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Daß die Juden seit der Zerstörung Jerusalems, das heißt, seit mehr als 1700 Jahren, ohne Vaterland und ohne Bürgerrecht auf der ganzen Erde in der Zerstreuung leben; daß die meisten von ihnen, ohne selber etwas Nützliches zu arbeiten, sich von den arbeitenden Einwohnern eines Landes nähren; daß sie daher auch an vielen Orten als Fremdlinge verachtet, mißhandelt und verfolgt werden, ist Gott bekannt und leid. – Mancher sagt daher im Unverstand: Man sollte sie alle aus dem Lande jagen. Ein anderer sagt im Verstand: Man sollte arbeitsame und nützliche Menschen aus ihnen machen und sie alsdann behalten.
Den Anfang dazu hat der große Kaiser Napoleon gemacht. Merkwürdig für die Gegenwart und für die Zukunft ist dasjenige, was er wegen der Judenschaft in Frankreich verordnet und veranstaltet hat.
Schon in der Revolution bekamen alle Juden, die in Frankreich wohnten, das französische Bürgerrecht, und man sagte frischweg: Bürger Aaron, Bürger Levi, Bürger Rabbi, und gab sich brüderlich die Hand. Aber was will da herauskommen? Der christliche Bürger hat ein anderes Gesetz und Recht, so hat der jüdische Bürger auch ein anderes Gesetz und Recht und will nicht haben Gemeinschaft mit den Gojim. Aber zweierlei Gesetz und Willen in einer Bürgerschaft thut gut, wie ein brausender Strudel in einem Strom. Da will Wasser auf, da will Wasser ab, und eine Mühle, die darin steht, wird nicht viel Mehl mahlen.
Das sah der große Kaiser Napoleon wohl ein, und im Jahr 1806 ließ er schreiben an die ganze Judenschaft in Frankreich, daß sie ihm sollte schicken aus ihrer Mitte verständige und gelehrte Männer aus allen Departements des Kaisertums. Da war nun jedermann im großen Wunder, was da werden sollte, und der eine sagte das, der andere jenes, z. B. der Kaiser wolle die Juden wieder bringen in ihre alte Heimat am großen Berg Libanon, an dem Bach Aegypti und am Meer.
Als aber die Abgeordneten und Rabbiner aus allen Departementen, worin Juden wohnten, beisammen waren, ließ der Kaiser ihnen bald gewisse Fragen vorlegen, die sie sollten bewegen in ihrem Herzen und beantworten nach dem Gesetz, und es war daraus zu sehen, es sei die Rede nicht vom Fortschicken, sondern vom Dableiben und von einer festen Verbindung der Juden mit den anderen Bürgern in Frankreich. Denn alle diese Fragen gingen darauf hinaus, ob ein Jude das Land, worin er lebt, nach seinem Glauben könne ansehen und lieben als sein Vaterland, und die anderen Bürger desselben als seine Mitbürger, und die bürgerlichen Gesetze desselben halten.
Das war nun fast spitzig, und wie es anfänglich schien, war nicht gut sagen: Ja, und war nicht gut sagen: Nein.
Allein die Abgeordneten sagten, daß der Geist der göttlichen Weisheit erleuchtet habe ihre Gemüter, und sie erteilten eine Antwort, die war wohlgefällig in den Augen des Kaisers.
Darum formierte die jüdische Versammlung aus sich, zum unerhörten Wunder unserer Zeit, den großen Sanhedrin. Denn der große Sanhedrin ist nicht ein großer Jude zu Paris, wie der Riese Goliath, so aber ein Philister war, sondern – Sanhedrin, das wird verdolmetscht: eine Versammlung, und wurde vor alten, alten Zeiten also genannt der hohe Rat zu Jerusalem, der bestand aus 71 Ratsherren, die wurden für die verständigsten und weisesten Männer gehalten eines ganzen Volkes, und wie diese das Gesetz erklärten, so war es recht und mußte gelten in ganz Israel.
Einen solchen Rat setzten die Abgeordneten der Judenschaft wieder ein und sagten, es sei seit 1500 Jahren kein großer Sanhedrin gewesen, als dieser unter dem Schutz des erhabenen Kaisers Napoleon.
Dies ist der Inhalt der Gesetze, die der große Sanhedrin aussprach zu Paris im Jahr 5567 nach Erschaffung der Welt im Monat Adar desselbigen Jahres am 22. Tag des Monats:
1) Die jüdische Ehe soll bestehen aus einem Manne und einer Frau. Kein Israelite darf zu gleicher Zeit mehr haben als eine Frau.
2) Kein Rabbiner darf die Scheidung einer Ehe aussprechen, es sei denn, die weltliche Obrigkeit habe zuvor gesprochen, die Ehe sei nach dem bürgerlichen Gesetz aufgelöst.
3) Kein Rabbiner darf die Bestätigung einer Ehe aussprechen, es sei denn, daß die Verlobten von der weltlichen Obrigkeit einen Trauschein haben.
Aber ein Jude darf eine Christentochter heiraten, und ein Christ eine jüdische Tochter. Solches hat nichts zu sagen.
4) Denn der große Sanhedrin erkennt, die Christen und die Juden seien Brüder, weil sie einen Gott anbeten, der die Erde und den Himmel erschaffen hat, und befiehlt daher, der Israelite soll mit dem Franzosen und mit den Unterthanen jedes Landes, in welchem sie wohnen, so leben, als mit Brüdern und Mitbürgern, wenn sie denselben einigen Gott anerkennen und verehren.
5) Der Israelite soll die Gerechtigkeit und Liebe des Nächsten, wie sie befohlen ist im Gesetz Moses, ausüben, ebenso gegen die Christen, weil sie seine Brüder sind, als gegen seine eigenen Glaubensgenossen, in und außer Frankreich.
6) Der große Sanhedrin erkennt das Land, worin ein Israelite geboren und erzogen ist, oder wo er sich niedergelassen hat und den Schutz der Gesetze genießt, als sein Vaterland und befiehlt daher allen Israeliten in Frankreich, solches Land als ihr Vaterland anzusehen, ihm zu dienen, es zu verteidigen etc.
Der jüdische Soldat ist in solchem Stand von den Zeremonien frei, die damit nicht vereinbar sind.
7) Der große Sanhedrin befiehlt allen Israeliten, der Jugend Liebe zur Arbeit einzuflößen, sie zu nützlichen Künsten und Handwerken anzuhalten, und ermahnt sie, liegende Gründe anzukaufen und allen Beschäftigungen zu entsagen, wodurch sie in den Augen ihrer Mitbürger könnten verhaßt oder verächtlich werden.
8) Kein Israelite darf von dem Geld, welches ein israelitischer Hausvater in der Not von ihm geliehen hat, Zins nehmen. Es ist ein Werk der Liebe. Aber ein Kapital, das auf Gewinn in den Handel gesteckt wird, ist verzinsbar.
9) Das Nämliche gilt auch gegen die Mitbürger anderer Religionen. Aller Wucher ist gänzlich verboten, in und außer Frankreich, nicht nur gegen Glaubensgenossen und Mitbürger, sondern auch gegen Fremde.
Diese neun Artikel sind publiziert worden den 2. März 1807 und unterschrieben von dem Vorsteher des großen Sanhedrin, Rabbi Sinzheim von Straßburg, und anderen hohen Ratsherren.