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Die »Phantasien im Bremer Ratskeller« verdanken ihre Entstehung dem Aufenthalte Hauffs in der altehrwürdigen und berühmten Hansastadt, die er auf der Rückreise von Paris aus – über Aachen, Köln, Kassel und Göttingen kommend – im Sommer des Jahres 1826 besuchte. Er traf dort mit Freunden seines Vetters Grüneisen und mit Verwandten der Familie Klaiber zusammen. Von allen Seiten brachte man ihm aufrichtige Sympathie entgegen; alle freuten sich, den lebenslustigen, gewandten, jungen Schriftsteller, den Verfasser der »Memoiren«, den mutigen Bekämpfer des Claurenkultus kennen zu lernen. »Ich bin unaussprechlich glücklich,« schrieb er von hier aus an die Seinen, »ich habe etwas geleistet und fühle, daß, ich noch Höheres leisten kann; ich bin geachtet, geehrt, geliebt und, was das Höchste ist, ich weiß, daß zu Hause ein Wesen meiner wartet, das mich zum Glücklichsten aller Sterblichen machen wird.« In Gesellschaft der vorhin erwähnten Freunde hat er natürlich auch dem schon damals als Sehenswürdigkeit bekannten Bremer Ratskeller einen Besuch abstatten müssen, und es ist wohl möglich, daß er dabei die Bekanntschaft einiger der Weingeister, die er später in den Phantasien personifizierte und zu Worte kommen ließ, in der oder jener Form wirklich gemacht hat. Jedenfalls waren es Erinnerungen der erfreulichsten Art, die ihm einige Wochen nach seiner Rückkehr in die Heimat, die Feder in die Hand drückten und ihn – in dankbarem Gedenken der fröhlichen Stunden, die er im Kreise seiner ehemaligen Gastgeber verleben durfte – zum Lobe des deutschen Weines, zu einem historisch-poetischen Denkmale des Bremer Ratskellers begeisterten. Alle anderen Werke Hauffs haben schon zur Zeit ihres Erscheinens neben der meist anerkennenden Kritik zu mancherlei Ausstellungen Anlaß gegeben; über die »Phantasien« ist irgend ein absprechendes Urteil nie laut geworden. Man hat sogar diese an Umfang so kleine Arbeit die vorzüglichste unseres Dichters genannt. Ob mit Recht? In poetischer Beziehung ist sie zusammen mit jener kurzen den Märchen vorangestellten Einleitung, der Erzählung von dem Walten der Königin Phantasie, entschieden in die erste Reihe zu setzen. Es liegt über ihr, so natürlich sie sich sonst darstellt, so leicht sie hingeworfen scheint, ein Hauch jugendfrischen Lebensmutes, studentisch-fidelen, urwüchsigen Treibens, aber auch tief-ernster Wehmut. Mit diesem Wechsel des Tones paart sich eine Reihe scheinbar völlig divergierender und doch mühelos in Zusammenhang gebrachter Gedankenketten. Bilder aus der eignen Vergangenheit, die der Dichter in stiller Einkehr in sich selbst an seiner Seele vorüberziehen läßt, und Erinnerungen aus der deutschen, beziehungsweise Bremer Geschichte gehen Hand in Hand mit dem Streben, die Geister der verschiedenen Weinsorten nach Geschmack und Stärke zur Geltung zu bringen und die Vorzüge des Rheinweins gegenüber den »gefärbten«, »von allerlei Schnaps und Syrup gebrauten« ausländischen Marken zu preisen. Manch übermütiges Wörtlein des munteren Bacchus, manch kräftiges Wort des steinernen Roland dringt da an das Ohr des »zum Doktor der Philosophie graduierten Menschen«, der es wagte, zur Geisterstunde des 1. September in jenen geheimnisvollen Räumen zu trinken und – zu träumen. Ein buntes, lustiges Durcheinander, der Stimmung, der die »Phantasien« entsprechen sollen, ganz angepaßt, bieten sie in rascher Aufeinanderfolge in einer Sprache, die – frei von allem unnötigen Beiwerk – sich wesentlich von der Ausdrucksweise der »Memoiren« und des »Mannes im Mond« unterscheidet. Hier spricht wieder einmal der echte, unverfälschte Hauff, unbeeinflußt von aller fremden Manier, zu uns, und das macht uns dieses kleine, anspruchslose Kabinettstück besonders wertvoll.
Die »Phantasien im Bremer Ratskeller« wurden zunächst in W. Härings (Wilibald Alexis) »Berliner Konversationsblatt für Poesie, Literatur und Kritik« (Nummer 90 bis 103 v. Jahre 1827) abgedruckt. Als Buch erschienen sie – mehrfach verändert – im Herbst 1827 bei Gebrüder Franckh in Stuttgart.
»Die Bücher und die Leserwelt« verfaßte Hauff im Sommer 1826 für das »Morgenblatt«, wo die Skizze unter dem Titel »Bilder von W. H.« in Nr. 85 bis 90 steht. Nach seinem Tode veranstalteten einige seiner Freunde eine Sammlung der in verschiedenen Zeitschriften abgedruckten kleineren Aufsätze unter dem Namen »Phantasien und Skizzen« (vgl. Einleitung zu den Gedichten ds. Ausg., S. 5), die außer »Die Bücher und die Leserwelt« noch »Freie Stunden am Fenster«, den »Hochzeitsgruß an C. Grüneisen« und »Ein paar Reisestunden« enthalten. Die in den Kapiteln »Die Leihbibliothek« und »Geschmack des Publikums« mitgeteilten Beobachtungen des Dichters sind natürlich nicht wörtlich zu nehmen, immerhin aber beachtenswert für den damaligen Stand der deutschen Unterhaltungsliteratur. Auch in »Der große Unbekannte« und »Besuch im Buchladen« übertreibt der Verfasser selbstredend bezüglich der Übersetzungsfabrik in Scheerau; in welch unglaublicher Menge aber Scotts Werke in jener Zeit in Deutschland verbreitet waren, dafür diene die folgende Notiz als Beleg. 1825 schon hatten Gebr. Schumann (Zwickau) im Intelligenzblatte eine Taschenausgabe sämtlicher Werke W. Scotts angekündigt, die in 79 Bänden (8 Groschen für den gehefteten, 9 für den gebundenen) 20 Romane enthalten sollte. Im Anschlüsse hieran gaben die Verleger bekannt, daß infolge der kürzlich von anderer Seite angepriesenen zwei neuen Taschenausgaben, »die übrigens völlig unnötig sind, da die Scottschen Romane fast alle vier- bis sechsmal auf deutschen Boden verpflanzt wurden,« sich veranlaßt sähen, eine ganz wohlfeile Ausgabe erscheinen zu lassen, 200 – 300 Seiten auf das schönste Velinpapier gedruckt für je 4 Groschen. Im Intelligenzblatt Nr. 5 für 1826 stellten sie die Möglichkeit einer noch billigeren Ausgabe, wie sie jetzt schon von drei Seiten (Gebr. Franckh, Stuttgart; Gerhard, Danzig und die Henningssche Buchhandlung in Gotha) geplant sei, in Zweifel. Darauf antworteten Gebr. Franckh in Nr. 2 des Intelligenzblattes für 1827, daß von 30000 Exemplaren ihrer Taschenausgabe (jedes Bändchen etwa 130 Seiten, broschiert 9 Kreuzer) nur noch wenige vorrätig seien, »ein erfreulicher Beweis für die Fortschritte des Volkes in der Kultur und geistigen Bildung.«
Die »Freien Stunden am Fenster« erschienen zuerst 1826 in Fausts »Eremit in Deutschland«. Schon der Titel erinnert an Hoffmanns »In Vetters Eckfenster«, und Hauff erwähnt dieses Werk selbst in Nr. 7 seiner »Ritter von Marienburg«, wo er sagt: »Doktor Zündler hat, um sich zum Dichter zu bilden, viel gelesen und hat den großen Menschenkennern bald abgemerkt, daß sie auf Originale Jagd machen. Er stellt sich daher alle Tage zwei Stunden mit seinem Glas unter das Fenster und stellt Betrachtungen über die Menschen an, wie der selige Hoffmann in Vetters Eckfenster, nur, behauptet man mit verschiedenem Erfolg. Denn der selige Kammergerichtsrat guckte durch das Kaleidoskop, das ihm eine Fee geschenkt, der Doktor Zündler aber durch ein ganz gewöhnliches Opernglas ...« – Im Manuskript ist das 1. Kapitel, das in der Ausgabe keine Überschrift trägt, »Der Junggeselle« überschrieben, dagegen fehlt im Original die Überschrift zu Nr. III., IV., V. und VI. Nr. VII., »Die deutsche Literatur«, bricht in der Ausgabe mit dem Satze ab: »Sie (nämlich Goethe, Tieck, Jean Paul) haben für die Ewigkeit geschrieben, aber nicht für unser Volk.« Im Manuskripte schließt sich noch eine längere Kritik Claurens daran, deren Wortlaut die unserer Ausgabe enthalten.
Anhangsweise wurden in der vorliegenden Ausgabe nach dem von H. Hofmann in seiner Hauff-Biographie (Frankfurt a. M. Diesterweg 1902) S. 270 ff. mitgeteilten Wortlaute aus dem Nachlasse des Dichters drei weitere Skizzen veröffentlicht. Von der ersten derselben, »Das Fischerstechen« überschrieben, nahm man bisher an, sie sei der Entwurf zu jenem Singspieltexte, den Hauff dem aus Stuttgart stammenden Komponisten Julius Benedikt, damals Kapellmeister am Theater San Carlo in Neapel, versprach, als ihn dieser bei einem Besuche in der Heimat im Sommer 1827 um eine solche Dichtung bat. Seitdem man indessen die unter III abgedruckten, unbetitelten aber ausgeführten Szenen fand, hält man sie für das Fragment des geplanten Singspiels, wobei natürlich nicht ausgeschlossen ist, daß Hauff ursprünglich das Fischerstechen bearbeiten wollte, es aber dann aus unbekannten Gründen fallen gelassen und sich jenem anderen Stoffe zugewandt hat. Die in oft wörtlichem Anschluß an »Wallensteins Lager« abgefaßte Parodie hat zwar keine hohe poetische Bedeutung; sie ist aber als kleiner humoristischer Beitrag etwa für eine Kneipzeitung ganz willkommen gewesen und als einer der wenigen dramatischen Versuche Hauffs, als Beweis zugleich für seine kecke, burschikose Art gewiß manchem interessant.