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Am Morgen statt des Sommers Blau
Ein unabsehbar wüstes Grau.
Das trieft von Regen und Genibel;
Das Wetterfähnlein ächzt am Giebel.
Vom Dache speit ohn' Unterlaß
Ein Drachenhaupt sein trostlos Naß.
Das Kloster lag wie meerversunken,
So regenöd und schlummertrunken,
Bis endlich mittags dort und da
Ein Mönch aus seiner Zelle sah.
Der eine gähnt und starrt ins Leere;
Der andre wimmert Miserere.
Und wie der Kleine kam gegangen,
Ward er mit Vorwurf rings empfangen.
Und wieder laut vor allen schalt
Der fromme Bruder Hunibald:
Nun ist verscherzt der Heilgenschein,
Und der ist schuld, nur der allein!
Wir lebten hier schon in der Zeit
Im Vorhof selger Ewigkeit;
Da wandelt uns der schnöde Zwerg
Das Gotteshaus zum Venusberg,
Wo statt zerknirschter Litaneien
Die Lüste frech gen Himmel schreien. –
Der Kleine lauscht des Redeschwalls
Mit staunend vorgerecktem Hals.
Zu Boden warf er Krug und Teller
Und schlüpfte murrend in den Keller.
Sie aber gehn vereinzelt, stumm
Im Düstern wie Gespenster um,
Hohläugig, ohne Gruß und Nicken.
Sie messen sich mit strengen Blicken,
Und jeder zieht ein schief Gesicht:
Da geht auch so ein Sündenwicht!
Der ist an Leib und Seele krank. –
Wo zwei sich treffen, gibt es Zank:
Du hast ja schön galanisiert. –
Du hast dich auch nicht lang geziert. –
So frech wie du gehub sich keiner. –
Dein Kuttenzipfel sprang wie meiner. –
Ein arglos Herz ist bald verführt. –
Ja, wo es brennt, ist leicht geschürt. –
Ein dritter stand dem ersten bei;
Ein vierter rief: O Gleißnerei!
Euch ziemt es, andre anzuklagen,
Statt an die eigne Brust zu schlagen. –
Ein Junger drängt sich durch die Reihn:
Ja, Memmen seid ihr insgemein!
Die Schüler wären gern geblieben;
Doch euer Schrein hat sie vertrieben. –
Hu, werft das Teufelskind hinaus!
Es zieht den Blitz in unser Haus. –
Die Jungen riefen: Er hat recht! –
Und scharten sich wie zum Gefecht.
So standen sie mit grimmem Drohn,
Die einen voller Trotz und Hohn
Die Arme auf der Brust verschränkend,
Die andern wild die Fäuste schwenkend.
Indes auf einer Kellerstufe
Saß Bruder Rausch in einer Kufe;
Er lachte still in sich hinein
Und schnitzte Stecken groß und klein.
Ein junges Mönchlein trat ihm nah
Und frug erstaunt: Was treibst du da? –
Man sorgt bei Zeiten für die Not.
Langt zu! Sie stehn Euch zu Gebot. –
Gib her, sprach jener, du bist klug.
Laß fühlen, hat er Saft genug,
Um alte Heuchler durchzulaugen? –
Der Kleine zwinkert mit den Augen.
Der Milchbart lacht: Hab Dank, Gesell! –
Und birgt den Stock im Aermel schnell.
Drauf kam ein Alter zuzusehn:
Was schaffst du, Schalksknecht, und für wen?
Für mich; mir wird der Tag so lang.
Ein Weiser flieht den Müßiggang;
Denn der, Ihr wißt es, frommer Pater,
Ist aller andern Laster Vater. –
Der Griesgram schaut sich mit Gebrumm
Nach einem derben Knittel um.
Er wiegt ihn boshaft in der Faust
Und läßt ihn schwingen, daß es saust:
Ein Wedel, handfest und gediegen!
Hilft gegen freche junge Fliegen. –
Er nahm ihn ohne Dankeswort
Und trug ihn in der Kutte fort.
So sah man einen nach dem andere
Bewehrt in seine Zelle wandern.
Und in der Nacht im Klostergang,
Sie kamen just vom Mettensang,
Drängt fehdelustig Schar an Schar.
Auf Hunibald stieß Winimar
Und zeigte schimpflich ihm die Zunge.
Der holte aus mit weitem Schwunge
Und schlug ihm einen Backenstreich.
Doch er, aufspringend panthergleich,
Warf ihm den Leuchter ins Gesicht;
Zerknickt am Grund erlosch das Licht, –
Und jählings klatscht ein Regen
Von hageldichten Schlägen.
Was hier Unsterbliches geschehn,
Kein Menschenauge hat's gesehn.
Man preist mit prächtgem Liederschalle
Den Nachtkampf in der Hunnen Halle.
Dort aber war es hell vom Brand;
Da sah man doch, wer fiel und stand.
Hier diese sangeswerte Schlacht
Deckt finstres Graun der Mitternacht.
Dort war doch Freund und Feind geschieden;
Hier gab kein Freund dem Freunde Frieden:
Wahllos wie Blitz und Liebe,
So fielen hier die Hiebe.
Lang wütet der gespenstge Kampf
Mit Schnauben, Quieken und Gestampf,
Des blinden Prügelns Raserei.
Auf jeden Schlag erscholl ein Schrei,
Auf jeden Schrei ein stärkrer Schlag,
Davon ein Held am Boden lag.
So stillte mählich sich das Toben:
Da plötzlich kam ein Licht von oben.
Sie schauten an der Wand hinauf;
Dort saß auf einem Säulenknauf
Der Bruder Rausch bei Fackelschein.
Er sah vergnügt und höhnisch drein,
Und, sich verneigend, grüßt er sie
Mit Salbung: Pax huic domui! –
Da stöhnten die gefallnen Recken,
Die wie ein Haufen brauner Schnecken
Blutrünstig, mit zerbleuten Knochen,
Voll Wehmut durcheinander krochen.
Da war nicht eine Glatze heil:
Sie rieben sich manch edlen Teil
Und prüften unter Heulen
Die Striemen und die Beulen:
Der Unhold lacht ob unsrer Not!
O weh, wie freut ihn unser Tod! –
Ja wohl! rief Hunibald mit Flennen,
Wollt ihr ihn endlich nun erkennen?
Der uns verführt, der uns verhetzt,
Wie grinst und triumphiert er jetzt!
Das ist kein Christ, wie wir gemeint:
Das ist ein heidnisch böser Feind! –
Sie rafften hinkend sich empor
Und riefen schmerzvereint im Chor:
Verbleibt er hier im Orden,
Er wird uns alle morden.
Heran! Wer kann das ABC?
Lest ihm das Exorciso te! –
Sie lasen's ihm mit viel Geschrei;
Sie schleppten Weihgeschirr herbei,
Psalmierten ohne Rast und Ruh:
Er saß und hielt das Licht dazu.
Da riefen sie: Den Teufel auch!
Das ist ja gegen Recht und Brauch.
Mann, wenn wir dich beschwören,
So hast du drauf zu hören. –
Ich höre gerne. Lest nur fort!
Versteh' ich auch kein Sterbenswort. –
Sie sahn verdutzt einander an:
Er trotzt dem stärksten Höllenbann! –
Da kam in Schweiß und Schnaufen
Der Bruder Benz gelaufen
Mit einem schweren Kirchenschrein:
Nun gebet acht, ich heiz' ihm ein! –
Er ließ ihn in den Kasten sehn:
Kannst du dem Anblick widerstehn?
Jungfräulich heilige Gebeine!
Von den elftausend ist es eine. –
Er lachte: Laßt die Possen sein!
Ich kenne leider dies Gebein.
Ihr habt's mit andern schönen Gaben
Am Römerkreuzweg ausgegraben.
Das hier, ein tröstlicher Gewinn,
War eine welsche Tänzerin,
Die keines Werbers Herz gebrochen.
Mit diesen lockern Schenkelknochen
Ist wenig Heiliges geschehn,
Soweit wir Heiden dies verstehn.
Meint ihr so billig uns zu meistern?
Wie niedrig denkt ihr doch von Geistern! –
Da drängte Hunibald sich vor
Und hielt ein Kruzifix empor:
Nun wird es Ernst! Nun muß er weichen.
Erkennst du, Kobold, dieses Zeichen? –
Doch unerschüttert saß er da,
Indem er grollend niedersah:
Ich kenn' den todeswunden Mann,
Der uns das Leben abgewann.
Für euch ließ sich der Reine morden;
Doch besser seid ihr nicht geworden.
Einst diente als getreuer Held
Der Mann den lichten Herrn der Welt
Und sah im Stolz erfüllter Pflicht
Frei in der Götter Angesicht,
Stand für sich ein in That und Wort –
Ihr winselt Gnade fort und fort.
Das waren Männer unterm Helme:
Doch ihr seid weinerliche Schelme,
Glüht nach der Erde Lustgewimmel
Und seufzt verdrehten Blicks gen Himmel,
Im Heucheln groß nach Knechtesbrauch,
Und faule Knechte seid ihr auch:
Es reut noch euren heilgen Christ,
Daß er für euch gestorben ist! –
Auf diese Schelte keulenschwer
Verhaltne Schreie rings umher.
Doch jener rief: Wenn du ihn kennst,
Du wortscharf heidnisches Gespenst,
So weich' aus seinem Angesicht! –
Ich stehe nicht in seiner Pflicht.
Hier hab' ich Heim und Herrenschutz:
Hier bleib' ich eben euch zum Trutz. –
Sie standen ratlos, ohne Worte;
Da schellt es an der Klosterpforte.
Wohl kannten sie des Meisters Weise:
Der Guardian kehrt von seiner Reise.
Sie stürzen fort, ihn zu empfangen,
Mit fiebernd schamerglühten Wangen;
Sie rutschen knieend auf den Steinen
Mit Seufzen und mit lautem Weinen
Und beichten ihm mit Reueflehn,
Was Ungeheures hier geschehn.
Er stand umtost vom Jammerschalle
Und hob den Arm; da schwiegen alle. –
Wir sprechen uns. Jetzt aber geht
Und büßt mit Fasten und Gebet! –
Er winkt: Doch du, Geselle,
Komm mit in meine Zelle! – |