Heinrich Heine
Atta Troll
Heinrich Heine

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Kaput IV.

    Ronceval, du edles Thal!
Wenn ich deinen Namen höre,
Bebt und duftet mir im Herzen
Die verschollne blaue Blume!

    Glänzend steigt empor die Traumwelt,
Die jahrtausendlich versunken,
Und die großen Geisteraugen
Schaun mich an, dass ich erschrecke!

    Und es klirrt und tost! Es kämpfen
Saracen und Frankenritter;
Wie verzweifelnd, wie verblutend,
Klingen Roland's Waldhornrufe!

    In dem Thal von Ronceval,
Unfern von der Rolandsscharte –
So geheißen, weil der Held,
Um sich einen Weg zu bahnen,

    Mit dem guten Schwert Duranda
Also todesgrimmig einhieb
In die Felswand, dass die Spuren
Bis zu heut'gem Tage sichtbar –

    Dort in einer düstern Steinschlucht,
Die umwachsen von dem Buschwerk
Wilder Tannen, tief verborgen,
Liegt die Höhle Atta Troll's.

    Dort, im Schoße der Familie,
Ruht er aus von den Strapazen
Seiner Flucht und von der Mühsal
Seiner Völkerschau und Weltfahrt.

    Süßes Wiedersehn! Die Jungen
Fand er in der theuren Höhle,
Wo er sie gezeugt mit Mumma;
Söhne vier und Töchter zwei.

    Wohlgeleckte Bärenjungfraun,
Blond von Haar, wie Pred'gerstöchter;
Braun die Buben, nur der Jüngste
Mit dem einz'gen Ohr ist schwarz.

    Dieser Jüngste war das Herzblatt
Seiner Mutter, die ihm spielend
Abgebissen einst ein Ohr;
Und sie fraß es auf vor Liebe.

    Ist ein genialer Jüngling,
Für Gymnastik sehr begabt,
Und er schlägt die Purzelbäume
Wie der Turnkunstmeister Massmann.

    Blüthe autochthoner Bildung,
Liebt er nur die Muttersprache,
Lernte nimmer den Jargon
Des Hellenen und des Römlings.

    Frisch und frei und fromm und fröhlich,
Ist verhasst ihm alle Seife,
Luxus des modernen Waschens,
Wie dem Turnkunstmeister Massmann.

    Am genialsten ist der Jüngling,
Wenn er klettert auf dem Baume,
Der entlang der steilsten Felswand
Aus der tiefen Schlucht emporsteigt,

    Und hinaufragt bis zur Koppe,
Wo des Nachts die ganze Sippschaft
Sich versammelt um den Vater,
Kosend in der Abendkühle.

    Gern erzählt alsdann der Alte,
Was er in der Welt erlebte,
Wie er Menschen viel' und Städte
Einst gesehn, auch Viel erduldet,

    Gleich dem edlen Laertiaden,
Diesem nur darin unähnlich,
Dass die Gattin mit ihm reiste,
Seine schwarze Penelope.

    Auch erzählt dann Atta Troll
Von dem kolossalen Beifall,
Den er einst durch seine Tanzkunst
Eingeerntet bei den Menschen.

    Er versichert, Jung und Alt
Habe jubelnd ihn bewundert,
Wenn er tanzte auf den Märkten
Bei der Sackpfeif' süßen Tönen.

    Und die Damen ganz besonders,
Diese zarten Kennerinnen,
Hätten rasend applaudiert
Und ihm huldreich zugeäugelt.

    O, der Künstlereitelkeiten!
Schmunzelnd denkt der alte Tanzbär
An die Zeit, wo sein Talent
Vor dem Publico sich zeigte.

    Übermannt von Selbstbegeistrung,
Will er durch die That bekunden,
Dass er nicht ein armer Prahlhans,
Dass er wirklich groß als Tänzer –

    Und vom Boden springt er plötzlich,
Stellt sich auf die Hintertatzen,
Und wie ehmals tanzt er wieder
Seinen Leibtanz, die Gavotte.

    Stumm, mit aufgesperrten Schnauzen,
Schauen zu die Bärenjungen,
Wie der Vater hin und her springt
Wunderbar im Mondenscheine.



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