Gerhart Hauptmann
Der Biberpelz
Gerhart Hauptmann

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Dritter Akt

Morgens gegen acht Uhr in der Wohnung der Frau Wolff. Auf dem Herd kocht das Kaffeewasser. Frau Wolff sitzt auf einer Fußbank und zählt Geld auf die Platte eines Stuhls. Julius kommt herein, ein geschlachtetes Kaninchen tragend.

Julius. Stich du all bloß det Jeld beiseite.

Frau Wolf, im Berechnen vertieft, grob. I, hab dich nich!

Schweigen. Julius wirft das Kaninchen auf einen Schemel, dann greift er ziemlich unschlüssig nach diesem und jenem und fängt schließlich an, einen Stiefel zu schmieren. Man hört fern ein Jagdsignal blasen.

Julius horcht, dann ängstlich erregt. Ob du woll det Jeld beiseite stichst!

Frau Wolff. Du sollst mich in Ruh' lassen, Julian. Laß du doch den dämlichen Motes blasen. Der is im Walde und denkt an nischt.

Julius. Bring du uns man noch nach Plötzensee!

Frau Wolff. Du sollst kee Blech reden, 's Mädel kommt!

Adelheid kommt, eben aufgestanden. Juten Morjen, Mama!

Frau Wolff. Haste schön geschlafen?

Adelheid. Ihr seid woll fort jewesen die Nacht?

Frau Wolff. Du wirscht woll geträumt haben – nu mach! Trag Holz herzu. Feder a bissel!

Adelheid, mit einer Apfelsine ballend, nach der Tür.

Frau Wolff. Wo hast'n die her?

Adelheid. Von Kaufmann Schöbel. Ab.

Frau Wolff. Du sollst von dem Kerle nischt geschenkt nehmen! – Nu komm amal, Julian! Heer amal druff! Hier hab' ich nu neununfufzig Taler. Das is doch nu eemal mit Wulkown immer. Um eenen wird ma doch immer beschummelt, denn sechszig hat a doch geb'n wollen. – Ich tu' se hier in a Beutel, verstehste! Nu nimm der 'ne Hacke, Julian, geh, mach der hinten im Ziegenstalle a Loch, aber unter der Krippe, wo's trocken is; da kannste a Beutel reintun, heerschte! Un an flachen Steen, den deckste mer drieber. Nu halt dich aber ni lange uff.

Julius. Ick denke, du willst all Fischern wat abzahln.

Frau Wolff. Ob de woll tun kannst, was ich d'r sage. Nu mähr nich erscht lange, haste verstanden?

Julius. Mach du mir nich eklich, sonst kriste wat druff all. Ick jeb' et nich zu, det det Jeld int Haus bleibt.

Frau Wolff. Wo soll's 'n da hinkommen?

Julius. Det nimmste und bringste bei Fischern hin. Du hast ja jesacht all, wir wolln mit wat abzahln.

Frau Wolff. Du bist doch a hagelshorntummer Kerl. Wenn du mich nich hätt'st, da wärschte verloren.

Julius. Schrei du man noch mehr!

Frau Wolff. Da muß man ooch schreien, wenn du aso tumm bist. Da red ni so tumm, da brauch' ich ni schreien. Wenn mir jetzt das Geld zu Fischern bringen, da paß amal uff, was uns da passiert.

Julius. Ick sach' et ja! mit die janze Jeschichte! Wat hab' ick davon, wenn ick sitzen muß!

Frau Wolff. Nu hast aber Zeit, daß de stille bist!

Julius. 'n bißken mehr schriegen kannste woll nich?

Frau Wolff. Ich wer mer deswegen kee ander Maul koofen. Du machst a Hallo . . . ich weeß gar ni wie, wegen so an bissel Geschichte da. Paß du bloß uff dich uff und nich uff mich. Hast a Schlissel schonn in de Spree geschmissen?

Julius. Na, bin ick denn schon ant Wasser jekomm?

Frau Wolff. Nu haste Zeit, daß de Beene machst. Se solln woll a Schlissel bei dir finden? Julius will fort. I, wart amal, Julian! Gib her a Schlissel!

Julius. Wat willst'n mit machen?

Frau Wolff, den Schlüssel an sich nehmend. Das geht dich nischt an, das is meine Sache. Sie steckt den Schlüssel zu sich, schüttet Kaffee in die Kaffeemühle und fängt an zu mahlen. Nu geh in a Stall, denn kommste un trinkst.

Julius. Det hätt' ick man sollen früher jewußt hebben. Julius ab.

Adelheid kommt herein, eine große Schürze voll Knüppelholz bringend.

Frau Wolff. Wo haste das Holz hergenommen?

Adelheid. Na, halt von det neue Knüppelholz.

Frau Wolff. Du sollst von dem neuen Holze nich nehmen.

Adelheid läßt es vor dem Herd auf die Erde fallen. Det schad't doch nischt, Mama, wenn et wechkommt.

Frau Wolff. Was du bloß weeßt! Was fällt'n dir ein? Wer du man erscht trocken hinter a Ohren!

Adelheid. Ick weeß, wo et her is!

Frau Wolff. Was meenste denn, Mädel?

Adelheid. Ick meene det Holz.

Frau Wolff. I, quaßle bloß nich. Das is uff d'r Auktion gekooft.

Adelheid spielt Ball mit der Apfelsine. Ja, ja, wenn't man wah wär'. Det is ja stibietzt.

Frau Wolff. Was is es?

Adelheid. Stibietzt. Det is ja det Holz von Krüjer, Mama. Det hat mir ja Leontine jesacht.

Frau Wolff haut ihr ein Kopfstück. Da haste 'ne Antwort. Mir sein keene Diebe. Nu geh und mach deine Schularbeiten. Und mach se sauber, das sag' ich dir. Ich komme nachher und seh' mersch an.

Adelheid ab ins Nebenzimmer. Ick denke, ick kann jehn Schlittschuh loofen.

Frau Wolff. Und a Konfirmantenunterricht, den haste woll ganz und gar vergessen?

Adelheid. Der is ja erst Dienstach.

Frau Wolff. Morgen is a. Lern du mer ja deine Bibelspriche. Ich komme nacher un ieberheer' dich.

Adelheid hört man im Nebenzimmer laut gähnen, dann sagen. Jesus sprach zu seine Jünger: wer keen Löffel hat, ißt mit de Finger.

Julius kommt wieder.

Frau Wolff. Na, haste's ooch richtig gemacht, Julian?

Julius. Wenn't dir nich jefällt, denn mach't man alleene.

Frau Wolff. Weeß Gott! da tutt ma ooch immer am besten. Sie gießt ihm und sich selbst je eine Obertasse voll Kaffee und stellt sie auf einen Holzstuhl, dazu Brot und Butter. Dahier, trink Kaffee!

Julius, sich setzend und Brot schneidend. Wenn man bloß Wulkow hat fortjekonnt.

Frau Wolff. Na, bei dem Tauwetter.

Julius. Immerzu doch, Tauwetter!

Frau Wolff. Wenn's ooch meinswegen a bissel friert, deswegen wird a nich sitzen bleiben. Der is jetzt schon längst a Stick im Kanale.

Julius. Wenn er man nich noch all an de Brücke liecht.

Frau Wolff. For mir mag a liegen, wo a will.

Julius. Det Wulkow nochmal jehörich rinschliddert, das kannste mir dreiste jlooben, verstehste!

Frau Wolff. Das is seine Sache, nich unsre Sache!

Julius. Denn stecken wir man all ooch in de Patsche. Laß du se man finden den Pels bei Wulkown.

Frau Wolff. Was denn fer'n Pelz?

Julius. Na, Kriejer sein Pels.

Frau Wolff. Red du bloß keen Blech nich zusammen, verstehste. Verbrenn d'r dei Maul nich an fremden Sachen.

Julius. Det betrifft mer ooch all.

Frau Wolff. Dreck betrifft's dich! Das geht dich nischt an. Das sind meine Sachen, nich deine Sachen. Du bist gar kee Mann, du bist a alt Weib. – Hier haste Geld, nu mach, daß de fortkommst. Geh nieber zu Fiebigen, trink an Schnaps; meinswegen mach der an lust'gen Sonntag. Es klopft. Herein! Immer rein, wer de reinwill.

Dr. Fleischer mit seinem fünfjährigen Jungen tritt ein. Fleischer ist siebenundzwanzig Jahr, trägt Jägerianerkostüm, hat kohlschwarze Haare, ebensolchen Schnurr- und Backenbart; seine Augen liegen tief, seine Stimme ist für gewöhnlich sanft. Er verwendet in jeder Sekunde rührende Sorgfalt auf sein Kind.

Frau Wolff, jauchzend. Hach, kommt uns der Philipp amal besuchen! Na, das is schön, das rech'n ich mir aber. Sie bemächtigt sich des Kindes und zieht ihm den Paletot aus. Nu komm, zieh der aus a Paletot. Hier hinne is warm, hier wirschte nich frieren.

Fleischer, ängstlich. Frau Wolffen, es zieht. Ich glaube, es zieht.

Frau Wolff. Wer werd denn so weech gebacken sein! A bissel Zug schad't dem Jungen nischt.

Fleischer. Nein, nein, bewahre. Was denken Sie denn! Im Augenblick hat der Junge was weg. Bewege dich, Philippchen. Immer beweg dich.

Philipp wehrt mit den Schultern ab und quiekt dabei.

Fleischer. Ja, Philippchen, siehst du, sonst wirst du krank. Du brauchst ja bloß langsam hin und her gehen.

Philipp, ungezogen. Ich will aber nich.

Frau Wolff. I, lassen Se'n man.

Fleischer. Guten Morgen, Frau Wolffen.

Frau Wolff. Guten Morgen, Herr Dokter, besuchen Sie uns ooch wieder amal?

Fleischer. Guten Morgen, Herr Wolff.

Julius. Schön juten Morjen, Herr Fleischer.

Frau Wolff. Na, sein Se willkomm'n. Nehmen Se Platz.

Fleischer. Wir wollen uns gar nich lange aufhalten.

Frau Wolff. Na, wenn mer so an scheenen Besuch kriegen, gleich in der Frieh, da wern mer heut ooch an glicklichen Tag hab'n. Vor dem Jungen kniend. Nich wahr, mei Junge, du bringst uns Glick?

Philipp, erregt. Ich bin im zoloschen Darten dewesen, da hab' ich Störche desehn, die haben sich mit goldnen Schnäbeln debeißt.

Frau Wolff. Nee, is woll nich meeglich, du liegst mer was vor. Den Jungen würgend und abküssend. Huch, Junge, ich fress' dich, ich fress' dich reen uf. Herr Fleischer, den Jungen behalt' ich mer. Das is mei Junge. Gelt, du bist mei Junge? Was macht denn de Mutter, hä?

Philipp. Sie is desund, und sie läßt schön drüßen, und Sie möchten doch morgen früh Wäsche waschen.

Frau Wolff. Na, sieh eener an. Aso a Junge. Der kann schonn solche Sachen ausrichten. Zu Fleischer. Na, wollen Se sich nich a bissel setzen?

Fleischer. Der Junge quält mich, er will mal Kahn fahren. Geht's denn?

Frau Wolff. I, freilich. De Spree is frei. Das Mädel kann Ihn ja a Stickl rausrudern.

Fleischer. Der Junge läßt mich nu mal nich locker. Er hat sich das so in den Kopf gesetzt.

Adelheid, an der Tür des Nebenzimmers sichtbar werdend, winkt Philipp. Komm, Philipp, ick wer der was Schönes zeijen.

Philipp kreischt störrisch auf.

Fleischer. Philippchen, hörst du, nicht ungezogen! –

Adelheid. Da sieh man die schöne Apfelsine!

Philipp lacht übers ganze Gesicht, tut ein paar Schritte auf Adelheid zu.

Fleischer. Na geh mal hin, aber ja nicht betteln!

Adelheid. Komm, komm, die essen wir jetzt mitnander. Sie tut ein paar Schritte auf das Kind zu, faßt es bei der Hand, hält ihm mit der freien Hand die Apfelsine vor, und beide begeben sich einträchtig ins Nebenzimmer.

Frau Wolff, dem Jungen nachschauend. Nee, Junge, ich muß dich bloß immer ansehn. Ich weeß nich, wenn ich so'n Jungen seh' . . . – sie nimmt den Schürzenzipfel und schneuzt sich – da is mersch, als wenn ich glei heulen mißte.

Fleischer. Haben Sie nicht mal so'n Jungen gehabt?

Frau Wolff. Na freilich. Aber was nutzt denn das alles! Ma macht 'n ja doch nich wieder lebendig. – Ja sehen Se – das sind so – Lebenssachen.

Pause.

Fleischer. Man muß zu vorsichtig sein mit den Kindern.

Frau Wolff. Da mag ma halt noch so vorsichtig sein. – Was kommen soll, kommt. Pause. Kopfschüttelnd. Was haben Se denn mit Herr Motes gehabt?

Fleischer. Ich? Nichts. Was soll ich mit ihm gehabt haben?

Frau Wolff. Ich meente bloß so. –

Fleischer. Wie alt ist denn Ihre Tochter jetzt?

Frau Wolff. Zu Ostern kommt se doch aus der Schule. Wie is 's denn, wollen Se se haben, Herr Fleischer? Zu Ihn, da geb' ich se gerne ins Dienst.

Fleischer. Warum denn nich? Das wär' gar nicht übel.

Frau Wolff. Das is Ihn a strammer Pursche geworden. Wenn die ooch noch jung is, kann ich Ihn sagen, die arbeit't mit jeder um die Wette. Und wissen Se was: se is manchmal a Strick, se tut manchmal nich gut. Aber tumm is se nich. Die hat Ihn Scheenie.

Fleischer. Das kann ja immerhin möglich sein.

Frau Wolff. Lassen Se die bloß a eenziges Mal was uffsagen – a Getichte, oder was grade is. Da kann ich Ihn aber sagen, Herr Dokter, da komm Se aus der Gänsehaut gar nich raus. Se könn se ja amal reinruffen lassen, wenn Se wieder amal Berliner Besuch hab'n. Zu Ihn kommen doch immer so allerhand Tichter. Die is Ihn treiste, die legt glei los. Se deklamiert Ihn zu wundernscheene! – Verändert. Nu will ich Ihn aber an gutten Rat geben: Se derfen mersch aber nich iebelnehmen. –

Fleischer. 'n guten Rat nehm' ich niemals übel.

Frau Wolff. Uffs erschte: schenken Se nich so viel weg. Das dankt Ihn kee Mensch. Se hab'n doch bloß Undank.

Fleischer. Ich schenke ja gar nicht viel weg, Frau Wolffen.

Frau Wolff. Na ja, ich weeß schonn. Reden Se erscht nich, das macht Ihn bloß de Leite stutzig. Da heeßt's gleich: das is a Temekrat. Und sein S' ock im Reden ja immer recht vorsichtig.

Fleischer. Wie soll ich denn das verstehn, Frau Wolff?

Frau Wolff. Ma kann sich ja denken, was ma will. Im Aussprechen muß ma gar vorsichtig sein. Da sitzt ma im Loch, ma weeß gar nich wie.

Fleischer wird bleich. Na, machen Sie keinen Unsinn, Frau Wolff.

Frau Wolff. Nee, nee, das sag' ich in allen Ernst. – Und nehm Se sich bloß vor dem Menschen in acht.

Fleischer. Vor welchem Menschen meinen Sie denn?

Frau Wolff. Na der, von dem mer vorhin gered't haben.

Fleischer. Vor Motes etwa?

Frau Wolff. Ich nenn' keene Namen. Sie missen doch was mit dem Menschen gehabt haben?

Fleischer. Ich verkehre ja gar nicht mehr mit ihm.

Frau Wolff. Na, sehn Se, das hab' ich mer doch gedacht.

Fleischer. Das kann mir kein Mensch verdenken, Frau Wolffen!

Frau Wolff. Ich verdenk's Ihn ooch nich.

Fleischer. Das wäre noch schöner, mit einem Schwindler . . . mit einem notorischen Schwindler verkehren.

Frau Wolff. Das is ooch a Schwindler, da haben Se schonn recht.

Fleischer. Jetzt is er zur Kuchen-Dreiern gezogen. Die arme Frau kann sehn, wo sie bleibt. Was die etwa hat, das wird sie schon loswerden. Mit so einem Kerl . . . einem förmlichen Zuchthäusler . . .

Frau Wolff. A laßt halt so manchmal Reden fallen . . .

Fleischer. So!? Über mich? Da bin ich neugierig.

Frau Wolff. Se hätten, gloob' ich, was Schlechtes gesprochen, von eener hohen Person oder was.

Fleischer. Hm! was Genaues wissen Sie nicht?!

Frau Wolff. A steckt halt viel mit'n Wehrhahn zusammen. Aber wissen Se was? Ich will Ihn was sagen. Gehn Sie amal hin zur Mutter Dreiern. Die ale Hexe riecht ooch schonn Lunte. Erscht sind s' er doch um a Mund gegangen, jetzt fressen doch die er de Haare vom Koppe.

Fleischer. Ach was, die ganze Sache ist Unsinn!

Frau Wolff. I, gehn Se zur Dreiern, das kann nischt schaden. Die hat mer ane Geschichte erzählt . . . A hat se zum Meineid verleiten wollen. Da hab'n Se da ganzen Kerl in der Hand.

Fleischer. Ich kann ja mal hingehn, meinetwegen. Aber schließlich ist mir die Sache egal. Das müßte doch mit'm Deibel zugehn, wenn so'n Kerl . . . der soll doch mal ankommen. – Du, Philipp, Philipp! Wo bist du denn? Wir wollen jetzt gehn.

Adelheids Stimme. Wir sehn uns so schöne Bilder an.

Fleischer. Was sagen Sie übrigens zu der Geschichte?

Frau Wolff. Zu welcher?

Fleischer. Sie haben noch gar nichts gehört?

Frau Wolff, unruhig. Nee, was ich Ihn sage. – Ungeduldig. Mach, Julian, geh, daß de zeitig wieder zu Mittage da bist. Zu Fleischer. Mer ham heite a Kaninchen geschlacht. Biste noch nich fertig, Julian?

Julius. Na, laß mer bloß man meine Mitze suchen.

Frau Wolff. Ich kann das nich sehn, wenn eener so dämelt – so: kommste heite nich, kommste morgen. Bei mir muß alles vom Fleck gehn.

Fleischer. Heut nacht ist bei Krüger ge . . .

Frau Wolff. Sein Se stille! Lassen Se mich mit dem Manne zufrieden! Uf den hab' ich eene solche Bost! Der Mann hat mich Ihn zu tief gekränkt. Wie mir beede mitnander gestanden haben, und macht mich so schlecht vor allen Leuten. Zu Julius. Na, gehste nu, oder gehste nich?

Julius. Ick jeh' schon, rege dir man nich uff. Ick wünsch' all juten Morjen, Herr Fleischer!

Fleischer. Guten Morgen, Herr Wolff.

Julius ab.

Frau Wolff. Na, wie gesagt –

Fleischer. Ja, wie ihm das Holz gestohlen wurde, da hat er sich wohl mal mit Ihnen gezankt? Von damals das hat er längst bereut.

Frau Wolff. I, der und bereuen!

Fleischer. Nu was ich Ihnen sage, Mutter Wolffen. Und überhaupt nach der letzten Geschichte. Sie stehen bei dem Manne groß angeschrieben. 's beste wär', Sie vertrügen sich wieder.

Frau Wolff. Mer hätten vernimft'g reden kenn. Aber gleich mit der Polizei – nu nee!

Fleischer. Die alten Leutchen sind wirklich schlimm dran: das Holz vor acht Tagen, heute der Pelz . . .

Frau Wolff. Nu raus mit der großen Neuigkeit.

Fleischer. Sie haben halt wieder mal eingebrochen.

Frau Wolff. Gestohlen? Machen Se bloß keenen Unsinn.

Fleischer. Und zwar einen nagelneuen Pelz.

Frau Wolff. Nee, wissen Se, nächstens zieh' ich fort. Das is ja eine Bande dahier! Da is ma ja seines Lebens nich sicher! Z! Z! Solche Menschen! Ma sollt's nich glooben!

Fleischer. Nu können Sie sich denken, was für'n Hallo ist.

Frau Wolff. Das kann man den Leiten nich verdenken.

Fleischer. Und wirklich, 's war'n recht teures Stück, ich glaube, Nerz.

Frau Wolff. Is das aso ähnlich wie Biber, Herr Fleischer?

Fleischer. Ach, 's kann sogar Biber gewesen sein. Die Leutchen waren ganz stolz darauf. – Das heißt: gelacht hab' ich doch im stillen. Wenn so was entdeckt wird, das wirkt immer komisch.

Frau Wolff. Sie sin aber wirklich unbarmherzig. – Ieber so was kann ich nich lachen, Herr Fleischer!

Fleischer. Na denken Sie, daß mir der Mann nicht leid tut?

Frau Wolff. Was missen bloß das fer Menschen sein! Das will een doch gar nich in a Kopp. So andere Leute ums Ihrige bringen – nee, da lieber arbeiten, bis ma hinfällt.

Fleischer. Könnten Sie denn nich mal so'n bißchen rumhorchen? Ich glaube, der Pelz ist im Orte geblieben.

Frau Wolff. Nu haben Se denn uff niemand Verdacht?

Fleischer. Da hat so' ne Waschfrau bei Krüger gewaschen . . .

Frau Wolff. De Millern?

Fleischer. Die hat so 'ne große Familie . . .?

Frau Wolff. 'ne große Familie hat die Frau, aber stehlen . . . nee. A bissel mausen, ja!

Fleischer. Natürlich hat sie Krüger gejagt.

Frau Wolff. Das muß doch rauskommen, Schwerenot. Das mißte doch mit'n Teifel zugehn. Na, wenn ich bloß Amtsvorsteher wär'. Der Mann is Ihn aber tumm . . . nee, horndumm. Ich seh' durch mei Hiehnerooge mehr wie der durch sei Glasooge, könn Se mer glooben.

Fleischer. Das glaub' ich beinahe.

Frau Wolff. Das kann ich Ihn sagen, wenn's druff ankommt: dem stehl' ich a Stuhl unterm Hintern weg.

Fleischer ist aufgestanden, ruft lachend ins Nebenzimmer. Komm, Philipp, komm, wir müssen jetzt gehn. Adieu, Mutter Wolffen.

Frau Wolff. Zieh dich an, Adelheid. Du sollst a Herr Fleischer a Stickl rudern.

Adelheid kommt, die letzten Knöpfe am Halse knöpfend, führt Philipp an der Hand. Ick bin ja schon fertig. Zu Philipp. Komm her, du, ick nehme dir uff'n Arm.

Fleischer, besorgt und beim Anziehen behilflich. Nur ja gut einpacken. Er ist zu anfällig. Und auf dem Wasser wird's windig sein.

Adelheid. Ick wül man voraufjehn, 'n Kahn zurechtmachen.

Frau Wolff. Wie geht's Ihn denn jetzt mit Ihrer Gesundheit?

Fleischer. Viel besser, seit ich hier draußen lebe.

Adelheid, in der Tür, ruft zurück. Mama, Herr Krüger.

Frau Wolff. Wer kommt?

Adelheid. Herr Krüger.

Frau Wolff. Is woll nich meeglich!

Fleischer. Er wollte den Morgen zu Ihnen kommen. Ab.

Frau Wolff wirft einen schnellen Blick auf den Haufen Knüppelholz und beginnt resolut, ihn wegzuräumen. Komm, Mädel, hilf, daß mersch Holz wegkriegen.

Adelheid. Warum denn, Mama? Ach, wegen Herr Krüger.

Frau Wolff. Weswegen denn sonst, tumme Gans! Geheert sich das woll, wie das bei uns aussieht? Is das ane Art am Sonntagmorgen? Was soll denn Herr Krieger von uns denken? Krüger erscheint, echauffiert, die Wolffen ruft ihm entgegen. Herr Krieger, sehn Se sich ock nich um. Bei uns sieht's noch gar sehr schrecklich aus.

Krüger, sich überhastend. Chuten Morgen! Chuten Morgen! Das lassen Sie kut sein. Sie kehn die kanze Woche auf Arbeit, da kann am Sonntag nicht alles kefegt sein. Sie sind eine ordentliche Frau. Sie sind eine ehrliche Frau, Frau Wolffen. Und was zwischen uns ist vorkefallen, das wollen wir känzlich verkessen, denk' ich.

Frau Wolff, gerührt, mit dem Schürzenzipfel zuweilen die Augen trocknend. Ich hab' niemals nischt gegen Ihn gehabt. Ich hab' immer gern bei Ihn gearbeit. Aber da Se halt gleich aso heftig wurden – da geht halt de Bost ooch amal mit een durch, 's hat een ja leed genug getan.

Krüger. Sie kommen wieder und waschen bei uns. Wo ist Ihre Tochter, die Leontine?

Frau Wolff. Sie is mit Grienkohl beim Postvorsteher.

Krüger. Das Mädchen keben Sie wieder zu uns. Statt zwanzig bekommt sie dreißig Taler. Wir waren sonst immer mit ihr zufrieden. Verkeben und verkessen wir alles. Er reicht ihr die Hand, die Wolffen schlägt ein.

Frau Wolff. Das hätte ja alles gar nich sein brauchen. Das Mädel is halt noch a tummes Kind. Mir Alten ham uns doch immer vertragen.

Krüger. Die Sache ist also abkemacht. Verschnaufend. – Da bin ich doch wenigstens so weit beruhigt. – Nu sagen Sie bloß. Was mir passiert ist. Was sagen Sie dazu?

Frau Wolff. Ach, wissen Se, nee . . . ich sage schonn gar nischt.

Krüger. Da haben wir nun diesen Herrn von Wehrhahn. Die ehrlichen Bürger kujonieren, Schikanen und Quälereien erdenken. In was steckt der Mann seine Nase nicht alles!

Frau Wolff. Bloß wo a se haben soll, hat a se nich.

Krüger. Ich kehe jetzt hin und mache die Anzeige. Ich lasse nicht locker, die Sache muß rauskommen.

Frau Wolff. Das lassen Sie ja nich sitzen, Herr Krieger.

Krüger. Und wenn ich soll alles auf den Kopf stelln. Meinen Pelz werd' ich wiederbekommen, Frau Wolff.

Frau Wolff. Hier muß amal richtig gereenigt werden, daß amal Ruhe wird in dem Nest. Die stehlen een ja sonst's Dach ieberm Koppe.

Krüger. Nu denken Sie sich um Chottes willen! In vierzehn Tagen zwei solche Diebstähle! Zwei Meter Knüppel, wie Sie dort haben. Er nimmt einen der Knüppel in die Hand. So chutes, teures Holz, Frau Wolff.

Frau Wolff. Nee, ärgern könnt' ma sich, daß ma grien wird. Was hier fer ane Bande sitzt . . . Pfui Teifel! Nee so was! äh! Laßt mich zufriede!

Krüger ficht wütend mit dem Knüppel in der Luft herum. Und wenn's mich tausend Taler kost, ich werde den Tieben schon auf die Spur komm. Die Leute entkehen dem Zuchthause nicht.

Frau Wolff. Das wär' ooch a Segen. Wahrhaft'gen Gott!

 


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