Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

VII

Sie fanden die beiden andern bei roter Tischlampe im äußersten Winkel des geräumigen Speisesaals. Als sie Platz nahmen, sagte Donath leise zu Wendelin: »Dort in der linken Ecke sitzt deine Maja in einer Gruppe von Film- und Bankdirektoren.« Wendelin wollte sich unauffällig umdrehen, aber Donath flüsterte: »Wir wechseln die Plätze«, und laut erklärte er: »Ich will auch einmal neben der Magda sitzen, ehe sie uns verläßt.«

So kam Wendelin an die Wandseite neben Hannah und sah über Magdas geneigten Scheitel weg auf eine Gruppe von Herren und Damen, unter denen bisweilen das Gemmenköpfchen der früh gewonnenen und schnell verlorenen Freundin auftauchte. Es war recht verwirrend, Magda und Maja zugleich vor Augen zu haben, und so ließ er seine Blicke lieber auf Donaths befreundetem Gesicht verweilen, an dem eigentlich auch mehr zu sehen war als auf den blühenden Frauengesichtern. Das aschblonde, ein wenig kräuselnde Haar bekam im Lampenlicht und Widerschein des weißen Tischleinens und der silbernen Bestecke einen festlichen Schimmer; die Stirn ruhte wie ein schwingendes Gewölbe auf den starken geraden Brauen, und von der kraftvollen Nase liefen zwei scharfe Falten zu den Mundwinkeln, von Willen und Erfahrung in das gütige Gesicht gegraben. »Sie hat Karriere gemacht«, sagte Donath zu Wendelin, indem er ihm Wein einschenkte.

»Von wem sprecht ihr, wir sind neugierig.«

»Wir haben da eine Dame gesehen, die wir kannten, als sie noch nicht arriviert war. Damals als jüngstes und schönstes Mitglied eines Tanzensembles soll sie tugendhaft gewesen sein wie eine Akrobatin. Nur eine Liaison wurde ihr nachgesagt, mit einem sehr jungen Menschen. Die hat aber plötzlich aufgehört, als nämlich unser großmächtiger E. I. Eißner eingriff. Der machte sie aus einer Chortänzerin zur Solonummer oder genauer zur weiblichen Hälfte eines Tanzpaares, das winters in Großstädten und sommers in Badeorten auftritt.«

»Dies letzte wußte ich noch gar nicht«, sagte Wendelin. »So wenig Interesse hast du schlechter Mensch?«

Magda unterbrach: »Donath, Sie müssen genauer erzählen. Warum hat sie mit dem Jungen gebrochen und wie geriet sie in Eißners Gewalt?«

»Das ist eine sehr lehrreiche Geschichte und die Hauptrolle spielt darin ein Wappenstuhl. Ich will gern erzählen, was ich davon weiß, und wo meine Wissenschaft aussetzt, kann mir vielleicht Wendelin einhelfen.«

Erst aber ließen sich die Schwestern die Heldin der Geschichte zeigen. Hannah fand sie ›begeisternd‹, Magda sah Wendelin fragend an, der verlegen lächelte. »Nun bitte, wie war es mit dem Wappenstuhl?« wandte sich Hannah an Donath.

»Ja, mit dem muß ich anfangen und demgemäß mit dem Manne, bei dem er auftauchte. Das ist kein geringerer als mein Geschäftsfreund, der rühmlich bekannte Antiquar Krotoschiner; von ihm habe ich einen Teil der Geschichte gehört, sozusagen von links. Es war in der vielbetrauerten seligen Inflationszeit, da saß Kollege Krotoschiner eines Tages auf dem einzigen unverkäuflichen Sitz seines Ladens zwischen einem pommerschen Schrank und einem Trentiner Tisch und sah geradeaus auf einen Wappenstuhl, der mit der Rückseite gegen einen hohen Spiegel stand und dadurch zwiefache Sicht und doppelte Betonung bekam. Krotoschiner ist ein wohlbeleibter Mann, und wenn er sitzt, wölbt sich unter der etwas eingefallenen Brust der Bauch besonders stattlich. Sein Schneider hat mit sicherem Takt die Weste so komponiert, daß sie in Magenhöhe eine milde Talmulde, eine Art Hochplateau bildet. In diesem Tal unter und über dem Abhang pflegen die beredten Hände des Trägers zu ruhen und sich zu regen. Dort lagen sie auch am Tage meiner Geschichte und bewegten sich monologisch, während Krotoschiners Blick in dem Spiegel und auf dem Wappenstuhl wohnte. Mit Wohlgefallen sah der Handelsmann dem Stuhl zu, wie er von Stunde zu Stunde teurer wurde. Er konnte das sehen, wie er vermutlich das Gras wachsen hört. Liebevoll betrachtete er immer wieder das blaue Einhorn des linken, die roten Türme des rechten Feldes, den Mantel und die Federn der Helmzier. Wenn ich zu ausführlich werde, bitte mich zur Sache zu rufen.«

Er machte eine Pause, aß und trank.

»Zeitgemäß erzählst du gerade nicht«, sagte Hannah, »sondern mehr wie zur Zeit der Zeit, die noch Zeit hatte.«

Diese Wendung war vermutlich ein Zitat. »Unterbrich ihn nicht. Wenn die andern Personen seiner Geschichte auch so genau behandelt werden wie Herr Krotoschiner, können wir ganz zufrieden sein«, sagte Magda mit einem Blick auf Wendelin, der schweigsam und ergeben in seinen Teller sah.

»Ob ich die andern so gut darstellen kann wie den famosen Händler, den ich armseliger Gentleman-Antiquar mit Schülereifer zu beobachten pflege, ist sehr zweifelhaft. Aber ich will es versuchen. Ich hebe wieder an. Prosit! – Krotoschiner saß, wie berichtet, und überließ einige unbedeutende Kundschaft im Vordergrunde des Ladens den beiden bedienenden Fräulein. Er erwachte erst aus seiner nachdenklichen Muße, als sich mit der leisen Frage: ›Was kostet dieser Stuhl?‹ jemand über ihn neigte. Über diese allzu einfache Frage will er lächeln. Indem er aber, immer noch sitzen bleibend, zu dem Fragenden im Spiegel aufschaut, gefriert das beginnende Lächeln, und Krotoschiner erhebt sich. Vor ihm steht ein hochgewachsener Jüngling in einem charmant geschnittenen und gegürteten, aber durchaus nicht mehr neuen oder modernen Flauschmantel. Ein Gesicht von mädchenhafter Weiße, sehr kleine Ohren, rotblondes Haar, das im Halbdunkel des Ladens ›lodert‹, um des Händlers eigenen Ausdruck zu gebrauchen. – ›Herr Baron haben Interesse an diesem Objekt?‹ Instinktiv erriet er den Stand des jungen Mannes.

»Das ist Wendelin«, rief Magda.

»Das habe ich schon beim Flauschmantel gemerkt«, sagte Hannah. »Was haben Sie denn mit dem Stuhl gewollt? Gedachten Sie schon damals, junger Mann bei Donath zu werden und das Einkaufen zu erlernen?«

»Wendelin soll noch nicht erzählen«, verlangte Magda. »Erst wenn Donath nicht weiter weiß, kommt er dran. So ist es spannender.«

»Besagter junger Mann«, fuhr Donath fort, »soll geantwortet haben: ›Ich möchte dies Familienstück für meine Verwandten zurückerwerben.‹ – ›Dieser Stuhl gehört nicht zu den Gegenständen, die ich leichter Hand weggebe‹ – das wurde langsam, mit erworbener Feinheit vorgebracht, und die Hände suchten in der Luft vergeblich nach der Westenmulde – ›aber Ihnen gegenüber, Herr Baron, fühle ich mich zu besonderem Entgegenkommen verpflichtet!‹ Er flüsterte einen Dollarpreis, und der junge Herr gab seine Adresse an: Unter den Linden.«

»ja, diese Adresse!« unterbrach Hannah, »Sie müssen ja fürstlich wohnen. Warum laden Sie uns eigentlich nie ein?«

»Seine Räumlichkeiten sind beschränkt«, wehrte Donath ab, während Wendelin rot oder vielmehr rosa wurde, »jedenfalls hat er eine sehr vertrauenerweckende Visitenkarte. Das fühlte auch Krotoschiner, den überhaupt die helle Erscheinung in seinem Ladendunkel sehr entzückte, er konnte aber, als er die Karte entgegennahm, nicht umhin, dem Herrn Baron zu versichern, wenn unvorhergesehene Umstände zu einem Wiederverkaufnötigen sollten, sei das Doppelte, ja das Dreifache des Kaufpreises zu erzielen.

Nun kommt meine Geschichte von rechts. Unser aller Freund und Beschützer, der das große Haus seines Vaters weiter leitend sich zugleich für schöne Wissenschaften, Künste und Frauen interessiert, E. I. Eißner, wurde, wie ich festgestellt habe, am gleichen Tage zweimal dicht hintereinander von zweien antelephoniert, die sonst wohl allerlei, aber in dieser Sache nichts voneinander wußten. Erst telephonierte Wendelin, hier sitzt er, der raffinierte Kaufmann: ›Hallo, cher ami! Ich habe ein fabelhaftes Stück für Ihre Kollektion entdeckt, einen Wappenstuhl, schweres Eichenholz, Barock. Den müssen Sie kaufen. Heut bekomme ich ihn noch für zweihundert Dollar, die muß ich aber sofort haben, sonst wird er teurer.‹ Und gleich darauf meldete sich ein holdes Stimmchen: ›Mein lieber Herr Eißner, heut abend paßt es mir endlich. Holen Sie mich vom Theater ab. Um elf bin ich abgeschminkt. Soll ich die Ellen Toell mitbringen? Nein? Ich dachte, die wäre Ihr Schwärm. Gut. Allein. Abgemacht.‹

Dies telephonierte das Fräulein, das da drüben sitzt.

Am Abend gab es dann ein reizendes Souper. Anfangs war die schöne Maja etwas blaß und ängstlich, so daß Eißner ihr versichern mußte, sie brauche von ihm nichts zu fürchten, er sei ein väterlicher Freund. ›Das ist es nicht‹, sagte sie, ›aber–‹ ›Nun was denn?‹ Er schenkte ihr Sekt ein. Sie trank sich Mut und bekannte: ›Ich habe ein Anliegen. Ich wollte Sie um fünfzig Dollar bitten, die ich in einiger Zeit bestimmt wiedergeben kann.‹ – ›Und das bedrückt Sie, liebes Kind?‹ Er zog sein Scheckbuch. Da schluckte sie hinunter wie ein Schulkind bei einer schweren Examenfrage und bat, ob sie es nicht in bar haben könne. Da müßte sie ihm schon das Vergnügen machen, noch einen späten Likör an seinem Kamin zu trinken, er habe keine Devisen bei sich. Er hat mir versichert, daß er sich weiter nichts dabei dachte, und sie kam auch vertrauensvoll mit. Gleich führte er sie ins Arbeitszimmer und nahm die Noten aus dem Schreibtisch.

Als er dann seinen zarten Gast ins Speisezimmer hinübergeleitete, kam ihm im Vorraum sein alter Diener entgegen und hatte ihm flüsternd ein paar wichtige Bestellungen auszurichten, derentwegen er wach geblieben war. Zuletzt sagte er: ›Es ist ein Stuhl geschickt worden von Herrn von Domrau, ich habe ihn im Speisezimmer an den Kamin gestellt.‹ Ob Maja den geflüsterten Namen verstanden, wußte Eißner nicht zu sagen. Als er aber mit ihr vor dem Kamin stand, überhörte sie seine Frage, ob sie lieber Kognak oder Sherry Brandy wolle, sie blickte auf den Stuhl und besah genau das Wappen, das ihr nicht unbekannt zu sein schien. Eißner mußte seine Frage wiederholen. ›Bitte Sherrys sagte sie, ohne die Augen von dem Wappen zu wenden. ›Der gefällt Ihnen wohl, wollen Sie nicht darauf Platz nehmen?‹ fragte Eißner verwundert und ahnungsvoll. Maja saß seltsam starr da, ihre Arme lagen auf den Lehnen und sie ließ sich, ohne eine Hand zu rühren, von Eißner das Glas an die Lippen führen.

Da sie immer noch unbewegt blieb, küßte er lange ihre Hand und den Arm, was sie geduldig geschehen ließ. Dann schleppte er Diwankissen herbei, um sie weicher zu setzen, zu betten. Er war wie hypnotisiert von ihrer stummen Widerstandslosigkeit. Alles kam so schnell, daß sein Gefühl kaum der Tatkraft folgen konnte.

Als sie später aufbrach, fragte der dankbar Gerührte, ob sie nicht ein kleines Andenken mitnehmen wolle, und er zeigte auf die nächste Vitrine. ›Ich möchte ein großes‹, sagte sie in festem Ton. ›Schenken Sie mir diesen Stuhl.‹ ›Von Herzen gern‹, sagte er und bat sie, ihm zu erlauben, bisweilen auf eben diesem Stuhl an ihrem Tische sitzen zu dürfen. ›So oft Sie Lust haben.‹

Er war ganz hingerissen. Er hat mir versichert, daß er sich zehn Jahre jünger gefühlt habe. Es sei überhaupt ein großer Tag in seinem Leben gewesen; am selben Abend habe er an die geschrieben, die bald darauf seine Frau wurde, und auf diesen Brief sei ihre entscheidende Antwort erfolgt.«

»Seine Frau?« meinte Hannah. »Ist das nicht eine Baroneß Domrau und Ihre Kusine, Wendelin?«

»Ja, Donath hat sie in seiner Geschichte ganz ausgelassen.«

»Ich habe nur von rechts und links erzählt, nun mußt du aus der Mitte berichten.«

»Muß ich?«

»Sie müssen«, befahl Magda streng.

»Ich mache aber eine recht klägliche Figur.«

»Das glauben wir nicht«, rief Hannah. »Versuchen Sie nur zu gestehen.«

»Ich kann aber nicht so anmutig erzählen wie Donath.«

»Anmutig erzählen? Beichten sollen Sie Sünder.«

Da begann Wendelin und sah dabei Magda an, als habe er nur ihr zu bekennen.

»Das war ein trübseliger Novembermorgen. Ich stand spät und verdrossen auf und fand unter den Briefen, die mir die Pensionsmutter durch die Tür geschoben hatte, eine Einladung zur Roten Jagd nach Schilleninken von den Schröders, die das Gut von Jutta und ihren Geschwistern gekauft haben und bei denen Jutta lebte. Da sah ich mir im Schrank meine Sachen an und konstatierte, daß der Frack und der rote Rock noch gut genug waren, aber mir fehlten die weißen Breeches, die Mütze und vor allem die richtigen hohen Lackstiefel. Und meine Perle für das Frackhemd hatte ich noch immer nicht eingelöst. Perlmutter, das ging doch nicht. Ihr lacht, aber bei den Schröders ist natürlich alles noch viel korrekter als bei Verwandten. Sie halten an allen alten Bräuchen fest, und wie sie im Schloß selbst keine Neuerung eingeführt haben – noch immer kein elektrisches Licht, noch immer die Kerzen, bei deren Schein die alten daheimgebliebenen Diener die Gäste die Freitreppe hinaufführen –, so muß auch bei der Jagd alles stilgerecht hergehen, dafür war ich mit verantwortlich. Kurzum, ich sah, es war nicht möglich, lief verdrossen von Hause fort, mochte nicht in die Vorlesung, trieb durch die Straßen, sah beim großen Maßschuster ein Paar herrliche Reitstiefel, fluchte und ging weiter. Mit einmal stand ich vor Krotoschiners Laden, trat ohne besondere Absicht ein und ging zwischen den Sesseln, Kandelabern und falschen alten Meistern umher, bis ich plötzlich den Wappenstuhl sah mit Einhorn und Türmen, auf dem ich als Kind mit Jutta zusammengesessen war. Den hatten also die armen Basen verkaufen müssen. Das schien mir unerträglich. Jutta muß ihn wieder haben, dachte ich. Das Weitere wißt ihr. Als ich dann vor dem Laden stand, mußte ich mir vor allem Geld verschaffen. Ich lief zu der Maja und erzählte ihr. Sie bot an, mir zu leihen, was mir fehle. Damals war sie gerade reich, ihr Bruder besaß ein Bauerngut, und die Schwester hatte einen Kolonialwarenhändler geheiratet, der täglich wohlhabender wurde. Ich dachte, sie bekäme das Geld von den Geschwistern, die sie als Jüngstes immer sehr verwöhnten. Wie konnte ich ahnen, daß sie sich vor ihnen genieren und an Eißner wenden würde?«

»Aber warum hast du dich dann selbst an Eißner gewandt?« fragte Donath.

»Ach, muß ich das auch erzählen?«

»Gerade das«, verlangte Magda.

»Ich Armer. Als ich wieder heimkam, fand ich einen Brief von meiner Kusine.«

»Von Jutta, der Hauptperson, die sie uns unterschlagen wollen«, sagte Hannah.

»Sie schrieb, ich solle auf alle Fälle nach Schilleninken kommen.«

»So, so, warum denn?«

»Quäl ihn nicht«, wehrte Magda der Schwester. »Sie wollte es eben.«

»Ja, sie wollte, und nun mußte ich mir schnell die Sachen anschaffen.«

»Aha«, sagte Donath, »da hast du an Eißner telephoniert. Aber warum hast du ihn denn nicht einfach angepumpt?«

»Dann hätte ich ihm von Schilleninken und Jutta erzählen müssen, und das – ging nicht. Habe ich nun genug gebeichtet?«

Magda wollte noch wissen, wie es bei der Kusine war. »Die Rote Jagd verlief durchaus zu Schröders Zufriedenheit.«

»Und als Sie mit ihr allein waren?«

»Ich saß bei ihr im Belvedere, und meine neue schwarzsamtene Mütze lag auf einem Stuhl dessen Lehne dasselbe Wappen schmückte wie die des Stuhles bei Krotoschiner. ›Da siehst du den alten Stuhl an‹, sagte Jutta, ›und wunderst dich, daß er so allein am Kamin steht. Sein Pendant haben wir leider verkaufen müssen, damals. Wenn ich nun E. I. Eißners Antrag annehme – gerade heute hat er mir wieder geschrieben –, dann könnte ich doch zum Beispiel auch den schmählich Verschacherten wieder kaufen. Was hast du eigentlich gegen diese Ehe?‹« –

»Oh, Wendelin«, sagte Donath, »ich errate dich, da hast du gedacht: es ist Schicksal, ich habe diese Ehe selbst gestiftet, als ich telephonierte. – Hat denn deine Jutta ihren Ahnensitz wieder bekommen?«

»Nein, den hat die Maja behalten, sie hat mich selbst noch einmal draufgesetzt und mir dabei den Abschied gegeben.«

»Eißner triumphiert!« sagte Donath. »Er hat nun sein adlig Gemahl auf dem einen und seine Kebse auf dem andern Wappenstuhl. Aber wer weiß, vielleicht lieben sie alle beide noch dich.«

»Sicher«, sagte Hannah, »die Kleine sieht viel herüber.« »Wen haben Sie mehr geliebt, die Kusine oder die Tänzerin«, fragte Magda stirnrunzelnd.

Wendelin faßte nach ihrer Hand und küßte sie. »Ich habe gebeichtet. Bekomme ich nun endlich Absolution.«

»Hier hast du sie, du Page, du Cherubin«, sagte Donath, »du Hans im Glück, der nichts behält. Aber wer beichtet, muß auch Buße tun. Und zur Buße lassen wir dich jetzt allein mit deinem verlorenen Liebchen. Ich an deiner Stelle würde zusehn, wie ich sie sprechen könnte. Vielleicht kommt sie selbst zu dir an den Tisch. So lange wird sie doch nicht grollen. Wenn es nichts wird, komm später zu mir. Habe ich unsere lieben Schwestern an die Bahn gebracht, geh ich nach Haus; hoffentlich findest du mich allein und wir können von all deinen Plänen reden.«

Da saß Wendelin nun wie ein Jüngstes und Kleinstes auf dem Spielplatz, dem die Älteren, Schnelleren weggelaufen sind.

Er nahm eine Zeitung, nicht um zu lesen, sondern um darüber hin nach der Maja zu schauen. Hatte sie genickt? Jetzt lächelte sie, aber vielleicht nicht für ihn!

Drüben standen alle auf. Maja blieb vor dem Spiegel und puderte langsam ihre Nase. Unter den langen seidenen Wimpern schielte sie ungefähr in seine Richtung. Es waren nur zehn Schritt bis zu ihr. Er konnte nicht. Mit einer energischen Schulterbewegung wandte sie sich jetzt zu der Gruppe ihrer Freunde.

›Ach, wie schwach bin ich‹, dachte Wendelin, ›und so einer wie ich soll eine Karola entführen!‹ –

Er saß noch eine Weile und versuchte, gegen alle seine Gewohnheiten, Zeitung zu lesen.


 << zurück weiter >>