Friedrich Hebbel
Genoveva
Friedrich Hebbel

 << zurück 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Nachspiel zu Genoveva

(1851)


Personen:

        Der Pfalzgraf Siegfried.
Genoveva.
Schmerzenreich.
Caspar.
Conrad.
Jäger.

Die Handlung ereignet sich im tiefen Walde.


(Tiefer Wald. Eine Höhle.)

Erste Szene.

Genoveva (tritt aus der Höhle).
Der strenge Winter ist vorbei, der Wald
Wird wieder grün, die Lüfte werden lau,
Die Blumen blühn, des Frühlings Macht ist groß.
So groß, daß ich sogar mich freuen muß!
Jetzt sind es sieben Jahr! Wie wunderbar
Ist doch der Mensch gemacht! In seinem Glück
Erträgt er nichts! Und alles in der Not!
Drei Elemente sind für ihn genug,
Er kommt mit Erde, Luft und Wasser aus,
Das Feuer braucht er schon nicht mehr, ich hab's
Hier nicht gehabt und leb' mit meinem Kind!
Ach! Und der arme Wurm! Wie freut er sich
Des Atemholens, denn was hat er sonst?
Wie sprang er heute immer ein und aus,
Und als ich fragte: warum tust du das?
Ei, rief er, drinnen werd' ich wieder kalt,
Dann tut der Sonnenschein mir doppelt wohl!
Jetzt sucht er Wurzeln, und hat neue Lust,
Denn leichter gibt die Erde sie heraus,
Auch findet sich wohl eine Beere schon!
        (Sie faltet die Hände.)
O Gott, ich danke dir für so viel Glück!
Und wenn du willst, daß auf der ganzen Welt
Auch nicht ein einziger mehr murren soll,
So zeige jeglichem im Traum dies Kind!

Zweite Szene.

Schmerzenreich (stürze atemlos herbei).
O Mutter, Mutter!

Genoveva.                   Fasse dich! Was ist's?

Man hört Jagdhörner in der Ferne.)

Schmerzenreich. Hör' doch! Hör' doch!

Genoveva.                                               O Gott!

Schmerzenreich.                                                    Das ist gewiß
Der Böse! Alle Tiere fürchten sich,
Die Vögel fliegen weg, denk' dir, ein Bär
Lief hart an mir vorbei, und noch ein Tier
Mit einem spitzen Horn, das wir im Wald
Noch niemals sahn! Wie zittern mir die Knie!
Halt' mich, ich fall' sonst um!

Genoveva (beugt sich auf ihn nieder). Mein Kind, du weißt,
Daß dich dein Vater schützt! Als Auerochs
Und Bär hier einmal kämpften, schriest du auch
Und meintest zu vergehen. Dennoch war's
Nur unsrer Kleider wegen, daß der Herr
Sie hergetrieben hatte! Jeder fand
Den Tod durch seinen Feind, dann ward das Fell
Des Ochsen deins, das Fell des Bären meins.
Wer weiß was heut geschieht, drum zag' nicht so,
Bete ein Vaterunser.

(Schmerzenreich betet still.)

Genoveva.                       Was ist das?
Jagdhörner! Hier?

Schmerzenreich.           Du liebe Mutter, sprich:
Wer ist mein Schuldiger? So lange schon
Versprech' ich im Gebet dem lieben Gott,
Daß ich ihm seine Schuld vergeben will!
Auch tät' ich's ganz gewiß von Herzen gern,
Allein, ich kenn' ihn nicht!

(Man hört die Jagdhörner ganz in der Nähe.)

Genoveva.                                 Schau hin! Schau hin!
Die arme Hirschkuh, deine Amme! Gott,
Wie blickt sie wild und scheu! Sie wird gejagt.
Hieher, du frommes Tier! Sie schlüpft hinein,
Nun komm auch du! Wenn ihr nur keiner folgt!

(Flüchtet mit Schmerzenreich in die Höhle.)

Dritte Szene.

Siegfried (tritt in Jagdkleidern auf).
Wo blieb die Hirschkuh?

Caspar (ihm folgend).               Fort, als hätte sich
Die Erde aufgetan –

Siegfried.                         Die Erde tut
Sich niemals auf! Nun, gleichviel, wo sie blieb!
Wenn's die nicht ist, wird's eine andre sein!

Caspar. Gleichviel? Nicht doch, nicht doch, hochedler Herr!
Spricht so ein Jäger? Für den Jäger gibt's
Nur ein Tier auf der Welt, das Tier nur gibt's,
Das er gerade jagt! Was kümmern ihn
Die übrigen, eh' das am Boden liegt!

Siegfried. Mein treuer Knecht, man zieht den grünen Rock
Wohl einmal wieder über, wenn ein Mensch,
Wie du, ihn alle Morgen bringt und fragt,
Ob man ihn nicht verlange, doch das Herz –
Das Herz läßt sich nicht zwingen, und ich weiß,
Warum ich aus dem Totenschädel nur
Mein bißchen Wein noch trinken mag! Ich hab'
Dir diesmal nachgegeben, wie ich's tat,
Als du mir, zur Erheitrung! auf mein Schloß
Die wilden Vettern ludest: nicht, weil ich
Dein Mittel gut fand, nur, weil ich dem Arzt
Beweisen wollte, daß mir nichts mehr hilft! –
Ich trag's, ich fluche nicht, was soll ich mehr?
Daß ich es fühle, dafür kann ich nichts.
Auch Christus hat am Kreuz sich nur gebeugt,
Wo liest man denn, daß er gelächelt hat!
Ach, wüßtest du, wie mir zumute ist,
So sagtest du: es ist ein Heldenstück,
Daß er noch ißt und trinkt! Es ist nicht bloß
Der Schmerz um sie – den hielt ich geheim,
Wie Pest und Aussatz, fänd' ich mich zu schwach,
Ihn zu ersticken – nein, mich plagt die Angst,
Ob ich ihr nicht zu viel getan, es blieb
Ja alles dunkel bis auf diesen Tag.
Caspar, ich hab' mich furchtbar übereilt!

Caspar Das ist gewiß!

Siegfried.                     Wer eine solche Tat
Befiehlt, der soll sie auch mit eigner Hand
Vollziehn, wem Gott die Kraft dazu versagt,
Dem zeigt er an, daß er den Spruch verwirft!
Ich schob sie auf den Golo. O, das hat
Sich fürchterlich an mir gerächt! Hätt' ich
Sie auf dem letzten Wege noch gesehn,
So wäre alles anders! Ihre Furcht,
Ihr Zittern, hätten meinen Mut erhöht,
Ihr Mut ein Zittern in mir selbst erweckt,
Und wie's auch immer kam, in meiner Brust
Wär' Friede! Jetzt – Ha! Jeder Tote ist
Ein Vampyr, ohne daß er's weiß, und saugt
Dem, der ihn liebt, das Herzblut aus, es steigt
Kein Schatten aus der dunklen Gruft herauf,
Der sich, bevor er sichtbar werden kann,
Mit diesem Rot nicht tränken muß! Und sie –
O meine Träume! Und bei Tage auch,
Ich hab' sie stets vor Augen! Kaum, daß sie
Zurückweicht, wenn die Welt um mich vergeht,
Wenn ich am Hochaltare steh' vor Gott,
Und wenn ich schaue in ein offnes Grab.
Sonst – Caspar, hab' Geduld, bald ist es aus!
Dann kannst du –

Caspar.                         Schlafen gehn, nicht wahr? – Ein Reh!

Siegfried. Wo nur der Golo bleibt! Ich hoffte stets,
Der sollte wiederkehren und von ihr
Noch manches mir erzählen, zwar zu viel
Für völliges Verzeihn, doch nicht genug
Für gänzliche Verdammung, so daß mir
Doch Aussicht bliebe für die Ewigkeit!

Caspar. Auf Golo wartet nicht!

Siegfried.                                     Du meinst, er ist
Verunglückt?

Caspar.                 O, gewiß, der lebt nicht mehr!

Siegfried. Wohl ihm!

Caspar.                       Ich habe nichts dagegen!

Siegfried.                                                             Wie?

Caspar. Ich wünsch' ihm Glück zum jüngsten Tag! Der scheint
Nicht fern zu sein!

Siegfried.                       Wie meinst du das?

Caspar.                                                           Ei was:
Wenn sich die Hexen selbst verbrennen, muß
Er vor der Tür stehn, und das alte Weib
Von gestern hat sich selbst verbrannt!

Siegfried.                                                     Das wär'
Ein grauses Zeichen!

Caspar.                             Als ihr's nicht gelang,
Zu Euch zu dringen – Ich stieß sie zurück,
So sehr sie flehte –

Siegfried.                         Schickte ich ihr nicht
Genug heraus?

Caspar.                   Gewiß! Nur kam sie nicht
Um eine Münze, noch um Brot und Wein,
Sie kam um Pech und Schwefel, Hanf und Werg!
Und als man ihr das weigerte – ich nicht,
Ich hätt' ihr dies Almosen gern gereicht
Und einen Wachsstock obendrein, denn mir
War sie von früher her bekannt – da lief
Sie in den Wald und sammelte, was sich
An Reisig fand, dann türmte sie daraus
Sich einen Scheiterhaufen, kroch hinein,
Schlug Feuer mit zwei Kieseln, zündete
Die dürren Blätter an, und alles das
Mit einer Hast und Eil', als müßte sie
Auf die Sekunde damit fertig sein!

Siegfried. Und wehrte niemand ihr?

Caspar.                                             Nein! Nicht einmal
Die Regenwolken, welche dick und schwarz
Am Himmel hingen. Keine ließ auch nur
Den kleinsten Tropfen fallen, später kam
Ein Wolkenbruch! – Hochedler Herr, sie sang
Ein andres Lied, als jene Heiligen,
Die Gott im glühn'den Ofen prüfen ließ!
Sie fluchte freilich nicht, sie beichtete,
Und das mit Ernst, denn mitten in der Glut
Der Flammen klapperten die Zähne ihr
Vor innerm Frost in ihrer Seelenpein.
Doch was zum Vorschein kam, war solcher Art,
Daß ich beim dritten Wort die Gaffer schon
Von hinnen trieb. Da aber rief sie aus:
Du jagst die Menschen fort? Das hilft dir nichts,
Die Vögel hören mich und jeder fängt
Zu sprechen an, wenn er –
        (Er unterbricht sich.)
                                          Was such' ich's noch
Zurückzuhalten? Sie hat recht, ich fühl's:
Die Amseln plappern's aus, wenn ich's nicht tu';
Es geht nicht mehr! Auch hab' ich eine Angst,
Die gar nicht weicht! –
        (Er fährt fort.)
                                      Wenn er den Grafen sieht!

Siegfried. Caspar!

Caspar.                   Ja, Herr! Mich selbst belud sie dann
Mit einem Morde – leichte Last, nicht wahr,
Für meine siebzig Jahre? – den ich einst,
Von ihr verhetzt, an einem frommen Knecht
Begangen habe!

Siegfried.                   Ha!

Caspar.                               Was Euch betrifft,
Euch bitt' ich: wenn Ihr Euer Ehgemahl
Im Himmel antrefft, Gott zur rechten Hand,
So denkt nicht, daß der ew'ge Freudensaal
Auch Ehebrecherinnen offen steht! –
Nun vorwärts! Kommt! Die Tiere höhnen uns,
Schaut hin!

Siegfried.           Ein Wort! War dieses Weib einmal
In Straßburg?

Caspar.                   Fragt nicht mehr!

Siegfried.                                             Allmächt'ger Gott!
Du sagst nicht Nein?

Caspar.                             War da die Hirschkuh nicht? –
        (Er schreitet auf die Höhle zu.)
Ich glaubte, ihren scheck'gen Hals zu sehn!
Nun ist sie wieder weg!

Siegfried (folgt ihm).               Du läufst vor mir!

Caspar. Was das wohl ist?
        (Er entdeckt die Höhle.)
                                    Eine Höhle! Nun, da wär'
Das Wunder ja erklärt!

Siegfried.                               Sprich, Caspar, sprich!
Tod oder Leben? Rasch!

Caspar.                                     Nun, wenn ich muß,
So wißt: der Teufel trieb sein Spiel mit Euch,
Ihr hieltet Weiß für Schwarz und Schwarz für Weiß!

Siegfried. Doch Golo!

Caspar.                         Hab' ich's Euch nicht schon gesagt?
Ihr hieltet Schwarz für Weiß! Denn der war schwarz.

Siegfried. Golo? (Er hält sich an einem Baum.)

Caspar.                 Hat Euch getäuscht!

Siegfried.                                               Versteh' ich dich?
Er – er –

Caspar.           So ist's! Er war zu jung, und sie –

Siegfried. Dann – (Er tritt vom Baum weg.)
                      Nieder! (Er führt mit geballter Hand einen Schlag.)
                                    Caspar, hör' wo er auch sei,
Im Arm der Liebe, in der Freunde Kreis,
Den Becher in der Hand, ja am Altar,
Jetzt fällt er um und steht nicht wieder auf!

Caspar. Das tut er nicht! Es ist dafür gesorgt!

Siegfried. O Genoveva! Genoveva!

Caspar. (entfernt sich mit Entsetzen von der Höhle). Herr,
Ein Ach kam aus dem Berg, ein Klageton,
Hier führt's zur Höll' hinab!

Siegfried.                                     O loderten
Die Flammen mir entgegen!
        (Er will in die Höhle hinein, stürzt aber gleich wieder heraus.)
                                            Heil'ger Gott!

Caspar (bekreuzigt sich). Alle guten Geister –

Vierte Szene.

Genoveva (erscheint am Eingang).                       Loben Gott den Herrn!
Ich bin kein Geist!

Schmerzenreich (ohne sichtbar zu werden).
                                Mutter, Mutter, geh nicht hinaus!

Caspar. Eine Mutter ist's! Ein Weib! Ein armes Weib!
        (Tritt näher.)
In dieser Wüstenei!

Siegfried.                         Ein Weib? So muß
Ich vor ihr knien, damit sie mir den Kopf
Zertreten kann!

Genoveva.               Mein Siegfried, sagt
Dein Herz dir nichts? Dein Auge kann dir wohl
Nichts sagen, doch dein Herz –
        (Mit ausgebreiteten Armen ihm entgegen.)
                                                    Ich bin es ja!

Siegfried (abwehrend).
Nein! Nein! Und hätt' ich schon Aeonen lang
Im Schwefelpfuhl gebüßt, was ich verbrach,
Noch immer sagt' ich: Nein!

Genoveva.                                   So willst du mich
Nicht halten? Siehst du nicht? Ich fall' ja um!
        (Sie umschließt ihn.)
So halt mich doch! – Du Armer hast wohl nicht
Geküßt, seit wir geschieden sind! Das ist
Gar lange Zeit! Dein Weib hat viel geküßt!
Komm, Schmerzenreich! Jetzt teilen wir! Doch nimm
Den letzten Kuß, den ich mir nahm, zurück!
        (Sie küßt ihn.)
O, es wird Ernst! (Sie taumelt.) halt mich!

Schmerzenreich (der schüchtern gekommen ist). Die Mutter stirbt,
Ach Gott! ich kenn's! Schon einmal war sie so!

Genoveva (sich wieder erholend).
Und starb ich da? Vater, dein Sohn!

Siegfried.                                                   Zu viel!
Zu viel! (Er tritt zurück.) Ich nehm' nichts an!

Genoveva.                                                             Du willst dein Kind
Nicht küssen? Sieben Jahre wartet's schon
Und noch versagst du's ihm?

Siegfried.                                     Recht! Töte mich!

Genoveva. Ei, Schmerzenreich, so nimm dir mit Gewalt,
Was dir gehört! Du kannst ja klettern! Auf,
Und küsse deinen Vater!

(Schmerzenreich verbirgt sich hinter Genoveva.)

Siegfried.                               Holdes Kind, du säumst?
Du fragst, wofür du ihn denn küssen sollst?
Ei, sieh auf dein Gewand, dann weißt du das!
Wer in ein Fell dich kleidete, wer dir
Ein Loch zur Wohnung anwies, und den Tisch
Dir, wie dem Bären deckte, der verdient's!

Genoveva. Nicht so, mein Siegfried! Danke Gott mit mir,
Daß er uns dir erhielt! Wir haben schlecht
Gelebt, wir haben aber doch gelebt,
Und wissen jetzt, warum! Dein Kind hat nie
Erfahren, daß es weichre Betten gibt,
Als die von dürrem Laub, von Gras und Moos,
Und süßre Speise, als die Wurzelkost,
Nun kann es das ja lernen!

Siegfried (reicht Caspar die Armbrust). Caspar, nimm!
Dann blas dein Horn!

Genoveva.                         Was sinnst du, mein Gemahl?

Siegfried. Ich muß doch wissen, wie es tut, wenn man
Allein in öder Wildnis haust, und nichts,
Als seine beiden Hände hat, ich will
Es selbst versuchen! (Zu Caspar.) Blase, daß man's hört!

Caspar (bläst, ihm wird aus der Ferne geantwortet).

Siegfried. Es ist der Rechnung wegen! Heilige,
Du kehrst ins Schloß zurück, ich bleibe hier!
Zwar heißt das nicht gar viel! Ich bin ein Mann,
Kein Weib und auch kein Kind! Doch wird der Mann
Ja einst zum Greis, und ich, ich werde jetzt,
Wir fühl ich's! nach der Stundenglocke alt!

Genoveva. Halt ein, halt ein!

Siegfried.                                 Ha, glaubt du daß ich kann?

Caspar (wirft die Armbrust beiseite).
Herr, Herr, nehmt Euren Sohn, das übrige
Stellt Gott anheim! Ei, meine Faust ist rot,
Und doch hoff' ich auf Gnade! Finster war's,
Der Teufel hatt' sich quer vors Licht gestellt
Und hetzte uns, da stachen wir drauf los
Und trafen unsre Freunde! – Edle Frau,
Ich – (Er bricht in ein konvulsivisches Lachen aus.)
        Ja! Ich lache, wenn ich weinen will –
Verfluchte Art! – Je nun, Ihr seht's ja wohl,
Wie weh mir's tut, Euch so – – Doch, glaubt mir das,
Auch Er – auch Er – Schaut ihn nur einmal an:
Ist dieses noch der Mann, der von Euch schied?
        (Zu Siegfried.)
Ihr habt's verdient, nun nehmt, was Gott Euch beut!
        (Er bringt ihm Schmerzenreich.)
Rasch, rasch, sonst komm' ich Euch zuvor!

Siegfried (preßt Schmerzenreich in die Arme).         Mein Kind!

Genoveva. Ich habe viel gelitten, es ist wahr,
Doch dieser Augenblick macht alles gut!
Ich nehme dir die Schmerzen ab um mich,
Du mir die Angst, die Qualen um mein Kind:
Nur Gott weiß, wer am meisten tat!

Siegfried.                                                 Mein Weib,
Mein armes, blasses Weib, könnt' ich das Blut
Aus meinen Adern in die deinen nur
Hinübergießen! Dann –

Genoveva.                             Dann stürb' ich ja
In dir, und hätte nicht das Sterben bloß,
Nein, auch das Weinen! Nicht doch, teurer Freund,
Die letzte Arbeit teilen wir! Die ist
Zu schwer für einen!

Siegfried.                         O, nicht mehr! Nicht mehr!
Ich peitschte einen Engel, er enthüllt
Sich mir und ahnt nicht, daß er mich dadurch,
Wenn er nicht einhält, töten muß! – Und die
Wollt' er ermorden! (Ausbrechend.) Golo!

Caspar.                                                             Fluch ihm nicht,
Denn er hat mir geflucht, weil ich ihn nicht
Erst marterte, bevor ich ihn durchstach!
Ein andermal von ihm, nur so viel jetzt:
Ermorden wollte er sie nicht! Ich hab'
Noch einen Brief für Euch von ihm!

Genoveva.                                               Ihm sei
Die Erde leicht und leicht auch das Gericht!

Siegfried. Amen! Und klammerte das Wort sich auch
Mit Krallen in der Kehle fest, es soll
Heraus! Noch einmal! Amen! Wer bin ich,
Daß ich ihm die Vergebung weigern will!
        (Er faltet die Hände.)
Ja, Herr, vergib mir meine Schuld, wie ich –
Nein, nein!

Genoveva (betet fort). – Vergebe meinem Schuldiger!
Nicht wahr, mein Siegfried? O gewiß, du kannst
Das Vaterunser beten! Nicht?

Siegfried.                                       Es ist
Das schwerste Stück auf dieser Welt! – Doch sei's!
        (Faltet die Hände.)
Wie ich dem Golo! Ja! – Nun hab' ich Mut,
Dich und mein Kind zu küssen!
        (Er tut's.)

Caspar (ruft).                                     Auf, herbei!

(Er stößt in's Horn, ihm wird aus der Nähe geantwortet.)

Siegfried. Ich hoff' sogar, daß du mir bleiben wirst!

Genoveva. Dein Kind bleibt dir gewiß!

Siegfried.                                               Was sagst du da?

Genoveva. Wozu uns quälen! Heute will der Herr
Uns lächeln sehn, denn unsre Lust
Ist seine!

Siegfried.         Mach' er's denn, wie's ihm gefällt!

Fünfte Szene.

Conrad (tritt mit vielen Jägern auf, sie blasen die Hörner).
Habt Ihr die Hirschkuh? – Ha!

Caspar.                                             Die Knie gebeugt!
Die Toten stehen auf! Die edle Frau
Ist wieder da, schaut hin! Und auch das Kind!

Conrad. Sie lebe hoch in alle Ewigkeit!

Caspar. Nun zäumt ein Roß für sie!

(Conrad mit ein paar Knechten ab.)

Siegfried.                                           Recht, Caspar, recht!
        (zu Genoveva.)
Nicht wahr, an sieben Jahren war's genug?
Nun fangen sieben andre Jahre an!
Die sind das Wenigste! – Du wankst?

Genoveva.                                                 Nein, nein!
Ich bitt' nur noch um einen Augenblick,
Und den allein!

(Siegfried entfernt sich rasch mit den übrigen.)

Genoveva (betend).     Nur sieben Tage noch!
Ein Mensch ist nicht so stark, wie ich gedacht,
Nur die, dann winke, Herr!

Siegfried (erscheint).

Genoveva (ihm entgegen).           Ich bin bereit!

(Trompeten.)


 << zurück