Gerhart Hauptmann
Indipohdi
Gerhart Hauptmann

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Fünfter Akt

Eine Gesteinswüste in großer Höhe des vulkanischen Berges. Man sieht einen rauchenden Gipfel dahinter, in ewigen Schnee gehüllt.

Prospero, auf Tehura gestützt, steigt aufwärts.

Prospero.
Hier laß uns rasten. Welch ein Anblick! Rings
der blaue Riesentrichter, dessen Rand
uns hoch umringt: es ist das Meer! Es sind
die Weltgewässer! Und wir sinken tiefer nur
in ihren Wasserkrater ein, so scheint's,
je mehr wir steigen. Wolltest du uns nicht
bis an das Himmelsdach erheben, Glutberg?
Nun schrumpfst du ein zur Warze? Nein! Blick unter dich,
Tehura, wie gewaltig ragt der Berg
nun wiederum, wie mächtig lastet er,
wie übermächtig auf dem armen Eiland,
das den Kolossen wie durch Zauber hält,
über die Flut. Nun weiter, weiter aufwärts!

Tehura.
Du wolltest rasten. Raste, laß uns hier
das wenige genießen, das ich mitnahm.

Prospero.
Dein Rat ist gut, gewiß, ich folge dir.

Er nimmt auf einem Basaltblock Platz. Tehura holt mitgebrachtes Brot und Früchte hervor, auch eine goldene Schale und Wein.

Rast. Laß uns rasten, sagtest du. Die Rast,
die letzte vor der letzten Rast! Ist's wirklich
die letzte vor der letzten? Niemand weiß es.

Tehura.
So nannte seinen größten Herrscher einst
das Volk, dem ich entstamme: »Niemand weiß es.«
Dies heißt in unserer Sprache: »Indipohdi«.

Prospero.
Und warum nannten sie ihn so?

Tehura.                                             Nicht nur,
weil er dies Wort oft aussprach.

Prospero.                                         Tat er das?

Tehura.
Er tat es.

Prospero.     War er denn ein Zweifler?

Tehura.                                                   Nein,
Nichtwissen heißt nicht: zweifeln.

Prospero.                                             Also stieß
er mit dem Finger nur an jenes Nichts,
das alles ist?

Tehura.               Er kam aus jenem Nichts
und ist lebendigen Leibs dorthin entschwunden.
Es hieß: wo kam er her? wo ging er hin?
Auch deshalb, weil es niemand sagen konnte,
gab ihm die Welt den Namen Indipohdi.

Prospero.
Die Welt?

Tehura.           Mein Volk beherrschte einst die Welt.

Prospero.
Ich weiß von deinem König Indipohdi.
Dank, daß du seinen heiligen Schatten mir
durch den geliebten Zauber deiner Worte
hervorrufst. Bin ich selbst am Ende doch
ein später Enkel Indipohdis, bin
ein Indipohdi, der das heilige Wort
frommgläubig zu bewahren weiß.

Tehura.                                                 Er war
voll Traurigkeit.

Prospero.                 Voll jener Traurigkeit,
die, wie der Kelch des Lotos, aus dem Schoß
des seligdunkeln, unbewegten Sees
zur Sonne schwillt. Er steigt aus Wonnen, saugt
die Wehmut des Vergehns aus seligstem
Genusse des Entstehns. Der braucht nicht sterben,
weil er nie lebte, den die Gottheit nie
der heiligen Träne Indipohdis werthielt.

Tehura (singt guttural).
Kommt in die Gräberhallen, kommt mit mir.
In meiner Ahnen Königsgräber kommt.
Ihr findet Urnen, in den Urnen Staub.
König Topiltzin, Friedefürst! Wo bist du?
Ein hohler Stein, der eure Asche birgt,
trägt eure Namen. Euer Atem: wo?
Wo eure Stimme, der die Völker bebten?
Wo eure Völker selbst, wo sind sie? Oh!
Netzalcoyotzin, du mächtigster
Monarch! Du bautest für die Ewigkeit
Paläste, Gärten, Katarakte. Du
formtest, wie Gott, durch einen Wink, was in der Luft,
was auf der Erde, in der Erde lebt
und was im Wasser ist, aus Gold und Stein,
Fisch, Vogel, Mensch und jegliches Getier.
In deinen Gärten ruhten Löwen aus
Gestein. Es sprühten Tiger Wasser und
Feuer aus gleichem Rachen. Sag, wo sind
nun die Werkleute hingekommen, die
wie Heere unabsehbar morgens sich
ans Werk begaben! Wohin sind sie? Und
wohin, was sie geschaffen? Wo dein Land,
wo die Gesetze, die du gäbest, die
niemand im Volk zu übertreten wagte?
Dein Richterstuhl hieß: »Gottes Richterstuhl.«
Wo sind die, die du jetzt noch richten darfst,
und wo, wo bist du, königlicher Richter?

Am hohen Meereshorizonte erscheint die Sonne wie eine umgestülpte Purpurschale.

Prospero (hat sich erhoben und steht feierlich und ganz von der aufgehenden Sonne glühend).
War ich ein König je, heut bin ich's nicht mehr.
Nicht einmal so viel, als Erinnerung
an das, was war, von meinem Königtum
enthält. Und war ich je ein Richter, heut
ist kein Gedanke mehr in mir, der auch
nur einen anderen Gedanken richtet.
Saß ich im Webstuhl meines Geistes, als
kunstreicher Weber von des Lebens Spulen
mit blutiger Hand die Fäden zu verweben,
heut web' ich nicht mehr. Und ich werfe ab
den selbstgewobnen Mantel meiner Seele
wie diesen Mantel, der sein äußres Bild ist.
Ihn hebe auf, ihn trage, wer da mag.
Es ist ein Mantel voll Magie!
Gewiß, ich war ein Magier. Er enthält
in magischer Gegenwart mein ganzes Schicksal,
und wer ihn umnimmt, kennt es, trägt's wie ich.
Doch er enthält noch mehr: ich schuf die Welt,
in der ich lebte, und er gibt davon
vollgültiges Zeugnis. Er beschreibt die Tat
der Schöpfung, also auch des Schöpfers Tat.
Was ich geschaffen, als der Demiurg,
das trug ich schwebend mit mir im Bewußtsein.
Und davon spricht der Mantel, und er sagt,
wie ich selbst mitteninne stand im All,
in dem ich schaffend jeden Augenblick
mit neuen Räumen, neuen Welten mich
umgab, unendlich die Unendlichkeit
gestaltend, neugestaltend, umgestaltend. Was
ich sehe, fühle, schmecke, alles was
ich höre, rieche, denke – schuf ich. Da ist nichts,
was kocht und grollt im Innren dieses Berges,
was flügelbrausend aus den Lüften schießt,
was schlägt und was den Schlag empfängt,
was reißt und was gerissen wird, der Wolf,
das Lamm – nichts ist im Drama dieser Welt,
worin ich mich nicht selbst erlitt und selbst
genoß. Furchtbarer Urkampf, den ich so
qualvoll gebar, in Lieb und Haß. Und jetzt
fällt diese mächtige Schöpfung von mir ab,
und ich verlasse sie als Liebender,
der seine wirre Schöpferhand beweint.
Ich bin kein Magier mehr, bin losgelöst
vom Leidenswirken, vom erwirkten Leiden.
Doch aber fühl' ich, daß ich noch ein Mensch bin.

Tehura (wirft sich anbetend nieder).
Kein Mensch, du bist es selbst, die Gottheit bist du!
Der Weinende im Sonnenball! O du
Verklärter, nun verschwebe nicht. Ich war
dir Weib und demutsvolle Dienerin,
nimm mich empor mit dir in deinen Strahlen.
Sonst rufe deinen Blitz: er töte mich.

Prospero.
Ich bin kein König mehr noch Richter noch
ein Magier, der, Trug und Wahrheit mengend,
sich halbe Gottheit anmaßt. Nur ein Mensch
blieb ich. Und sieh, Tehura, er, der Mensch,
der sich von seinem Muttergrunde loslöst,
um seine Todeshöhe zu ersteigen,
hat nur noch Macht zu leiden, nicht zu tun. –
Und nun kehr um. Die Strecke Weges, die
von hier beginnt, ist nur für einen: mich.

Tehura.
Dies sei. Dein Weg und deine Bahn ist dein.
Nicht hab' ich Feuerflügel, deinen gleich,
mich in die Überwelt hinaufzuschrauben.
Doch durch das Tor des Todes schreit' ich mit dir.
Du nanntest mich zuweilen deine Seele.
Ich bin's so weit, als du mir Leben gibst,
nicht mehr. Und so weit ist mein armer Geist
in deinem wissend, doch vornehmlich hier
mein Herz. Und so spricht nun mein Herz. Es spricht
zu deinem, daß ihm deines Antwort gebe.
Bist du ganz fertig, aus der Welt zu scheiden?

Prospero.
Dort oben raucht der Altar, und ich bin
das Opfer. Schlecht bereitet wäre ich,
wollt' ich's verzögern, weil mich dies und das
hoffend noch hielte hier im Zeitlichen.
Wo Hoffnung ist, ist Furcht. Ich hoffe nichts mehr
und fürchte nichts mehr.

Tehura.                                 Glaube mir, er kommt.
Mein Herz, das deines ist, weiß, daß er kommt.
Ich höre deines Sohnes Stimme schon,
nicht mit dem Ohre zwar, doch mit der Seele.
Ich höre, wie er Vater, Vater! schreit,
das Echo aller Felsentäler weckend.
So grausam wirst du gegen dich und ihn,
Allgütiger, nicht sein. Du willst ihn nicht
zertreten durch die Großmut deiner Seele.
Du warst ihm tot. Du richtest dich vor ihm,
der nach dem Wahnbild goldner Inseln jagt,
als Vater unerkannt, empor als Richter.
Er wird zum Tod geführt, steht vor dem Blutblock,
und nun bricht diese Glorie auf ihn ein,
wie in ein blindgebornes Auge sich
das Licht von tausend Sonnen einen Weg bahnt.
Es sieht und wird zum zweiten Male blind,
und nun erst wirklich, nun erst wahrhaft. O
Arzt, sei noch einmal Arzt und Magus, Magus! –
    (Sie legt ihm den Zaubermantel wieder um.)
Verhindre das, erhalt ihn sehend, wenn
er anders leben muß. Bleib nur noch Mensch,
bis er zu deinen Füßen einmal noch
zerknirscht gelegen, Selbstverdammung stammelnd,
dich abgetastet mit verzweifelten,
ungläubig-gläubigen, glückseligen Händen
als den Verlornen und Gefundnen – bleib
so lange, bis dein Liebling einmal noch,
die ganze Wonne der Versöhnung fühlend,
an deiner Brust sich ausgeweint.

Prospero.                                           Tehura,
dein Wort ist stark, doch macht es mich nicht schwach,
und weh mir, wär' es anders!

Ormann (unsichtbar rufend).           Vater!

Tehura.                                                     Es
war Ormanns, deines Sohnes, Stimme.

Prospero.                                                     Täuschung.

Ormann (wie vorher).
Wo bist du, Vater? Vater! Ormann bin ich,
bin dein mißratner, dein verfluchter Sohn!

Prospero.
In diesem Laut liegt etwas, das mich festbannt.

Ormann (wie vorher).
Vater, ich hetze dich nun nicht mehr wie
ein Wild. Ich liege jetzt auf deiner Spur
wie ein Verdammter auf der Spur des Heilands.
Ich hasse mich! Und mein verfluchter Leichnam,
der mit mir rennt und mit mir steigt, er ist
mir nichts als eine ekelhafte Last.

Prospero.
O Blendwerk, warum lockt' ich diesen rasenden
Schatten mir nach in meine letzte Stunde?
Gemarterter, zerquälter Schatten, bleib!
Das ist die Schmerzenszeugung dieser Welt,
die tausendarmige, die einmal noch
greift nach dem fast schon Freien und versucht,
ihn in des Lebens Netze zu verwickeln,
das heißt, ins Netz der Täuschung und des Elends.
Tehura, laß uns höher steigen, komm.

Prospero steigt den Berg weiter hinan und verschwindet. Tehura behält ihn im Auge, folgt ihm aber nicht. Im Sprung erscheint Pyrrha auf einer nahen Felsstufe.

Pyrrha.
Ah, du bist da.

Tehura.                   Noch bin ich da: du sagst es.
Doch weshalb bist du hier? Wen suchest du?

Pyrrha.
Ich kann nur noch auf Erden einen suchen,
den Leuchtenden, mit Feuermilch gesäugt,
der, dem entsprungnen Sonnenrosse gleich,
die heilige Glutbahn seines Lebens hinstürmt
und der, wenn er erkaltet und verlischt,
mich kalt und tot zurückläßt.

Tehura.                                       Und wer ist das?

Pyrrha.
Gleichviel, wer dieser ist und was er ist.
Ob ihn die Hölle ausgeworfen oder
derselbe Mutterschoß, dem ich entsprang.
Gleichviel, ob er die Mutter mordete,
den Vater wie ein Räuber überfiel,
ihn in Verbannung und ins Elend hetzte
und mich mit ihm. Gleichviel! Was tut's? Dies ist
Werk der Dämonen, die den Abgrund und
die Lüfte und die Himmel überfüllen.
Und wär' es nicht so, hätte seine Hand
den Schlag geführt, den sie zu führen dachte,
und seinen Vater blutend hingestreckt
zu andren Toten auf die rieselnde
Blutstraße seiner sehend-blinden Bahn,
zujauchzen müßt' ich ihm, wenn ich ihn sähe.
Er fluche Gott, so fluch' ich Gott. Er winke,
und jede Untat, die er je beging,
begeh' ich, ohne nur mich zu besinnen.
Er machte mich zum Werkzeug seiner Lust,
Blutschande noch zu andren Freveln häufend,
und nicht beneid' ich mehr, was alle Himmel
an Wonnen ihren Göttern ausgeteilt.

Ormann (wie vorher).
Vater, wo bist du? Vater! Vater! Vater!
Gib Antwort dem Verdammten. Deinem Sohn!

Tehura.
Yakka, du bist nicht auf dem gleichen Weg,
du hörst, den jener schreitet, dem du nachjagst.

Pyrrha.
War das nicht seine Stimme? Ormann, Ormann!
Der Vater soll ihn mir nicht rauben, nein,
mit seiner Zauberei und tückischen Großmut.

Pyrrha springt vom Felsen und verschwindet. Man hört bald näher, bald ferner »Ormann, Ormann!« und dagegen »Vater, Vater!« rufen.

Plötzlich erscheint Ormann.

Ormann (bemerkt Tehura).
Wo ist er?

Tehura.           Wer?

Ormann.                   Er, den ich suche: Er!

Tehura.
Wie kann ich wissen, wen du suchest, Fremdling?

Ormann.
Nicht so, du Dunkle, die ein Gott mir sendet,
du Mütterliche, sprich nicht so zu mir,
du siehst, ich bin zerstört, ich bin vernichtet.
    (Er sinkt vor Tehura nieder.)

Tehura.
Steh auf. Du suchst den Wundertäter, suchst
den Priesterkönig und den Vater. Der
dich einst am Busen hielt als höchstes Kleinod,
Herzschlag an Herzschlag, dem du selber dann
ganz fremd dich machtest und ganz ferne stelltest.
In des verschmähte Nähe drängst du nun
im Schmerzenssturme einer Einsicht, die
dir seine weise Führung offenbart.

Ormann.
O du, verschließe nicht dein Ohr. Was ich
den Fernen zugeschrien, den Felsenwänden
und allen tauben Schlacken dieses Glutbergs:
Du darfst nicht taub sein, mußt es hören. Ach,
mein Leben war ein Leiden, seit ich es
von seinem riß. Das Feuer meines Bluts
wollte nicht Zaum noch Zügel dulden, und
in Zaum und Zügel hielt der Vater mich.
Ich wollte zu des Vaters Füßen knien,
am Hals der Mutter weinen, doch sie waren –
der Vater wie die Mutter – längst vertrieben.
O du, wenn er noch lebt, so zeig ihn mir:
der mir es nun gewiesen, wer er ist,
er möge nun auch sehen, wer ich bin!
Wisse, nicht durch das Zaubernetz der Vorsehung;
allein kam ich ihm nah. Ich bin ihm nah,
auch wenn ich ihn nie leiblich wiedersehe.
Ich wuchs an den Erhabenen heran,
und wenn ich rase gegen mich, so ist's
aus Reue nicht so sehr als deshalb, weil
die sehnsuchtsheiße Irrfahrt meines Lebens
vor überseliger Erfüllung steht
und doch dies Übermaß erhabensten
Versöhnungsausgleichs, dieses mächtigste
Wunder, vom Fallen eines Blattes abhängt.
Er soll es sehen, wer ich bin. Daß ich
sein Sohn und seiner würdig bin. Er soll
wissen, daß seines Herzens blutende
Sonne mir sichtbar ist, daß sie mir strahlt,
mich ganz durchläutert und von Schlacken rein glüht.
Er soll mich sehn als den, der nie sein Feind war,
reif und bereit wie er, den letzten Weg
gelassen neben ihm ins Nichts zu gehn.

Höher in den Felsen ist Prospero erschienen. Der Mantel wallt von seinen Schultern. In der Hand hält er eine Bettlerschale, aus der eine blaue Flamme lodert. Er ist von der aufgehenden Sonne beleuchtet.

Prospero (gegen die Sonne).
Titan! Titan! Du schleppst zum letztenmal
die Welt von Licht, die Welt voll Glut herauf
in deines Schöpfers Seele. Brausend fegt
die Feuersturmflut über alle Gipfel
und stürzt, ein Tönemeer, in alle Tiefen.
Du stärkster Dienstmann meines Zaubersaals,
du unverbrüchlich Treuer, wie ich dich
jetzt grüße, Herrlicher, so entlass' ich dich.
Gewiß, ich war ein Meister der Magie,
ein Zauberer, doch eine andre Hand
wob unsichtbar an meinen Zaubern mit,
und ich ward ihr ein freier Höriger.
Des Weberschiffleins Schnur zog meine Hand,
allein, in meiner wirkte jene andre
und trieb das Werk der Schöpfung vorwärts, die
im Tod entsteht und im Entstehen stirbt.
Noch einmal, in dem heiligen Augenblick
des Abschieds, wo der mächtige Webstuhl noch
dröhnt und mein Werk erschafft, was doch nicht mein ist,
grüß' ich dich, furchtbar-wundervolle Welt
des Zaubers und der Täuschung. Du gebierst
millionenfachen Fluch, wie Blumen auf
glückseligen Wiesen, und ich habe sie
jauchzend gepflückt und jubelnd mich gewälzt
im Schmerzenstau, im Todesduft der Gräser.
Und als mein immer wachsendes Geweb'
mich enger stets umstrickte und Gestalt,
unzähliger Form, mich, der sie schuf, umdrang,
da würgte mich mein eigner Zauber, drang
mein Volk von Schatten grausam auf mich ein
und legte mich, den Schöpfer, in die Folter.
Ich schlage um mich. Kampf, noch immer Kampf,
als habe ein Wutbiß diese Welt gezeugt
und diese blutige Riesenmühle Schöpfung,
die grausam mörderisch die Frucht zermalmt.
Nein, nein, es ist nicht wahr. Nichts ist hier Täuschung,
denn Blut ist Blut, und Brot ist Brot, und Mord
ist Mord. Sind alle diese Rachen,
die Mitgeschöpfe gen einander gähnen,
womit dies blinde Leben schrecklich prunkt,
Täuschung? Zerstückt des Haies Kiefer nicht
des Menschen Leib? Ist nicht des Tigers Hunger
qualvoller Haß und Mordsucht, und zerreißt
er nicht Lebendiges und schlingt sein Fleisch?
Ward eine Kreatur in diese Welt
hineingeboren ohne Waffe, und
die Mutter, die in Furcht und Graun gebiert,
gebiert sie Furcht und Grauen nicht im Kinde? –
Das ist nicht Täuschung, nein, es ist so, und
so wäre denn dies Täuschung, daß die Welt
nur meines Zaubers Täuschung war: und dies
ist Wahnwitz! – Nein! Zwei Augen leuchten mir
im Nebel. O Tehura! Und es dringt
wie leise Sphärenklänge auf mich ein,
vom Stern der Liebe. Nah ist die Versöhnung.
O reine Priesterin, nimm weg die Welt
und schenke mir das Nichts, das mir gebührt.
Ich fühle dich, ich sinke in dich! Nichts!

Alles ist im Nebel verschwunden.

 


 


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