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Venedig. Gewaltiger Saal in einem der dortigen Palazzi. Im Hintergrund offene Türen nach einem breiten Balkon über dem Canal Grande.
In der Mitte des Raumes ein hölzernes, turniermäßig ausgerüstetes Pferd, auf dem Ulrich von Lichtenstein reitet. Er ist, bis auf eine Art Badehose und einen zurückgeschlagenen Turnierhelm mit riesigen Straußenfedern, ganz nackt. An der Rückwand steht ein völlig turniermäßiger Herold mit einer Trompete.
Sechs schöne Knappen an der Wand rechts.
Links in der Reihe: der Schneider, der Harnischmacher, der Speeredrechsler, der Tuchmacher, der Koch.
Der Marschalk, prunkhaft gekleidet, den Marschallstab in der Hand, steht vorn.
Ulrich
Nun, zum Teufel denn, beginnt,
her den Speer mir mit den Schellen!
Bin ich gleich ein Sonntagskind,
bringt ein Sprung von dreißig Ellen
mir den Tod doch auf der Stelle.
Noch so scharf und gut gezäumt,
Hölle, wenn die Stute bäumt,
diese tolle Isabelle,
ist bisher in großem Bogen
jeder noch davongeflogen
– als ein Vögelchen kiwitt –,
der den argen Schinder ritt.
Weicha weich, gebt Raum, gebt Raum!
Wie sie knirscht, wie tropft der Schaum.
Jungens, fort, laßt los den Zaum!
Denn mich hungert wie nach Liebe
nach dem ersten Stoß und Hiebe.
Marschalk
Einen Augenblick, Erlaucht:
das Verbandzeug ist verbraucht.
Haltet ein im Blutvergießen!
Wollt Ihr weiter Fliegen spießen,
laßt dem Samariter Zeit.
Ulrich
Guter Marschalk, sei gescheit.
Bleib' ich nicht in einer Hitze,
rutsch' ich selber aus dem Sitze.
Jeder Augenblick ist teuer,
der versäumt wird. Vorwärts, Kroyer!
Ein Kroyer
läuft um das Holzpferd herum, schwingt ein Turnierfähnchen und ruft
Seid freudevoll, ihr hohen Herrn,
herzugereist von nah und fern,
legt an die Rüstung, greift den Speer!
Im Maien blitzet Zier und Wehr.
Gedenket der Frau Minne,
der edlen Königinne.
Verlaßt das seidne Purpurzelt
und reitet funkelnd in das Feld
mit wehenden Standarten!
Zum Ruhme süßer Frauen
zu stechen und zu hauen,
wo ihre Boten warten
und vom Balkone schauen.
Inzwischen ist Ulrich eine lange Turnierlanze, ganz mit kugligen Narrenschellen besetzt, gereicht worden.
Ulrich
Herold, laß es nun gewittern!
Laß es blitzen, laß es schmettern,
von Trompetenwettern wettern,
heißa, daß die Schranken zittern!
Der Herold stößt in die Trompete und spielt den Turnieranfang.
Krach! das traf, Herr Leidegast.
Wacker in den Sand gefaßt!
Ruhig mögt Ihr unten liegen,
weil hier weiter Späne fliegen.
Höhntet Ihr nicht meine Schellen?
Nun, Ihr hört sie schrecklich gellen,
von den Schellen hingestreckt.
Wißt: Frau Venus ist mein Name.
Kniet und huldigt meiner Dame,
oder aber, Hund, verreckt!
Blaset ab nun das Turnier!
Trompetensignal des Herolds.
Habe Dank, mein braves Tier.
Er klopft das Holzpferd
Sagt, wo je ein beßres war:
nicht Buzephal, nicht Bayard.
Die Knappen heben Ulrich, der sich steif stellt wie ein Geharnischter, mit vieler Mühe aus dem Sattel. Sie machen genau alle Bewegungen, als ob sie ihm Helm und Harnisch ablösten, und legen ihn dann auf ein Ruhebett.
Freilich ist Puneis und Tjost
eines Ritters wahre Kost.
Doch sein Magen fordert noch
jezuweilen einen Koch.
Kellner, her mit dem Pokale,
und du, Koch, sieh nach dem Mahle!
Einem Weib gleich, selig matt
bin ich, das geboren hat.
Ulrich wird von einem Bader massiert. Der Arzt Manasse tritt an sein Lager.
Manasse
Kräftig ist durchaus der Puls.
Trotzdem nehmet diese Pille.
Im Betrachte Eures Stuhls
sag' ich offen: viel zu stille
liegt, Erlaucht, mir Euer Darm.
Ulrich
Gott im Himmel, ist mir warm!
Lieber Arzt: du kannst befehlen
meinem Leib – nicht meiner Seelen.
Diese steht auf Adlers Flügeln
in der ersten Morgenhelle
überm herrlichsten Kastelle,
das aus waldbedeckten Hügeln
seine goldnen Zinnen zückt.
Sag' ich dir, wer drinnen wohnet,
wärst du zehnmal so beglückt,
tausendmal so hoch belohnet,
wie wenn Krösus dich beschenkte,
ja dich ganz in Gold ertränkte.
Her die Pille, her den Wein!
Möcht' es eine Perle sein!
Möcht' es sein die einz'ge Eine,
die ich minne, die ich meine,
die auf des Pokales Grunde,
meinem Lebensgrunde, blinkt!
Seht: die arme Pille sinkt.
Pille? Perle? Perle? Pille?
fragt mein Durst, indes er trinkt.
Und ich minne mit dem Munde,
trinke küssend, küsse trinkend,
mit der Flut zur Tiefe sinkend,
bis ich meine Perle fühle –
meine Pille meinetwegen.
Auch die Pille wird zum Segen
durch den Fortgang meiner Stühle.
Manasse
Euer Puls ist nun nicht mehr
ganz so ruhig wie vorher.
Wenn ich jetzt, wie's Euch erscheint,
einzig Euren Leib betreute,
sagt' ich wohl: genug für heute!
Doch so ist es nicht gemeint.
Nein: ich bin ein Arzt der Seele.
Lernet mich als solchen kennen,
wenn ich Euch vielmehr befehle,
weiter lichterloh zu brennen.
Denn Ihr seid ein Kind der Sonne,
die Ihr ja so zärtlich liebt.
Was allein Euch Leben gibt,
ist der Mutterküsse Wonne.
Sättigt Euch an Sonnenlippen,
gleicht dem Weisen von Kyrene,
Eurem Bruder Aristippen.
Stark ist nur, wer Kraft verschwendet!
Fürchte keiner die Sirene,
der in Wollust gern verendet.
Lust allein kann Leben geben,
ja, nur Lust allein ist Leben!
Ulrich
Lügner, Heide, Satan! Nein,
meine Frau ist engelrein,
rein und hochgebenedeiet
wie die Gottesmutter-Magd.
Jeder ist dem Tod geweihet,
der zu widersprechen wagt.
Ach, was red' ich? Widersprechen!
Der verborgenste Gedanke,
der unrein der Süßen naht,
sei gefordert in die Schranke:
Hals und Beine muß er brechen,
wer ihn auch geheget hat.
Er springt auf
Nun, der Notdurft eine Gasse!
Eure Pille wirkt, Manasse.
Er wird hinter eine spanische Wand geführt. Nachdem er verschwunden ist, setzt auf Wink des Marschalks die kleine bereitstehende Kapelle mit Spielen ein.
Manasse horcht an der spanischen Wand, gibt alsdann der Musik das Zeichen, zu schweigen.
Manasse
Mit Verlaub, Erlaucht, wie geht's?
Ulrich
O wie immer, ganz vorzüglich.
Süß herauf vom Wasser weht's,
und die Aussicht ist vergnüglich.
Welche bunten Farbenspiele
in den flutend grünen Straßen!
So viel Glanz – wer soll ihn fassen
in der Stadt des Kampanile,
in der Stadt des Bucentaur,
in der selig meervermählten?
Was erzählen Mohr und Giaur
von des Orientes Prächten
immer auch, – ich will verfechten
diesen Satz: es kann auf Erden
niemand ganz glückselig werden,
der die Krone aller Städte,
ruhend auf dem Wogenbette,
nicht erblickt. – Gott sei ihm gnädig:
und er zeige ihm Venedig!
Ulrich erscheint wieder.
Meinen Schreiber!
Der Schreiber mit Schreibgerät tritt vor.
Guter, gleich
schreibe nieder diesen Leich. –
Kaum, daß ich die Pille nahm,
war die Weise fix und fertig,
und sie blieb mir gegenwärtig,
während ich zu Stuhle kam. –
Nun, auf daß sie ewig bleibe,
unvergänglich, Schreiber, schreibe!
Ach ihr guten, alle meine lieben Leute!
Wie bin ich plötzlich so viel heißen Schmerzes Beute.
Ich wollte viele holde Reime sprechen,
allein, statt dessen will mein Herze brechen.
Ich sperre mich, ich knirsche mit den Zähnen.
Allein, nicht halt' ich auf den Strom von Tränen.
Ich sollte wohl mich schämen, so zu flennen!
Doch nein, ein jeder soll mein Elend kennen.
Je tiefer dieses ist, so viel erhaben
sind jene Reize, die's verursacht haben.
Je offener es ist, je offner strahlet
der Ruhm, an den Tribut mein Elend zahlet.
Ja, endlich, wenn sich Scham in Stolz verdichtet,
wie ihn ein Kaiser sel'ger nie geschmeckt,
erst dann ist jenes Gnadenbild errichtet,
nach dem der Beter beide Arme streckt.
Verzeih mir, Gottesmutter, reine Magd,
dem Bettler, der zu dir gen Himmel schreiet,
daß, von Verlangen fürchterlich geplagt,
daß du sogar ihm scheinst gebenedeiet,
sofern du prangst in meiner Frauen Bild,
die mehr als Himmel mir und Erde gilt.
Schreiber
Untertänigst bitt' ich, seid
gut, Herr Ulrich, gebt mir Zeit!
Denn ich kam so schnell nicht nach.
Ulrich
Schriebst du nieder, was ich sprach?
Welcher Unsinn! Meine Brust
mußte einmal Luft sich machen.
Es geschah fast unbewußt.
Mann, dein Irrtum ist zum Lachen.
Welchen Krimskrams schriebst du da?
Schreiber
Einen Leich, soviel ich sah.
Ulrich
Gut, so dichten nächstens Schafe.
Lies das Zeugs dir vor, zur Strafe!
Schreiber
liest
»Ach ihr guten, alle meine lieben Leute!
Wie bin ich plötzlich so viel heißen Schmerzes Beute.
Ich wollte viele holde Reime sprechen,
allein, statt dessen will mein Herze brechen ...
Verzeih mir, Gottesmutter, reine Magd,
dem Bettler, der zu dir gen Himmel schreiet,
daß, von Verlangen fürchterlich geplagt,
daß du sogar ihm scheinst gebenedeiet,
sofern du prangst in meiner Frauen Bild,
die mehr als Himmel mir und Erde gilt.«
Ulrich
springt mit einem Satz wieder auf das Pferd und nimmt dort Tjost-Stellung ein
Weicha weich, der Leich ist gut!
Kochen macht er neu das Blut.
Wer bestreitet, was er spricht,
reite mir vors Angesicht,
daß ich in die Knie ihn werfe
und ihm ins Gedächtnis schärfe,
wer die Schönste nächst Marien
sei auf weiter Gottesrunde.
Und ich will aus seinem Munde
zehnmal das Bekenntnis ziehen,
daß auf Erden niemand gleiche,
so an Wert und Tugendreiche
als an Schönheit, meiner Frauen.
Ach, was ist mir nun Venedig,
was des Löwen Schwanz und Klauen!
Mag er Wundergärten bauen,
mögen noch so selig blauen
seine glanzbewegten Auen:
dieses Zaubers bin ich ledig
im Erinnern meiner Dame.
Genoveva sei ihr Name!
Kammerlakai
Herr, in diesem Augenblick
landet unten eine Gondel.
Euer Bote kehrt zurück,
der Gesänge Meister, Blondel.
Ulrich
Aus für heute sei's Turnier!
Reiten wir in das Quartier!
Es entfallen meinen Händen
wie durch Zauberei die Zügel,
und der Fuß rutscht aus dem Bügel.
Ach, wie wird die Stunde enden,
die mir ihre Botschaft bringt?
In dem Lied, das Blondel singt
und das mir gebührt zu hören,
ob davon mein Herz zerspringt,
hab' ich dankbar zu verehren
meiner Dame Urteilsspruch –
bring' er Segen, bring' er Fluch.
Und wenn sie den Tod mir schickt:
dankbar küss' ich das Verdikt.
Blondel tritt ein, die Gitarre im Arm; läßt sich auf ein Knie nieder.
Rede, singe, braver Bote!
Blondel
So gefall' Euch meine Note!
Eure Herrin traf ich wohl
an im Lande von Tirol,
wo sie hofhält in der Stille.
Eure Nichte sprach ich da
insgeheim, wie Euer Wille.
Sie erschrak, als sie mich sah.
»Laßt Euch«, riet sie, »nur nichts spüren
von dem Dienst, den Ihr verseht,
weil hier hinter allen Türen
immer wach der Horcher steht.
Und der hohen Herrin Gunst
würdet Ihr sofort verscherzen,
sprächet Ihr von Liebesschmerzen
meines Ohms und seiner Brunst.«
Ulrich
O unholde Nichte!
Blondel
Nun –
so belehrt –, was sollt' ich tun?
Lange hielt ich mich verborgen.
Doch an einem frischen Morgen
ließ ich frei durch Hof und Hallen
meiner Stimme Laut erschallen.
Bald dann spürt' ich, daß man lauschte.
Und so voll die Talfer rauschte,
herrlich ward sie überschmettert.
Ei, wie hoch bin ich geklettert
auf der süßen Töne Leiter!
Euch zum Ruhme tat ich das
weiter, weiter, immer weiter!
Jedes Auge wurde naß,
wie ich da, so laut und leise,
modulierte Eure Weise.
Als ich noch so brünstig girrte,
hört' ich, wie das Fenster klirrte
– ach, mein Innerstes erbebte –,
wo die Hohe saß und webte.
Noch zwei kurze Augenblicke,
und schon fand mich Eure Nichte:
»Wüßtest du es, wer mich schicke!«
sprach sie, Freude im Gesichte.
Und ich mußte mit ihr gehen.
Ich betrat die Kemenate,
um sogleich vor der zu stehen ...
Ulrich
Blondel
Oh, wie da der Puls mir hüpfte
und mir fast das Knie versagte
im Gedanken, was ich wagte,
vor dem Auge, das mir tagte!
Als ein Stammeln mir entschlüpfte
und ihr Blick mich heiter fragte,
überm Teppich, den sie knüpfte,
welche Angst mich etwa plagte,
mußt' ich mich ans Tischtuch krallen.
Beinah wär' ich umgefallen.
Und die Hehre nahm die Laute,
die sie zupfend sich beschaute,
fragte mich nach Stand und Namen,
lobte meine Kunst und Kehle.
Und ich sprach zu allem: Amen!
Gott befahl ich meine Seele.
»Gar sehr schön rollt Euer Triller«,
sagte sie, »sonor und glockig.«
Doch ich wurde immer stiller,
im Erinnern jetzt noch stock' ich.
Nicht zum zweiten Male, Ritter,
würdet Ihr bereit mich sehen,
diesen selben Weg zu gehen,
denn die Rückkehr ist zu bitter.
Und ihm bleibt nur Gram und Leiden,
der sie sah und muß sie meiden.
Ulrich
Dank! Du sagst mir, was ich wußte.
Nun den Kern! Dies war die Kruste.
Sage mir: wie sah die Hehre
aus, auf daß ich mich erquicke
schon am Schein, den ich erblicke,
und das Schattenbild verehre!
Blondel
singt zur Laute
Sie trug ein weiß Gewand, die Arme bloß,
die Hände lagen ihr im Schoß,
die Stirne, die war weiße,
der Mund war rot und heiße,
schwellend zersprungen wie eine Frucht.
Danach empfand ich wilde Sucht,
daß ich dran mochte hangen
und saugen, voll Verlangen.
Eb'resche hing im schwarzen Haar.
Oh, daß ich da kein Vogel war!
Ulrich
springt auf, schreitet hin und her
Mann, nun schweige, es ist Zeit,
denn dein Preislied geht zu weit!
Sei ein Vogel: solche Beeren
muß die Ehrfurcht dir verwehren.
Meine Ungeduld indessen
läßt sich nunmehr kaum bezwingen.
Aufgesessen, aufgesessen!
Denn was soll ein Leben taugen,
wenn nicht unter ihren Augen
Speere splittern, Speere springen?
Eines sollst du nur noch sagen:
darf ich ihre Farben tragen?
Welche Taten, ihr zum Preise,
muß ich tun, sie zu verdienen?
Blondel
Herr, es hat mir nicht geschienen,
daß ihr Sinnen dahin weise.
Ihre Freude scheint, zu weben
und im stillen hinzuleben.
Wie sich dies jedoch verhalte:
Ihr erlaßt mir's, zu berichten,
ich durchschaue es mitnichten!
Euch zur Freude – was Gott walte! –
hab' ich jemand herbegleitet
über Bozen und Trient,
einen Jemand, den Ihr kennt.
Wenn ihn meine Zunge nennt,
wird Euch Freude wohl bereitet.
Und was ich nicht weiß des Falles:
dieser Jemand sagt Euch alles.
Ulrich
Oh mir ahnt es, meines Blutes
Stimme sagt mir's, ich vermut' es!
Nicht gelitten hat es meine
Nichte, die geliebte Kleine.
Unterm Scheine, ihre Tante
zu besuchen in Venedig,
macht die süße Gouvernante
sich von Dienst und Pflichten ledig,
um dem Onkel beizustehn.
Was sie bringt – wir werden's sehn!
Keinesweges etwas Schlechtes,
und ich hoffe fest: was Rechtes.
Mein getreuer Troubadour:
rittest du mit Blancheflour,
niemand darf dich drum bedauern.
Ein Eidechschen ist so flott nicht,
und so heiß war selbst Isott nicht.
Blondel
Übel sind wir nicht gereist,
wie Euch mein Humor beweist,
aus der Kühle in die Hitze.
Ulrich
Und auch deine Nasenspitze
nächst den merklichen Humoren,
die im Antlitz dir rumoren,
leuchtend wie Karfunkelstein,
scheint mir ein Beweis zu sein,
daß die Minne und der Wein
eurer Reise nicht versagt ward,
ihr von Trübsal kaum geplagt wart!
Doch schon naht Isott, so scheint mir.
Komm, o komm! Das Herze weint mir.
Gräfin Isabella, die Nichte Ulrichs, erscheint unter Vorantritt von Dienern; zwei Mohrenknäblein tragen ihre Schleppe. Sie ist ein schönes jugendliches Frauenzimmer.
Sei gegrüßt mir, Himmelsholde,
sei gegrüßt vieltausendmal!
Wie der Demant schwimmt im Golde,
wie die Perle im Opal,
so erscheinst du deinem Ohm.
Kämst du gradeswegs von Rom,
brächtest mir den Kardinalshut,
wäre selbst des Heil'gen Grals Hut
dir vertraut, ihn mir zu bringen,
ja, das allerhöchste Gut
selber, selbst das teure Blut –
würd' ich doch nicht höher springen
in der Freude Übermut
als bei dem, du süßer Schrein,
was die Hehre in dich ein
hat geschlossen, daß es mein,
sei's auch nur ein Wörtelein! –
Es verlasse jedermann
nun den Raum, damit wir beide,
ich und dieser schöne Schwan,
euer aller Augenweide,
ohne Zeugen uns begrüßen.
Denn der Auftrag dieser Süßen
duldet keines Lauschers Ohr.
Jedermann außer Ulrich und der Nichte verläßt den Raum.
Ulrich und die Nichte allein.
Ulrich umarmt und küßt die Nichte wie ein Liebhaber.
Isabella
Onkel, Onkel, nur gelinde!
Ulrich
Häng dich an mich, schwanke Winde,
Ranke, die den Halt verlor.
Isabella
Nein, mein Bester, eine Ranke,
die an dich sich klammert? Danke!
Denn das hieße ungefähr,
selbst sich knicken und noch mehr.
Ulrich
O du duftig-kräftig Junge!
Weib mit der Lazertenzunge!
Sollte mich dein Reiz nicht rühren,
deine Frische nicht verführen?
Isabella
Aber mir, mein Alter, Lieber,
machst du nicht das gleiche Fieber.
Freimut hat mich stets gezieret:
jüngern Wein hab' ich probieret!
Ulrich
O du schlecht belehrte kleine
schöne Botin, laß dir raten:
Kenner lieben alte Weine!
Isabella
Nun, so lieb' ich Kälberbraten
eben mehr als zähes Rind.
Ulrich
Irrtum, Irrtum, schönstes Kind!
Denn im Kampfe nächster Nähe
siegt das Harte, Sehnig-Zähe!
Isabella
Nun, so kann mich denn nicht locken,
was nicht hart ist, sondern trocken.
Ulrich
Weiter, weiter! Stolze! Freche!
Fahre fort, mich zu beleid'gen,
denn ich weiß, daß ich mich räche.
Wenn ich meinen Speer versteche,
mögen hunderttausend Ritter
dich beschützen und verteid'gen;
denn ich bin ein Ungewitter!
Isabella gibt ihm eine schallende Backpfeife.
Kind – dein Ritterschlag, er sitzt!
Du behältst nun deine Ehre,
und ich habe meine Lehre.
Sieh, so kann es uns begegnen:
der im Minnedienst Ergraute,
dessen Stimme, dessen Laute
süßer Frauen Herzen segnen,
auf ihn lassen hehre, traute
Frauen plötzlich Schläge regnen.
Nun, ich kann daraus ersehen,
daß Frau Minne nicht vergessen
ihren Ritter. Und gesessen
hat die Züchtigung durchaus.
Dies bedeutet: manchen Strauß
werd' ich noch für sie bestehen.
Zwiefach wird von ihr geliebt,
wem die Mutter Schläge gibt.
Isabella
Dreht das Ding, Ohm, wie Ihr wollt.
Müßt Ihr wie ein Trunkenbold
Euch gebärden und betragen,
muß ich Euch als solchen schlagen.
Nehmt Ihr das für Minnegunst –
nun, wahrhaftig, umso besser,
wenn der übergierige Fresser
übt beizeiten Hungerkunst
und für voll nimmt leere Keller,
hohle Flaschen, kahle Teller!
Ulrich
O du giftige Kokette!
Sprich nun endlich deine Botschaft,
wenn sie noch so große Not schafft!
Oder nein: erst hin zur Mette,
ja, zur Geißelung, zur Pein'gung
und damit zur Seelenrein'gung!
Warum hast du weiße Brüste
und erzeugst mir niedre Lüste,
meeresgrüne Nixenaugen,
die von Satans Blitzen schillern?
Gifte gibst du mir zu saugen,
Höllentriller hör' ich trillern.
Endlich nimm vom Gnadenbilde
meiner Frauen doch den Schleier,
daß sie huldvoll heil'ger Milde
mich entsühne, ihren Freier,
meine Göttin, deine Herrin.
Komm nun zur Besinnung, Närrin!
Isabella
Schleier hin und Schleier her!
Die ein Gnadenbild für alle,
ist für dich an Gnaden leer.
Und sie läßt in jedem Falle
dich ersuchen, dir befehlen,
sie nicht weiterhin zu quälen.
Ihr zuwider sei dein Werben
jeder Art ihr, jeder Stunde.
Hast du eine Liebeswunde,
ihretwegen magst du sterben,
und sie werde, läßt sie sagen,
deinen Tod mit Würde tragen.
Ulrich
ist inwährend vor einem Marienbilde, das in der Ecke aufgestellt ist, niedergekniet
O Maria, Königinne,
nimm den Fluch der niedren Minne
mir für immer aus der Brust!
Fort mit aller sünd'gen Lust!
Welche Laute, welche Klänge
von der Sünde Purpurlippen –
so wie wenn aus Höllenklippen
Gottes reinster Quell entspränge.
Den Gedanken, den sie dachte,
Spott, mit dem sie mich verlachte,
meine Herrin, meine süße,
küss' ich wie des Heilands Füße.
Was sie bittet, ist geschehen.
Ungesehen werd' ich sterben,
fort mich schleichen auf den Zehen,
um bei Gott um sie zu werben.
Isabella
Unbegreiflich, liebster Ohm,
ist es allen unsern Magen,
daß Ihr werbt um ein Phantom.
Und man läßt Euch durch mich sagen:
wenn Ihr so zu handeln fortfahrt,
wiederum von Ort zu Ort fahrt,
Eurer Kinder Geld verschleudernd,
Eures Weibes Gut verbrauchend,
Arm und Beine Euch verstauchend,
alles in die Luft verpleudernd,
wird es gar nicht lange dauern,
bis Ihr hockt an feuchten Mauern
und, wenn alles ist verzettelt,
als verlauster Bettler bettelt.
Ulrich
Aufgehorcht! Frau Unflat spricht.
Diese weiß nichts von dem Licht,
das in starren Bettlerhänden
etwa noch in Reinheit glüht.
Ihren Flug die Englein wenden,
wo das sel'ge Flämmlein sprüht.
Denn es kann mehr Freude spenden,
als den Englein Gott bewilligt.
Goldner Panzer, roher Zwillicht –
reich ist jeder, dem es brennt,
und verdammt, wer es nicht kennt.
Isabella
Nun – ich wußt' es im voraus,
daß man mich umsonst bemühte.
Denn man bringt nicht von der Tüte
und vom Zuckerplätzchenschmaus
kleine Kinder – Gott behüte!
Ulrich
Nein! Auch sagte ja der Heiland,
wie doch unvergessen, weiland
dieses Wort ... wie war es gleich:
»... ihrer ist das Himmelreich.«
Isabella
Onkel – Ihr seid inkurabel.
Ulrich
Nein, ich bin nicht krank zu machen.
Nun, versucht's und stehlt mein Lachen!
Leider hat der Turm zu Babel
unsre Sprachen so verwirrt,
daß die Luft von Irrtum schwirrt.
Sag' ich, daß ich nichts vergeude,
wenn ich mir das Kleinod sichre,
das genennet ist die Freude,
ist's ein Grund nur, daß man kichre
und mir sagt, ich sei ein blinder
Narr und treibe Spaß für Kinder.
Wenn ich je nach Hellern schiele,
hängt mich ärschlings an den Galgen!
Wer gewöhnt an Götterspiele,
mag sich nicht um Dreier balgen.
Doch nun hole der und jener
mein Geschwätz und dein Geplärre!
Lassen wir auch Salvaterre!
Ist der Sturz doch ein geschehner,
wenn ich einmal bin gestürzt.
Doppelt drum den Wein gewürzt!
Nichte, wenn das Ei entzwei ist,
heißt's vergessen, was vorbei ist.
Doch das Ei ist nicht entzwei.
Überm Wasser buhlt der Mai,
alles rauscht und glüht von Golde –
glaub, o glaube mir, Isolde!
Fahr' ich diesmal zum Puneis,
um der hehren Frauen Preis
überallhin zu verbreiten,
schmilzt vor meinem Ruhm das Eis.
Um das Herz ihr, voll und heiß,
wird die süße Freude gleiten,
die ich ihr zu bringen weiß,
darf ich ihr entgegenreiten.
Welcher Jubel! welch ein Spiel!
Schon verrät Frau Melde viel.
Doch wie wenig weiß das Raunen:
Land Tirol, du wirst erstaunen,
wenn Frau Venus, wenn Frau Minne
selber deinen Grund betritt.
Und sie bringt in jedem Sinne
Jugendlust und Frühling mit.
Höre, was ich prophezeie:
Pferdewiehern, Pfauenschreie
ihres Hofstaats werden hallen
in die allerkleinsten Hütten.
Blütenberge werden fallen
und der Talfer Lauf verschütten.
Nein, die Ströme werden schwellen,
Milch wird aus den Bergen quellen,
Paukenschall aus jedem Torloch,
roter Wein aus jedem Bohrloch.
Isabella
Ohm, unsel'ger, haltet ein!
Denn schon jetzt scheinst du voll Wein.
Führst du wirklich aus die Posse,
Mann, so zieht man dich vom Rosse;
mitten aus dem Saus und Braus
mußt du fort ins Narrenhaus.
Ulrich
schlägt an ein metallenes Becken, worauf seine gesamte Dienerschaft wieder erscheint
Nichte, ist die Welt denn mehr?!
Brütet sie in finstrer Narrheit,
bricht die heitre ihre Starrheit.
Also: nur die Pritsche her!
Freilich auch die scharfe Wehr!
Wage wer, mich anzugreifen –
eine Klinge hört er pfeifen.
Ja, ihn hebt Frau Minnes Speer,
Ritterschaft und Ritterehre,
aus dem Sattel, von der Mähre,
daß ein Sturz ihn, zentnerschwer,
zu Frau Minnes Dienst bekehre.
Isabella
Ist es denn so, wie es ist,
nun, so walt's der liebe Christ
Wie Ihr seid, muß man Euch nehmen,
niemals wart Ihr ja zu zähmen.
Ulrich
Lies der Dame nun den Brief,
Herold, der von mir ergehet!
Seht an dem, was Ihr hier sehet,
ob den Winter ich verschlief.
Breitet aus die Frauenkleider!
Zur Anprobe her den Schneider!
Seidne Ärmel, samtne Mieder,
alles weiß wie Schwangefieder!
Gelt, nun wird die Stirn dir helle?
Hermeline, Zobelfelle,
Mäntel, starrende Brokate!
Und nun sieh, was ich jetzt schöpfe
aus der goldbeschlagnen Kiste,
sieh das blitzende Geniste,
zwei gewalt'ge blonde Zöpfe!
Sag, ob ich in Reichtum wate.
Isabella
bricht in unbändiges Lachen aus
Also ist die Tollheit wahr,
und es wird dies Pferdehaar
Euch, mit Perlenschmelz durchflochten,
über Brust und Schulter baumeln.
Durch die Lande wollt Ihr taumeln,
den in Narrheit durchgekochten
Leib gehüllt in Weiberkleider?
Nun, Gott segne Euren Schneider!
Ulrich
den der Schneider, seine Diener und Dienerinnen in das Kostüm der Frau Minne einkleiden
Ja, der Himmel segne ihn,
diesen aus der Maßen süßen,
der, auf goldnen Blumenfüßen,
säet Demant und Rubin,
der den Himmel malt azuren,
in Smaragd hüllt Wald und Fluren,
der die rote Felsenwand
fegt mit feuchten Silberschleiern:
diesen Schneider will ich feiern!
O wie rauscht sein breites Band,
endlos fließend, schön gewunden,
übers seidige Gewand,
Bach und Fluß und Strom durchs Land!
Wein her, Wein! Zu allen Stunden
die Gesundheit dieses Schneiders,
dieses Baum- und Buschbekleiders,
der das Vöglein nicht vergisset,
des Zaunkönigs Fräcklein misset,
Schmetterlinge bunt bemalet
und – sich selbst die Rechnung zahlet.
Wer mir diesen Schneider schmähet,
der auch mir dies Kleid genähet
meines Körpers, meiner Seele,
das sie macht zur Freudenbringrin,
das sie macht zur Weltbezwingrin:
ihm verdorre Herz und Kehle!
Hoch des starken Schneiders Elle,
die das Eisschloß schlägt vom Quelle,
daß er lustig tollt und gluckset,
der noch eben nicht gemuckset.
Lachen nicht der Bächlein Wellen
toll dahin wie Narrenschellen?
Schellen her! Sie sollen gellen
mir um Mieder, Helm und Speer.
Kettenhunde mögen bellen,
um so lieber mir, je mehr!
Herold
nachdem eine Fanfare geblasen worden ist
Frau Venus, Minnekönigin,
die lang der Wintersruhe pflag,
erhebt sich an Sankt-Georgen-Tag
mit Roß und Mantel, wie Jasmin.
Empfanget sie mit Tandaradei,
ihr Sänger all der Lombardei,
empfanget sie mit lautem Schrei,
ihr Vögel all, als wär's der Mai!
Empfanget sie mit Schwerterklang,
Ritterburgen am Alpenhang!
Denn wißt, sie führet Speere
und suchet Ritterehre!
Wer an ihr einen Speer zerbricht,
erhält ein goldnes Fingerlein.
Wen aber sie vom Rosse sticht,
der soll dazu gebunden sein,
viermalen sich zu neigen,
gen West, gen Ost, gen Süd, gen Nord.
Er soll es tun und schweigen
zu Ehren einer hohen Frau.
Frau Venus fährt von Gau zu Gau
in vierundzwanzig Tagen,
zu stechen und zu schlagen.
Sie wird im Rosengarten
Laurinens einen Tag verziehn,
wo Wunder ihrer warten.
Am letzten Tag ist sie zu Wien.
Ulrich
Was sagst du zu den Fingerlein?
Isabella
Mancher zeiget viel Geschick,
sich zu brechen das Genick.
Diese goldnen Dingerlein,
die du denkest zu verteilen,
gleichen kränkend bittren Zeilen,
die du sendest an die Dame
deines Herzens. Sind ein Same
der Erbittrung und des Grolles.
Weißt du nicht was wen'ger Tolles?
Ulrich
Wenn du näher dich erklärtest,
würdest du mich hoch erfreuen.
Isabella
Dieses hätt' ich nicht zu scheuen,
wenn du mich zuvor belehrtest:
was denn sollen bei den Leuten
deine Fingerlein bedeuten?
Ulrich
Nun, hier siehe meine Hand!
Dir und allen ist bekannt,
was bei Brixen auf der Murre
Hochgelobtes ich genossen.
Isabella
Und die goldne Fingerschnurre
soll die Leute darauf stoßen,
daß man dir ein wenig schürfte
einen Finger deiner Linken?
Ulrich
Nichte, wer dies sagen dürfte,
würde tot zu Boden sinken.
Nein, so winzig diese Wunde,
was ist werter, daß man prahle?
Blut der heil'gen Nägelmale
ist mir süßer nicht zur Stunde.
Unbezahlbar ist ein Tröpflein,
in der Dame Dienst verspritzelt.
Deshalb nun genug gewitzelt,
Mädchen mit dem harten Köpflein!
Isabella
Trotzdem, Onkel, mußt du wissen,
daß sie deines Fingers lachet.
Lohnt sich's, daß der Lärmen machet,
sagt sie, den ein Floh gebissen?
Ulrich
Nun, du kleine, böse Range,
eher war's wohl eine Schlange,
die den Zahn in mich vergraben.
Und ein Fraß für Krähn und Raben
wär' ich um ein Haar gewesen.
Isabella
Ebendieses nennt sie Lüge.
Leicht und schnell sei't Ihr genesen.
Dieser Rittersmann betrüge,
sagt sie, künftig, wen er will!
Dieser Prahlhans schweige still!
Seine Boten läßt er winseln,
er entbehre eines Fingers.
Flennen läßt er sie und pinseln:
Fraß für Löwen meines Zwingers.
Und der Finger unterdessen –
sitzt ihm, wo er stets gesessen!
Ulrich
erbleicht, zeigt seinen verkrümmten Finger
Ja, wenn dies ein Finger ist,
so verzeih, Herr Jesus Christ,
daß ich ihn mir aberkannte!
Doch es soll die Ungenannte
fernerhin kein Zweifel ängsten,
daß ich es mit Lügen hielte
und nach falscher Ehre schielte!
Ehrlich, mein' ich, währt am längsten.
Nichte, sieh dies blanke Messer,
tritt ganz nah, so siehst du's besser,
siehst auch, wie's vom Rumpfe trennet,
was die Dame Finger nennet.
Er legt die Linke auf irgendeine feste Unterlage und hackt mit der Rechten den Fingerstumpf ab.
Will sie nun noch Zweifel hegen:
Gott befohlen! Meinetwegen!
Ulrich wird ohnmächtig von seinen Leuten aufgefangen.