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Vom Ifinger, der in grauer Vorzeit mit einem gewaltigen Erdsturz die alte Maja verschüttet und den Abhang gegründet hat, auf dem jetzt die Häuser und Weingärten von Obermais stehen, geht eine tiefe Schlucht östlich von Meran in das Etschthal hinab. Der Wildbach, der sie durchströmt, ist den größten Theil des Jahres hindurch eine kümmerliches Wasser, das im Hochsommer zwischen Gestein und gelbem Sand vollends versiegt, so daß sein tiefes Bett so gefahrlos zu betreten ist, wie droben die hochgeschwungenen hölzernen Brücken. Wenn im Frühling der Schnee jählings ins Thauen kommt, füllt sich auch die Rinne der Naif mit einem trüben Schwall, in dem keine Fische athmen mögen. Weiter ins Jahr hinein aber, bei starkem Ungewitter, Hagelschlag und Orkan, scheint sich alle Wuth der Elemente in dieser einsamen Schlucht zu sammeln. Dann lösen sich die zähen Erbmassen, mit denen das Granitgerippe des Ifinger umkleidet ist, in einen dunkelbraunen Schlamm, den die Quelle der Naif mit Ungestüm fortwälzt; große Felsblöcke, Bäume und Rasenstücke folgen dem Sturz, mit immer wachsendem Getöse stürmt der Höllenbrei aus der Enge ins bewohnte Thal hinaus, und über eine Stunde weit hört man den donnernden Fall und spürt das Beben der Erde. Wenn es Nachts geschieht, wachen die Bauern weit und breit davon auf und horchen ängstlich hinaus. Die Naif kommt! sagen sie und beten. Die aber zunächst wohnen lassen es nicht beim Beten bewenden, stürzen aus den Betten ins Freie, treiben das Vieh aus den Ställen und laden ihre werthvollste Habe auf Wagen, lange bevor die zähe Masse zum Rand der Ufer hinaufgeschwollen ist. Denn sobald nur ein größerer Felsen oder ein ausgerissener Baum sich in den Weg schiebt, so staut der Schlamm und wächst alsbald zu einem Berge in die Höhe, hinter dem dann die nachstürzenden Massen links und rechts überfließen und Weinpflanzungen, Obsthalden, Häuser und Gehöfte unwiderstehlich verwüsten.
Von solchen Schrecken mußte dem einsamen Manne, der am schönsten Junimorgen die Schlucht hinunterwanderte, etwas zu Ohren gekommen sein. Wenigstens war auf seinem finsteren alten Gesicht von dem Frieden, der ihn umgab, so wenig zu entdecken, als mache er sich, während er in dem halb ausgetrockneten Bett von Stein zu Stein kletterte, jeden Augenblick auf einen tückischen Ueberfall der Elemente gefaßt. Auch die Nachtigallen, die er tiefer in der Schlucht vor Tagesanbruch so süß hatte schlagen hören, schienen sein Inneres nicht besänftigt zu haben. Er war ganz in grobe graue Leinwand gekleidet; das tiefgefurchte Gesicht, von weißem, kurzgeschorenem Haar und Bart umstarrt, beschattete ein alter Strohhut, eine kleine gelbe Ledertasche hatte er umgehängt, in die er dann und wann ein Mineral oder eine Versteinerung steckte, wie sie von der Naif zahlreich zu Tage gespült werden. So heiß die Sonne herabschien, war ihm doch keine Ermüdung anzumerken. Er ging mit einem stracken militärischen Anstand, nur den Kopf auf die Brust gesenkt, und stützte sich kaum auf den Hammerstock, mit dem er hie und da an die Felsen schlug. Etwas Versteinertes, Verwittertes hatten seine Züge; der Blick der verblichenen grauen Augen glänzte wunderlich, gleich dem Erz, das man im Gestein versprengt findet. Nirgends stand er, um zu ruhen, oder sich an der stillen Schönheit des Thals, dem prachtvollen Wuchs der edlen Kastanien und Nußbäume zu erfreuen, oder den Hirtenbuben nachzusehen, die ihre Ziegen und Schaafe zwischen dem üppigen Gras und Farrenkraut die Abhänge hinauf weiden ließen.
Als er jetzt heraustrat, wo sich die Schlucht öffnet und man von der hohen Brücke über die Wipfel fort nach Meran hinunter sieht, schien er unschlüssig, welchen Weg er einschlagen solle. Da sah er zur Linken, wo eine Allee von Maulbeerbäumen zu alterthümlichen Zinnenmauern und dem offenen Hofthor eines der vielen Herrenschlösser führt, die über diese Abhänge verstreut sind, einen kleinen elegant gekleideten jungen Mann geradewegs sich ihm nähern, und unwillkürlich machte er Rechtsum und schritt, als habe er weder Zeit noch Lust, den Kommenden zu erwarten, die gepflasterte Straße hinunter, unmuthig zwischen den Zähnen murrend. Als er den Andern hinter sich rufen hörte, bog er eilig in einen Seitenweg, durch den die Bauern eine Quelle zur Wiesenwässerung geleitet hatten. Hier wird er mich wohl in Ruhe lassen, brummte er, indem er mit den schweren Nagelschuhen mitten durch das helle Wasser schritt. Aber er täuschte sich. – Sie laufen vor mir davon, aber es hilft Ihnen nichts, Herr Oberst, rief der Kleine ihm nach. Ich kenne Sie ja schon und nehme Ihnen nichts übel. Diesmal müssen Sie mich hören, denn Einen Menschen muß ich haben, gegen den ich mich aussprechen kann, und sollte ich ihm bis in die Etsch nachlaufen. Wissen Sie, von wem ich komme? Nun, das können Sie sich allenfalls denken, da Sie mich aus dem Schloßhof treten sahen. Aber daß ich diese Schwelle zum letzten Mal beschritten habe, das wissen Sie noch nicht, und weshalb ich mir das zugeschworen habe, muß ich Ihnen jetzt sagen, oder ich ersticke daran.
Es schien allerdings Gefahr im Verzuge zu sein. Das runde menschenfreundliche Gesicht des kleinen Herrn war über und über roth und zitterte in allen Fibern; er lüftete den schwarzen Hut und trocknete mit einem feinen weißen Batisttuch die Stirn, einmal über das andere seufzend, während er mit den rundlichen, wohlgepflegten Händchen Hut und Tuch vor Aufregung kaum zu halten wußte. Dabei merkte er es gar nicht, daß er mitten im Wasser stand, bis ihm der Andere – der ihn wohl um zwei Köpfe überragte – mit einem kurzen rauhen Ton sagte: Sie werden sich den Schnupfen holen, Herr Graf. Auf Tanzstiefel sind diese Bauernwege nicht eingerichtet.
Sie haben Recht, Verehrtester. Gehen wir eine Strecke weiter, bis es noch einsamer wird, daß ich Ihnen ungestört erzählen kann.
Bin gar nicht begierig, gab der Alte zur Antwort. Die Ungarin wird Ihnen einen Korb gegeben haben. Nun gut, so wissen Sie, woran Sie sind; sie hatten es schon längst wissen können. Danken Sie Ihrem Schicksal, daß Sie die Hexe los geworden sind, eh es zu spät war.
Lieber Freund, erwiederte der Kleine in einem stillen, wehmüthigen Ton, Sie sind ein Menschenkenner, Sie haben die gefährliche Frau nur einmal und nur von Ferne gesehen und sie gleich durchschaut. Aber Sie sollten mit den Schwächen der Menschen Nachsicht haben, je mehr Sie sie erkennen. Dieses Weib, das Ihnen immer antipathisch war, hatte eine Macht über mich –
Ich bitte Sie, unterbrach ihn der Alte, verschonen Sie mich mit Ihren Gefühlen, von denen Sie mich schon mehr als hinreichend unterhalten haben. Sie wissen, daß ich bei gewissen Gesprächen leicht die Geduld verliere.
Kann ich es Ihnen verdenken? rief der Kleine. Ist mir nicht selbst, so lang ich in diesen Fesseln lag, mehr als einmal zu Muth gewesen, als müsse ich aus der Haut fahren? Heute Hoffnung, morgen die helle Desperation; heute ein Lamm gegen mich, ein sanftes, lenksames, inniges Geschöpf, morgen die züngelnde Schlange des Paradieses. Ich bin ein argloser Mensch, das wissen Sie. Ich konnte Ihre Maxime, immer das Schlimmste zu denken, niemals verstehen. Aber so viel war denn auch mir klar geworden, daß sie ein Spiel mit mir trieb, und ich wartete nur auf eine herzhafte Stunde, um ein für alle Mal ein Ende zu machen und davon zu laufen. Da kommt sie – denken Sie sich – gestern auf ihrem schöngeschirrten Maulthier vor meinem Hause vorbeigeritten, ihren Bedienten hinter sich, der in einem Korb am Sattel eine große Menge Alpenrosen verwahrt. Ich sitze eben auf meiner Altane vorm Haus, rauche und denke an nichts Arges. Und sie, sobald sie mich erblickt, Halt gemacht, vom Thier herunter, dem Lakaien gewinkt, daß er die Blumen ihr nachbringen soll, und nun mit dem holdesten Lächeln die Treppe herauf zu mir, daß Alles drüben ans Fenster stürzt und ich selbst wie eine Bildsäule stehe. Sie aber, schön wie eine Alpenfee, etwas erhitzt vom Reiten, die Locken halb lose unterm Hut, giebt mir mit einer spitzbübischen Vertraulichkeit die Hand, nimmt Platz mir gegenüber, schüttet die Rosen auf meinen Tisch und macht mir nun halb lachend, halb böse die zärtlichsten Vorwürfe, daß ich sie so lange vernachlässigt hätte. – Werden Sie mich auslachen, wenn ich Ihnen sage, daß ich Narr genug war zu glauben, ich sei es ihr schon der Leute wegen schuldig, nach dieser Scene heute förmlich um ihre Hand zu werben? Aber Sie lachen ja gar nicht! O, wenn ich nur Ihre Geduld ermüden und Ihnen die ganze Komödie von heute Morgen, von der schmunzelnden Kammerkatze an bis zu ihrem Vetter, dem Baron, der plötzlich so ganz wie bestellt dazu kam, erzählen wollte, Sie würden schon lachen, daß Ihnen die Thränen in den Bart laufen sollten.
Der Alte sah mit einem verbissenen Schweigen vor sich nieder, und eine Weile gingen sie durch die schönen stillen Kastanienschatten neben einander hin, Jeder in seinen Gedanken. Der Kleine aber, der trotz seiner behaglichen Figur in beständiger Lebhaftigkeit sich bald links bald rechts wandte, den Hut abnahm und wieder aufsetzte und mit dem Taschentuch von seinem feinen schwarzen Rock jedes Stäubchen abwischte, hielt es offenbar nicht länger aus vor innerer Unruhe und sagte:
Ja, mein Verehrter, es ist ein Wink des Himmels, daß ich hier Ihre Bekanntschaft gemacht und mich durch Ihre schroffe, abwehrende Art nicht habe einschüchtern lassen, Sie immer wieder aus Ihrer menschenfeindlichen Vereinsamung aufzustören. Sie sollen mich jetzt in Ihre Zucht nehmen, mir die unselige Empfindsamkeit und Gutherzigkeit systematisch austreiben, die mich trotz so vieler Erfahrungen immer von neuem den bittersten Täuschungen aussetzt. Ich habe nun lange genug gedacht, die idealste Ansicht der Welt und der Gesellschaft, wenn sie auch nicht die richtigste wäre, sei doch die wohlthätigste zu unserer Seelenruhe. Nun nehmen Sie mich zum Schüler an in Ihrer Kunst, das Schwarze immer vor dem Weißen, in jeder Sonne die Flecken, in jedem Lächeln die alte Gleißnerei der Hölle zu sehen. Machen Sie einen wetterhaltigen, hieb- und stichfesten Menschenhasser aus mir, und ich will es Ihnen ewig danken.
Der Alte gab einen Ton von sich zwischen Husten und Lachen. Er stand einen Augenblick still, sah den Kleinen von oben bis unten an und sagte dann trocken: Und das Lehrgeld, Herr Graf? Denken Sie, das sei schon bezahlt? Die paar Tropfen Schweiß, die Sie um eine Kokette vergossen haben? Sie wissen nicht, was Sie reden.
Oh, stöhnte der Andere, treiben Sie nur Ihren Spott mit mir; das kann mich nur in meiner Ueberzeugung bestärken, daß ich bei den Menschen hinfort nichts zu suchen habe, da selbst Sie mich nicht verstehen. Auch das werde ich entbehren lernen und in Zukunft meinen Frieden nur da suchen, wo er einzig und allein unterm Monde zu finden ist, und wo auch Sie ihn gefunden haben: in der Natur!
Er warf sich mit diesen Worten am Wege nieder, auf einem Grasfleck, hinter dem ein kleines Mäuerchen von roh aufgeschichteten Steinen einen Rebengarten begrenzte. Gegenüber am Wege standen hohe Nußbäume, durch deren Laub man aus eine alte, in Epheu ganz versteckte Schloßmauer sah, die einen breiten Schatten warf und die kühle, trauliche Abgeschiedenheit des Ortes noch einladender machte.
Der Alte blieb vor dem Grafen stehen und sah mit einem unheimlichen Zug von bitterem Mitleiden zu ihm hernieder, wie ein hungriger Bettler zu einem geputzten Kinde, das ihm klagt, es habe sein Spielzeug zerbrochen.
Frieden? wiederholte er, Frieden? und in der Natur wollen Sie ihn suchen? Suchen Sie ihn, wo Sie wollen, in Tagelöhner-Arbeit, im Beichtstuhl, in der Flasche – nur nicht in der Natur. Sie müßten sich denn gleich zu Anfang dahin wenden, wohin ich erst gekommen bin, nachdem ich bei allem Lebendigen vergebens angeklopft habe, zu den Steinen. Aber das meinen Sie ja gar nicht. Ihre »Natur«, die Sie einschläfern und über Ihre kleinen Miseren betäuben soll, ist ja nichts weiter als eine Operndecoration, ein paar Strohdächer im Grünen, die untergehende Sonne im Hintergrund und dazu Hirtenflöten und blökende Lämmer und das Rauschen eines Baches, in dem Sie Forellen für Ihre Tafel fischen mögen. Und wenn Sie mit Coulissen und Orchester im Reinen sind, sehen Sie sich doch wieder eilig nach einer Primadonna um, die Ihnen Ihren vielbelobten Frieden, will sagen die Langeweile, vertreiben möchte. Sie sind noch in den Dreißigen, reich, verwöhnt, und von viel zu fetter Constitution, um den Frieden da zu suchen, wo er allein zu finden ist, und wo ihn heilige Männer wirklich gefunden haben sollen.
Das wäre?
In der Wüste.
In der Wüste? Fast möchte ich lachen, wenn mir sonst danach zu Muth wäre. Nein, Verehrtester, das ist nicht Ihr Ernst. Wären Sie sonst nicht längst dahin aufgebrochen, um den Schakals und Kameelen Ihr Evangelium vom Menschenhaß zu predigen, statt daß Sie sich noch immer in diesen leidlich cultivirten Gegenden aufhalten?
Sie sprechen, wie Sie's verstehen, sagte der Alte finster. Wo ich lebe, Jahr aus, Jahr ein zwischen Felsen und Gletschern, nur einmal einem Sennhirten die Zeit bietend, wenn mich hungert, und im Winter in einem Holzstadel eingeschneit, möchte es Ihnen Wüste genug dünken. Auch bin ich in diese Thäler nur hinabgestiegen, um zu sehen, ob die weichere Luft mir etwa die Rheumatismen aus den Gliedern ziehen will, mit denen man droben im Hochgebirg übel daran ist. Sonst hätte mich nichts hier herunter gelockt. Es ist mir zu voll hier, allerlei galonnirter Menschenpöbel verdirbt die Luft, auch ist man Welschland schon näher, als mir lieb ist, und lange treib' ich's hier nicht mehr; nur die große Steinsammlung in der Naifschlucht ist allenfalls der Mühe werth.
Der Graf hatte nur noch zerstreut zugehört und seinen eignen Plänen nachgesonnen. Lassen Sie mich nur machen, sagte er jetzt. Ich werde mich in Leinwand stecken, wie Sie, und meine Tage unter Pflanzen, Insecten und Steinen hinbringen, hier in dieser prachtvollen Wildniß, unter guten, zufriedenen, ehrlichen Menschen, die ihr Herz in der Hand tragen und als biedere Nachbarn einander helfen. Oder wär' es denn so ungereimt, wenn ich mir einen Bauernhof mit Weinberg und Maisfeld kaufte, ein paar hohe Kastanien über meinem Dach, im Stall schöne Rinder, in meinem Garten Rosen, Pfirsiche und Mandelbäume? Nur daß ich nie eine Hand mehr zu drücken brauche, die sich mit kölnischem Wasser wäscht, und –
Stehen Sie auf, Graf, stehen Sie auf! Sehen Sie die Thiere denn nicht, die an Ihnen hinaufkriechen? rief der Oberst mit einem hastigen verstörten Blick.
Der Graf sprang auf, lachte aber, als er sich den Rock abschüttelte. Nun wahrlich, sagte er, ich dachte, ich hätte mich in ein Scorpionennest gesetzt, und es sind nur Ameisen. Für einen Naturforscher sind Sie ängstlicher, als ich dachte, mein Lieber.
Der Alte hatte sich abgewandt, um die Röthe zu verbergen, die seine verwitterten Züge plötzlich überflog. Ich hasse sie! murmelte er. Sonst bin ich so ziemlich auf Du und Du mit Allem, was da kriecht und schleicht. Kommen Sie weg von hier; es wird heiß.
Indem er dies sagte, schüttelte er sich, als ob ihn ein frostiger Schauder packte, und der Graf folgte ihm, achselzuckend, da er jetzt einen schmalen Weg betrat, der dicht an der hohen Schloßmauer unter Feigengestrüpp und einzelnen Weinreben hinlief. Ein kleiner Graben trennte die Wanderer von der breiteren Straße. Da stand der wunderliche Alte plötzlich wieder still und sah in das klare, geräuschlose Wasser hinab, das träge unter den Brombeerranken und wildem Hopfen abfloß.
Was haben Sie entdeckt? fragte der Andere.
Ein Stück Frieden in der Natur, sagte der Alte ernsthaft. Sehen Sie dort den schwarzen Wurm am Grunde? Eine elende nackte Schnecke ist hineingefallen, und der lauernde Bursch, der Pferde-Igel dort, hat sie behende umklammert und wühlt sich in ihren hilflosen feisten Rücken ein. Sehen Sie doch, wie das gemarterte Thier sich windet!
Abscheulich! Geben Sie mir Ihren Stock, daß ich sie aus einander bringe. Noch wird das Opfer zu retten sein.
Meinen Stock? Daß ich ein Narr wäre, ihn zu einem Narrenstreich herzuleihen!
Herr Oberst!
Sind Sie beleidigt? Nach Belieben. Aber denken Sie erst nach, ob Sie auch ein Recht haben, hier den Großmütigen zu spielen auf fremde Kosten. Wenn ein Erzengel bei einer Fleischhauerbude vorbeiginge und dem Metzger, der eben einen Ochsen schlagen will, aus edler Empörung mit seinem Flammenschwert die Hand zerschmetterte, was würden Sie dazu sagen? Oder wollen Sie es übernehmen, alle Pferde-Igel in diesen Gräben aus eignem Blut mit Frühstück zu versorgen, damit Sie nur das Wegelagern lassen und lieber eine Rettungsanstalt für verunglückte Schnecken stiften?
Er lachte heiser auf, während der Andere den Kopf noch gesenkt hatte und ins Wasser starrte. Ich gebe es Ihnen zu, sagte er kleinlaut: den ewigen Kriegszustand Aller gegen Alle in der Natur können wir nicht abstellen, und der Blick in das stille Mordgewühl da unten – denn ich sehe jetzt noch mehr Würger und Opfer – macht einem das Herz schaudern, das einen Augenblick hier auszuruhen dachte. Fast bewundere ich nun die Leute, die den Muth haben, sich in diese unheimlichen Reiche ein Leben lang zu versenken. Aber die Rebe ächzt nicht, wenn man sie beschneidet, noch das Korn, wenn man es drischt, und die Leute, die Tag für Tag die zufriedene, üppige, stille Frucht um sich herum reifen sehen, müssen endlich einen Frieden gewinnen, von dem man in der sogenannten großen Welt, die die kleine heißen sollte, nichts ahnt. Haben Sie sich die Gesichter des Volkes in dieser Gegend angesehen? Aber nein, Sie sehen ja weg, wenn Ihnen ein Menschengesicht begegnet.
Ich habe ein Recht dazu, sagte der Alte dumpf. Dann ging er so rasch vorwärts, daß der Kleine ihm mit Mühe folgen konnte und das Gespräch fallen ließ. Nicht lange, so bogen sie um einen runden Thurm, der aus der verfallenen Mauer vorsprang, und sahen nun, daß die hohe Schloßruine im Viereck aufragte; denn eine neue Mauer mit verfallenen Fenstern führte zu einem dritten Thurm, der noch üppiger vom Epheu umkleidet war. In vielgetheilten, handbreiten Stämmen hatte er sich hinaufgezogen und seine Klammern tief in die Steinfugen eingedrängt, immer dichter nach oben zu sich belaubend, bis er das spitze Dach wie eine dicke grüne Haube ganz umwuchert und an der einen Seite sogar, einem Helmbusch ähnlich, einen buschigen freien Trieb hinausgeschickt hatte. Nicht minder reich bedeckte er Mauern und Fenster, und hie und da sah der Bau wie eine riesige, wohlbeschnittene Epheuhecke aus, in deren sechs Schuh dicken Wänden man regelmäßige viereckige Oeffnungen angebracht hätte. Der Ort war gegen Wind und Sonnenbrand trefflich geschützt, die Nußbäume standen wie Wächter rings um das ungeheure Viereck, überall rieselten die Wasser von den höher gelegenen Wiesen herab nahe genug vorbei, um die Luft zu durchfeuchten. Nun erst, als die Wanderer um den dritten Thurm bogen, sahen sie ein Thor in dem öden Bau sich öffnen, von grauen Quadern überwölbt, aber mit Brettern verschlagen, in denen eine mannshohe Oeffnung gelassen war, ohne Thür und Gitter. Ein paar große schwarze Schweine stürzten, als sie sich näherten, aus dem Thurm heraus und liefen grunzend an den Steinwall vor, mit dem ihr Revier unter den Nußbäumen abgegrenzt war. An dieser Seite war auch der Epheu völlig erstorben, da die Thiere alle Wurzeln umwühlt und zernagt hatten. Jenseits aber, wo ein Rebengarten an die Mauer stieß, dunkelte der grüne Umhang desto dichter über die ganze Breite hin. Ein paar verwilderte Hühner entflohen, als die beiden Männer auf das Portal zuschritten. Vor den Reben aber, hoch unter einem windschiefen Schirmdach, hing ein hölzernes Christusbild mit erloschener Tünche und neigte sich auf die Seite, als drohe es vom Kreuz herabzustürzen und werde von den Weinranken gehalten, die hoch hinaufgeklettert waren und die dürftigen Glieder und das traurige Haupt umschlangen.
Bei meinem Leben, rief der kleine Graf enthusiastisch aus, das ist der märchenhafteste Winkel, der mir je vorgekommen, so recht eigentlich von der Welt vergessen, um hier nun wiederum die Welt vergessen zu können.
Bis die beiden Schwarzen da mit ihrem Grunzen wieder an die Welt und all ihre Bestialität erinnern, warf der Alte hin. Wollen Sie wirklich hinein?
Natürlich, Bester. Es zieht mich mit unwiderstehlicher Gewalt.
So leben Sie wohl! Ich habe gar keine Neugierde die Insassen dieser Wildniß kennen zu lernen.
Ich wette, daß wir keiner Menschenseele begegnen. Und wenn auch, was hätten wir zu fürchten?
Fürchten! und der alte Herr richtete sich hoch auf in den mageren Gliedern. Sie haben Recht, Graf, ich muß mit Ihnen gehen. Sie schweben immer in so hohen Regionen, daß Sie nächstens Arme und Beine brechen werden, und an Gelegenheit dazu wird es in diesem Rattennest nicht fehlen.
Sie betraten die Schwelle und den todtenstillen Hof, wo ihnen eine dumpfe Sonnenglut entgegenschlug, denn durch den halben Raum des großen Vierecks zog sich nur eine kahle Rebenpflanzung hin, und der Hollunderbaum drüben in der Ecke verstreute seinen Schatten nicht weit. Eine unsägliche Verwahrlosung starrte sie von allen Seiten an. Sie erkannten jetzt erst, daß ein Flügel des Schlosses noch in den Mauern erhalten war, während von den drei andern nur die Ringmauern standen. Nichts verrieth die Nähe lebender Wesen. Unter einem hohen Schuppen war freilich allerlei Ackergeräth aufgehäuft, ein Pflug, ein paar zerbrochene Rechen, altes Gerümpel von Brettern, Stangen und Weidenbündeln, aber der Staub lag überall fingerdick. Und nun vollends die alte Chaise, die dort an der Mauer stand, als wäre sie allen Elementen schon viele Menschenalter hindurch preisgegeben gewesen, das Eisen vom Rost zerfressen, das Lederzeug von der Sonne verkohlt, das Holz in breiten Sprüngen aus einander gerissen, so daß das leichte Verdeck in sich zusammengesunken schief über den Schlag herabhing und nur die regelmäßige Staubdecke einen Theil des Verfalls übertünchte. Eine große graue Katze lag auf dem verschossenen rothen Kutschersitz und schlief. Sie schien das Reich hier nur mit den Eidechsen zu theilen, die zahllos über die Mauern liefen, und mit den Scorpionen, an denen auch kein Mangel war. Der Alte lüftete einen Stein, und zwei schwarze muntere Gesellen hoben einmüthig den Stachel gegen ihn auf.
Um Gotteswillen! warnte der Graf.
Seien Sie ruhig, es sind nur Scorpione, man verleumdet diese artigen Geschöpfe, erwiederte der Alte. Wenn Ihre Neugierde gebüßt ist, so lassen Sie uns jetzt gehen, ehe denn doch am Ende die Hexe, der jene Katze zugehört, aus einem der Fenster herniedergrinst.
Der Andere stand in Gedanken. Wenn man es ausbaute, nur den einen Flügel etwa, es wäre ein beneidenswerther Besitz. – Ich kann Ihnen nicht helfen, fuhr er nach einer Pause fort, ich muß erst einmal durch jene Winkel kriechen. Aber ich muthe Ihnen nicht zu, mich zu begleiten. O diese Stille! kein Ton dringt weit und breit herüber, und von den Bergen sehen nur die höchsten, fahlen Gipfel in den Hof herein! Wie das malerisch ist in seiner Verlassenheit! Hier ist die Wüste, Oberst, in der ich mir's gefallen ließe. Von Jugend auf habe ich für Ruinen geschwärmt, und dies ist die Königin aller Ruinen der Welt. Sehen Sie nur – sie waren eben in einen der Eckthürme getreten, zu dem der Zugang nur durch hohe Nesseln und Dorngestrüpp verwahrt wurde – wird Ihnen nicht wohl in diesem kühlen Verließ, wo die Löcher des Daches durch den Epheu zugestopft werden und kaum so viel Sonne hie und da einfällt, daß die Vögel dabei ihre Nester bauen können?
Man hörte draußen ziemlich ferne einen Schuß fallen. Hören Sie? sagte der Alte.
Ein Bursch – meinte der Graf – der sich nach der Scheibe übt, oder einem Raubvogel das Handwerk legt.
Oder einem Kameraden, oder sich selbst.
Was Sie auch für Romane aus der Luft greifen!
Romane! brummte der Alte; haben Sie den Muth, von irgend einer Erdscholle, auf die Sie treten, zu beschwören, daß sie nicht Menschenblut getrunken habe? Uebrigens machen Sie was Sie wollen. Ich habe Gottlob keine Verpflichtung, Ihnen zu rathen.
Es ist dennoch bewohnt, sagte der Kleine, der mit Augen und Ohren überall herumspürte. Hören Sie nicht da drüben aus dem Fenster im ersten Stock, das mit dem Holzladen verschlossen ist, die seltsamen Töne?
Ein Mutterschwein wird da in Kindsnöthen liegen.
Nein es kommt von einem Menschen. Wir wollen leise durch die kleine Thür hineindringen und sehen, wie wir's drinnen finden. Ich wüßte doch gern, wie viel noch erhalten ist.
Sie schritten auf eine halbangelehnte Pforte zu, die sich im Winkel unter dem Holzschuppen befand, der Graf eilig voran, der Alte unmutig hinter ihm. Eine dunkle Holztreppe führte steil hinauf, und das Auge, das aus der blendenden Sonne kam, starrte anfangs in den großen Raum, zu dem die Stufen führten, wie in die schwarze Mitternacht. Behutsam tappten sie am Strick, der das Geländer vertrat, hinauf, blieben aber oben Beide wie verzaubert stehn und wagten kaum zu athmen. Denn was sie sahen, war allerdings dazu angetan, in dieser Umgebung mit allem reizenden Grauen des Märchenhaften selbst nüchterne Männer zu überraschen.
Sie standen in einer großen, sehr hohen und tiefen Halle, die durch die verschlossenen Läden zu beiden Seiten völlig kühl und dunkel erhalten war. Ein scharfer Geruch von getrockneten Kräutern und Herdrauch durchzog beklemmend die Luft. Aber am anderen Ende der dunklen Halle stand eine niedrige Thür offen, und man sah in ein kleines, mit Holz rings ausgeschlagenes Gemach, in dem einige Sonnenstrahlen, durch die Spalten der Fensterläden einfallend, eine goldene Dämmerung verbreiteten. Im Winkel am Fenster, unter einem alten Crucifix, das mit allerlei wilden Blumen geschmückt und mit Schnüren gelber Maiskörner umhangen war, saß ein Mädchen in tiefem Schlaf vorm Spinnrad, den Faden noch in den Händen, die ihr in den Schooß gefallen waren. Ein dünner Strahl spielte auf ihrem Haar, das runde Gesicht war auf die Brust gesunken, die sich unter dem leichten schwarzen Mieder hob und senkte; die Arme waren bloß, und der eine nackte Fuß ruhte noch auf dem Trittbrett des Spinnrades. Die rauhen dumpfen Töne aber, die hier noch schauerlicher klangen, kamen aus einem dunklen Verschlage an der anderen Seite, wo die beiden Spähenden, erst nachdem sie sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, eine unförmliche Bettstatt erkannten, auf der ein menschliches Wesen seinen Mittagsschlaf hielt.
Oberst, sagte der Graf mit leiser Stimme, ich behalte Recht. Wir sind in ein Märchen hineingetreten. Dieses Schloß ist verzaubert, und das Mädchen, das dort auf der Bank vor dem Spinnrade sitzt, ist niemand anders als jenes Dornröschen, von dem uns die Kinderfrau erzählt hat, nur daß die Hexe, die sie verwünscht hat, mit eingeschlafen ist.
Phantast! brummte der Alte. Wollen Sie den Prinzen spielen, der den Zauber löst? Sie werden an der Bauerndirne eine saubere Prinzessin finden.
Indem er dies sagte, stieß er mit dem Fuß in der Dunkelheit an ein hölzernes Gefäß, das an der Wand lehnte. Es verlor das Gleichgewicht und fiel mit lautem Gepolter auf die Fliesen, mit denen die Halle gepflastert war.
Das schlafende Mädchen fuhr erschrocken zusammen, und sie sahen, wie sie sich mit ängstlicher Geberde aufrichtete und ins Dunkel hinausstarrte. Wer ist da? rief sie mit zitternder leiser Stimme.
Zwei Fremde, die das Schloß zu sehen wünschen, antwortete der kleine Graf und ging mit raschen Schritten auf das Gemach zu. Wir haben gestört, fuhr er fort, als er das Mädchen noch immer bestürzt mitten im Zimmer stehen sah. Wir wollen ein ander Mal wieder kommen, wenn es jetzt ungelegen ist.
Großmutter schläft, sagte sie und sah vor sich nieder. Der Vater ist über Land. Im Schloß ist nichts zu sehen, es ist alles verfallen.
Der Graf war an die Schwelle getreten und betrachtete mit verwundertem Mitleiden das junge Geschöpf, das scheu und schweigsam ihm gegenüber stand. Selbst bei der schwachen Dämmerung sah es verstaubt und armselig genug aus in dem braunen Zimmer; Reste eines Maiskuchens standen in zerbrochener Schüssel auf dem Tisch, ein halbgefülltes Milchgefäß war von zahllosen Fliegen belagert, schlechte, geflickte Kleidungsstücke hingen an einer hölzernen Leiste, die um den rohen, graugetünchten Ofen im Winkel herumlief. Auch der Anzug des Mädchens schien sehr vertragen, und nur das glattgestrichene braune Haar, von einem alten Messingkamm im Nacken zusammengefaßt, ließ einen Rest von weiblicher Sorgfalt erkennen. Es überkam den gutherzigen kleinen Herrn in seinen feinen Kleidern eine seltsame Traurigkeit, als er diese Armuth und Verwahrlosung betrachtete; und sie ließ ihm alle Zeit dazu, denn ihr ganzer Vorrath an Worten schien mit jenen ersten hastigen Sätzen erschöpft, und die Augen, die sie beharrlich auf den Steinboden gesenkt hielt, verriethen nichts von dem, was in ihr vorging. Dazu erscholl noch immer das widerwärtige Schnaufen und Röcheln der Schläferin aus dem dunklen Alkoven, wo jetzt der Fremde eine kleine plumpe Gestalt mit herabhängenden weißen Flechten erkannte, die in den Kleidern auf einem schlechten Strohsack lag und manchmal im Traum mit den Armen durch die Luft fuhr.
Liebes Kind, sagte er endlich, nachdem er sich etwas besonnen hatte, es thut mir leid, deinen Schlaf gestört zu haben. Aber da es doch einmal geschehen ist, wäre es mir lieb, wenn du mich durch die übrigen Räume führen wolltest. Ich hätte nicht übel Lust, falls der Besitzer es hergeben wollte, das alte Schloß zu kaufen.
Sie sah noch immer von ihm weg und erwiederte nur: Der Vater kommt erst morgen. Sie können dann mit ihm sprechen. Er hat den Schlüssel zum oberen Stock; da ist aber nichts, als die nackten Mauern.
Gehört das Schloß dem Vater?
Nein, Herr. Er hat nur die Aufsicht.
Und wie lange wohnt ihr schon hier?
Wie lange? – und sie sah auf und wie nachsinnend in die dunkle Vorhalle hinaus. Ich weiß nicht. Vielleicht drei Jahr.
Und wo wart ihr früher?
Ich darf's nicht sagen; der Vater hat es verboten! – und eine dunkle Röthe schoß ihr in die Wangen. Jetzt erst sagte er sich, daß ihr Gesicht vollkommen schön sei, selbst in dieser Verwilderung. Doch waren Schnitt und Farbe fremdartig, strenger und dunkler, als bei den Meranerinnen und den Mädchen von Passeier.
Schon drei Jahr! wiederholte er bedauernd. Und wie alt bist du denn, liebes Kind?
Zwanzig, Herr; oder mehr.
Er hätte ihr kaum sechzehn gegeben, so schüchtern war noch der Wuchs in allen Umrissen, so kindlich herbe die Wange und der blasse Mund. Sag mir auch, wie du heißest, bat er sie.
Filomena, erwiederte sie leise. – Dann entstand eine Pause, in der ihr plötzlich eine dunkle Angst aufzusteigen schien. Sie lief hastig in den Verschlag, wo das Bette stand, und faßte die Alte am Arm. Großmutter, rief sie ihr mit heller Stimme ins Ohr, wacht auf, es ist Jemand da, der das Schloß sehen will.
Mit abgerissenen Scheltworten in einer unverständlichen welschen Mundart richtete sich die Schläferin vom Bette auf, strich sich mit den dürren Händen die fliegenden Haare von der Stirn und kam, einen zornigen Blick aus den müden schwarzen Augen schießend, an die Schwelle. Unwillkürlich sah sich der Graf nach seinem Begleiter um, denn es ward ihm nicht geheuer der Alten gegenüber. Von dem Obersten aber war keine Spur zu entdecken.
Die Alte winkte heftig mit der Hand, daß er gehen solle. Nix da! Nix deutsch! knurrte sie ihn an, während die Junge sich still wieder an ihr Spinnrad gesetzt hatte und an allem Uebrigen keinen Antheil mehr zu nehmen schien. Es war unmöglich in irgend einer Sprache sich mit dem greisen Unhold zu verständigen, denn das reine Italienisch des Grafen fand eben so wenig Eingang, wie seine freundlichsten Mienen und selbst das Geld, das er ihr anbot, wenn sie ihn durch die oberen Räume geleiten wolle.
Sie ist taub, sagte endlich die Junge hinter dem Spinnrad. Sie hört nur mich und den Vater.
Warum hast du sie geweckt, antwortete der Fremde halb unwillig. Nun denn, ich will morgen wiederkommen. Einstweilen leb wohl, Filomena!
Das Mädchen schwieg, aber das Gebelfer der Alten scholl hinter ihm drein, als er sich durch die Halle zurück nach der kleinen Treppe tastete. Er athmete wie von einem bangen Traum erst draußen in dem heißen Sonnenbrande des Hofes wieder auf.
Auch dort war der Oberst nicht zu finden. Nachdenklich schritt der Graf, sich den Schweiß von der Stirn trocknend, durch die vermoderte Streu von Maisstroh, welche die Katze über den Hof verzettelt haben mochte, dem Portale zu und warf noch einen Blick nach den Fenstern zurück; hinter denen schien jetzt alles Leben wieder versunken und verschollen zu sein. Es ward ihm draußen unter dem Nußbaumschatten leichter ums Herz; er riß ein Blatt ab, sog den würzigen Duft begierig ein und warf sich, um einen Augenblick auszuruhen und sich zu sammeln, neben dem Stamm des Christusbildes in das hohe Moos, seufzend, er wußte nicht warum.