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Amtszimmer beim Amtsvorsteher von Wehrhahn. Ein großer, weißgetünchter Raum zu ebener Erde. In der linken Wand die Eingangstür. An der Wand rechts der lange Amtstisch mit Büchern, Akten und dergleichen belegt; hinter ihm der Stuhl für den Amtsvorsteher. Am Mittelfenster Tischchen und Stuhl für den Schreiber. Ein Schrank aus weichem Holz vorn rechts. Einige Aktenregale an der Linkswand. Kleine Tür in der Hinterwand. Einige Stühle.
An seinem Tischchen sitzt Glasenapp. Der Stuhl des Amtsvorstehers ist leer. – Vor dem Amtstisch, in ziemlich erregter Unterhaltung, warten Dr. Boxer, Langheinrich in Spritzenmeisteruniform, Ede und drei Feuerwehrleute. Alle gerötet, schmutzig, naß und verrußt. Frau Schulze, etwas blaß, hat sich auf einen Stuhl niedergelassen und wartet ebenfalls. Sie ist sehr nachdenklich und nimmt mehrmals das Kopftuch ab und bindet es neu, nachdem sie das graue Haar in Ordnung gestrichen. Der Tag der Vorgänge ist der gleiche wie im zweiten Akt, etwa fünf Stunden später.
Die Unterhaltung verstummt plötzlich.
von Wehrhahn kommt im größten Amtseifer. Er hält die Finger der linken Hand ans linke Auge, wie wenn ihn dort etwas schmerzte; setzt sich hinter den Amtstisch, nimmt die Hand herunter, zwinkert mit dem Auge schmerzlich und beginnt. Na, wie steht es nu mit die Schweinerei?
Langheinrich, von Arbeit, Schnaps und Bier merklich animiert. Ick hätte zu melden, Herr Baron, et is allens janz jänzlich runterjebrannt.
von Wehrhahn, indem er einen Gegenstand, den er mitgebracht hat, vor sich auf den Tisch wirft. Es ist eine Kabinettphotographie in einem Rahmen aus natürlichen Rehpfoten. Weil ihr alle mitnander Schlafmützen seid! Janz jräßliche Schlafmützen, alle mitnander, wie die janze Jesellschaft jebacken ist. Noch nich janze drei Meilen entfernt von Berlin, da müßte die Sache janz anderen Zuch haben.
Ede, halblaut zu Dr. Boxer. Zuch hat et woll eenklich jenug jehat.
Langheinrich. Herr Baron ...
von Wehrhahn. Schon jut. Ich weiß schon Bescheid. Er zieht das Taschentuch, wischt sich den Schweiß von der Stirn und tupft sich das Auge.
Langheinrich. Herr Baron, ick möchte jehorsamst beanstanden ... wir haben det Unsre redlich jetan. Wir sind mit de Spritze zur Stelle jewesen ...
von Wehrhahn. Schafft euch 'ne bessere Spritze an!
Langheinrich. Herr Baron, wenn et aber keen Wasser nich jibt.
von Wehrhahn. Bier jab's aber doch!
Langheinrich. – – – – – –?
Ede. Det Löschen macht Durscht.
von Wehrhahn. Das scheint in der Tat so jewesen zu sein. – Glasenapp, wolln Sie mal bitte nachsehn, ich habe hier was ins Auge jekriegt. Glasenapp springt auf und untersucht. Ich hatte jrade die Schulzen verhört, da stürzte der nördliche Jiebel zusammen. Es war wohl'n Funke oder so was. – Apropos, ist die Schulzen nicht hier jewesen?
Frau Schulze. Hier bin ick ja.
Glasenapp. Jawohl, Herr Baron.
Wehrhahn winkt ab. Glasenapp tritt zurück und verfügt sich an seinen Tisch.
von Wehrhahn. Also vorwärts! Es ist mir zu Ohren jekommen ... die Frau Schulze hat es mir mitjeteilt, vor Ihrer Werkstelle, Meister Langheinrich, da hat sich ein Vorjang abjespielt. – Sie haben den Lümmel also jesehn, unmittelbar ehe das Feuer hochkam, und da hat er 'ne Zündholzschachtel jehabt. Wie war das nu mit die Streichholzjeschichte? Drücken Sie sich mal jefälligst aus.
Langheinrich. Er hat eene Streichholzschachtel jehat. Jawoll!
von Wehrhahn. Und die hat er fallen jelassen.
Ede. Und ick habe se uffjehoben. Jawoll.
von Wehrhahn. Sie?
Ede. Ja. Als wie icke. Det is se hier. Et sind nich mehr janz alle Hölzken beisamm, ick habe mir mehrmals wat anjeroocht. Er legt eine Streichholzschachtel auf den Amtstisch.
von Wehrhahn, von Edes Art unangenehm berührt, nimmt die Schachtel auf und fixiert Ede. – Sie haben wohl tüchtig jeholfen, was?
Ede. Derbe! Sonst macht et ja keenen Spaß.
von Wehrhahn. Ich meine, janz besonders beim Biertrinken?
Ede. Det ha ick ooch richtig verstanden. Jawoll.
von Wehrhahn. Sie sind wohl sehr spaßhaft aufjelegt?
Ede. Immer fidel und verjnügt, Herr Vorsteher!
von Wehrhahn. Das freut mich ja janz außerordentlich. – Sagen Sie mal, sind Sie Dr. Boxer?
Dr. Boxer. Ganz recht. Dr. Boxer.
von Wehrhahn. Der sind Sie? So, so! Hätte Sie fast nicht wiedererkannt. Ihre Mutter hat hier noch den kleinen Kramladen ... Ihr Vater war doch der Handelsmann –?
Dr. Boxer, absichtlich mißverstehend. Jawohl, mein Vater war Landwehrmann und erhielt Anno siebzig das Eiserne Kreuz.
von Wehrhahn. So, so!? Natürlich! Ich weiß ja Bescheid. – Ihre Mutter kam neulich mal zu mir jelaufen und brachte mir mehrere Steine mit. Küchenfenster zerteppert, jlaub' ich. Übermütige Bengels jewesen! Habe natürlich nachgeforscht. Sie wollen sich, hör' ich, hier niederlassen? – Es ist'n sehr juter Arzt hier am Ort! – Früherer Stabsarzt! Äußerst tüchtig.
Dr. Boxer. Das bezweifle ich keinen Augenblick.
von Wehrhahn. Ja, offen jestanden, heutzutage ... ob das hier jrade Ihr Boden ist?
Dr. Boxer. Das kann ich ja alles in Ruhe abwarten.
von Wehrhahn. Natürlich! Wir auch. Also fahren Sie fort! Was haben Sie demnach bemerkt, Dr. Boxer?
Dr. Boxer. Ja, das mit den Streichhölzern allerdings.
von Wehrhahn. Das mit dem Tuten und das mit den Streichhölzern?
Dr. Boxer. Gewiß.
von Wehrhahn. Wo waren Sie, als das geschah?
Dr. Boxer. Ich stand vor der Schmiede bei Meister Langheinrich.
von Wehrhahn. Hatten Sie da was Besondres zu tun? –? Sie brauchen nicht unjeduldig zu werden. Es jeht mich zunächst allerdings nichts an. Ihr sympathisierender Hang zu den Handwerkern ist uns ja auch schon von früher bekannt. – Der Junge wird also nun festjesetzt! Ich denke, daß Wachtmeister Tschache ihn festnimmt. Jedenfalls ist er ihm auf der Spur. Er ist auch in Rahnsdorf jesehen worden. Rufen Sie doch mal Sadowa an!
Glasenapp ab durch die Tür in der Rückwand.
Dr. Boxer. Bin ich entlassen, Herr Amtsvorsteher?
von Wehrhahn. Bedaure unendlich. Warten Sie ab. – Schulzen! Wo steckt denn Ihr Neffe heut? Ich hab' ihn den janzen Tag nicht jesehn. Weiß keiner, wo Wachtmeister Schulze ist?
Ede, halblaut, 'n bißken 'n Steckbrief eens hinterherschicken.
von Wehrhahn. Weiß keiner, wo Wachtmeister Schulze ist? – Hat jemand schon die Frau Fielitz jesprochen? Oder ist sie noch nicht von Berlin zurück? – Jemand soll mal zu Kommerzienrat Reinberg jehn. Zu Glasenapp, der wieder eintritt. Da ist Herr Schmarowski, der Schwiegersohn: der unterbreitet dort heut seine Baupläne. Sag' ihm mal jemand schonend Bescheid!
Ede, halblaut zu Boxer und Langheinrich. Ja, det er nich iebern Kirchturm fällt. Langheinrich und Dr. Boxer haben Mühe, das Lachen zu verbeißen.
von Wehrhahn bemerkt das. Finden Sie das vielleicht lächerlich? – Ich weiß nicht, weshalb Sie sonst lachen, Langheinrich. Wenn Leute sich redlich bemühn und arbeiten und denn so'n Schrecken über sie kommt, so 'ne Prüfung von Jott, kann man hier direkt sagen: da schütze uns Jott vor, da lache ich nicht! – Haben Sie nun den Eindruck jehabt ... ist Ihnen der Bursche so vorjekommen – ich meine, im Hinblick auf den Brand –, als ob es mit ihm nicht janz richtig wäre?
Ede, halblaut zu Boxer und Langheinrich. Janz richtig wird et mit dem woll nich sind.
von Wehrhahn. War er Ihnen verdächtig? Ja? Oder nicht? Oder ist Ihnen jar der Jedanke jekommen, er habe den Brand vielleicht anjelegt?
Dr. Boxer. Nein! Denn ich bin hier zu fremd geworden. Die Verhältnisse hier überwältigen mich.
von Wehrhahn. Inwiefern?
Dr. Boxer, scheinbar sehr ernst. Ich komme aus kleinlichen Zuständen. Auf dem Wasser wird man an Enge gewöhnt. Wie gesagt! Ich kann hier vorerst noch nicht mitsprechen und bitte deshalb um Nachsicht durchaus.
von Wehrhahn. Es handelt sich hier um jar keine Zustände. Was hier vorliegt, ist'n konkreter Fall. Zum Beispiel hat der Junge jetutet. Was hat das mit Enge und Weite zu tun?
Dr. Boxer. Ganz richtig. Es fehlt mir an Überblick. Ich kann mich so plötzlich nicht wieder zurechtfinden. Ich fühle die ganze Wichtigkeit, natürlich, den Ernst der heimischen Zustände, und das macht mich beklommen zunächst, Herr Baron.
von Wehrhahn. Er hat doch jetutet, so durch die Hand? Sie haben das Tuten doch auch jehört, Langheinrich?
Langheinrich. Jawoll! Det er feste jetutet hat.
Ede. Wenn eener so feste eens tuten tut, denn tut eener tuten, det tut man ooch hören tun.
von Wehrhahn, zu Langheinrich. Haben Sie irgend sonst was Verdächtiges bemerkt? Ich meine: direkt bei der Löscharbeit? Ich meine: Momente, die anderswohin deuten ... deuten könnten doch jedenfalls? Langheinrich sinnt nach, schüttelt dann den Kopf. Ins Innere des Hauses kamen Sie nicht?
Langheinrich. Ick ha bloß'n Blick in de Stube jetan – da kam aber ooch de Decke schon runter. Een Millimeter, denn war' ick jestickt.
von Wehrhahn. Das Feuer ist außen anjelegt. Das vermutet auch Wachtmeister Tschache janz richtig. Wahrscheinlich von hinten, vom Ziegenstall. Das stimmt auch mit Ihrer Aussage, Schulzen! Wo Sie ihn haben ums Haus schleichen sehen! Überm Ziegenstall ist ein Fenster jewesen, und da guckte jewöhnlich Stroh heraus. Ich selber habe das noch so beobachtet. Es ist nach dem Rauchhauptschen Jarten hin. Das Fenster, das hat den Jungen jereizt. Es hat ihn jereizt, weil er's täglich jesehn hat, und nun ist er janz einfach aufs Stalldach hinauf und von da zu der fraglichen Lucke jelangt. Höchst anjenehm ist so 'ne Nachbarschaft! – Wer kommt denn da über die Straße jeheult?
Glasenapp blickt durchs Fenster. Schuhmacher Fielitz und seine Frau.
von Wehrhahn. Was? Ist das Frau Fielitz, die da so jeheult kommt? Zum Steinerweichen ja jradezu! Frau Fielitz, die man schon von außen laut und stoßweise hat weinen hören, kommt, auf den Gemeindediener gestützt, hinter ihr ihr Mann, der einen großen neuen Regulator sorgfältig im Arme trägt. Fielitz und Frau sind im Sonntagsstaat.
von Wehrhahn. Na, Jott noch mal, Fielitzen: Jottvertrauen! Das Jottvertrauen is immer die Hauptsache. Zum Sterben ist die Jeschichte noch nicht. – Holen Sie mal rüber 'n Kognak, Nickel. Nickel! Jehn Sie zu meiner Frau. Erst muß sie mal erst zur Besinnung komm. – Tun Sie mir den Jefallen, Frau Fielitz, und hören Sie auf mit dem Tränenerjuß! Ich will Ihnen das meinswegen ja jlauben. Es ist'n jehöriger Schicksalsschlag. Sind Ihnen wertvolle Sachen verbrannt? – Frau Fielitz heult stärker. Frau Fielitz! Frau Fielitz! Hören Sie auf mich! Bitte, hören Sie mal, wenn ich mit Ihnen rede! Verlieren Sie jefälligst mal nicht den Verstand! Verstehen Sie? Den Kopf nicht verlieren, Fielitzen! Sie sind ja doch sonst'n verständiges Weib. Na, wenn nicht, denn nicht! Nickel, der hinausgegangen war, kommt wieder mit Rumflakon und Gläschen. Man ran mit dem Schnaps. – Ich werde mich lieber an Sie wenden, Fielitz, Sie sind wenigstens, wie ich sehe, jefaßt. Das muß auch'n Mann sein, verstehn Sie mich. In jeder Lage, es ist, wie's ist. Also, Fielitz, jeben Sie mir mal Bescheid! Ich will Sie mal erstlich das Gleiche fragen: sind Ihnen wertvolle Sachen verbrannt?
Fielitz, es gelingt ihm, während er spricht, nur teilweise, einen krampfhaften Weinanfall zu unterdrücken. Jawoll. Sechs blaue Scheine Papierjeld.
von Wehrhahn. Donner und Doria! Is das wahr? Und nich mal natürlich die Nummern jewußt! Kinder, ihr seid janz jehörig leichtsinnig. Vorher bedenken! Das nutzt jetzt nichts. Fielitz, hören Sie? Vorher bedenken! – Jetzt fängt der mir auch noch zu heulen an. – Verstehen Sie? Bar Jeld jehört in die Bank. Und überhaupt: die janze Jeschichte ... Man läßt sein Jewese nicht so allein. Man soll sein Jewese nicht so allein lassen, besonders wo so'n Jesindel ist.
Fielitz. Ick ... ach ... wer denkt denn uff so wat, Herr Vorsteher!
von Wehrhahn. Lejen Sie doch die Uhr mal weg!
Fielitz. Ich bin 'n friedlicher Mann, Herr Vorsteher. Ick ... ick ... ick ... ick ... i, du lieber Jott! Det weeß ick nich, wie det jekommen is. Ick stehe jut mit de Leute, ick zanke mir nich. Ick ha Fehler bejang'n in mein Leben. Det kommt, wenn schlechte Jesellschaft is. Aber det se mir deshalb deswejen so mitspieln, det ha ick, wahrhaftigen Jott, nich verdient.
Frau Fielitz, weinend. Fielitz, was hab' ich dir immer gesagt! Wer hat nu recht, hä? Wer wird nu woll recht han? Um uns hast du dir keine Feinde gemacht. Das sein ebens sein das ganz andre Geschichten. Der Herr von Wehrhahn wird wissen, warum!
Fielitz. I, Mutter, schweig stille, det war meine Pflicht. Ede macht halb im Scherz, halb im Ernst eine Faust hinter Fielitz, über dessen Kopf. Wehrhahn bemerkt es.
von Wehrhahn. Sie! Heda! Was haben Sie denn da jemacht? Sie haben doch hinter Fielitz jestanden und ihm überm Kopfe eine Faust jemacht.
Ede. Ick bin vielleicht brustschwach, ick weeß et nich.
von Wehrhahn. Hören Sie, ich will Ihnen mal was sagen: Verrückte jehören ins Irrenhaus. Aber wenn Sie sich weiter frech benehmen, so kommen Sie vorher noch ins Loch! – Ich habe Sie nicht recht verstanden, Frau Fielitz. Sie deuteten eben etwas an. Haben Sie irgend Verdacht in der Richtung? Ich lasse mich näher darüber nicht aus. Vermuten Sie etwa, wie soll ich sagen, einen quasi politischen Racheakt? Dann dürfen Sie unbedingt nicht zurückhalten. Wir kommen der Sache dann schon auf den Grund.
Frau Fielitz. Nee, nee, nee, nee, ich hab' keen Verdacht. Lieber will ich doch betteln gehn uf der Landstraße. Beschuldigen mag ich en Menschen nich. Ich weeß ni. Ich kann mir keen Versch ni druf machen. Ich bleibe dabei. Ich weeß ebens nich. – 's war alles verschlossen. Mir gingen fort, 's Küchenfeuer war ausgelöscht, de Platte war kalt. Na, wie is nu gekomm? Ich kann's ni begreifen Ich weeß ebens nich. Aber sehn Se, daß jetzt hier aso a Kerl und tut hier aso 'ne Anspielung machen! Das kränkt een ja ei de Seele nein.
von Wehrhahn. Lassen Sie sich das durchaus nicht anfechten. Wo kämen wir dann alle mitnander wohl hin? Wer heutzutage zur Kirche jeht, der hat die janze Welt auf dem Halse. Halten Sie sich nur immer an mich! Er kramt unter den Papieren. Übrigens hab' ich da was jerettet. 'n Bildnis von Ihrem verstorbenen Mann. Ich jlaube wenigstens, daß er das sein wird. Es war mit Rehpfoten einjefaßt. Er entdeckt das Bildnis und reicht es der Fielitzen. Da! Frau Fielitz nimmt es, faßt mit einer schnellen Bewegung von Wehrhahns Hand und küßt sie weinend.
Ede, ziemlich laut. Hat eener zufällig keen Stücksken Schwamm bei sich? Et is: det de Strimpe nich Wasser ziehn!
von Wehrhahn. Notieren den Burschen, Glasenapp! Raus! Auf der Stelle! Entfernen Sie sich!
Ede mit drolligen Arm- und Beinbewegungen ab. Unterdrücktes Gelächter.
von Wehrhahn. Ich muß mich über Sie wundern, Langheinrich. Die richtige Jaljenphysiognomie. So'n Messerstecher! So'n Sozialist! Mehrmals wegen Straßenkrawalle jesessen. Sie nehmen so was in Brot und Lohn.
Langheinrich. Det jeht mir nischt an, Herr Amtsvorsteher. Ick mische mir nich in die Politik.
von Wehrhahn. So? Wirklich? Das müssen wir mal erst abwarten.
Langheinrich. Wenn eener man jlatt seine Arbeit macht ...
von Wehrhahn. Redensarten! Papperlapapp! Soll einer mir sagen, mit wem er umjeht, dann will ich ihm sagen, wer er ist.
Man hört das Gemurmel und Geschwatze einer Menschenmenge. Wachtmeister Schulze, in voller Gala, tritt ein.
von Wehrhahn. Wo sind Sie denn heute jewesen, Schulze?
Gendarm Schulze, einige Sekunden fassungslos, dann. Zu befehlen! wir haben den Jungen jefaßt.
von Wehrhahn. So. Wer denn?
Gendarm Schulze. Ick und Tschache.
von Wehrhahn. Wo?
Gendarm Schulze. Hier janz in de Nähe, bei de Kirche.
von Wehrhahn. Was? Hier bei dem neuen Jotteshaus?
Glasenapp. Da sitzt er immer und paßt uff de Glocken.
von Wehrhahn. Warum haben Sie denn das nicht früher jesagt? Wollte er fortlaufen? Lief er fort?
Gendarm Schulze. Er saß im Jraben und merkte uns nich. Tschache konnte bis dichte ran reiten. Und dann haben wir'n jleich beim Wickel jehat.
Er tritt zurück und faßt Gustav mit an, den Tschache hereinführt. Einiges Volk dringt mit herein.
von Wehrhahn. Hm! Also da wäre er jedenfalls. Es tut mir jewissermaßen leid! Der Sohn eines weiland preußischen Wachtmeisters ... Hat jemand den alten Rauchhaupt verständigt? Es mag ihn mal einer holen jehn.
Frau Schulze. Ick bin bei 'ne Kranke zur Pflege, Herr Vorsteher. Wenn ick vielleicht, det ick nu könnte abkomm ...
von Wehrhahn. Protokollieren Sie, Glasenapp! Nein, Schulzen, vorläufig müssen Sie hierbleiben. Die Sache ist bald jenug abjemacht. – Wollen wir also protokollieren ... Er lehnt sich in den Stuhl zurück und blickt, wie um sich für das Diktat zu sammeln, an die Decke.
Langheinrich, leise zu Dr. Boxer. Sehn Se sich man de Fielitzen an, Dokter! Wat? Is se nich quittenjelbe jeworn? – Wenn det man nich schiefjeht, kann ick Ihn sagen. Er zeigt Dr. Boxer, der abwehrende Bewegungen macht, verstohlen etwas in der hohlen Hand. Wolln Se wat sehn? Ja? Zündschnur is det.
Dr. Boxer, leise. Wo ist denn das her?
Langheinrich. Det weeß ick doch nich! Det kann ieberall aus de Welt her sind. Det kann ooch aus Fielitzens Keller sind. Jawoll doch! Jlooben S'et etwa nich? Und wenn ick man wollte schlecht sind, Dokter ...
von Wehrhahn. Privatjespräche jibt es hier nicht.
Frau Fielitz zupft Langheinrich und fragt leise. Sie han Leontinen heute getroffen? Wo denn?
Langheinrich, mit triumphierendem Blick auf Gendarm Schulze. Vorm Woltersdorf er Pusch!
von Wehrhahn. Also, Glasenapp ... Schauderhafte Jeschichten. Das ist diesen Herbst der siebente Brand. So was nennt sich nun zivilisierte Jesellschaft! Diese Schwefelbande will Christen sein! Man braucht bloß mal abends auf den Balkon treten, irgendwo ist immer'n Feuerschein. Ich habe mitunter in klaren Nächten bis fünfe zujleich am Himmel jezählt. Verhöhnung von Richter und Jesetz! Das ist bei den Schuften so einjerissen, als wenn das'n Sonntagsvergnügen ist. – Aber sachte! Immer Jeduld, meine Herrschaften. Wir kennen die Fährten! Wir haben die Spur! Die Betreffenden werden janz furchtbar erwachen, wenn die Ahndung janz plötzlich mal über sie kommt. Wer etwas von Kriminalistik versteht, der weiß, daß sie langsam und sicher vorjeht und schließlich den Schuldigen sicher packt. – Aber Landrat von Stöckel bemerkte janz richtig: der janze moralische Niederjang, die Verwilderung auf der janzen Linie ist Folge des Mangels an Religion! Jebildete Leute entblöden sich nicht, die jöttlichen Jrundlagen anzutasten, auf denen das Heilsjebäude ruht. Aber Jott sei Dank, wir sind auf dem Posten! Wir sind sozusagen toujours en vedette! – Und dir, Junge, dir sag' ich: Es gibt einen Jott! Verstehst du, es jibt einen Jott im Himmel, vor dem keine Schandtat verborgen ist. Nächstenliebe! Christlicher Geist! Hosen stramm und den Hintern versohlt! Dir wollt' ich das Feuermachen schon austreiben! Lümmel infamer! Taugenichts! – Jawohl, Dr. Boxer. Verstehn Sie mich! Sie können jetrost mit den Achseln zucken, das stört mich im allerjeringsten nicht. Sie könnten sogar die Feder erjreifen und öffentlich Zeter und Mordio schrein! Prügel! Ohrfeigen! Christliche Zucht! Und keine Jefühlsduseleien, verstanden? Wir fürchten uns vor dem Buddha nicht!!
Gustav ist durch die steigende Erregung des Redners ebenfalls mehr und mehr erregt worden, bis er am Schlusse der Ansprache sich nicht mehr beherrschen kann und in ein lautes, täuschend nachgeahmtes Eselsgeschrei ausbricht. I! a! a! a! I! a! a! a! – Betretenheit.
von Wehrhahn, ebenfalls betreten. Was bedeutet denn das?
Glasenapp. Ich weiß wirklich nicht.
Langheinrich. Det is Justavens Kunst, Herr Amtsvorsteher. For Tierstimmen nachmachen ist der berühmt!
von Wehrhahn. So! Und was hätte denn das wohl sein sollen?
Langheinrich. – Det sollte wahrscheinlich'n Löwe sind. Lautes Gelächter. von Wehrhahn zuckt mit den Achseln, lacht höhnisch und begibt sich auf seinen Platz. Stille. Dann erneuter Lachausbruch.
von Wehrhahn. Ich bitte um Ruhe! Hier wird nicht jelacht! Wir machen für Sie keine faulen Witze. Hier werden für niemand Witze jemacht. Wir verhandeln hier blutig ernste Jeschichten. 'n Zirkusverjnügen ist das hier nicht! Rauchhaupt tritt ein. Er bleibt stehen und glotzt hilflos um sich.
Frau Fielitz zieht Gendarm Schulze, der, ihr den Rücken zukehrend, nahe bei ihr steht, am Rock, so daß er sich umwendet, und fragt mit kummervollem Gesicht. Han Sie mei Mädel heute gesehn? Gendarm Schulze nickt und kehrt sich wieder ab.
Frau Fielitz, wie vorher. Sie han Leontine gesehn heute morgen? Gendarm Schulze nickt wieder und wendet sich ab.
Frau Fielitz, wie oben. Wo han Se se denn getroffen, Herr Wachtmeester?
Gendarm Schulze, fast ohne die Lippen zu bewegen. Das war hinterm Woltersdorfer Pusch.
Rauchhaupt, zu Langheinrich. Wat is denn hier los, Meester? Wat soll denn hier sind?
von Wehrhahn bemerkt Rauchhaupt. Sie sind pensionierter preußischer Wachtmeister?
Rauchhaupt hat die Frage überhört. Kollege Schulze, wat soll denn hier sind?
Gendarm Schulze. Der Herr Baron hat dir wat jefragt. Ick kann dir da keene Auskunft nich jeben, det jeht jegen meine Instruktion. Hätt'st du man mehr uffjepaßt uff den Jungen! Jepredigt hab' ick dir det eens jenug.
Rauchhaupt.–Ick weeß ja nich, wat du jepredigt hast!! So'n oller Ölkopp! Predige man!
Gendarm Schulze. Ich bitte zu Protokoll zu vernehmen, det Rauchhaupt mir dienstlich beleidigt hat.
Rauchhaupt. Wat? Weil du so'n oller Dussel bist? Da soll ick dir dienstlich beleidigt haben ...
von Wehrhahn. Mann Jottes! Wissen Sie denn, wo Sie sind? Sie kommen wohl eben aus Hinterindien?! Da soll doch das Donnerwetter reinschlagen. Still jestanden! Ordre pariert!
Rauchhaupt. Zu Befehl! Ick melde jehorsamst, Herr Vorsteher ...
von Wehrhahn. ... daß Sie renitent und aufsässig sind! Sie wollen sich unglücklich machen, mein Bester! Wie lange sind Sie schon außer Dienst?
Rauchhaupt. Elf Jahre.
von Wehrhahn. Außerdem noch wahrscheinlich Jedächtnis lädiert. Überhaupt so'n Äußeres! Teufel noch mal! So'n Exterieur eines alten Wachtmeisters ... Ich glaubte, ich hätte ausjelernt.
Rauchhaupt. Ick bin ... Sie werden jehorsamst entschuldigen ...
von Wehrhahn. Nichts wird hier entschuldigt! Verstehn Sie mich? Sie riechen direkt. Sie verpesten die Luft.
Rauchhaupt. Is aber bloß Erdjeruch ...
von Wehrhahn. Pferdemist!
Rauchhaupt. Denn müßte det sind von de Ananas ... Gelächter.
von Wehrhahn. Kurz: machen Sie möglichst bald, daß Sie fortkommen, sonst, wie gesagt ... immer fort! fort! fort! Sie haben vermutlich jesehen, was hier vorjeht, und nu haben Sie weiter hier nichts mehr zu tun. – Fertig! Hier sind die Papiere, Wachtmeister! Und janz direkt rüber aufs Amtsjericht.
Er übergibt an Schulze Papiere; die Gendarmen rasseln mit den Säbeln, fassen Gustav fester und machen Anstalten, ihn hinauszuführen. Währenddessen glotzt Rauchhaupt in steigender, hilfloser Angst um sich. – Stille.
Dr. Boxer. Ich habe den Eindruck, Herr Amtsvorsteher, der Junge hier ist ein Patient. Verzeihen Sie, daß ich mich doch noch einmische ...
Langheinrich. Der Junge is blöde, der is janz verrückt.
Frau Schulze. Nee, nee, Herr Dokter! I nee, Meester Langheinrich, der Junge weeß, wat er machen tut. Ick hatte 'ne Jlucke hatt' ick jehat, mit elf junge Hühnerken ausjebrütet, da hat er mir sieben erschmissen von.
Gendarm Schulze. I, Tante, und denn ooch die andere Jeschichte, wo er Sie mal dem Täschchen jestohlen hat.
Frau Schulze. Det Täschchen, jawoll, und wat drinne ist. Und hat Ihn det aber ooch so einjefädelt ... jerißner kann det'n Jesunder nich!
Gendarm Schulze. Und, Tante, denn ooch den Umschlagetuch ...
Frau Schulze. Nee, nee, und denn mit dem Terzerole. Der Junge is jut und janz bei Verstande. Ick bin eene alte erfahrne Frau.
Rauchhaupt. Wat bist du? Wat bist du? 'ne olle Hexe, die een janzet verludertet Maulwerk hat! Du kehre man eens wat vor deine Tür, eh det du von andre so nachreden tust. Wo dir man eens eener uff't Handwerk paßt, mit Kinderkens pflegen und so 'ne Sachen, det de Engel in Himmel nich alle wern! denn mechten woll so 'ne Curessen rauskomm – jawoll –, det du Hören und Sehen verjißt. – Wat is det? Wat soll hier mit Justaven sind? Ick muß det nu wissen eens, wat det hier is.
von Wehrhahn. Maul halten!!! Zu den Gendarmen. Rechtsum kehrt und marsch!
Rauchhaupt. Halt, sag' ick! I, wo denn, so jeht det nich. Von so wat steht in de Schrift nischt jeschrieben. Ick bin hier der Vater zu dissen Kind. Wat hat er jemacht? Wat soll er jemacht hebb'n? Justav! Wat lejen se dir all zur Last? Ick ha Schleswig-Holstein mitjemacht. Ick bin Sechsundsechzig in't Feuer jewesen, ick bin Anno siebzig bin ick blessiert. Hier is mein Been, und hier sind meine Narben. Ick habe dem König von Preißen jedient ...
von Wehrhahn. Sie kommen uns hier mit alten Jeschichten.
Rauchhaupt. ... Mit Jott für König und Vaterland! Aber det hier, det kann ick nu eemal nich zujeben. Ick will wissen, wat det hier mit Justaven ist!
von Wehrhahn. Mann! Mensch! Jetzt kommen Sie zu Verstande! Ich habe Ihnen das schon mal jesagt. Ich habe in Anbetracht Ihrer Verdienste nun schon jenug durch die Finger jesehn. Jetzt tu' ich ein übriges, jeben Sie acht! Dieses Früchtchen, Ihr Sohn, hat hier Brand jelegt – ist wenigstens dringend der Tat verdächtig. Jetzt treten Sie aus dem Wege weg, und behindern Sie weiter nicht die Beamten! Vorwärts, Schulze!
Rauchhaupt. Brand jelegt? Hier? Det? Bei ... Drieben? Dort? Bei de Fielitzen? Justav? Det Jungchen? Det Kerlchen hier? I, Jott doch! Da lach' ick! Det hier keener lacht! Nanu, Schulze, mache du hier ma keen Unsinn! Ick ha ooch ma blanke Kneppe jehat. – Ju'n Tag ooch, Fielitzen! Na, Fielitz, wie jeht's? Wo wirste dein Rejulater nu uffhäng'n?
Frau Fielitz. Nu seht amal, nu verhöhnt der een noch!
Rauchhaupt. I, nee doch! Woso denn verhöhn' ick dir denn? Det is ja so'n Unjlück! Hurrjott noch, noch mal. De Katzen verrecken uff alle Heubeeden, und de Vögel fallen dod uff de Erde run. Bei so wat, nee, nee, da verhöhn' ick dir nich. Ieberhaupt, ick wag' mir an manchet ran, ick ha mir an sonne Jungens jemacht, wo von de Kollegen keener recht ranwollte. Der Finger is durchjebissen. Jawoll! Aber eh ick mit eene, wie du bist, anbinde: lieber jleich uff der Stelle häng' ick mir uff.
Frau Fielitz, fast grau im Gesicht, mit zitternden Lippen, aber doch in heftiger Erregung und mit ziemlicher Energie. Was fängt denn der Mann nu uf eemal mit mir an? Was hätt' ich denn eegentlich dem Manne getan? Kann ich derfire, wenn das asu kommt? Ich ha nischt gesehn. Ich war ni derbeine. Ich ha niemanden verdächtigt nich. Und wenn se dan Jungen han festegenomm, das ha ich asu wenig wie du gewußt.
Rauchhaupt. Fielitzen! Fielitzen! Sieh mir mal an.
Frau Fielitz. Tummheeten! Luß mich in Frieden dahier. Luß mich in Frieden und tu dich ni ufspieln, ich ha vorher durchzumachen genug. Da sagt een der Dokter, ma soll sich ni ufregen, ma könnt' amal weg sein im Augenblick! Und aso a Mann ... ma weeß ni, wohin legen ... mir wissen ni, wo mer wern schlafen de Nacht. Ma liegt reen uf der Straße, halb tot und kaputt und ...
Rauchhaupt. Fielitzen! Fielitzen! Kannst du mir ankieken?
Frau Fielitz. Luß mich zufriede und mach dich fort! Ich luss' mich von dir aso nich behandeln! Ich kann dich ansehn. Warum denn ni? Ich kann dich drei Tage und Nächte ansehn, und da seh' ich bloß, daß du a Esel bist. Wenn das jetze uf da Jungen fällt, wer wird woll da hier am meisten schuld sein? Wie hast du denn ieber den Jungen gered't? Du sprichst: a tut stehlen, a täte gokeln, deine Strohschober hatt' a dir angesteckt, und nu tuste dich wundern, wenn's dann aso is! Du hast hier da armen Jungen verbleut ... der Junge is zu mir geloofen gekomm, der hat so viele blaue Beulen gehat, daß an den seinem Leibe kee Fleck ni mehr heil war. Und nu tut a uf eemal wie ni recht verrückt!
von Wehrhahn hat den Gendarmen ein Zeichen gegeben, diese fassen Gustav fester und führen ihn gegen die Tür. Rauchhaupt hat es bemerkt, springt blitzschnell vor Gustav, faßt ihn mit beiden Händen an den Schultern und läßt ihn nicht fort.
Rauchhaupt. Is nich! Det jeb' ick nich zu, Herr Vorsteher! Mein Justav is keen Verbrecher nich! Ick ha sachte weg janz for mir stille jelebt, und nu bin ick hier in 'ne Maschine jeraten. Da missen man erschtlich Indizien sind! Zu Langheinrich. Meester, kann der det jewesen sind? Langheinrich zuckt mit den Achseln. Det is hier ja allens verjaunertes Pack, det sind ja ... Justav, weene man nich! Se kenn dir in Jottes Namen nischt anhaben ...
von Wehrhahn. Hände weg! Oder ... Hände weg!
Rauchhaupt. Ick nehm' et uff Diensteid, Herr Amtsvorsteher, det hier ... det mein Junge hier unschuldig is.
von Wehrhahn. Tempi passati. Sie machen sich unglücklich. Zum letzten Male: die Hände weg!
Rauchhaupt. Denn schlag' ick ihm tot uff der Stelle, Herr Vorsteher.
von Wehrhahn tritt dazwischen, trennt Rauchhaupt von seinem Sohn. Weg hier! Sie rühren den Jungen nicht an! Wagen Sie's! Wachtmeister, ziehen Sie blank!
Rauchhaupt, blaß wie Kalk, in unsinniger Erregung, hat losgelassen und postiert sich vor die Ausgangstür. Tun Sie mir det nich an, Herr Vorsteher, um Jottes und Christi willen nich. Det is Ehrenpunkt! Ehrenpunkt is det, Herr Vorsteher! Bloß det nich, Herr Vorsteher, tun Se det nich! Ick biete mir an. Ick will ooch Kaution legen. Ick renne und bringe Kaution bring' ick. Ick bin jleich wieder hier uff de Stelle, Herr Vorsteher. Ja? Soll ick? Oder jeht det nu nich?
von Wehrhahn. Larifari, Sie jehn aus dem Wege!
Rauchhaupt. Ick weeß et, wer et jewesen is!
von Wehrhahn schiebt Rauchhaupt beiseite, und die beiden Gendarmen führen Gustav ab. Rauchhaupt wird von Dr. Boxer und Langheinrich gleichzeitig gestützt und festgehalten. Er sinkt dumpf in sich zusammen. Stille tritt ein. von Wehrhahn begibt sich wortlos hinter seinen Amtstisch, schneuzt sich, schießt Blicke auf Rauchhaupt und die Wolffen und nimmt dann Platz.
von Wehrhahn. Zünden Sie Licht an, Glasenapp! Glasenapp entzündet eine Lampe auf dem Tisch.
Frau Fielitz. Nee, nee, 's is schon wirklich! Aso a Mann! Der tut ja's ganze Dorf verdächtigen.
von Wehrhahn. Sie da! Schulzen! Scheren Sie sich! Die Schulzen sehr schnell ab.
Frau Fielitz. Ich mecht' amal fragen, Herr Amtsvorsteher ... Mir wissen noch gar nee, wohin heute nacht.
von Wehrhahn. Sie schlafen wohl, Fielitz?
Fielitz, von seiner Uhr aufschreckend. I nee, Herr Baron.
von Wehrhahn. Ich dachte, weil Sie den Kopf so gesenkt halten.
Fielitz, mit kindischer Blödigkeit. Ick ha mir bloß ma die Zeijer besehn.
von Wehrhahn, zur Fielitzen. Sie wollen jenen?
Frau Fielitz. Wenn's mechte aso weit sein ... Ich kann kaum mehr uf meinen zwee Beenen stehn.
von Wehrhahn. Das glaub' ich. Wann standen Sie auf heut nacht?
Frau Fielitz. – –?
Fielitz. Wir sind jejen achte erst uffjestanden.
von Wehrhahn. Kriechen Se immer so spät aus dem Bett?
Frau Fielitz. I, nee doch, der Mann is heut ganz verwirrt. Mir sein um a fimfe schon ufgestanden. Um a fimfe stehn mir ja immer uf!
von Wehrhahn. Nun, Fielitzen, jehn Sie nach Hause jetzt! – Es sollte mir leid tun jewissermaßen ... Indes, die Jerechtigkeit jeht ihren Jang. Die Sonne bringt alles an den Tag. Verbrecher nehmen ein schreckliches Ende! Der ewige Richter verjißt sie nicht. – Und Sie! Bejeben Sie sich nach Hause! Jehn Sie nach Hause, und warten Sie ab! Ich will heute beide Augen mal zudrücken, Ihr Vaterjefühl hat Sie sinnlos jemacht.
Rauchhaupt tritt vor. Ick hätte jehorsamst zu melden, Herr Vorsteher ...
von Wehrhahn. Jehn Sie! Jehn Sie! Was wollen Sie noch? Machen Sie nicht wieder Faxen, mein Bester!
Rauchhaupt, nun dicht vor der Fielitzen. Jott is mein Zeuge! Ick decke dir uff!