafen ankam, knallte mein Dingi gegen die Kaimauer und niemand kümmerte sich darum. Wäre ich eine Stunde später gekommen, hätte ich nur noch im Wasser treibendes Sperrholz gefunden.
Gegen Wind und Wellen bin ich mit Gemüse und Eisblöcken beladen zur »Garuda« zurückgerudert. Ich war total fertig. Aber das Bier zischte nur so. Hoffentlich war das Eis auf Bima in Ordnung.
Für eine Abfahrt noch heute Abend war ich zu erschöpft, also doch erst morgen früh. Zum Abendessen gibt es Salat um Pommes Frites. Danach warte ich lesend auf die Funkgespräche mit Wolfgang und Hans-Wilhelm. Heute war endlich wieder einmal eine gute Verständigung. Ich habe meine Abfahrt nach Komodo für morgen früh angekündigt.
10. Tag.
Mittwoch, 29.11.
Bis 5 Uhr morgens habe ich geschlafen und noch im ersten Tageslicht habe ich drei Kanister Wasser zum Schiff gerudert. Aus der Moschee, dort wo sich die Muslime ihre Füße waschen bevor sie die Moschee betreten. Es sah aber nicht so recht nach Trinkwasser aus, doch es ist gut genug für die Wasserkühlung des Motors.
Schon um 6.30 Uhr morgens brach ich auf. Anker auf unter Segeln, damit die Jungens etwas zu gucken haben. Mit leichtem Wind treibe ich aus dem Fjord von Bima heraus. Fünf Stunden muß ich dann aufkreuzen um aus der Bucht heraus zu kommen. Als nach einer Kreuz meine Position nahezu am gleichen Ort an der Küste ist, bemerke ich erst, daß hier die Strömung nach Süden setzt, immerhin mit etwa 1 bis 2 Knoten. Ich werfe den Motor an. Erst um halb neun kann ich ihn wieder ausmachen, da nun der Wind auf SSO gedreht hat. Bei »Tanjung Naru« gibt es ein nicht auf den Karten verzeichnetes Leuchtfeuer (Blz(2), 12 sec). Für die Nacht lasse ich den Autopiloten eingeschaltet, ich habe doch beträchtliche Angst vor einer Stromversetzung in der Nacht. Die Straße von Sape ist ja hierfür berüchtigt, der erste Fix dieser Nacht beruhigt mich aber.
Zum Funkkontakt mit Deutschland mache ich den Motor aus (es sind sonst zuviel Störgeräusche vorhanden). Das Schiff ist jetzt so gut getrimmt, daß ich sogar auf den Autopiloten verzichten kann. Der läuft sowieso Amok, wenn ich die Sendetaste betätige. Um 23 Uhr klappt die Verbindung mit der Perintis nicht, sie war schon am Vormittag abgebrochen. Hoffentlich hat Hans seinen Sender nicht kaputt gemacht.
Ich lege mich kurz vor Mitternacht schlafen, stelle Wecker und Satnav-Alarm auf 1 Uhr morgens. Um 3 Uhr wache ich auf, weil die Segel schlagen. Ich habe beide Wecker überhört. So etwas ist ganz schön gefährlich! Der nächste Fix beruhigt mich aber, ich liege fast genau auf der Kurslinie. Noch einmal kann ich für eine Stunde schlafen, da ich noch lange nicht am nächsten Wegpunkt bin. Ich habe den Wegpunkt so gewählt, daß ich mit Sicherheit bei Tageslicht durch die vielen kleinen Inseln und Riffe im Osten von Komodo fahren kann.
12. Tag.
Donnerstag, 30.11.
Kurz nach Sonnenaufgang muß ich den Motor anmachen, da schon wieder Flaute ist. Ich entscheide mich, nicht den Umweg im Norden zu machen, sondern die Passage zwischen den Inseln »Gili Lawa Laut« und »Gili Lawa Darat« zu nehmen. Je näher ich an die Inseln komme, desto enger rückt die Durchfahrt zusammen. Ich mache zur Vorsicht das Echolot an, aber noch ist das Wasser dunkelblau. Heute morgen habe ich schon viele Gruppen von Delphinen gesehen, hier muß sich ein riesiger Fischreichtum befinden.
Die Passage wird zum Alptraum, die Wassertiefe nimmt immer mehr ab. Aber es waren vorhin doch einheimische Auslegerboote mit Motor hier durchgefahren.
Zwischen den beiden Inseln ist nicht mehr als 100 Meter Platz, davon noch mindestens 30 Meter auf jeder Seite Riff. Und zwischen den beiden Inseln entdecke ich plötzlich eine Riffbarriere, über der das Wasser strudelt. Ich gebe Vollgas unter Motor, damit ich mehr Steuermöglichkeit habe, auch wenn ich damit schneller gegen ein Hindernis stoßen würde. Es ist wie in einem Autoscooter. Es waren höchstens 2 bis 3 Meter Wasser unter dem Schiff.
Aber ich bin durch. Nie wieder zwischen zwei Inseln durchfahren, zwischen denen auf der Karte keine Tiefe eingezeichnet ist. Aber schließlich lagen die Inseln auf der Karte so dicht zusammen, daß man keine Zahl mehr dazwischen quetschen konnte.
Die nächste Etappe ist recht einfach. Man segelt immer an den Riffen entlang. Ich glaube, die Form der Riffe ist anders, als sie auf der Karte eingezeichnet sind. Ich befinde mich auf einmal 5 Meter über Korallengrund.
An der Südostspitze von Komodo will ich auf direktem Weg in die Bucht des Ortes Komodo. Und wieder das gleiche. Eine nicht eingezeichnete Barre zwischen der Insel Punja und Komodo zeigt gefährlich helles Wasser. Als die Logge 1.0 m zeigt, mache ich schleunigst eine Kehrtwendung. Ich habe nämlich 1.25 m Tiefgang und weiß, daß die Logge bei Grundberührung genau 0.8 m zeigt.
Die Felsen östlich von Punja gucken nur 10 bis 20 cm aus dem Wasser raus. Wer also von Osten kommt: zwischen Punja und der unbezeichneten Insel im Süden sind im Mittel 45 Meter Wassertiefe.
Ich nähere mich dem Ort Komodo vom Südwesten. Ich will sehen, ob hinter der Insel Lassa guter Ankergrund ist. Für einen Moment fasse ich auch die Insel »Soro Go« ins Auge. Sie ist nur sehr weit von Komodo entfernt. Aber die Karte zeigt dort 11 m Wassertiefe.
Also doch zu den Fischerbooten. Von 35 m ausgehend nimmt die Wassertiefe langsam auf 15 m ab. Und dann geht es ganz schnell. Ich sehe noch 5 m auf der Logge, da setzt der Kiel auf. Die Logge zeigt immer noch 3.2 m. Genau vor der Moschee des Ortes Komodo scheint eine Sandbank zu sein. Natürlich liegen dort keine Boote und ich Dussel will mich genau auf dieser Seite von den Fischerbooten freihalten.
Das Wasser ist so schmutzig, daß man die Tiefe nicht abschätzen kann. Warum bin ich nur nach Komodo gefahren? Ich hatte vorher so viele schöne Ankerplätze gesehen.
Aber mit der Maschine im Rückwärtsgang komme ich wieder frei. Der Anker fällt auf 14 m. Als das Schiff zur Ruhe kommt, sind es aber nur noch 8.5 m. Der Grund muß hier also sehr steil ansteigen.
Nach Klarschiff ist es schon halb fünf. Also zu spät, um noch heute die Komodo-Warane zu besichtigen. Die Touristen fahren anscheinend alle zu einem anderen Ort hinter den Bergen, wie mir die Insulaner anzeigten. Vom Ort Komodo aus ist es ein sehr langer Fußweg dorthin.
13. Tag.
Freitag, 01.12.
Immer wieder dieses Gefühl, daß der Anker nicht hält. Ich hatte mich am Donnerstag früh schlafen gelegt und wachte um 22 Uhr wieder auf. Das erste Funkgespräch hatte ich verpaßt. Aber es klappte dann doch noch, weil der Vater noch im 15-Meter-Band rief. Dann gab es süß-saueres Gemüse zum Abendessen.
In der Nacht kommt es mir vor, als sei die Küste weiter weg und das Dorf weiter links. Aber das können auch die unterschiedlichen Lichter sein.
Fast genau im Osten kann ich einen aktiven Vulkan sehen, der Himmel ist orangerot gefärbt.
Mit nur einem Ankercheck um 3 Uhr kann ich bis halb sieben durchschlafen. Und dann sehe ich die Bescherung. Der Hafen von Komodo ist wie vermutet, denn jetzt ist alles östlich von mir trockengefallen. Aber ich ankere noch auf sicheren 6.5 m.
Auch die Küste zwischen der Insel Punja und der Südostspitze Toro Kuning sieht etwas anders aus.
Um halb zehn nehme ich den Anker auf und tuckere gemächlich aus der Bucht von Komodo. Plötzlich sehe ich eine Segelyacht in die weiter nordöstlich gelegene Bucht einlaufen. Ich überlege einen kleinen Moment, ob ich mir doch noch die Warane ansehen soll oder ob ich weiter in Richtung auf die Insel Flores zufahre. Ich entscheide mich für die Besichtigung der Warane.
(Ich wollte anscheinend aufbrechen, ohne mir die Warane anzusehen. Schon die ersten Zeichen von Lustlosigkeit?)
Ich ankere ein wenig näher am Steg als das andere Schiff; da ich den Außenborder nicht auspacken will und rudern muß. Das neu eingetroffene Schiff ist die französische Yacht »Epicure« aus St. Malo. An Bord sind der Eigner mit Frau, ein lokaler Fischer aus Komodo und Alex aus St. Lucia (er kennt natürlich die A-Frame Bar in Marigo Bay) [ich erfahre später in Bali noch mehr über Alex].
Ich schließe mich den anderen zur Besichtigung der Warane an. Die »Epicure« ist eine 52 Fuß große Ketch. Ich rudere zum Nachbarschiff und bin herzlich willkommen. Auch die Franzosen empfehlen mir das Atoll von »Meatij Miarang« als ein wunderbares Gebiet zum Tauchen.
An Bord der »Epicure« stehen vier Tauchflaschen, natürlich ist auch ein Kompressor vorhanden.
Der Eintritt in den Komodo Nationalpark kostet 1000 Rupiah, ein obligatorischer Guide ebensoviel (1 bis 5 Personen). Wir müssen eine dreiviertel Stunde Fußmarsch bewältigen, eine trockene Hitze wie in der Sahara (oder wie auf dem Krakatau um 12 Uhr Mittags).
Wir sehen auch reichlich Warane, sie müssen erst mit einer Holzstange aufgescheucht werden, sonst würden sie sich überhaupt nicht bewegen. Bill Dalton hat unrecht, daß Warane total taub sind. Unser Führer ahmt das Blöken einer Ziege nach und schon kommen acht riesige Warane aus dem trockenen Flußbett. Als sie keine Ziege vorfinden, suchen sie sich sofort einen Platz im Schatten und bleiben dort apathisch liegen.
Ein großes Exemplar liegt unter einem Baum, dicht an der Umzäunung für die Touristen. Die Beobachtungsstelle ist umzäunt, die Menschen befinden sich innerhalb, die Tiere außerhalb der Umzäunung. Es ist also »Zoo verkehrt«. Ich vermute, meinen Fotos fehlt ein Größenvergleich.
Um vier Uhr Nachmittags kommen wir zurück zu den Yachten. »Garuda« ist gedriftet und liegt gefährlich nahe des Riffs südöstlich des Landungsstegs. Ich muß zweimal verholen bevor der Anker richtig faßt. Jetzt habe ich aber das Nachbarschiff genau querab und habe damit für die Nacht eine gute Peilung. Es war starker Südwind aufgekommen, deshalb war mein Schiff wohl gedriftet, obwohl ich etwa eine halbe Stunde lang die Peilung kontrolliert hatte, bevor ich von Bord ging. Man kann gar nicht vorsichtig genug sein.
Am Abend bin ich zum Dinner auf der »Epicure« eingeladen. So etwas soll man bei Franzosen niemals ausschlagen. Also noch einen Tag Verlängerung auf Komodo. Vielleicht gibt es noch ein paar neue Tips.
Kurz nach fünf nehmen ich meine erste Dusche nach 10 Tagen und höre Motorgeräusche. Ich beende meine Kosmetik und sehe die »Pinisi Nusantara« aus Benoa mit Touristen ankommen.
Bei Alain und Claude auf der »Epicure« gibt es Ratatouille zum Abendessen. Ich bekomme noch Informationen über Darwin. Dann sehen wir die Videos von unseren Besuch bei den Waranen.
14. Tag.
Samstag, 2.12.
Die Epicure läuft um 9 Uhr aus, ich folge eine halbe Stunde später. Niedrigwasser war etwa gegen halb acht. Wie ich erfuhr, soll die Strömung in der Lintas Straße sich genau nach den Tiden richten.
Der Kapitän in Labuhan Bajo benutzt die Tidentabellen von Kupang (die von Diu gehen auch). Kurz vor Niedrigwasser muß man in Labuhan Bajo auslaufen, kurz vor Hochwasser von Komodo Richtung Flores. Heute ist das Hochwasser aber erst um 13 Uhr, ich habe also genügend Zeit.
Zwischen Komodo und der Insel Punja gibt es doch eine Passage. Die Wassertiefe dort ist etwa 10 Meter, an der schmalsten Stelle ist die Durchfahrt etwa 150 m breit. Aber es gibt hier unglaubliche Strömung und Verwirbelungen. Nur unter Segeln ist in dieser Ecke des indonesischen Archipels wohl nicht zu machen.
Und tatsächlich bemerke ich das Maximum der nordwärts setzenden Strömung beim passieren der kleinen Felsen nahe der Insel Tatawa. So etwas kennt man sonst nur von der Elbe, etwa 4 bis 5 Knoten Strömung schätze ich. Ich mache 4 Knoten Fahrt durchs Wasser und steuere nach Osten. Aber über Grund segele ich genau nach Nordosten.
Bei guter Fahrt bin ich gegen 16 Uhr an der Nordwestspitze von Flores. Es ist aber schon wieder einmal zu spät, die von mir ausgewählte Bucht anzulaufen. Doch ich bin gut ausgeschlafen und der Wind verspricht eine schnelle Fahrt. Also werde ich die Nacht durchsegeln. Dann kann ich schon am Montag in Maumere sein (falls ich keinen Stop in Reo mache). Der Ort Reo scheint auch etwas landeinwärts zu liegen. Ich möchte nicht in einen Fluß mit eventueller Sandbarriere und unbekannter Tiefe einlaufen.
Von Mitternacht bis 4 Uhr morgens bleibt der Wind doch aus und setzt danach frisch aus Südosten ein. Aber ich brauche Südwestwind.
15. Tag.
Sonntag, 3.12.
Langsam wird mir das unheimlich: ich habe schon wieder beide Alarmwecker in der Nacht überhört (Navsat und Wecker). Allerdings hatte ich wieder einen sicheren Schlag weg von der Küste eingestellt und einen Wegpunkt etwa 10 Meilen nördlich der Insel angepeilt. Es ist dennoch ein ungutes Gefühl.
Aufgewacht bin ich vom Verhalten des Schiffes. Es dümpelte und schlingerte. Es war wieder einmal Flaute. Der Südostwind hielt allerdings nur für kurze Zeit. Um halb sechs gab es dann einen herrlichen Sonnenaufgang, die Sonnenscheibe erscheint genau hinter der Insel Paloe. Paloe ist immerhin noch 75 Meilen entfernt. Nach Kupang sind es noch etwas mehr als 100 Meilen. Wenn der Wind wieder einsetzt, werde ich wohl erst am Montagabend dort sein.
Ich möchte auf keinen Fall länger als 10 Stunden motoren. Auch das wären dann nur etwa 40 Meilen, die ich mit Maschinenkraft mache. Der Verlust an Kühlwasser wird jetzt allerdings immer größer. Die Abdichtung der Wasserpumpe hat sich nicht gebessert. Das Fett für die Stopfbuchse geht auch langsam zur Neige. Ich habe vorher nie viel Fett gebraucht, die eine Dose hat fast ein Jahr gereicht. Und nun, wo der Motor läuft, geht es innerhalb von 14 Tagen zur Neige.
In Denpasar hatte ich kein Kugellagerfett bekommen. Aber ich habe 2 Kilo andere Fette an Bord, das wird zur Not auch gehen.
Der Wind frischt nur kurz von 6 Uhr bis 8 Uhr am Morgen auf, dann ist wieder Flaute. Ich fahre heute viel unter Maschine.
Obwohl ein wenig ängstlich wegen der großen Segelfläche mache ich meinen ersten Versuch mit der Genua. Bei wenig Wind fahre ich immerhin 3 Knoten.
Seit einiger Zeit benutze ich die vor Jahren in Hamburg gekauften Knallschnüre mit Erfolg für die Schleppangel. Zwei Knallschnüre werden zusammengebunden (damit eine höhere Reißkraft erforderlich ist) und auf eine Schlaufe in der Angelleine gebunden. Das andere Ende der Knallschnüre wird an ein Stag des Besan gebunden. Jeder Biß eines Fisches wird dann mit einem lauten Knall angezeigt.
Ab 17 Uhr läuft die Hauptmaschine wieder, es ist totale Flaute. Ich hätte ebensogut den Labuhan Kulambu anlaufen können. Die Flaute bleibt die ganze Nacht. Die Halbinsel dicht bei Kulambu (Toro Padang) leuchtet in der Nacht orangerot, dort müssen riesige Buschbrände wüten. Durch das stille Wasser spiegelt sich der Feuerschein bis dicht zum Boot. Dann sieht es aus, als würde ich viel zu dicht an der Küste entlang segeln.
Da ich mit laufendem Motor keinen Alarmwecker hören würde, mache ich mir mein Bett im Cockpit. Alle zwei Stunden wird das Kühlwasser gecheckt und eventuell ergänzt.
16. Tag.
Montag, 4.12.
Um drei Uhr morgens stoppe ich die Maschine, sie hat jetzt zehn Stunden gelaufen. Aus der Stopfbuchse kommt immer mehr Wasser, das Nachpressen ist anstrengend, ich habe schon Schwielen an der rechten Handinnenfläche. Da müßte man sich auch einmal etwas einfallen lassen.
Es hilft nichts, um sieben Uhr wird wieder die Maschine angemacht, es sind noch mehr als 40 Meilen bis Maumere, das wird wieder knapp. Und der Wind kommt aus Osten, müßig zu schreiben, in welche Richtung ich momentan segele.
Das letzte Woche (Dienstag) in Bima gekaufte Eis scheint alle zu sein, die Temperatur in der Kühlbox steigt. Also kann man selbst bei häufig laufender Maschine etwa sieben Tage lang mit Kühlung in der Box rechnen, das ist recht ordentlich. Die zwei gekauften Kisten Bier werden heute Abend auch alle sein. Das ist ein ganz schöner Verbrauch, zwei Kisten Bier pro Woche. Aber Bier ist immer noch das erfrischendste von allen Getränken.
Ich bereite mir um halb zwölf gerade meinen Brunch, da gibt es hinter dem Schiff das Geräusch von reißendem Stoff (pfffff....). Ich springe an Deck und sehe nichts, das Besansegel ist in Ordnung. Doch plötzlich taucht knapp zwei Meter neben dem Boot ein Wal auf. Er ist etwa 6 Meter lang. Und noch einer. Es sind insgesamt drei Walfische, die gemächlich durch das Wasser ziehen, nicht viel schneller als ich segele.
Ab 14 Uhr muß ich doch wieder motoren, es ist zuwenig Wind. Maumere werde ich heute nicht mehr vor Sonnenuntergang erreichen. Ich sehe auf die Karte und sehe eine weite Bucht etwa 25 Meilen westlich von Maumere, die mögliche Ankerplätze verspricht. Die Bucht ist geschützt gegen Südosten.
Erst um 18 Uhr bin ich in der Bucht, das Wasser ist verdammt tief. Ich steuere einen Ankerplatz im Südwesten der Bucht an (dort sieht man ein wenig Sandstrand). Links und rechts vom Strand befinden sich niedrige Hügelkuppen, die mit Klippen bis zum Wasser ragen. Also wird sich vermutlich unter Wasser dort ein Riff vorstrecken. Ich halte genau auf die Mitte des Sandstrandes zu. Die Wassertiefe nimmt schlagartig von etwa 45 Meter auf 15 Meter ab, dann sind es schon 10 m. Der Anker fällt, als der Tiefenmesser 7 m zeigt. Das Schiff driftet dann an der Ankerkette bis auf 3.5 m Wassertiefe. Also das ganze noch einmal. Der Anker fällt bei etwa 8 m. Ich gebe alle Kette, aber nicht mehr als 5 m Seil, da ich Angst habe, daß sich das Ankerseil an den Korallen abscheuert. Das Schiff dreht langsam seinen Kreis, an der flachsten Stelle sind es 3.6 m. Ich sehe in die Tidentabellen. In zwei Stunden ist Niedrigwasser, das nächste Niedrigwasser dann erst wieder morgen früh um 8 Uhr. Das sollte reichen, denn mehr als 2 m Tidenhub hat man in diesen Gewässern nicht.
Nun ist auch die zweite Flamme vom Optimus Kocher verrußt, ich bekomme mit Mühe und Not das Kaffeewasser heiß. Die andere Düse habe ich mit dem aus Deutschland mitgebrachten Reparatursatz erneuert, die Flamme brennt aber immer noch nicht zu meiner Zufriedenheit. Also esse ich den am gestrigen Tag hergestellten Kartoffelsalat ohne Spiegeleier.
17. Tag.
Dienstag, 05.12.
Ein mehrfaches Überprüfen der Wassertiefe während der Nacht zeigt keinen merklichen Abfall des Wasserstandes. Um 4 Uhr sehe ich zum letzten Mal nach und schlafe dann durch bis 9 Uhr morgens, gerade noch rechtzeitig zum Funkkontakt mit Hans und Brigitte in Benoa. Danach will ich erst einmal in diesem kristallklaren Wasser Schnorcheln gehen. Der erste Blick unter den Kiel des Schiffes läßt mich aber die Schnorcheltour abbrechen. Einzelne Korallenköpfe sind nur noch eine »Handhoch« (keine Handbreit) vom Kiel entfernt.
Der Anker läßt sich nur schwer ausbrechen, aber ich kann von Deck aus sehen, daß sich die Kette im Zickzack um verschiedene Korallenblöcke gewunden hat. Das kommt von den Schiffsbewegungen um den Anker während der Windstille und durch leichte Böen aus wechselnden Richtungen. Also niemals auf Korallen soviel Ankertrosse geben, daß sie die Korallen berührt. Ich hatte zwar auf Bali versucht, noch weitere 15 Meter Kette aufzutreiben, aber leider hieß es immer wieder »tidak ada«.
Wenn der Wind gut bleibt, bin ich genau um 18 Uhr in Maumere. Aber er ist wie in den letzten Tagen bald wieder sehr schwach, ich nehme die Maschine zu Hilfe. Ich wähle den Weg dicht unter der Küste, da die vielen Einzelgefahren mit bloßem Auge gut sichtbar sein müßten (Riffe mit kleiner Ausdehnung sind auf der Seekarte nur als Kreuze eingezeichnet). Und tatsächlich passiere ich mindestens sechs kleine Riffplatten mit einer Ausdehnung von weniger als 500m im Durchmesser. Nach dem Farbeindruck sind etwa 2 bis 6 Meter Wasser über den Riffen.
Um 14 Uhr kommt eine plötzliche Winddrehung von Nordwestwind 3 auf Südwind Stärke 6. Wie gut, daß die Genua schon wieder geborgen war.
Um halb fünf laufe ich in den Hafen von Maumere ein. Die vielen Boote, die mir auf der Fahrt begegnet sind (alle mit Heimatort Benoa, aus Glasfaser gebaut) liegen an zwei Piers. Dort ist mir aber zuviel Trubel und ich habe Angst vor Ratten, Kakerlaken und Leuten, die sich etwas »ausleihen«. Die Reede von Maumere ist aber bis dicht unter die Küste sehr tief. Ich lasse den Anker in etwa 12 m Wassertiefe fallen, gebe aber viel Leine, sodaß das Log 20 m zeigt, bis der Anker faßt. Nach einer Stunde Ankerwache rudere ich mit dem Dingi an Land.
Auch Maumere ist – ebenso wie Bima – nur ein kleines Dorf. Aber direkt am Hafen ist ein (chinesischer) Händler, von dem ich vier große Plastikkanister Diesel kaufen kann. Hundert Liter rudern, hundert Liter heben, hundert Liter einfüllen. Die Kanister werden zurückgebracht und ich fülle noch 60 Liter Frischwasser in meinen eigenen Kanistern. Mittlerweile ist die Sonne untergegangen. Ich versuche, am Hafen ein paar kalte Getränke zu besorgen, aber das ist eine Fehlanzeige. Die einzige Bierflasche (Bintang) enthält darin abgefüllten lokalen Honig.
Zum Abendbrot gibt es Salat aus überreifem Gemüse, danach eine Dose Linsen aus der »Botschaftsbestellung«. Ich habe Angst, daß mir der australische Zoll alle meine guten Konserven wegnimmt. Ich gehe früh zu Bett und schlafe mich erst einmal gründlich aus.
18. Tag.
Mittwoch, 06.12.
Heute will ich in Maumere einkaufen gehen. Ich warte noch bis 9 Uhr auf den Funkkontakt mit Hans. Dann rudere ich mit dem Dingi an den Strand und gehe erst einmal zu Fuß durch die Stadt, um mir eine erste Orientierung zu verschaffen. Maumere ist eine süße kleine Stadt. Schon im näheren Umkreis vom Hafen befinden sich viele kleine Läden. Ich beschließe, erst einmal den Basar zu suchen. Der Bemofahrer will 5000 Rupiah die Stunde, das erscheint mir zuviel (das ist zuviel). Ich finde meinen Weg zum »Pasar Baru« durch Fragen an die Indonesier. Es ist weniger als eine halbe Stunde Fußweg (ein kleiner Schritt für einen Europäer, doch ein großer Sprung für die Indonesier). Das Angebot auf dem Pasar ist: recht gute Tomaten, viele Mangos, Zwiebeln, Kartoffeln (1200/kg), Orangen (200/5 Stck.), Zitronen (500/kg), Ananas(200/Stck) und Auberginen. Und ich finde «Tuna« und kaufe zwei Scheiben für 500 Rp.
Die Einkaufstasche ist voll, nun muß ich von hier doch eine Bemo chartern. Aber auch hier der gleiche Preis. Also nehme ich das Bemo, fahre zur Post und dann zu einem Laden, der Bier und Zigaretten hat. Meine Laster kosten mich 80.000 Rp. Sehr viel im Vergleich zu dem billigen Obst und Gemüse. Im gleichen Laden gibt es auch kleine Stangen Eis (aus der Tiefkühltruhe, geformt in Backformen aus Alu-Folie, 300 Rp. pro Stück). Ich schätze, daß ich etwa 15 Stangen brauche. Später stellt sich heraus, daß diese Schätzung exakt war.
Alles wird ins Dingi verladen, ich rudere zum Schiff zurück und verstaue alle Sachen. Der Bemofahrer hat genau eine Stunde mit mir verbracht.
In den nächsten zwei Stunden repariere ich das Normalobjektiv meiner Kamera. Nachdem Hartmuth mein Fernglas auseinandergenommen hatte, um die Linsen zu reinigen, traue ich mir auch zu, die Linsen der Kamera kaputtzuspielen.
Plötzlich spüre ich, wie ein Schiff neben »Garuda« anlegt und Leute mein Boot besteigen wollen. Ich will gerade losschreien, da sehe ich Uniformen. Polizei und Port authorities. Ich werde zum Syabandar gebeten, rudere mit einem der Uniformierten quer durch die große Bucht. Ich weigere mich, die anderen beiden auch mit in das Dingi zu nehmen. Beim Hafenmeister dauert es dann mindestens anderthalb Stunden. Immigration wird auch telefonisch bestellt. Die Leute der Hafenmeisterei sind nett und erkundigen sich über meine Alleinsegeln (das ist immer wieder mit Erstaunen und vielen Fragen verbunden). Der Typ vom Immigration ist sehr unfreundlich und meint, ich dürfe nicht an Land, da ich schon in Benoa ausklariert hätte.
Anscheinend hat man mich genau beobachtet (allerdings nicht bemerkt, daß ich indonesische Flagge führe. Wieder einmal helfen mir die Registrierung des Schiffes und die indonesischen Schiffspapiere). Es bleibt bei einer Ermahnung, mich immer gleich bei der Polizei und beim Hafenmeister zu melden. Wenn die Leute doch nur verstehen würden, daß ich nur eine Stunde in der Stadt war, aber zwei Stunden sinnlos bei ihnen verbracht habe.
Ich rudere zurück zum Schiff. Es gelingt mir, das Objektiv wieder funktionsfähig zu machen. Wie gut, daß ich es noch nicht weggeworfen hatte. Ich gehe noch einmal kurz in den Ort und finde tatsächlich das Fett für die Stopfbuchse. Noch vier Kelapa muda junge Kokosnuß und mein indonesisches Geld ist alle. Ich habe jetzt noch genau 15 000 Rp für die restliche Reise durch Indonesien. Die Banken in Maumere haben schon geschlossen.
Für die morgige Fahrt koche ich vor, eine Riesenschüssel Nudelsalat. Der wird natürlich am Abend schon kräftig dezimiert. Gleich nach dem Funkgespräch um 21 Uhr lege ich mich schlafen, da ich morgen sehr früh lossegeln möchte.
19. Tag.
Donnerstag, 07.12.89
Um fünf Uhr klingelt der Wecker. Ich bin wach genug, um mir Kaffee zu kochen und mich nicht gleich wieder hinzulegen. Kurz nach 6 Uhr ist der Anker oben und ich kann bei wenig Wind gleich aus der Bucht von Maumere heraussegeln.
Um 11 Uhr bin ich schon zwischen der Insel Pulau Besar und dem Festland. Endlich habe ich einmal guten Wind. Erst kurz vor Sonnenuntergang mache ich die Maschine an, um das Kap »Batu Payung« bei gedrehtem Wind noch klar zu passieren. Ich habe keine Lust, mit dem Schiff gegen den Wind anzukreuzen. Um halb acht ist der Motor wieder aus. Das um eine Stunde vorgezogene Funkgespräch muß aber ausfallen, da ringsherum Gewitterfronten auftauchen. Und ich bin an genau der einzigen Stelle, über der noch klarer Himmel zu sehen ist. Vielleicht kann ich ja daran vorbeischlittern, wenn ich genau Kurs Nord halte.
Doch um 20 Uhr nehme ich vorsorglich das Großsegel weg. 15 Minuten später kommt der Wind, die Temperatur fällt schlagartig um etwa 4 Grad. Und ich bin froh, daß das Segel schon unten ist. Es bläst ganz schön kräftig. Ich umrunde die Nordostspitze von Flores unter Motor. Besan und Stagsegel werden zur Unterstützung der Fahrt oben gelassen.
Nachts um halb drei geht es dann richtig los, ich muß im Dunkeln auch noch die letzten beiden Segel bergen und die Maschine starten. In den schweren Gewitterböen kann ich das Schiff selbst mit der Maschine nicht gegen den Wind halten, das Schiff stampft durch die Wellen, der Bug schlägt richtig auf das Wasser auf. Hoffentlich habe ich den Anker im Bugkorb auch richtig gesichert, ich kann unmöglich nach vorne gehen. Da auch der Autopilot bei dem starken Ruderdruck nicht funktioniert, ich muß die ganze Zeit selbst steuern. Das schwere Wetter hält bis zum Morgen um fünf Uhr an. Ich sitze die ganze Zeit mit Segelanzug im peitschenden Regen und halte das Schiff auf Kurs. Es ist das erste Mal auf dieser Reise, daß ich den Anzug brauche.
20. Tag.
Freitag, 08.12.89
Ich lege mich bei laufender Maschine schlafen, nachdem der Wind etwas abgeflaut ist. Der Seegang ist immer noch beträchtlich. Um halb neun stelle ich dann den Diesel aus. Ob diese Regenfront wohl der Beginn der ITCZ (Innertropische Konvergenzzone) ist? Der einsetzende Nordwestwind läßt dies vermuten. Mit Großsegel, Besan und Stag mache ich bei fast achterlichem Wind gute Fahrt (4 Knoten) auf mein Ziel zu. Ich will zur Insel Lomblen.
Heute habe ich einen großen Walfisch gesichtet, er war etwa eine Seemeile von meinem Schiff entfernt. Und wenig später sprang ein riesiger Manta aus dem Wasser und segelte eine kurze Strecke über der Wasseroberfläche dahin, bevor er mit lautem Klatschen zurück ins Wasser fiel. Seine Spannweite war sicherlich anderthalb Meter. In solchen Momenten hat man natürlich seine Kamera nicht griffbereit und der Manta hat das Schauspiel leider nicht wiederholt.
Um vier Uhr Nachmittags erreiche ich die Bucht von Baiurin auf Lomblen. Ich zögere einen Moment, ob ich hier wirklich über Nacht ankern soll, da die Bucht für Winde zwischen Nord und Nordost offen ist. Aber dann ich sehe eine kleine Bucht, die alles zwischen Nordwest bis Nord schützt.
Wieder geht es sehr steil aus einer Tiefe von etwa 40 m auf das Niveau der Korallen. Ich brauche einen zweiten Versuch, bis der Anker in 8 m hält. Wieder ankere ich nur mit Kette und drei Metern Ankertau.
Nach dem Abendessen (erneut die gute Gemüsepfanne) lege ich mich an Deck zu einem Nickerchen und verschlafe beide Funkkontakte. Ich wache nachts um halb elf Uhr auf und schlafe weiter bis in das erste Morgenlicht.
21. Tag.
Samstag, 09.12.89
Ich mag heute noch nicht weitersegeln. Beim Säubern des Dingis habe ich eine Vielzahl von Muscheln unter der Wasserlinie von »Garuda« bemerkt. Und ich hatte das Schiff doch erst am 19.11. in Lombok gesäubert. Also setzt das Schiff schon Bewuchs in etwas mehr als 14 Tagen an. So etwas hätte ich nicht für möglich gehalten.
Um 9 Uhr ist die Wassertiefe nur noch knapp drei Meter, da der Wind mich jetzt dichter an das Riff getrieben hat. Es ist unvorstellbar, wieviel Bewuchs das Schiff schon wieder angesetzt hat. Gleichzeitig habe ich beim Reinigen entdeckt, daß sich eine Trawlingleine aus Nylon in der Welle hinter der Schraube verfangen hatte. Also war das gestern doch kein Biß eines großen Fisches, sondern mein eigenes Schiff.
Mit Maske und Schnorchel habe ich dann gleich noch den Anker freitauchend unter einen Korallenblock in 6 m Wassertiefe gelegt. Ich kann jetzt etwas mehr Ankertau einholen und bin dennoch in tieferem Wasser. Wann immer es möglich ist, sollte man den Sitz des Ankers mit Brille und Schnorchel überprüfen. So mache ich meine eigenen Erfahrungen, die ich sonst wohl schon einmal in Seglerbüchern gelesen habe, aber die übertriebene Vorsicht nicht so recht verstehen konnte.
Soeben kam der erste Einwohner aus dem Dorf Lomblen mit seinem Auslegerkanu zu mir. Er zeigte mir mehrere Armreifen, ich vermute, sie waren aus Horn. Der Mann besaß genau fünf dieser Armreifen, einer davon war schon gebrochen. Für vier der Armreifen sollte ich zweieinhalb bezahlen. Ich wollte aber nur zwei Armreifen haben. Für diese zwei sollte ich aber den gleichen Preis bezahlen. Ich feilschte ihn auf zweitausend herunter. Und dann kam die Überraschung: er wollte 250.000 Rupiah. Denn die Armreifen seien aus »Gajah« (Elephant, also Elfenbein). Leider besitze ich nur noch 15.000 Rupiah. Ich habe dankend abgelehnt. Ob in dieser Bucht schon einmal ein paar dumme Segler gewesen sind?
Aus südlicher Richtung kommt eine Regenwand gezogen. Ich spanne den Rest der aus Deutschland mitgebrachten dünnen Plastikfolie (Abdeckplane) zwischen den Relingsdrähten im Bug aus. Aber es wird ein kläglicher Erfolg. Der Wind weht die Plane immer fort und das Loch genau über Eimer und Wasserflasche verschiebt sich derart, daß das aufgefangene Regenwasser danebenläuft. Ich schaffe es, eine Zweiliterflasche zu füllen und ein wenig Wasser im Plastikeimer aufzufangen. Das ist nicht einmal genug, um mich von Kopf bis Fuß zu waschen. Die Plane wird vom Wind immer wieder angehoben, das Wasser perlt an den Seiten heraus. Wie gut, daß ich den Stoff für den Regenfänger noch nicht zugeschnitten habe. Ich werde noch einige Zeit benötigen, um das optimale Prinzip herauszufinden.
22. Tag.
Sonntag, 10.12.89
Ganz so früh komme ich doch nicht weg, aber um Viertel vor sieben ist der Anker oben. Mit wenig Wind mache ich zwei Knoten Fahrt. Um halb neun ist wieder einmal Motoren angesagt, der Diesel läuft bis zum Nachmittag drei Uhr. Dann kommt endlich guter Wind aus Nordwesten.
Am Abend kommt wieder Quellbewölkung auf, ein Squall plötzliche Böen im Osten kommt mir entgegen. Ich nehme die Genua herunter (da es Nacht wird), lasse aber Groß, Besan und Stagsegel oben. Ich will wissen, wie sich das Schiff mit dieser Besegelung in einem Squall verhält. Der Wind dreht entgegen dem Uhrzeigersinn auf Süd, ich mache zum erstenmal fast sechs Knoten Fahrt, der Autopilot kann das Ruder gerade eben noch halten. Bis Mitternacht mache ich fantastische Fahrt. Ich lege mich aber nicht schlafen, da weitere Squalls in der Nähe sind.
In der Nacht flaut der Wind dann ab und dreht auf Südwest. Ich lege mich stundenweise schlafen. Zum Sonnenaufgang weht nur noch ein schwaches Lüftchen aus Südwesten. Nach dem Frühstück mache ich den Motor an, da die Fahrt nur noch 1.5 Knoten beträgt. Endlich sehe ich wieder blauen Himmel. Die Nordküste von Alor ist in etwa 6 Seemeilen Entfernung von mir.
23. Tag.
Montag, 11.12.89
Beim Flautenschieben komme ich endlich dazu, meine Korrespondenz aufzuarbeiten. Sechs lange Briefe sind das Resultat. Ich kann die Briefe vermutlich in Dili aufgeben, sodaß sie noch vor Weihnachten in Deutschland sind.
Zum Abendessen gibt es panierte, in Öl gebackene Auberginen. Die mußten mal wieder als erste weg, da sie schon weich sind. Gegen 20 Uhr mache ich den Motor aus und warte auf den Funkkontakt. Es klappt heute aber nicht, anscheinend sind schlechte Ausbreitungsbedingungen. Wolf gang ist ja sonst sehr zuverlässig. Mein Vater hat sich schon seit einigen Tagen nicht mehr gemeldet. Ich schlafe von 22.30 bis 4 Uhr morgens ohne aufzuwachen. Das Schiff driftet langsam durch die See.
24. Tag.
Dienstag, 12.12.89
Noch immer kommt kein Wind auf, ich muß um 4 Uhr morgens die Maschine anwerfen und nach Dili motoren. Es sind nur noch 16 Meilen, also etwa 5 Stunden Fahrtzeit bei 3.5 Knoten. Die See ist spiegelglatt bis auf eine leichte Dünung aus Nordost.
Da ich keine Detailkarte vom Hafen von Dili habe, ziehe ich den »Indonesian Pilot« zu Hilfe. Es ist ein fantastisches Buch, das vorgelagerte Riff ist beschrieben und auch die (meistens nicht) beleuchtete Einfahrt in den Hafen. Es sind jetzt aber auf beiden Seiten der Riffeinfahrt Leuchtbojen (aber nur die Steuerbordboje brannte wirklich). Ich ankere auf 10 m kurz vor der Werft. Dort liegen schon ein Landungsboot (es kann direkt auf den Strand fahren und vorne eine Klappe aufmachen) und eine Perahu (Pinisi).
Diesmal will ich alles richtig machen, ich nehme gleich meine Papiere mit und frage mich zum Syabandar (Hafenmeister) durch. Ich werde natürlich gleich wieder den anderen wartenden Seeleuten vorgezogen. Der Hafenmeister ist sehr freundlich und will mir auch gleich beim Besorgen von Eis und Diesel helfen (natürlich mit einem kleinen Aufschlag auf die Preise). So brauche ich nicht lange nach den Dingen zu suchen.
Das Einklarieren ist natürlich wieder etwas langwierig. Erst muß ich zur Polizei, dann zum Immigrasi Ausländerbehörde. Zwischendurch bringe ich das Eis an Bord und bunkere 40 Liter Diesel. Bei meiner langsamen Marschfahrt braucht die Maschine nur 2 Liter pro Stunde.
Dili ist ein sehr schöner Ort, überall sieht man noch den portugiesischen Einfluß. Die portugiesischen Straßennamen sind geblieben, zum Teil stehen noch alte Hinweisschilder in portugiesischer Sprache dort. Auch viele Geschäfte haben noch portugiesische Namen. Die Straßen sind viel zu breit für so wenig Verkehr. Es ist auffällig, von der Überbevölkerung der indonesischen Städte ist in Dili nichts zu bemerken. Es ist so als wäre die Hälfte der Einwohnerschaft nicht anwesend.
Der Taxifahrer, der mich zum Immigrasi bringen soll, ist ein wenig dümmlich. Wir machen eine komplette Stadtrundfahrt und fahren dann aus dem Ort hinaus in die Berge. Ich lande beim Ministerium für Transmigrasi Behörde für das innerindonesische Umsiedelungsprojekt. Ich merke es gerade noch rechtzeitig und kann den Taxifahrer zurückrufen. Ich steige erneut zu ihm ein. Ich zahle jetzt natürlich nicht noch einmal, sondern lasse mich von ihm erneut zum Immigrasi fahren. Man hat ihm den Weg nun auch genau erklärt. Und ich werde beim Ministerium für Imigrasi abgesetzt. Das richtige Office finde ich dann eine Viertelstunde von dort entfernt. Per Fußmarsch, denn diesmal war mir der Taxifahrer entwischt.
Es ist eine schwüle Hitze hier auf der Insel Timor, mir kleben meine Kleidungsstücke wieder einmal auf dem Körper. Oder ich bin zu schnell gelaufen.
Als ich mit der Anmeldeprozedur fertig bin, haben alle Geschäfte geschlossen (von 12 bis 16 Uhr). Ich fahre mit dem Taxi (500 Rp für eine Stadtfahrt) zum Wochenmarkt. Der Wochenmarkt liegt außerhalb von Dili im Ort Comoro. Die Auswahl hier ist nicht so reichhaltig wie in Maumere. Frisches Fleisch oder frischen Fisch suche ich vergeblich. Um 16 Uhr mache ich dann die restlichen Einkäufe in der Stadt. Ein guter Supermarkt ist Toko Marina, Jalan J.M. Marques 25. Gegenüber ist ein Fotoladen, dort lasse ich meine Filme entwickeln. Im Supermarkt gibt es sogar portugiesischen Wein, Brandy und Sardinen. Leider keine Oliven und kein Olivenöl. Dafür leiste ich mir eine Flasche Johnny Walker für nur 18.000 Rp. Bank und Post hatte ich schon am Vormittag erledigt.
So bin ich tatsächlich um 17.30 Uhr abreisefertig. Im Hafen von Dili steht Schwell aus Nord und das Hafenwasser ist sehr schmutzig. Warum also nicht gleich wieder auslaufen? Mich lockt langsam das Atoll von Meatij Miarang. Und ich möchte gern am 20. Dezember in Darwin sein.
Kurz vor einem Gewitterschauer bin ich aus der mit Bojen markierten Hafeneinfahrt heraus, stelle den Autopiloten ein und nehme eine kurze Dusche im Regen an Deck. Dann verkrieche ich mich mit einer Dose Bier in die Kabine.
Leider kann ich nur noch eine Stunde segeln, dann kommt die abendliche Flaute. Ich schlafe an Deck, der Motor läuft bis 2 Uhr morgens. Das Funkgespräch habe ich um 15 Minuten verschlafen.
25. Tag.
Mittwoch, 13.12.89
Es war eine gute Entscheidung, noch am Abend aus Dili auszulaufen. Morgens um 4 Uhr habe ich schon 40 Meilen östlichen Abstand von Dili. Ab 10 Uhr weht auch ein beständiger Wind aus West, der um 12 Uhr auffrischt. Ich mache fast konstant eine Fahrt von 4 Knoten. Solange der Wind keine östliche Komponente hat, ist mir jede Windrichtung lieb.
Heute morgen klappte die Funkverbindung mit der Perintis wunderbar, aber erst als wir auf 12 MHz gewechselt waren. Dies bleibt unsere Hauptfrequenz für die nächsten Tage.
Und ich habe heute Glück. Ich habe zur Vorsicht noch eine zweite Sicherungsleine zum nachgeschleppten Dingi gespannt. Um 13 Uhr schaue ich zum Dingi und sehe, daß die alte Leine gerissen ist.
Heute empfange ich zum erstenmal Darwin Radio mit dem Wetterbericht. Ein monsunaler Trog erstreckt sich von Position 09 Grad Süd, 100 Grad Ost bis 11 Grad Süd, 142 Grad Ost mit einem Tiefdruckgebiet bei 11 Grad Süd, 134 Grad Ost. Also weit genug entfernt, um sich keine Sorgen zu machen. Aber ich werde den Wetterbericht jetzt zweimal täglich aufnehmen, um sicher zu gehen, daß mich kein Sturm erwischt. Mir reichen die lokalen Squalls, die schon genug Kraft in sich haben.
Zum Abendessen gibt es wieder einmal Nudelsalat. Um 19 Uhr und um 20 Uhr wettere ich jeweils einen Squall ab. Ich bleibe bis 1 Uhr wach, da noch mehrere Squalls in der Nähe sind. Aber es kommt kein Wind mehr auf.
26. Tag.
Donnerstag, 14.12.89
Noch 62 Meilen bis Meatij Miarang. Ich interpoliere in den Tidentabellen, um den Zeitpunkt für das Niedrigwasser zu ermitteln. Es ist am Morgen um halb neun, wenn meine Rechnung stimmt. Die 60 Meilen sollten eigentlich zu schaffen sein. Dafür muß ich dann immer den Motor anmachen, wenn das Schiff weniger als 2 Knoten Fahrt macht. Um 16 Uhr bin ich nur noch 37 Meilen entfernt. Ab 22 Uhr wird gesegelt, ich lege mich an Deck schlafen. Und wache um 2 Uhr (statt um 1 Uhr) auf, der Navsat hat mitgekoppelt und zeigt nur noch 7.5 Meilen Entfernung an. Ich kann das Feuer des Leuchtturms klar ausmachen. Da ich eine zu große Eigengeschwindigkeit in den Navsat eingegeben habe, bin ich aber auf der sicheren Seite. Und jetzt kommt plötzlich Wind auf. Ich nehme das Großsegel weg und mache nur mit Besan und Stagsegel immerhin noch 3 Knoten Geschwindigkeit. Um 3 Uhr erhalte ich einen Fix: es sind nur noch 5 Meilen bis zum Atoll, beim nächsten Fix nur noch drei Meilen. Ich halte meinen Kurs etwas südlicher als notwendig, um mit Sicherheit frei vom Riff zu kommen. Um halb fünf kommt dann die Morgendämmerung. Um 5.15 Uhr starte ich den Motor und beginne mit der Suche nach der Öffnung im Atoll. Ich umrunde es von Süden und taste mich langsam nordwärts. Ich habe keine Ahnung, wie so eine Öffnung aussieht, die nur 150 Meter breit sein soll.
Um 6 Uhr kommt der erste Squall, ich muß weg vom Riff, da die Sicht weniger als 100 Meter beträgt. Kurz vor 7 Uhr sehe ich etwas, es könnte die südliche Riffpassage sein. Allerdings fehlen die im »Indonesian Pilots« angegebenen Bojen.
Ein zweiter Squall zwingt mich wieder zum Abdrehen nach Osten. Wo ich mich befinde, ist das Wasser total verwirbelt mit halbmeterhohen Wellen. Hier steht der Wind gegen die Strömung, aber das zeigt mir den Weg in die Passage. Ich erhöhe die Motorleistung und mache jetzt 5 Knoten Fahrt. Und scheitere beim ersten Versuch, in ein Atoll einzulaufen. Ich habe Angst vor den vielen Wirbeln, die mein Schiff hin und her drehen, ohne daß ich Kontrolle über die Richtung des Schiffes habe. Ich breche die Einfahrt in das Atoll wieder ab.
Um halb acht versuche ich es ein weiteres Mal. Selbst mit sechs Knoten Fahrt bewege ich mich keinen Meter über Grund.
Ein kleines Segelboot mit zwei Indonesiern schießt aus der Passage heraus. Sie werfen den Anker dicht am Riff und geben mir Zeichen, daß ich aus ihrer Position heraus etwa 45 Grad zur Strömung auf die nördliche Seite der Einfahrt zuhalten soll.
Noch einmal gebe ich Vollgas und schiebe mich langsam gegen das immer noch auslaufende Wasser des Atolls in die Lagune.
Innerhalb der Lagune sind überall kleine Riffe, viele sind mit Stangen markiert, aber leider nicht alle. Ich stehe auf der obersten Sprosse der Mastleiter, die Fernbedienung des Autopiloten in der Hand. In der Lagune ist die Wassertiefe zwischen 10 und 15 Metern. Ich kann mich kaum entscheiden, wo ich ankern soll. Es ist überall wunderschön hier. Endlich fällt der Anker auf 12 m, die Entfernung zum Innenriff ist etwa 500 Meter. Ich befinde mich im südlichen Teil der Lagune, dicht bei einem kleinen Motu (einer Insel am Rand des Atolls).
Um 10 Uhr ist das Wasser schon wieder etwas gestiegen. Die Zeit für Stillwasser war also richtig geschätzt. Ich war etwa eine Stunde zu früh hineingefahren. Nun werde ich erst einmal schlafen, diese Nacht war sehr kurz für mich. Ich war jetzt 5 Nächte hintereinander auf See seit meiner Abfahrt aus Baiurin.
27. Tag.
Freitag, 15-12-89
Während meiner Fahrt hierher habe ich eine Zeichnung der Silhouette der Insel Moa angefertigt (in den indonesischen Karten heißt sie Pulau-Pulau Leti). Wer weiß, vielleicht können diese Skizzen einmal einem anderen Segler helfen.
Das Flachland in der Mitte und im Osten wird leicht übersehen, wenn man noch weit von der Insel entfernt ist und man vermutet dort eine Passage. Möglicherweise ist das östliche Flachland schon die Insel Lakor. Da alle Küsten ziemlich steil ins Meer fallen, wird die Entfernung zur Insel zu groß geschätzt, insbesondere wenn man sich von Westen der Insel nähert.
Eine halbe Stunde bevor mich mein Wecker aus dem Mittagsschlaf holt, werde ich durch Stimmen wach. Zwei Insulaner sind mit ihrem Einbaum längsseits gekommen. Ich bin zu verschlafen und lasse sie an Bord. Wie üblich kommt erst einmal das große Staunen, daß ich allein an Bord bin. Vielleicht sind es die beiden Indonesier, die mich an der Passage auf den richtigen Weg ins Atoll gewiesen haben. Ich verteile erst einmal Zigaretten. An Getränken habe ich natürlich nur Wasser, aber auch das wird gerne angenommen. Die Insulaner haben hier schon einen deutlichen melanesichen Einschlag.
Mir wird ein großer Fisch angeboten, ich lehne ihn aber ab. Dann sehe ich zwei Schildkröten in der Prahu Boot. Man will mir sofort die kleinere überlassen. Aber was soll ich machen, das Tier lebt ja noch. Und ich erinnere mich an das Buch von dem Schiffbrüchigen Ehepaar, das fast 100 Tage im Schlauchboot durch den Pazifik trieb und wie der Mann seinen Mord an einer gefangenen Schildkröte schilderte. Ich vertröste die beiden auf den morgigen Tag. Mir scheint, dies wird das erste Fleisch sein, daß ich seit vier Wochen zu mir nehmen werde. Die beiden wollen morgen früh wiederkommen. Ich habe auch versprochen, morgen das Dorf zu besuchen.
Ein Squall bricht den Anker los. Ich drifte auf 10 Meter Wassertiefe, bin aber immer noch weit genug vom Riff entfernt.
Es wird schwierig sein, vom Atoll eine Skizze anzufertigen. Vermutlich kann man das nur bei Vorlage eines Luftbildes machen. Ich bin schon einmal für ein Foto in die Saling geklettert. Aber so etwas kann man nicht mit einem Fotoapparat aufnehmen, das muß man mit eigenen Augen sehen. Nur das Rundumpanorama des geschlossenen Riffringes mit den in allen Nuancen schillernden Untiefen gibt einen vollständigen Eindruck von der Schönheit. Ganz in der Ferne höre ich die tosende Brandung des Außenriffs.
28. Tag.
Sonnabend, 16-12-89
Heute ist ein absoluter Faulenzertag. Es war zuviel Wind, um Anak Garuda Klein Garuda: das Beiboot segeln zu können. Der Himmel ist bedeckt, es ist also auch kein gutes Wetter zum Schnorcheln. Ich lese einen Frauenroman zu Ende und lasse einen Squall passieren. Der Wind kommt konstant aus Südwest. Um 19 Uhr erlebe ich einen Squall, bei dem ich froh bin, hier vor Anker zu liegen. Mindestens 7 bis 8 Windstärken, es pfiff nur so in der Takelage, aber der Anker hält. Außerhalb des Atoll steht eine sehr hohe Welle.
29. Tag.
Sonntag, 17-12-89
Ich hole den Anker auf zum letzten Schlag in Richtung Australien. Ich habe mir die Niedrigwasserzeit ausgerechnet, um halb zehn passiere ich den Ausgang des Atolls. Nur wenig Strom setzt mit, vor der Ausfahrt komme ich aber in die immer noch steil gegen das ausströmende Wasser stehende Welle. Bis Nachmittags um drei Uhr ziehen wieder mehrere Squalls über mich hinweg. Mit der gesetzten Genua macht das Schiff ganz schön Schlagseite. Um vier Uhr Nachmittag sind plötzlich wieder Schäfchenwolken am Himmel. Dies ist die südliche Grenze des von Darwin Radio angekündigten Troges. Zur Nacht nehme ich aber die Genua herunter und kann ruhig schlafen. Somit kam also kein Squall während der Nacht.
30. Tag.
Montag, 18-12-89
Das Einerlei einer langen Reise über See setzt ein, man wird fürchterlich faul und träge. Ich liege nur in der Kabine und lese die Bücher nun zum zweitenmal. Gegen Mittag feiere ich meine tausend gesegelten Seemeilen seit der Abreise aus Bali. Noch ist das Eis in der Kühlbox nicht ganz aufgetaut. Aber sobald das Eis verschwunden ist, wird auch das in der Box verbleibende Wasser schnell warm.
Mein entzündeter Zahn macht mir Kummer. Schon vor Dili bemerkte ich das Einsetzten von Zahnschmerzen, jetzt kommt eine Schwellung dazu. Ich mußte das in Dili gekaufte Antibiotikum absetzen, da es mir zu stark war. Ich habe eine riesig geschwollene Backe und bekomme den Mund nicht mehr richtig auf. Also esse ich nur leichte Snacks zum Abendbrot.
In der Nacht bleibt die Genua gesetzt. Ich kann von halb zwölf bis morgens um vier in einem Stück durchschlafen.
31. Tag.
Dienstag, 19-12-89
Die wichtigste Eintragung in der Logbuchseite für heute lautet: Eis alle, Bier alle, Whisky alle. Das Eis hat wieder genau eine Woche gereicht. Da den ganzen Tag ein guter Wind weht, mache ich heute das beste Etmal In 24 Stunden zurückgelegte Strecke der bisherigen Reise: 73 Seemeilen. Andere Segler werden lächeln, aber ich brauche keine 140 Seemeilen pro Tag bei voll gesetzten Segeln, und dafür eine ungemütlichen Lage des Schiffes.
32. Tag.
Mittwoch, 20-12-89
Morgens um 9 Uhr sehe ich Land. Es ist Melville Island. Die Insel erscheint so spät am Horizont, da die Küste sehr flach ist und Melville keine höheren Erhebungen hat. Ich war also nur drei Tage ohne Landsicht, aber dies war immerhin das erste Mal, daß ich ganz allein auf See ohne Blick auf irgendeine entfernte Insel hatte. Um 14 Uhr ist dann wieder einmal Flaute, es sind noch 60 Meilen bis Darwin. Bei Einbruch der Dunkelheit ist der Lichterschein von Darwin schon am Himmel zu sehen. Ich muß fast ununterbrochen motoren. Um 23 Uhr kommt ein kräftiger Squall und von nun an ist der Wind genau aus Richtung Darwin, Peilung 125 Grad.
Bei laufendem Motor will ich lieber nicht schlafen, da ich genau auf die Küste zufahre. Morgens um 5 Uhr bekomme ich mindestens 5 Windstärken von vorn. Das Schiff stampft sich in den hohen Wellen fest, ich mache weniger als 1 Knoten Fahrt auf mein Ziel zu. Die Maschine läuft mit einer Tourenzahl, bei der ich unter ruhigen Wind und Wellenbedingungen mindestens 3.5 Knoten Fahrt machen würde.
Um 8 Uhr erhöhe ich die Drehzahl und mache langsam Fahrt auf die Bucht von Darwin. Der Wind weht noch immer gegenan, aber seine Kraft nimmt langsam ab.
33. Tag.
Donnerstag, 21-12-89
Ab 9 Uhr morgens kommt wieder die totale Flaute und eine fürchterliche Hitze herrscht an Bord. Ich muß also weiter unter Motor die letzte Strecke des Wegs zurücklegen. Exakt um 11 Uhr fällt mein Anker in der Bucht von Frances Bay in 4.8 Meter Wassertiefe. Ich räume ein wenig an Bord auf. Der Hafenmeister oder der Zoll haben mich anscheinend nicht gesehen. Ich beschließe, mit dem Dingi zum Kai zu rudern. Ein unter Motor vorbeifahrendes Dingi beschreibt mir das Gebäude des Zolls.
Die Jungs vom Zoll sind entsetzt, wieso ich das Schiff verlassen habe, bevor sie an Bord gekommen sind. Sie fragen, warum ich sie nicht auf Kanal 16 gerufen habe. Ich erkläre ihnen, daß ich zwar ein Funkgerät besitze, aber keine Genehmigung und kein Rufzeichen. Das scheint man hier nicht so streng zu sehen. Es beginnt die langwierige Prozedur der Einklarierung, es ist noch viel mehr Papierkrieg als in Indonesien, allerdings ein wenig besser organisiert. Aber bei vielen Fragen muß ich passen, da ich diese Spezialbegriffe der Seefahrt nicht verstehe. Schließlich ist die meine erste Einklarierung in einem fremden Land.
Zum Schluß kommen vier Mann mit an Bord der »Garuda« und nehmen das Schiff auseinander. Da ich vorher die Kabine gut verriegelt hatte, herrscht eine Temperatur von mindestens 45 Grad im Innern des Schiffes. Ich sehe sie mit einiger Schadenfreude arbeiten. Es wird wirklich gründlich inspiziert, ich sehe vermutlich wieder aus wie ein Rauschgiftschmuggler. Die ganze Prozedur dauert mindestens eine Stunde. Ich muß sogar einen Schraubenzieher ausleihen, da sie den Endbeschlag des Großbaum öffnen wollen und in das Alurohr hineinsehen wollen. Sie geben aber bei der zweiten festsitzenden Schraube auf.
Alles Obst und Gemüse wird in einen Plastiksack getan, zusätzlich verliere ich zwei ungeöffnete Dosen Trockenmilchpulver und die gezuckerte Dosenmilch. Von den mitgeführten Konserven wird weniger konfisziert als ich vermutet habe. Vermutlich haben andere Segler bessere Konserven an Bord, denn von denen hatte ich ja gehört, daß fast alle Konserven außer Fischkonserven fortgenommen werden.
Ich montiere den Außenborder an mein Dingi und mache mich auf den Weg in die Stadt. Nach wenigen Versuchen springt der Außenborder tatsächlich an, aber er bleibt zwischendurch mehrfach stehen. Nun, ich hatte ihn auch mehr als einen Monat lang nicht benutzt.
43. Tag.
Sonntag, 31-12-89
Zehn Tage sind seit meiner Ankunft in Darwin vergangen, ohne daß ich eine Zeile ins Tagebuch geschrieben habe. Und ich habe weiter nichts getan, als geschlafen, gelesen, Essen gekauft, gegessen und getrunken. Es scheint, als sei eine große Müdigkeit über mich gekommen. Die Verbesserungen und Reparaturen verschiebe ich von einem Tag auf den nächsten. Aber ich habe drei dicke Bücher durchgelesen, an einem Tag bis zum Morgengrauen. Das war wie in alten Studententagen. Aber vielleicht muß das nach einem Monat Alleinsein auf See auch so sein. Ich fühle mich jedenfalls wohl dabei.
Dieses Jahr habe ich zu Heiligabend etwas ganz besonderes gemacht, ich bin in die »Joint Discotheque« gegangen, denn hier ist der 24. Dezember noch kein Feiertag wie zu Hause.
Vom 24. Dezember, in diesem Jahr ein Sonntag, bis einschließlich 27. Dezember hatten die meisten Geschäfte geschlossen. Das war für mich insofern problematisch, da ich Lebensmittel im Vorrat gekauft hatte. Aber ich fand kein Eis für die Kühlbox. Hier in Australien wir Dir nichts an Bord gebracht (es sei denn, Du bezahlst kräftig dafür). Und ich bezweifle, ob mich ein Taxifahrer mitnehmen würde, wenn ich zwei Blöcke Eis in seinen Kofferraum legen möchte. An einem der Feiertage war ich abends in der Stadt, und sie erschien mir wie ausgestorben.
Der Ankerplatz in der Frances Bay ist sehr gut. Ich benötige etwa 10 Minuten mit dem Dingi bis zum Pier »Fisherman's Wharf«. Dann sind es noch zehn Minuten Fußweg und man ist in der Innenstadt.
Das Zentrum von Darwin besteht aus vier Parallelstraßen, die in einem Abstand von etwa 250 Metern verlaufen, dies über eine Länge von vielleicht einem Kilometer. Und das war es dann auch schon. Der Rest von Darwin sind Wohnbezirke, alles kleine Eigenheime.
Der Skipper des dänischen Fischkutters »Danmark« hat mir den Tip für einen Pub in Darwin gegeben (Frontier's Brewery, Top End's only Brewery). Auch hier, wie schon im »Don Hotel« wird von Rausschmeißern auf gepflegtes Äußeres geachtet (»No thongs, runners, T-shirts or singlets«). Das Publikum ist gepflegtes Mittelalter. Dafür ist aber das Bier hier um einen Dollar billiger als in der Disco (A$ 1.90).
Gestern war ich im »Darwin Sailing Club«, für mich eine sehr befremdliche Atmosphäre. Es ist mehr eine Bar als ein Clubhaus. Aber ich lebe anscheinend nach anderen Kriterien. Denn hier kostet das Bier nur A$ 1.30 und ich nehme mir erst einmal zwei zur Brust. Die heutige Sylvesterparty kostet 25 Dollar Eintritt. Das ist mir etwas zu teuer, ich rechne natürlich noch immer in asiatischen Maßstäben. Also gehe ich entweder zur Maskerade ins »Joint« oder in die Brewery. An die Brewery angeschlossen ist der »Beachcomber's«, ein Nachtclub oder eine Disco. Also gehe ich wohl besser dorthin.
Langsam plane ich auch meine Abreise. Der von mir gesetzte Termin ist der 5. Januar. Ich will das Boot nicht mehr in Darwin slippen, vielleicht kann ich es besser auf den Salomon Inseln machen. Ich habe nach Studium der Seehandbücher doch einige Bedenken wegen möglicher tropischer Zyklone bekommen, obwohl im Mittel nur alle 10 Jahre ein Zyklon in dieser Gegend auftaucht. Aber ich möchte keine Bekanntschaft mit 12 Windstärken machen. Die Gewitterfronten sind hier wesentlich inhaltsvoller als in Indonesien. Sie werden mit 40 Knoten Wind angesagt, und bei 41 Knoten beginnt Windstärke 9.
Die Schiffausrüster findet man hier direkt am Hafen, aber sie haben keine besonders große Auswahl. Viele Dinge sind nur für die Shrimpfischer von Interesse. Natürlich bin ich verwöhnt von einer Hafenstadt wie Hamburg, aber im Vergleich zu Jakarta ist die Auswahl hier immer noch viel besser. Vor allen Dingen liegen die Geschäfte dichter zusammen und man braucht nicht einen vollen Tag, um drei Erledigungen zu tätigen. Ich bezweifle allerdings, daß ich hier die fehlende Seekarte von Papua Neuguinea kaufen kann. [handschriftliche Anmerkung: »doch«]
Heute habe ich den ganzen Tag damit verbracht, die Tidentabellen auf das nächste Jahr zu extrapolieren. Es klappt tatsächlich, ich sollte ein Buch über Tidenrechnung schreiben. Ich glaube, hierüber gibt es in Deutschland noch kein gutes Buch. Oder ich schreibe hierüber einen kurzen Bericht für das »Yacht«-Magazin.
Die günstigste und auch beste Einkaufsmöglichkeit für Lebensmittel und Spirituosen ist »Woolworth«, gleich am Ende der »Mall«. Das General Post Office liegt auf der gegenüberliegenden Straßenecke. Die Preise hier sind vergleichbar mit den Preisen in Deutschland, vielleicht auch etwa 20 % höher. Ich war aber lange nicht mehr zu Hause, auch dort können natürlich die Preise gestiegen sein.
Am 22. Dezember habe ich Post von Britta, Sara und Sabine erhalten. Ich warte aber noch auf die Briefe von Ulrike die Schwester und der Mutter.
49. Tag.
Samstag, 6-01-90
Wieder einmal war das Loswerfen der Leinen das Schwierigste. Da ich gestern meinen obligatorischen Kneipenabend gemacht habe (der ist immer am Freitag), bin ich auch erst um 9 Uhr aufgewacht. Nach dem Frühstück gehe ich noch in die Stadt und kaufe ½ Kiste Bier, Eier, Milch und drei Beutel Eis. Jetzt muß ich nur noch den Außenborder von Heck des Dingi losschrauben, ein wenig an Bord aufklaren und dann bin ich reisefertig.
Um 15 Uhr bitte ich Arbeiter von einem Nachbarboot, die beiden an meiner Backbordseite im Päckchen liegenden Schiffe zu übernehmen. Ich hatte vor einigen Tagen in die Fisherman's Wharf verholt. Mit achterlichem Wind komme ich gut von der Pier weg. Meine verbrauchten acht Kilowattstunden zum Laden der Akkus habe ich leider nicht mehr bezahlen können, da der »lock operator« (Schleusenwärter) des »Basins« am Wochenende nicht arbeitet.
Am Freitag hatte ich mit viel Mühe 110 Liter Diesel geschleppt. Es kamen zwar während meiner Liegezeit an der Pier mehrere Tankwagen, aber sie hatten nur immer abgemessene Mengen für die Fischerboote (und dann natürlich gleich einige Tonnen, 100 Liter sind für die bestimmt nicht interessant). Dreimal habe ich die Fahrer der Tankwagen vergeblich gefragt. Es soll zwar noch ein Diesel-Depot im Hafen geben (»Fort Hill Wharf«), aber vorher muß jemand telefonisch dorthin beordert werden, der aufschließt. Leider ist dort ab Freitag Mittag auch nichts mehr zu machen.
Ich war schon mit dem großen Kanister unterwegs zur Tankstelle, da gab mir der Hafenmeister den Tip, es bei »Frances Bay Slipways« zu versuchen. Erst ging ich zum Vorarbeiter, dann zum Storekeeper. Und von ihm bekam ich die Erlaubnis, die Vorräte der Werft zu benutzen.
Ich füllte zuerst einmal den 30-Liter-Kanister. In dieser Hitze 30 Kilo an einer Hand zu schleppen, ist kein Vergnügen. 500 Meter bis zum Schiff, die steile Treppe hinunter, dann über den an der Pier liegenden Fischtrawler hinweg bis zur »Garuda«. Diesel einfüllen und zurück zur Werft. Ich kam schon nach Entleeren des ersten Kanisters klatschnaß auf der Werft an. Beim zweitenmal nahm ich den 30 Liter Kanister in die eine und den 20 Liter Kanister in die andere Hand. Lieber nur noch einmal den Weg machen. 100 Liter Diesel kosten in Darwin 60 australische Dollar.
In der Bucht von Darwin steht der Wind erst einmal gegenan, ich muß drei Stunden unter Maschine fahren. Dann kommt guter Wind auf und ich kann meinen geplanten Kurs halten. Ich wollte eigentlich erst am Sonntag morgen in der »Clarence Strait« sein, denn nachts ist ja immer nur wenig Wind. Aber das Schiff rauscht nur so durch das Wasser. Um 23 Uhr befinde ich mich schon an dem Ort, an dem ich erst frühmorgens um 4 Uhr sein wollte. In 2 Stunden ist Hochwasser, der Halbmond steht im Zenit, es ist kein Gewitter in der Nähe. Ich wage mich nachts durch die nur 1–2 Seemeilen schmale Straße. Die Leuchtfeuer sind gut auszumachen. Es herrschen also ideale Bedingungen und die Strömung schiebt mich kräftig mit. Eine gleich gute Situation hätte ich erst wieder am Sonntag um 12 Uhr gehabt. In der Straße müssen mindestens 2 Knoten Strom gestanden haben, 2 Uhr morgens bin ich hindurch und nehme Kurs auf Cape Hotham. Um halb vier kann ich mich für zwei Stunden hinlegen, da ich frei von allen Hindernissen bin.
Pünktlich um 5 Uhr wache ich auf. Es ist Flaute. Von 6 bis 8 Uhr wird motort, dann kommt etwas Wind auf. Um halb elf ist schon wieder Flaute.
50. Tag.
Sonntag, 7-01-90
Auf der Karte von Australien sieht das alles sehr klein aus. Jedenfalls auf den Karten, die ich früher in Deutschland gesehen habe. Aber auch der »Van Diemen Golf« braucht seine Zeit. Erst Nachmittags um drei Uhr passiere ich die Tonne von »Abbot Shoal«. Und wieder einmal bin ich 6 Stunden unter Motor.
51. Tag.
Montag, 8-1-90
Morgens bin ich endlich aus dem »Van Diemens Golf« heraus. Die Küstenwache kommt mit ihrem Flugzeug im Tiefangriff auf mein Schiff zu, um mich zu identifizieren. Sie melden sich aber nicht auf Funk oder ich bin auf der falschen Frequenz.
Das Wasser hier an der Nordküste Australiens gefällt mir nicht, es ist immer leicht grünlich und sehr trübe. Die Küste ist sehr flach und fast vollständig mit Mangrovendickicht zugewachsen. Eigentlich sollte ich einmal probieren, in einen der kleinen Flußläufe hineinzufahren. Sie heißen hier Creeks oder Billabongs. Aber dort finde ich sicherlich auch nur trübes Wasser und dichte Mangroven am Flußufer.
52. Tag.
Dienstag, 9-1-90
Am Vormittag kommt eine dicke Regenfront aus Nord. Es gibt viel Wind und auch viel Regen. Es sieht jetzt ebenso wie in Indonesien zur Regenzeit aus. Der Himmel ist grau verhangen, eine dunkelgraue Wolkenwalze folgt der anderen. Gegen Mitternacht bin ich nördlich von »New Year Island«. Von hier bis Cape Wessel muß ich nur noch genau Kurs nach Ost halten. Aber es sind noch viele, viele Meilen bis Thursday Island. Dort wird mein nächster Landfall sein. Der kommende Weg wird auf jeden Fall die längste Seestrecke ohne Zwischenstopp sein. Mal sehen, ob meine Schätzung mit 14 Tagen Reisezeit stimmt.
53. Tag.
Mittwoch, 10-01-90
Ich wache morgens um halb fünf auf, da das Schiff aus dem Ruder läuft. Ich bin immer noch im Schlechtwettergebiet, alle halbe Stunde zieht eine neue Böenwalze über mich hinweg. Und nun ist auch noch soviel Wind, daß ich die Genua herunternehmen muß. Ich gehe in die Kabine, um mir den Sicherheitsgurt anzulegen. Und als ich wieder an Bord stehe, ist die Genua schon auf ganzer Länge gerissen. Ich kann sie nur noch bergen und mir bei Tagesanbruch den Schaden ansehen. Gegen Morgen läßt der Wind noch einmal für zwei Stunden ein wenig nach, dafür gibt es aber Nieselregen. Es regnet fast den ganzen Tag. Am Nachmittag gibt es dann wieder wunderschönen Segelwind; ich mache auch ohne Genua genügend Fahrt.
54. Tag.
Donnerstag, 11-01-90
Das große Regengebiet scheint vorbei zu sein. Am Himmel zeigt sich etwas aufgelockertere Bewölkung und man sieht wieder die Sonne. Am Himmel sind Passatwolken, aber ab und zu taucht auch die Böenwalze eines Squalls in der Ferne auf.
Ich bin jetzt schon die fünfte Nacht auf See ohne einen Hafen angelaufen zu haben. und ich habe noch nicht einmal die halbe Strecke bis Thursday Island hinter mir. Für die Strecke von Darwin bis zu den Salomon-Inseln habe ich 35 Segeltage geschätzt. Hinzu kommen also noch etwa 45 Segeltage zurück bis Bali. Ich bin mit gar nicht mehr so sicher, ob ich das alles wirklich noch alleine segeln will. Alle Entfernungen bis zu 300 Seemeilen sind allein ohne Probleme zu schaffen, aber größere Strecken nerven mich doch gewaltig. Naja, ich muß auf jeden Fall etwa einen Monat vor Einsetzen des »Inselkollers« wieder an die Rückreise denken. Bis März ist ja überall noch Regenzeit und der Wind kommt aus Nordwesten. Also ist die Rückfahrt vorerst gar nicht möglich.
Ich bemerke, daß ein Wantenspanner des Vorstags gebrochen ist und nur noch mit einem Auge am Bugbeschlag hängt. Bei viel Wind und einer Genua am Vorstag hätte mich das den Mast und das Segel gekostet. Ich tausche das Gabelterminal gegen ein Terminal vom Unterwant des Besanmastes aus. Das Stag am Besan hat keine große Belastung auszuhalten, ich mache eine provisorische Verbindung mit achtfach gelegter Leine. Ein neues Teil aus Niro kann ich wohl erst in Port Moresby anfertigen lassen.
Am Besansegel ist eine Naht auf zehn Zentimeter Länge aufgeplatzt, ich nähe sie mit der Hand.
Der Wind kommt heute meist nur verbunden mit Squalls, in der Nacht frischt es allerdings wieder auf. Ich wache um halb drei Uhr morgens auf, weil der Autopilot aus dem Ruder gelaufen ist. Das Dingi ist in der steilen See doch gekentert und bremst die Fahrt der »Garuda« gewaltig. Ich kann es nur mit Muskelkraft allein nicht dichter zum Schiff ziehen, da »Garuda« noch Fahrt macht. Also nehme ich das Großsegel herunter. Selbst nun mache ich immer noch zwei Knoten Fahrt. Langsam bekomme ich das Dingi dichter an das Schiff. Aber ich kann es nicht alleine aus dem Wasser heben. Erst beim dritten Versuch hebe ich es soweit aus dem Wasser, daß sich das Dingi teilweise entleeren kann und wieder in Schwimmlage kommt. Da die See noch sehr steil ist, nehme ich das Dingi ganz dicht an das Heck und fendere es mit dem letzten verbliebenen Kunststoff-Fender ab. Zwei Stunden später ist der Fender abgerissen. Im Dunkeln hat ein Umkehren und Suchen keinen Sinn. Nun habe ich nur noch die geviertelten Autoreifen als Fender, von denen ich schon einen im Hafen von Darwin verloren hatte.
55. Tag.
Freitag, 12-01-90
Nach der gewohnten morgendlichen Flaute kommt um elf Uhr ein Schlechtwettergebiet und damit auch Wind. Ich habe gestern die Selbststeueranlage neu justiert, da der Zahnriemen bei starkem Wind rutscht und das Schiff aus dem Ruder läuft. Als Folge davon reißt mir der Zahnriemen am Nachmittag, und ich habe keinen Ersatzriemen in Jakarta bekommen. Ich mache ein Provisorium aus dünnem Tau, aber das rutscht natürlich noch viel stärker. Ich versuche, den Riemen mit Segelgarn und Epoxidkleber zu reparieren. Er hält bis nachts um halb fünf und reißt in einem Squall. Ich wache zum Glück vom veränderten Schaukeln des Schiffes auf. Also bastle ich wieder ein Provisorium aus Tauwerk. An Schlaf ist jetzt natürlich nicht mehr zu denken, da das Schiff alle zehn Minuten aus dem Ruder läuft.
56. Tag.
Samstag, 13-01-90
Heute früh springt der Motor nicht mehr an. Auch die zweite Batterie ist flach, obwohl ich sie fast ausschließlich zum Starten benutze. In der letzten Nacht lief allerdings auch der Autopilot auf dieser Batterie. Mit der Lichtmaschine scheint etwas nicht zu stimmen. Ich sollte auch die Diodenstrecke zum Funkakku lösen (sie sollte den Strom vom Generator auch in den Funkakku leiten, aber verhindern, daß der Strom aus dem Funkakku zum Hauptakku fließt). Nach einer halben Stunde Sonnenschein auf die Solarpanel springt die Maschine an. Die Solarpanel sind mehr als ihr Geld wert, sonst hätte ich mir wohl einen teuren Honda-Generator kaufen müssen.
Um 11 Uhr sehe ich Cape Wessel genau im Süden. Ich bin jetzt schon den achten Tag auf See und habe langsam keine Lust mehr. Noch vier bis fünf Tage und ich bin in Thursday Island. Der Wind ist flau, dafür stehen aber wunderschöne Passatwölkchen am Himmel. Ich lasse nachts den Autohelm aus, das Schiff hält bei diesem Wind durch geschicktes Trimmen der Segel seinen Kurs. Ich muß hierfür ein wenig zu weit nach Nord steuern, werde das dann aber morgen ausgleichen.
57. Tag.
Sonntag, 14-01-90
Ich teste die gesamte Elektrik der Lichtmaschine. Das einzige, daß ich feststellen kann ist, daß der Ladestrom nur dreieinhalb Ampere beträgt, viel zu wenig für eine funktionierende Lichtmaschine.
Heute morgen schwamm ein riesiger Schwärm kleiner Fische an der Seite von »Garuda«, mit genau der gleichen Geschwindigkeit wie mein Schiff. Gestern Nacht hatte ich Fledermäuse (oder fliegende Hunde) dicht beim Schiff. Etwas gespenstisch bei Mondlicht, aber ich kenne die Tiere ja schon von Kaliage.
Heute wollte sich ein sehr großer, entenähnlicher Vogel auf der Spitze des Großmastes niederlassen. Er hätte mir beinahe den Windrichtungsanzeiger abgerissen.
Langsam wird mir die Segelzeit zu lang, ich werde immer lustloser. Alle Bücher sind gelesen, das Angebot an Proviant für eine gute Mahlzeit wird auch immer begrenzter. Ich habe noch zwei Tomaten, eine Salatgurke, ein paar Zwiebeln und Kartoffeln. Und die Lust auf ein Bier und auf eine Zigarette sind ganz schön stark.
Ich habe nicht das Gefühl, daß man sich so das Rauchen abgewöhnen kann. Also muß ich sehen, daß ich gegen Mittag auf Thursday Island bin, dann kann ich noch Einkäufe tätigen. Am Abend geht es dann auf jeden Fall in einen Pub (falls es dort so etwas überhaupt gibt).
58. Tag.
Montag, 15-01-90
Um sieben Uhr morgens sind es noch 196 Seemeilen bis nach Thursday Island. Da ich etwa 60 Seemeilen pro Tag fahre, werde ich also frühmorgens (in drei Tagen) etwa 20 Seemeilen von T.I. entfernt sein. Das macht Sinn, denn ich muß ja auch noch durch einige Riffgebiete. Hoffentlich machen mir die starken Strömungen in der Torres-Straße keinen Strich durch die Rechnung.
Heute ist wieder einmal ein Tag mit wenig Wind. Aber ich habe unbarmherzig motort, um auch wirklich am Donnerstag anzukommen. Die Maschine läuft jetzt schon fast 12 Stunden. Langsam ist auch ein Ölwechsel fällig. Aber wohin mit dem Altöl? Erst kurz vor dem Zeitpunkt meiner Funkverbindung nach Deutschland stoppe ich die Maschine. Sie ist nun also von morgens 6 Uhr bis Abends 22 Uhr (mit einer dreistündigen Pause) gelaufen.
Gegen 19 Uhr 30 kommt eine dicke Front auf, wieder einmal eine Böenwalze. Aber keine Abgrenzung zum Horizont, auch unter der Front ist alles grauschwarz. Ich überlege kurz, ob ich die Genua obenlassen soll, nehme sie aber doch lieber herunter.
Das war mein Glück, denn dies war die gewaltigste Front, die ich bisher auf dieser Reise passiert habe. Es waren sicherlich neun Windstärken. Zum Glück war der Spuk nach einer halben Stunde vorbei. Ich mußte auch noch das Großsegel wegnehmen, da »Garuda« sonst zuviel Schlagseite machte. Aber die Maschine lief und hielt mich immer irgendwie in Richtung auf den Wind. Meine Abdrift war sicherlich 90 Grad während dieses Frontdurchgangs.
Da ich in der Nacht nicht mehr mit dem Autopiloten fahre, mache ich es mir an Deck bequem. Der Wecker steht genau neben mir, er klingelt alle zwei Stunden und ich korrigiere meinen Kurs. Leider kann ich nicht genau Kurs Ost halten und drifte über Nacht zu weit nach Norden.
59. Tag.
Dienstag, 16-01-90
Ich komme nicht dazu, die Lichtmaschine abzubauen und sie zu inspizieren. Schon wieder ist zu wenig Wind. Und das Wenige kommt genau aus Osten. Noch einmal fülle ich Getriebeöl und fast 2 Liter Motoröl nach. Bisher hatte ich fast keinen Verbrauch an Motoröl, habe ich vielleicht irgendwo eine Leckage? Das wird morgen noch einmal gecheckt.
Heute habe ich meine erste Seeschlange auf der Reise gesehen. Dafür aber gleich ein Prachtexemplar. Sie war fast zwei Meter lang und etwa 4 bis 5 Zentimeter dick. Sie schlängelte sich ganz dicht am Schiff durch das Wasser. Ein hellbrauner Körper mit quer geringelten (gelben?) Streifen.
Ich versuche mich im Brotbacken. Im Mehl sind Maden und Käfer. In einen Topf mit Wasser stelle ich ein Plastikgefäß mit dem Teig und lasse das Brot im Wasserdampf garen. Nach einer Stunde habe ich ein einzelnes Brötchen. Aber immerhin, es hat geklappt. Es schmeckt ähnlich wie die chinesischen Reismehlbrötchen »Bak Pao«.
Die Maschine ist schon wieder 50 Stunden gelaufen, ich kontrolliere Getriebeöl und Motoröl. Im Getriebe fehlen 0.4 Liter, das ist in Ordnung. Aber plötzlich fehlen zwei Liter beim Motor, obwohl sonst fast kein Öl nachgefüllt werden muß. Woher kommt der plötzliche erhöhte Ölverbrauch? Der Motor sprang heute morgen erst an, als die Sonne eine Stunde auf die Solarpanel geschienen hatte. Zwei Panels ersetzen fast einen kleinen Hondagenerator. Heute fahre ich wieder 12 Stunden unter Motor.
Im Original des Tagebuchs ist diese Eintragung nur knapp eine drittel Seite lang. Warum habe ich mich hier wiederholt? Sind das die ersten Anzeichen von Verblödung? Möglicherweise liegt aber ein halber Tag zwischen den beiden Eintragungen, denn die Schreibmaschine steht immer schreibbereit auf dem Tisch. G.H.
60. Tag.
Mittwoch, 17-01-90
Schon wieder ein Flautentag. Ich nehme für ein paar Stunden das Walker-Schlepplog an Deck und hänge die Angel raus. Aber wenn man Fisch haben möchte, dann fängt man natürlich nichts. Mein Obst und das Gemüse sind alle. Ich habe nur noch Kartoffel, Zwiebeln und Corned Beef. Also gibt es Labskaus. Statt saurer Gurken (seufz!!!) gibt es immerhin »sliced beet root« – Rote Bete.
Mittags passiere ich das Feuerschiff »Carpenteria« etwa 3 Seemeilen nördlich. Also sind es noch etwa 80 Seemeilen bis Thursday Island. Ich motore jetzt unerbittlich, da ich einen wahnsinnigen Bierdurst habe. Kurz nach Einbruch der Dunkelheit kann ich das Leuchtfeuer von »Booby Island« schon erkennen. Es ist noch etwa 30 bis 35 Seemeilen entfernt.
Ich muß zweimal den Kurs korrigieren, da mich Strömung oder Tide nach Süden treiben. Ich bemerke, daß die Motorleistung bei gleichbleibender Drehzahl langsam abnimmt. Die Geschwindigkeit des Schiffes fällt von 3.5 Knoten auf 3.2 Knoten. Dafür habe ich keine Erklärung.
61. Tag.
Donnerstag, 18-01-90
Um 7 Uhr morgens habe ich »Booby Island« querab, die Insel liegt zwei Seemeilen südlich von meiner Route. Es kommt Wind aus Nord auf, der langsam zunimmt. Bei Schräglage des Schiffes fällt plötzlich der Öldruck, ich muß die Maschine stoppen. Schon wieder ist das Öl verbraucht, für die letzten 25 gemotorten Stunden braucht die Maschine jetzt schon wieder zwei Liter Öl.
Da ich jetzt den Kurs frei von Riffen und Sandbänken halten kann, ohne kreuzen zu müssen, mache ich die Maschine aus. Und um 12 Uhr Mittags (natürlich an einem Donnerstag) bin ich endlich in Thursday Island und mache mein Ankermanöver unter Segeln. Der Anker fällt in 5 Meter zwischen der Main Jetty und der »Caltex Jetty«, etwa 500 Meter vom Land entfernt. Ich klare an Bord auf, dann nichts wie an Land.
Ich brauche den Außenborder nicht an das Dingi zu montieren. Wie ich später erfahre, wird hier oftmals nachts das Dingi entwendet (von Jugendlichen, die nach der Schließung der Pubs auf T.I. noch zur gegenüberliegenden Insel »Horn Island« müssen). Wenn sie mein Dingi nehmen wollen, dann müssen sie schon kräftig rudern.
Thursday Island ist ein niedliches kleines Nest. Genauso habe ich mir die »outbacks« von Australien vorgestellt. Es gibt eine Straße am Strand entlang, dazu verläuft eine weitere Straße parallel, die Hauptstraße des Ortes. Überall stehen nur kleine Häuser, zumeist nur eingeschossig. Die Geschäfte würde man bei uns als kleine Krämerläden bezeichnen, Man bekommt dort alles, vom BH über Angelzeug bis zu Kinderspielzeug. Und eine begrenzte Auswahl von Konserven. Und die Preise sind wirklich gepfeffert.
Ich melde mich erst einmal beim »Customs Office« und treffe hier auf sehr nette Beamte. Dann erkunde ich die kleine Stadt. Ich finde ein Zwischending zwischen Discotheque und Kneipe. Zu Hause würde ich mich in eine solche Bretterbude nicht hineinwagen. Ein kleines Glas »Foster's« (0.15 l) kostet A$ 1.30.
Ich finde einen Laden mit Automobilzubehör. Eine neue Lichtmaschine Marke Bosch würde 155 Dollar kosten. Ich will sehen, ob ich in einer Reparaturwerkstatt eine gebrauchte Lichtmaschine finde, denn so etwas Gutes, Neuwertiges paßt nicht zu meinem Motor. Bei einer Bank tausche ich erst einmal 100 Dollar, dann gehe ich in einem »Supermarkt« einkaufen. Es ist der »IBIS«-Supermarkt, direkt neben dem »Federal Hotel«. Und es gibt Fleisch, aber immer nur große Lappen von einem Kilo Gewicht und 10 Dollar pro Kilo. Ich kaufe ganz bescheiden ein halbes Kilo Bratwurst, das sind immerhin 9 Würste. Heute abend will ich endlich wieder einmal Fleisch essen.
Ich baue die Lichtmaschine aus, kann sie aber nicht weiter auseinandernehmen, da alle Schrauben verrostet sind. Nach getaner Arbeit lege ich mich um 5 Uhr kurz aufs Ohr und wache nachts um 1 Uhr wieder auf. Natürlich habe ich meinen Funkkontakt verschlafen. Ich brate jetzt noch die Würste, da ich noch kein Eis an Bord habe, so halten sie sich länger. Und trinke ein Bier aus meinem »sixpack«. Die Dosen sind hier doppelt so teuer wie in Darwin.
61. Tag.
Freitag, 19-01-90
Ich schlafe bis 11 Uhr durch. Die Erschöpfung hatte wieder einmal zugeschlagen. Ich habe also fast 20 Stunden in einem Stück geschlafen.
Mit der Lichtmaschine in der Einkaufstasche mache ich mich auf den Weg. Ich gehe zu dem kleinen Laden mit Automobilzubehör und frage nach second-hand Teilen. Man schickt mich zu einer »garage«, was in Australien soviel wie Werkstatt heißt. Dort hat man aber keine Ausschlachtteile, ich werde weitergeschickt zu »K.F. spraypainting«. Und finde eine kleine Werkstatt in der »Sommers Street«. Es ist ein kleiner Reparatur- und Ausschlachtbetrieb. Und Kevin hat auch gebrauchte Lichtmaschinen, die von den Schülern der High-School repariert worden sind. Ich nehme eine Lichtmaschine mit, obwohl die Anschlüsse total verschieden von denen an meiner Lichtmaschine sind. Kevin (etwa 25 Jahre alt und Besitzer der Werkstatt) schickt mich zu einem ehemaligen Angestellten, der jetzt aber in dem Shop mit den neuen Teilen arbeitet. John kann mir aber auch nicht sagen, wie ich die Lichtmaschine anschließen muß.
Ich kaufe noch ein paar Lebensmittel und gehe dann zurück zu Kevin, da die mitgegebene Lichtmaschine wahrscheinlich nicht in die Montagefassung an Bord paßt. Und bekomme noch eine zweite Lichtmaschine mit eingepackt. Nun schleppe ich schon drei Lichtmaschinen mit mir herum.
Da es 17 Uhr ist, werde ich zu einem Feierabendbier eingeladen. Zwei seiner Angestellten sind Torres-Strait-Insulaner, ganz schöne Brocken. Sie kriegen den Kronenkorken mit einer einzigen Drehung von der Flasche, und ich bewundere diese ganz schön kräftige Burschen. Als ich nach einem Flaschenöffner frage, sagt man mir, ich solle den Kronenkorken doch auch einfach abdrehen. Und stelle dann fest, daß es hier Bierflaschen mit »twist off cap« gibt.
Auf die Frage, ob ich auch rauche, zeige ich auf meine Packung australischer »Winfield«-Zigaretten. Aber sie meinten etwas anderes. Das habe ich dann auch bejaht. Zwei seiner Angestellten verziehen sich in die Werkstatt und präparieren die »Bongh«. Eine alte Plastikflasche, in der vorher einmal Dosensahne gewesen ist, hat ein kleines seitliches Röhrchen. Also eine Wasserpfeife, die primitivste Wasserpfeife, die ich je gesehen habe. Es wird dann eine große Freitagabend-Fete. Ein Sixpack nach dem anderen wird aus irgendeinem Pub geholt, zum Schluß kommt noch eine Flasche Rum, Cola in Dosen und ein Paket Eis.
Mindestens viermal kreist die Pfeife. Ich werde gleichzeitig stoned und betrunken. Die Jungs wollen jetzt noch zum »Royal Hotel« weiterziehen, ich lasse mich mit dem Lieferwagen zur Jetty bringen, um die Sachen an Bord zu packen. Und entschließe mich, lieber nicht mehr nach T.I. zurückzurudern, da ich eigentlich genug habe.
Ich mache mir ein schönes Abendessen (die restlichen Bratwürste mit Chips – gerösteten Kartoffelscheiben). Und aus der letzten halben Salatgurke, die mir noch aus Darwin verblieben ist, mache ich Gurkensalat.
Bei der Unterhaltung in der Werkstatt fiel mir auf, daß zum Schluß immer weniger Englisch und dafür in einer anderen Sprache gesprochen wurde. Aber ich konnte seltsamerweise alles verstehen, obwohl ich diese Sprache vorher nie gehört hatte. Es war das sogenannte »broken english«, eine Mischung aus einfachen englischen Worten durchsetzt mit Pidgin-English. Worte wie »em«, »yumi« und »kai kai raun« habe ich natürlich verstanden, da ich ja Pidgin gelernt hatte. Schade, daß ich keinen Kassettenrecorder zum Aufnehmen dieser Sprache dabei hatte.
71. Tag.
Montag, 29-01-90
Eigentlich sollte es ja schon am Samstag nach Port Moresby weitergehen. Als ich am Donnerstag Abend zu meinem üblichen Gang zum Supermarkt mit anschließendem Besuch der »Federal Hotel Bar« aufbrach, sah ich sehr viele Leute in der Bankfiliale (der einzigen Bank auf T.I.). Und ich mußte nun feststellen, daß ich mich um einen Tag versehen habe. Australia-Day ist nicht am Samstag, sondern schon am Freitag, und ich hatte all mein australisches Geld für Einkäufe ausgegeben.
Tatsächlich waren am Freitag alle Läden geschlossen. Und am Abend wollte der Hotelbesitzer in der Bar des Federal Hotel keine US-Dollar von mir annehmen. Die liebe Barmaid Kimberley hat mir dann privat 10 Dollar gewechselt. Mit den erhaltenen 12 australischen Dollar habe ich dann das Wochenende bestritten (genauer gesagt, das Geld vertrunken).
Am Samstag war dann endlich wieder schönes Wetter und ich habe meinen Rundgang um die Insel gemacht. Es gibt nicht viel zu sehen auf T.I., am besten war noch der alte Friedhof. Am Samstag war natürlich auch das Customs Office geschlossen, also konnte ich erst heute auslaufen.
Zuerst noch einmal zur Bank, dann Ausklarieren beim Zoll. Um 13 Uhr war ich reisefertig. Ein guter Wind aus Nordwest versprach mir ein angenehmes Segeln.
Da ich unter Segeln hier angekommen bin, nehme ich den Anker auch unter Segeln auf (und nicht weil der Diesel hier 75 Cents kostet, ich habe mit 120 Litern die Tanks randvoll gefüllt).
Ich fahre von Thursday Island nach Wednesday Island und kürze so ein Stück des vorgeschriebenen Weges für die Großschiffahrt ab. Südlich von Wednesday Island komme ich allerdings in sehr flaches Wasser, das auf der Karte mit 2.4 Metern angegeben ist. Ich komme aber ohne Grundberührung aus dem nach meiner Logge nur 1.4 Meter tiefen Wasser wieder in tieferes Wasser. Die Untiefe bestand zum Glück nur aus sandigem Untergrund mit einzelnen Patches aus Fels oder Koralle, die man aber im Wasser erkennen konnte.
Zwischen den Inseln Twin Island und East Strait Island treffe ich wieder auf den »Prince of Wales Channel«. Die nächste Wegmarke ist »Harvey Rocks«, ein Leuchtfeuer auf einer Korallenbank, fast 20 Meilen entfernt. Der Satellitennavigator läuft zum Glück mit, denn in einer Stunde drifte ich um 3 Meilen nach Osten. Ich korrigiere meinen Kurs entsprechend und drifte dennoch in der zweiten Stunde um 5 Meilen nach Osten. Es ist mittlerweile Nacht geworden, ich halte nicht auf das Leuchtfeuer zu. Auf diese Art ist schon manches Schiff verlorengegangen. Stattdessen versuche ich, das Leuchtfeuer in konstanter Peilung zu halten. Das Leuchtfeuer soll in 60 Grad Peilung liegen, aber ich muß einen Kurs von 350 Grad steuern, also fast rechtwinklig zum gewünschten Kurs halten. Gegen Mitternacht bin ich aber wieder auf der in der Seekarte eingezeichneten Leitlinie.
Diese Erfahrung hat mich gelehrt, nicht heute Nacht die Abkürzung zwischen Acker's Shoal und Poll Island zu nehmen (um ein Kreuzen zu vermeiden). Ich bleibe lieber genau auf der Leitlinie.
Vom Bet Reef bis zum nächsten Leuchtfeuer auf Dove Island sind es noch einmal fast 15 Meilen. Danach liegen die Inseln und Riffe alle dichter zusammen und ich brauche noch mindestens einen weiteren Tag, um aus der Torres Straße herauszukommen. Es ist vier Uhr morgens und ich entschließe mich, für eine Stunde zu schlafen, da dieser Teilweg frei von Gefahren ist.
Den lauten, extra für diese Reise gekauften Wecker stelle ich auf 5 Uhr, der Satnav soll Alarm geben, wenn der nächste Fix kommt, also in spätestens 1.5 Stunden und der Tiefenmesser soll Alarm geben, wenn eine Wassertiefe von 10 Metern unterschritten wird.
Wovon ich aufgewacht bin, weiß ich nicht. Möglicherweise war es der Alarmton des Echolots, vielleicht auch ein leichter Stoß im Schiff. Ich sehe als erstes auf den Wecker, der genau neben meinem Ohr liegt. Es ist sechs Uhr dreißig. Hastig springe ich an Deck und sehe vor mir einen breiten schwarzen Streifen im Dämmerlicht des anbrechenden Tages. Ich brauche nicht mehr als drei Sekunden bis ich begreife, daß ich mich kurz vor einem Riff befinde. Sofort drehe ich das Steuerrad zur Wende, aber es ist zu wenig Fahrt im Schiff, ich bleibe in der Wende hängen. Und der Wind treibt das Schiff dichter auf das Riff zu. Also der Versuch einer Halse, die mich zwar noch dichter an das Riff bringt, aber am schnellsten zu bewerkstelligen ist. Doch dafür ist es auch schon zu spät. Der Kiel schrammt schon gegen den ersten Korallenkopf. Durch den nun quer einfallenden Wind hat das Schiff zwar Schräglage und damit weniger Tiefgang, aber es treibt unerbittlich weiter auf das Riff zu. Ich berge sofort die Segel, um die Fahrt auf das Riff hin zu vermindern und bringe dann den Anker aus (oder hatte ich den Anker schon vorher ausgebracht, ich weiß es beim Aufschreiben der Erlebnisse am gleichen Nachmittag schon nicht mehr genau). Bei jeder Welle, die das Schiff anhebt, wird es danach wieder mit Wucht auf die Korallen aufgesetzt. Dieses Gefühl wird mich noch lange verfolgen. Meine Schlaftrunkenheit war in Sekundenschnelle verflogen und ich brauchte nicht nachzudenken, was als nächstes zu tun ist. Der zweite, schwerere Anker und 100 Meter Ankerleine werden in Windeseile aus der Backskiste geholt und dann ins Dingi verfrachtet. Das ist bei einem Anker von 22 Kilo Gewicht kein Kinderspiel. Dann rudere ich mit dem Anker und dem Tau vor meinen Knien zur Riffkante (ein Ende des Ankertaus habe ich natürlich am Schiff befestigt). Das Dingi muß genau gegen den Wind und die Wellen gerudert werden. Als ich über die Riffkante hinaus bin rudere ich noch etwas weiter und werfe dann den Anker ins tiefe Wasser. Ich habe keine Ahnung, ob hier die Wassertiefe 10 oder 50 Meter beträgt. Meine Hauptsorge ist, daß der Anker hier auch wirklich hält. Ob ich zur »Garuda« zurückgerudert bin oder mich am Ankertau zurückgezogen habe, weiß ich auch nicht mehr. Ich bin jedenfalls schon total erschöpft vom schnellen Rudern, als ich an Bord zurück bin.
Ich nehme beide Ankertaue über die Winschen, der Versuch, das Schiff nur mit den bloßen Händen vom Riff zu ziehen hat nichts weiter als Blutblasen an beiden Händen gebracht. Das Schiff liegt nun schon mit Schlagseite, ein Zeichen, daß der Kiel voll auf den Korallen aufliegt. Beim Laufen vom Cockpit aufs Vorschiff renne ich zu allem Pech in den auf den Kabinendach liegenden Fischspeer. Er war mit den Rudern zusammen dort festgezurrt gewesen und hatte sich in der Hektik schräg gelegt. Und die Schutzhülle des Dreizacks war abgefallen. Die große Fleischwunde in der Wade habe ich gar nicht weiter beachtet, das konnte ich mir dann später ansehen (die Narbe habe ich übrigens noch heute).
Beide Ankertaue sind straff gespannt, aber ich kann das Schiff nicht einen Meter von dem Gürtel aus aufgetürmten Korallenschutt entfernen, der sich keine 50 Meter vor mir nun schon etwa 30 Zentimeter aus dem Wasser erhebt. Ich habe jetzt vielleicht noch einen halben Meter Wassertiefe über den Korallen.
Wie durch ein Wunder ist noch immer kein Wasser in der Bilge oder in der Kabine. Also ist mein Schiff noch nicht leckgeschlagen. Da mir der Hauptanker mit seiner 30 Meter langen Kette noch zu dicht am Schiff liegt, hole ich Maske und Flossen und berge Kette und Anker mit dem Dingi, rudere auch mit diesem Anker weiter in Richtung auf die Riffkante zu. Erstaunlicherweise geht dies trotz des Gewichtes von Anker und Kette recht gut mit meinem kleinen Sperrholzdingi. Das Rudern durch die nun am Riff stehende Brandung ist aber nicht möglich, ich habe Angst, daß mir das Dingi voll Wasser schlägt. Ich bringe den Anker mit Kette also dicht vor der Riffkante, aber noch auf dem Riffdach aus.
Bisher hat alles noch keinen Erfolg gezeigt, meine Yacht schlägt immer wieder durch Wellen angehoben auf den Korallen auf, jetzt ist es nicht mehr der Kiel alleine, sondern sicherlich auch ein Teil der Rumpfhülle.
Einen kleinen Moment habe ich Zeit, mir die nähere Umgebung anzusehen (ich bin zu erschöpft, um irgendeine weitere Aktion durchzuführen). Der Berg aus Korallenschutt vor mir ist Teil eines Riffs, das eine Insel umgibt. Zwischen Insel und Riff erstreckt sich eine etwa 800 bis 1000 Meter breite Lagune von unbekannter Tiefe. Auf der Insel steht eine Konstruktion, die ein Wasserbehälter oder auch ein Leuchtfeuer sein kann. Ich brauche also keine Angst um mein Leben zu haben. Die Strecke bis zur Insel kann ich notfalls auch schwimmen. Viel schlimmer ist der Gedanke, hier mein Schiff zu verlieren. Hunderte von Gedanken gehen durch meinen Kopf. Ich plane schon, welche Teile ich von Bord mit auf die Insel nehmen muß, um einige Zeit zu überleben.
Aus den nun freiliegenden Korallen schließe ich, daß ich bei vermutlich sehr niedrigem Wasserstand aufgelaufen bin und das Wasser von nun an steigen müßte. Falls es gelänge, mich vor dem nächsten Niedrigwasser freizuschleppen und bis dahin noch kein Leck im Schiff ist, gäbe es eine hauchdünne Chance, das Schiff zu retten. Ich rufe PAN auf UKW Kanal 16. Und erhalte keine Antwort. Es bleibt die Amateurfunkstation, die ich für genau diesen Notfall auch mit den Seenotfrequenzen ausgerüstet habe. In der Kabine sind die Erschütterungen des Schiffes beim Aufsetzen aufs Riff noch viel deutlicher als an Deck zu spüren, die Funkgeräte vibrieren in ihren Halterungen. Die Kurzwellenantenne läßt sich deshalb kaum abstimmen, wahrscheinlich schwingt das Antennenkabel gegen die Stagen. Auch auf Kurzwelle erhalte ich keine Antwort. Es ist jetzt erst kurz vor acht Uhr morgens und Thursday Island Radio beginnt seinen Dienst erst um acht Uhr.
Ich gehe wieder an Deck und sehe, daß das Wasser langsam steigt. Noch immer scheint wie durch ein Wunder kein Leck im Schiff zu sein. Allerdings sehe ich den dünnen Ölfilm, der von auslaufendem Diesel herrühren muß. Habe ich also doch irgendwo ein Leck? In der Bilge ist aber kein Wasseranstieg zu bemerken. Erst später wird mir klar, daß der Diesel durch die Schräglage des Schiffes über die Leitungen der Tankentlüftung ausgetreten sein muß.
Noch einmal nehme ich den Zweitanker auf die Winsch und kann das Schiff tatsächlich etwas drehen. Nun sollte ich erst einmal den Motor checken, denn falls das Wasser weiter steigt, kann ich die Maschine zur Hilfe nehmen. Und zum erstenmal seit meiner Abfahrt aus Bali springt der Motor nicht an. Ich verstehe nicht, warum nun auch die zweite Batterie leer ist, die ich nur zum Starten der Maschine verwende.
Aber das Wasser steigt weiter, die Ankerleine zum Zweitanker vor dem Riff ist straff gespannt. Hoffentlich scheuert sich das Nylontauwerk nicht über der Riffkante durch. Das geht sehr schnell, besonders wenn sehr viel Zugkraft auf dem Seil ist.
Ich baue die separat gelagerte Funkbatterie aus und schließe auch sie noch parallel zu den beiden Hauptakkus. Und ich kann den Motor starten. Das Schiff hat sich jetzt schon weiter aufgerichtet, aber es schlägt mit dem Kiel immer wieder auf den Korallengrund. Zentimeterweise hole ich es mit der Winschkurbel auf den Außenanker zu. Dann lege ich den Gang ein und gebe Vollgas, gleichzeitig hole ich das Ankertau dichter. Der Hauptanker mit Kette liegt jetzt querab, ich muß das Ankertau schon fieren. Wie gut, daß ich nicht nur 50 Meter, sondern gleich 100 Meter von dem Nylon-Ankerseil gekauft hatte. Die Leine für den Hauptanker muß ich kappen, da der Anker nun schon weit hinter mir liegt. Und wie im Lehrbuch hatte ich schon vorher das Ende der Kette mit dem kleinen Fender des Dingis verbunden, ohne zu wissen, daß ich den Anker opfern mußte.
Ich bin freigekommen. Und habe total vergessen, daß mein Schiff eventuell ein Leck haben könnte. Ich habe keine große Auswahl. Bleibe ich auf dem Riff, ist mein Schiff mit dem nächsten Niedrigwasser verloren. Aber in 20 Meter Wassertiefe langsam zu sinken ist keine bessere Alternative. Aber die Bilge bleibt weiterhin trocken.
Als der Zweitanker kurz steht, lasse ich ihn einfach über Grund schleifen und fahre noch einmal 500 Meter von der Riffkante weg. Ich bin gerettet!!!
Ich mache die Maschine aus und falle erschöpft aufs Deck. Erst einmal 10 Minuten Zeit zum Verschnaufen. Und ich habe keine einzige Zigarette an Bord, um mich zu relaxen. Das ist mir eine Lehre.
Als ich sicher bin, daß der Zweitanker hält, nehme ich noch einmal Brille und Flossen und mache mich mit dem Dingi auf den Weg, um den Pflugschar-Anker und die Ankerkette zu bergen. Beim Rudern merke ich, daß ich vom Tauwerk riesige Blasen an beiden Händen habe, die an einigen Stellen schon aufgeplatzt sind. Das Seewasser brennt höllisch in den Wunden. Und ich muß die Ruder kräftig anpacken, da die Brandung wieder stärker geworden ist, mein Dingi tanzt in den Wellen hin und her.
Ich erkenne den auf der Wasseroberfläche treibenden Fender tatsächlich in einer Entfernung von 800 Metern. Also muß ich diese Strecke erst einmal mit brennenden Händen zurücklegen. Als ich am Anker ankomme, freue ich mich riesig, denn ich hatte nicht vergessen, etwas Tauwerk ins Dingi zu werfen. Sonst hätte ich das Dingi nicht einmal befestigen können, wenn ich es zum Schnorcheln verlassen muß.
So einfach bekomme ich die Kette nicht an Bord. Sie läuft im Zickzack zwischen und unter den Korallenblöcken. Die Wassertiefe ist jetzt schon knapp zwei Meter. Vor ein oder zwei Tagen hatten wir Vollmond, deshalb herrscht jetzt auch ein hoher Tidenhub.
Stück um Stück tauche ich die Ankerkette frei, immer wieder muß ich an Bord des Dingis, um sie Meter für Meter einzuholen. Als auch der Anker an Bord ist, nehme ich die 70 Meter Ankertau auf, hierfür brauche ich zum Glück nicht mehr zu tauchen. Obwohl ich total erschöpft bin, rudere ich sofort zurück zur »Garuda«. Jetzt geht es aber wieder gegen die Brandungswellen gegenan.
Doch das Dingi schlägt nicht um. Ich gehe zurück an Bord, habe aber keine Kraft mehr, Anker und Kette an Bord des Schiffes zu holen. Ich verschnaufe mich für eine halbe Stunde. Dann nehme ich alles mit höllisch brennenden Handinnenflächen an Bord. Und mache wieder eine halbe Stunde Pause.
Ein Aluminium-Dingi mit Außenborder nähert sich von der Insel. Im Dingi sitzen zwei Torres-Straits-Insulaner von »Coconut Island«. Sie konnten vermutlich nicht früher hierherkommen, da das Ringriff die Insel vollständig umschließt. Sie hatten mich mit Schräglage auf dem Riff liegen gesehen und boten mir ihre Hilfe an. Aber nun war ja alles getan. Ich konnte mich nur herzlich bei ihnen für ihr Kommen bedanken (und nicht einmal Zigaretten anbieten).
Was sollte ich nun tun? Wieder zurück nach Thursday Island segeln und dort in die Werft gehen? Ich beschloß, erst einmal das Schiff abzutauchen. Die Steuerbordwand ist arg verkratzt, nur das Ruderblatt hat an der Unterseite Federn (pardon: Fiberglas) lassen müssen. Und am Kiel ist natürlich die in Jakarta mühsam angebrachte Fiberglasverkleidung aufgeplatzt. Das Ruderspiel ist etwas stärker geworden, aber es fühlt sich immer noch zufriedenstellend an.
Ich beschließe, trotz der Schäden weiterzusegeln. Die Reparaturen kann ich auch in Papua Neu Guinea durchführen, dort ist es vermutlich sogar noch billiger als hier in der Torres Straße.
Um 11 Uhr lichte ich den Anker, der ganze Spuk hat also nur etwas mehr als 4 Stunden gedauert. Falls ich noch vor Anker bleibe und mich erst einmal ausruhe, bin ich noch zwei weitere Nächte in der Torres Straße. Fahre ich aber sofort los, dann komme ich vermutlich bis zur Insel Dalrymple. Und habe danach etwa 40 Meilen freies Wasser ohne Riffe vor mir bis ich die »Bramble Cays« und damit den östlichen Ausgang der Torres Straße passiert habe.
Diese Entscheidung war richtig, der Wind ist gut. Auch das Schiff reagiert nicht ungewohnt auf meine Ruderbewegungen. Den Zweitanker bekomme ich allerdings nur noch mit der Winsch zentimeterweise gehoben. Das An-Bord-Nehmen des Ankers ist eine Qual, ich brauche mehrere Minuten, er droht mir jedesmal wieder aus den Händen zu gleiten, die nun nicht mehr richtig zugreifen können.
Um 16.30 Uhr bin ich schon westlich von «Roberts Island«, um 18 Uhr passiere ich »Arden Island« und um halb zehn bin ich genau eine Seemeile westlich von »Dalrymple Island«. Ich steuere nun mutwillig etwas weiter nördlich, da alle weiteren Riffe im Osten von mir liegen. Der Weg bis Bramle Cay ist frei von weiteren Gefahren. Und mehrere Tage »Coral Sea« liegen vor mir, bis ich in Papua Neu Guinea sein werde.
73. Tag.
Mittwoch, 31-01-90
Gegen Mitternacht ist östlich von mir ein gewaltiges Wetterleuchten, also wird es noch immer nichts mit dem Schlafen, denn ich fahre genau auf das Wetterleuchten zu. Aber da Nordwestwind herrscht, bin ich nicht viel schneller als die Front, ich nähere mich ihr nur langsam. Da der Zahnriemen des Autohelm jetzt endgültig defekt ist – auch ein zweiter Flickversuch hat nicht lange gehalten –, binde ich das Ruder fest. Aber bei Wind der achterlicher als querab kommt, funktioniert das Prinzip der Selbststeuerung nicht richtig. Wie ich mir als Physiker auch gleich klarmachen kann: die projizierte Segelfläche wird beim Abfallen vom Wind nicht größer sondern kleiner, daher droht die Gefahr einer Patenthalse.
Am Spätnachmittag erwischt mich dann eine Gewitterfront aus dem Westen. Bis Port Moresby sind es noch 157 Seemeilen. Da es wie ein Squall aussieht, lasse ich alle Segel oben, ich habe Groß, Besan, Stag und Fock gesetzt. Leider kommt aber erst hinter dem Squall das richtige Unwetter.
Nach dem Gewitter ist erst einmal Flaute, der Wind scheint auf Südost zu drehen, das fehlt mir auch noch. Nach anderthalb Stunden Fahrt unter Motor frischt der Wind jedoch aus Nordwest wieder auf. In der Nacht muß ich noch weitere vier schwere Gewitter abwettern. Nun hatte ich zum erstenmal Wind von mehr als 35 Knoten (nach dem Wetterbericht von T.I. Radio). Das Funkgespräch mit Deutschland fällt heute aus, ich stehe die ganze Zeit am Steuer.
74. Tag.
Donnerstag, 01-02-90
Ein kräftiger Nordnordwestwind läßt mich gute Fahrt machen. Morgens um 8 Uhr bin ich noch 98 Meilen von Port Mooresby entfernt. Ich habe ein Mittagsetmal von mehr als 100 Seemeilen, mein absoluter Rekord auf dieser Reise. Abends um 18 Uhr ist Land in Sicht, es sind die hohen Berge von Papua Neu Guinea. Um 22 Uhr sind es noch 44 Meilen. Nachts um 1 Uhr frischt der Wind auf, also bekomme ich wieder keinen Schlaf. Um 2 Uhr sehe ich das erste Leuchtfeuer der Küste von Papua Neu Guinea (Boera Head). Darwin hatte für die Torres Straße 35 Knoten Wind angekündigt. Port Moresby gibt eine Sturmwarnung mit Wind von 35 Knoten – mit Spitzengeschwindigkeiten von 50 Knoten. Anscheinend kopiert Port Moresby einfach die Berichte der australischen Sender, denn ich habe herrlichen Wind aus NNW.
Das Leuchtfeuer der Riffpassage »Basilisk Pass« im Barriereriff vor Port Moresby ist gut auszumachen. Es sind vielleicht nur noch 15 Seemeilen, ich bin also tatsächlich schon am Vormittag im Hafen.
Aus Nordwesten kommt noch einmal eine gewaltige Gewitterfront. Nach deren Passieren werde ich also die Passage aufsuchen. Es ist jetzt hell und die Markierungsboje des »Basilisk Pass« ist nicht mehr zu sehen.
Weit gefehlt! Das Gewitter ist der Beginn einer Schlechtwetterzone, ich bekomme tatsächlich meine 50 Knoten Sturm. Das Großsegel reißt in der Naht ein, ich muß es bergen. Die Wellen werden höher und höher, sie sind jetzt bestimmt schon 3 Meter hoch und dabei sehr steil. Ich bin zwar bis auf 2 Meilen an das Barriereriff herangekommen, aber wegen meiner Vorsicht bin ich zu weit nach Südosten abgetrieben. Jetzt muß ich auch noch gegen den Sturm gegenan, um wieder die nötige Höhe zum Passieren des Riffs zu haben.
75. Tag.
Freitag, 02-02-90
Ich muß vor dem Riff abdrehen, da ich die Passage nicht mehr sehen kann. Die Sicht ist unter 200 Meter gefallen, unendliche Regenfälle, wie ich sie noch niemals erlebt habe. Selbst im angelegten Regenzeug schwimme ich. Das Dingi hat derart viel Regenwasser gefangen, daß es in den steilen Wellen durchkentert. Ich ziehe es ganz dicht ans Heck, das Dingi leert sich durch die Rucks, knallt dabei aber auch immer gegen das Heck von »Garuda«, ich nehme den Rettungsring zum Abfendern. Seit 10 Uhr ist der Motor an, alle Segel sind geborgen. Aber ich stehe auf der Stelle, komme nicht gegen den Wind gegenan. Nur zwei Meilen vor der Passage muß ich in einem erneuten Regen- und Windchaos nach Westen abdrehen. Und plötzlich kocht das Kühlwasser der Maschine, zum erstenmal seit der Motorreparatur in Sumbawa.
Von 14 bis 16 Uhr lasse ich »Garuda« unter nackten Masten treiben. Als es aufklart, bin ich wieder mindestens 10 Meilen von der Küste entfernt.
Ich mache einen zweiten Versuch unter Maschine, denn ich will nicht in diesen fürchterlichen Wellen die Nacht verbringen. Sie sind jetzt bestimmt schon 4 Meter hoch. Der Satnav ist eine wirkliche Hilfe, jede Stunde bekomme ich einen Fix und kann meinen Weg plotten. Ich mache 0.5 Meilen Fahrt pro Stunde auf die Passage zu. Um 19 Uhr quäle ich mich durch den Basilisk Pass, immer nach Nordwest schauend, ob nicht eine weitere Regenwand wiederum den Abbruch erzwingt. Die Passage ist nur 500 Meter breit, riesige Wellen brechen sich am Riff.
Aber jetzt bin ich wenigstens aus dem Bereich der hohen Wellen heraus, allerdings muß ich mich immer noch gegen den Wind ankämpfen. Ich habe das Gefühl, als sei der Propeller nicht mehr an der Welle oder als würde keine Kraftübertragung vom Getriebe auf die Welle geleistet, denn ich mache kaum Fahrt voraus. Es ist mittlerweile schon dunkel geworden. Der Ankerplatz bei »Ela Beach« ist zwar dichter und gegen den Nordwestwind besser geschützt, aber dort befinden sich einige unmarkierte Riffe. Das möchte ich lieber nicht im Dunkeln riskieren. Also fahre ich besser zum Ankerplatz vor dem Yachtclub. Die Bucht ist groß genug. Falls ich in genügender Entfernung vom Land ankere, kann ich selbst einen schleifenden Anker verkraften.
Um 22 Uhr 15 habe ich es geschafft. Der Motor hat wieder gut mitgespielt, aber er verliert jetzt anscheinend wieder Kühlwasser. Ich ankere auf 12 Meter Wassertiefe im Westen des Yachtclubs.
Es ist kaum noch Zeit zum Aufklaren, um das Funkgespräch rechtzeitig abzuwickeln und meine Ankunft in Papua Neu Guinea anzukündigen. Danach falle ich auf das nasse Bett mit dem nassen Kopfkissen. Aber mir ist alles egal, ich will nur noch schlafen. Ich stelle mir den Wecker auf 8 Uhr, da ich morgens meine Port Clearance machen muß.
76. Tag.
Samstag, 03-02-90
Ich rudere mit dem Dingi zum Yachtclub, eine richtig feine Marina. Und das Clubhaus ist eine Pracht. Alle Mitglieder haben einen Schlüssel. Es muß hier doch sehr schlimm mit der Kriminalität sein.
Man ist im Yachtclub etwas erstaunt, daß mich die Port Moresby Port Control (auf Kanal 16) für die Clearance zum Yachtclub geschickt hat. Dann beginnt die Suche nach dem Customs-Gebäude. Ich werde dreimal in die Runde geschickt und komme zum Glück beim Postamt vorbei. Drei Briefe liegen dort schon für mich. Und im einem Brief ist der bestellte Zahnriemen für den Autohelm.
Ich wechsle ein paar australische Dollar im Travelodge Hotel. Die lokale Währung ist der »Kina«, er entspricht zur Zeit genau einem US Dollar. Und ich kaufe mir sogleich die erste Packung Zigaretten im »Steamship« Supermarkt.
Port Moresby macht einen sehr netten Eindruck auf mich, die gesamte Stadt erstreckt sich entlang einer weitgeschweiften Bucht, viele Häuser liegen auf den Hügeln des Hinterlandes. Eine Silhouette wie die von Hamburg-Blankenese.
Ich finde das Customs-Office endlich doch, es ist in einem Schuppen am Containerterminal. Die Zöllner wollen erst an Bord, können mir aber sowieso keine Clearance geben, da die Formulare im Main Office liegen und das Main Office schon geschlossen ist. Ich erkläre, daß ich nur ein kleines Dingi habe und nur eine Person mitnehmen kann. So fahren wir also zu viert zum Ela-Beach, dort soll das Zollboot liegen. Doch die Mannschaft vom Zollboot ist zum Essen. Man behält meinen Pass und will am Nachmittag an Bord kommen. Ich gehe in den Yachtclub und trinke drei Bier (wie ich später feststellen muß ist der Preis von einem Kina pro Bier der niedrigste in ganz Port Moresby). Dann gehe ich zurück an Bord und warte auf die Zöllner.
Als um 19 Uhr noch niemand gekommen ist, rudere ich zurück zum Yachtclub. Vorher mußte ich noch die »Garuda« weiter östlich neu ankern, da ich zu dicht am Containerterminal liege. Mit meinen wunden Händen ist das Einholen des Ankers noch immer schmerzhaft. Dann kommt auch noch bei der Fahrt unter Motor das Festmachertau des Dingis in die Propellerwelle und mein Dingi wird unter Wasser gezogen. Also Maske, Flossen und Messer anlegen und im Hafenwasser abtauchen. Ich brauche fast eine halbe Stunde, um die Welle freizuschneiden und zerreiße mir noch einmal die Hände an den Seepocken und Muscheln, die sich schon wieder am Rumpf festgesetzt haben. Zum Glück weht kein Wind. Dann also erst einmal wieder trocknen, Umziehen und nicht vergessen, die Stopfbuchse zu fetten.
Im Clubhaus geht es schon hoch her, etwa 60 Mitglieder sind hier am Wochenende versammelt, so viele »Expatriates« habe ich niemals in Jakarta auf einmal gesehen. Ich trinke noch einmal drei Biere, esse im Clubrestaurant »sweet & sour pork« und rudere danach zurück zum Schiff. Nach dem Funkkontakt schlafe ich durch bis zum Sonntagnachmittag.
89. Tag.
Freitag, 16-02-90
Vierzehn Tage in Hafen von Port Moresby bleiben ist kein Problem. Allein der Yachtclub ist es wert. Am Mittwoch ist Tombola, am Donnerstag Discotheque und zum Wochenende sind alle Segler dort versammelt. Ich habe diese Zeit genossen.
Für ein Land der Dritten Welt sind die Preise in Papua Neu Guinea verrückt. Ein Kilo Tomaten kostet 8 Mark, ein Päckchen Zigaretten 3 Mark, eine Flasche Bier 2 Mark. Im Supermarkt gib es ein komplettes Angebot von australischen Lebensmitteln, aber die Preise sind noch mehr als 20 Prozent teurer als in Australien. Im Yachtclub kostet das billigste Menü 10 Mark (aber es ist wenigstens gute chinesische Küche, wenn auch nur eine kleine Portion). Das soll übrigens nur die Hälfte des Preises sein, den man in einem Restaurant in der Stadt bezahlen muß. Ich lebe von Bratwurst (6 Mark das Kilo) und Hackfleisch.
Die Papuas essen hauptsächlich in Fastfood-Restaurants. Aber ein Blick in die Töpfe mit vorgekochtem Essen läßt mein Herz nicht höher schlagen.
Die Reparatur der Genua kostet mich 150 Mark, das hätte ich auch in Hamburg bezahlt. Das Großsegel nähe ich deshalb selber mit der Hand, die leichte Genua bleibt erst einmal irreparabel im Segelsack.
Der lokale Wochenmarkt von Port Moresby (Koki Market) ist auch eine Enttäuschung. Yams, Taro, Kochbananen und unermeßliche Mengen von Betelnuß. An Obst gibt es ein paar Ananas (2–4 Mark), Mango und Kokosnüsse (40 Pfennig). Viel mehr Angebot an Obst ist nicht vorhanden. Indonesien ist dagegen ein wahres Schlemmerparadies. Selbst die Märkte in den kleinen Städten wie Bima, Maumere und Dili hatten ein besseres Angebot an Obst und Gemüse.
Ich werde noch ein weiteres Mal von John eingeladen. Es ist die letzte Fete in seiner alten Wohnung, eine weitere Einladung erhalte ich von John Steward. Er hat ein Projekt zur Jagd und Verwertung von Rehwild an der Grenze zwischen Indonesien und PNG. Abends sitze ich meistens bis 20 Uhr im Yachtclub und trinke meine drei Biere, dann geht es zurück zum Schiff, ich koche mir mein Essen und führe mein Funkgespräch. Von John (dem erstgenannten) habe ich viele Bücher geschenkt bekommen, sodaß für eine Weiterreise genug (???) Lesestoff an Bord ist.
Seit dem 10. Februar ist wunderschönes Wetter, der Wind weht aus Südost. Vielleicht ist es schon der verfrühte Monsun, auf den ich so sehnsüchtig warte? Aber bei meinem täglichen Abhören des Wetterberichtes melden Daru (PNG) und Thursday Island immer noch Winde aus dem nördlichen Halbkreis.
Ich brauche nur kurz zu motoren, dann kann ich schon unter Segeln die Basilisk-Passage durchfahren. Die nächsten 80 Meilen verläuft die Küste nach Südosten, ich muß also kreuzen. Ich richte mir die Schläge so ein, daß ich tagsüber auf das 3 bis 10 Meilen vor der Küste liegende Barriereriff zusteuere und Nachts den Schlag auf das offene Meer zu mache. Ich fixiere das Ruder und schone so die Akkus. Der Wind dreht meist nicht mehr als 20 Grad während einer Nacht.
90. Tag.
Samstag, 17-02-90
Die Schläge auf der Kreuz waren gut aufgeteilt, gegen Sonnenuntergang bin ich wieder dicht am Barriereriff. Aber zu meinem Entsetzen muß ich feststellen, daß ich nur 20 Seemeilen von Port Moresby entfernt bin, obwohl ich fast 60 Meilen gesegelt bin. Bei festgesetztem Ruder kann ich nicht optimale Höhe am Wind segeln. Statt 55 Grad zum Wind mache ich so vielleicht nur 65 Grad. Als ich den gesegelten Kurs mit dem tatsächlichen Kurs vergleiche, merke ich, daß ich gewaltig versetzt werde, und zwar genau nach Nordwesten. Ich zeichne ein Stromdreieck und siehe da, ich habe zwischen einem und anderthalb Knoten Strom gegenan. In der Seekarte steht lapidar: »the currents are variable, being influenced by the SE trades with rates up to 1.5 knots«. Da ich bei dem leichten Wind nicht mehr als drei Knoten Fahrt mache, wundert mich nun nichts mehr.
91. Tag.
Sonntag, 18-02-90
Die Strecke von Port Moresby nach Samarai beträgt 240 Seemeilen und wird also nicht in vier Tagen zu schaffen sein. Wenn der Wind weiterhin von vorne kommt, werde ich wieder einmal 12 Tage auf See sein. Das ist die gleiche Zeit, die ich von Darwin bis nach Thursday Island gebraucht habe. Bei dieser Vorstellung will ich schon fast aufgeben und nach Port Moresby zurücksegeln. Doch dann müßte ich dort noch fast einen vollen Monat auf den Monsunwechsel warten. Das ist auch keine Alternative für mich.
Aber Nordwestmonsun wünsche ich mir auch nicht, denn der bringt wieder die Regenzeit, starken Wind, andauernde Schauer und Gewitterfronten. Und alle Ankerplätze in meinem Buch »Cruising Papua New Guinea« sind im Lee des Südostmonsun eingezeichnet, da nur zu dieser Zeit anscheinend Fahrtensegler nach PNG kommen. Selbst die Insel Samarai bietet keinen ausreichenden Schutz bei Starkwind aus Nordwest.
G.H.
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Hier bricht das Tagebuch ab.