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Der gebackene Kopf

.Herr!« fing der vierte der Sklaven zu erzählen an, »als ich noch in Stambul verweilte, begab sich daselbst folgende sonderbare Geschichte. Als der jetzige Sultan, den Allah beschützen möge, den Thron seiner Väter bestieg, fand er, daß unter den früheren Regierungen mancher gute Gebrauch abgekommen war und dafür andere Sitten in Schwung kamen, die eigentlich von den Ungläubigen herrühren. Der Sultan, ein guter Muselmann und ein Schild des Glaubens, hielt es für seine Pflicht, nach dem einfacheren Sinn der früheren Beherrscher der Erde zu tun und zu regieren, wie es einem echten Muselmann geziemt. So geschah es, daß er selbst eine Sitte wieder aufnahm, die beinahe gänzlich verschwunden war, nämlich die Sitte, verkleidet die Stadt zu durchwandern und zu schauen, ob alles so geschehen sei, wie er befohlen, und zu hören, wie seine Untertanen von ihm denken. Aber um unerkannt und sicher zu gehen, wählte er nicht nur so behutsam als möglich seine Verkleidung, sondern er gebrauchte auch alle mögliche Vorsicht, sein Geheimnis nur solchen Leuten anzuvertrauen, auf die er gewiß rechnen konnte; auch erfand er selbst allerlei geheime Entwürfe, um nicht erkannt zu werden.

Vor kurzer Zeit entstand große Unruhe in der Türkei, man war unzufrieden mit manchen Maßregeln der Regierung, und es war an dem, daß in Stambul selbst ein Aufruhr ausbrach. Der Sultan war daher bemüht, die Gesinnung der Leute so sorgfältig als möglich kennen zu lernen, und wie er vorsichtig war in seinem Geheimnis, ersann er diesmal einen Anzug, in welchem ihn niemand, nicht einmal seine nächsten Umgebungen, kennen sollten.

Er pflegte zu diesem Zweck nach verschiedenen Schneidern zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten zu schicken, um sie Anzüge für ihn machen zu lassen. Und diesmal befahl er seinem Leibsklaven Mansuri, ihm einen Schneider, der schlecht und unberühmt wäre, und zwar, um sicherer zu sein, um Mitternacht zu suchen, damit er ihm seinen Willen kund tue wegen des Anzuges.

Der Leibsklave Mansuri machte sein Walch-Ustum (bei meinem Haupte sei es) in tiefster Demut und ging, die Befehle seines Herrn zu vollbringen.

Neben dem Tore des Bezesten oder Kleidertrödlers bemerkte er einen alten Mann in einer Bude, die so eng war, daß er sich nur mit Mühe darin umwenden konnte; er war damit beschäftigt, einen alten Mantel zu flicken. Von langer Arbeit war sein Rücken auf den Tisch, an dem er arbeitete, heruntergekrümmt, und seinen Augen schien dieser Fleiß schlecht bekommen zu sein, denn ein Paar große Brillengläser waren auf seine Nase geklemmt. »Ha! das ist gerade ein Mann, wie ich ihn nötig habe,« sprach bei sich der Sklave, »ich wollte wetten, der kann nicht berühmt sein.« Der Mann aber war mit seiner Flickerei so beschäftigt, daß er es nicht beachtete, als Mansuri zu ihm sprach: »Friede sei mit Euch«; und als er aufsah und den schön gekleideten Herrn erblickte, der, wie er glaubte, gerade eben gesprochen hatte, so setzte er ruhig seine Arbeit fort und erwiderte nicht einmal das gewöhnliche Wort auf den Friedensgruß; denn wie konnte er sich auch einbilden, daß dieser Gruß einem so ärmlichen Kerl, als er war, gelten könnte?

Endlich aber, da er bemerkte, daß doch er von dem Herrn betrachtet werde, so nahm er die Brille von der Nase, legte sein Flickwerk auf die Seite und wollte eben mit Mühe sich auf seine Beine stellen, als jener ihn verhinderte und bat, sich durchaus nicht stören zu lassen.

»Wie heißt Ihr?« fragte Mansuri.

»Abdallah,« erwiderte der Schneider, »Abdallah, aufzuwarten; jedoch meine Freunde und überhaupt die Leute nennen mich Babadul.«

»Ihr seid ein Schneider, nicht wahr?« fuhr der Sklave fort.

»Ja,« erwiderte jener, »ich bin ein Schneider; ebensogut als der Muezzin nächst der kleinen Moschee auf dem Fischmarkte. Was weiter?«

»Nun, Babadul,« sagte Mansuri, »wollet Ihr etwas verdienen, etwas Tüchtiges verdienen?«

»Wie? Bin ich ein Narr,« rief der Alte, »daß ich es nicht wollte? Sagt an, wie? wo?«

»Ruhig, ruhig, mein Freund!« entgegnete der Sklave. »Wir müssen sachte und sicher gehen. Wollet Ihr Euch um Mitternacht die Augen verbinden und Euch dahin führen lassen, wohin ich will, wenn Ihr dadurch etwas Tüchtiges verdienen könnt?«

»Ja, das ist ein ander Ding!« sagte Babadul bedächtlich; »die Zeiten sind jetzt bedenklich; es fliegen Köpfe links, Köpfe rechts, ein armseliger Schneiderkopf ist ebenso leicht abzutun als der eines Kapudanpascha oder Wesir. Doch wenn Ihr gut bezahlt, ich glaube, ich hätte das Herz, für zwei Alis, dem Argen selbst, Rock und Hosen zu machen.«

»Ihr schlaget also ein?« sagte Mansuri, indem er ihm zugleich zwei Goldstücke in die Hand drückte.

»Die Hand darauf,« erwiderte Babadul, »ich schlage ein; sagt mir nur, was ich tun soll; und – auf mich könnet Ihr Euch verlassen.« Sie verabredeten, daß Mansuri um Mitternacht in die Bude kommen und ihn mit verbundenen Augen hinwegführen sollte.

Als Babadul allein war, nahm er seine Arbeit wieder zur Hand und dachte, was doch das sein könnte, woran er etwas Tüchtiges verdienen sollte. Und weil es ihn drängte, seinem Weibe sein gutes Glück mitzuteilen, schloß er früher als gewöhnlich seine Bude und ging in sein Haus, das unweit der kleinen Moschee auf dem Fischmarkt lag; er selbst war Muezzin der Moschee.

Sein Weib, die alte Dilfrib, war beinahe ebenso erstaunt wie ihr Mann über das unverhoffte Glück; und auf die zwei Goldstücke hin und in Erwartung dessen, was erst noch kommen sollte, tischten sie sich eine Schüssel voll rauchender Kabobs, einen Salat, getrocknete Weinbeeren und Süßigkeiten auf; nachher nahmen sie Kaffee zu sich, so heiß und bitter ihn nur immer die Alte machen konnte.

Wie man übereingekommen war, fand sich Babadul um Mitternacht in seiner Bude ein, wo ihn ebenso pünktlich Mansuri abholte. Ohne ein Wort zu sprechen, ließ sich der Alte die Augen verbinden; der Sklave nahm ihn bei der Hand, führte ihn durch viele Umwege und erreichte endlich das Serail des Sultan. Hier verweilten sie nur so lange, bis Mansuri das geheime Pförtchen von Eisen geöffnet hatte, und nun führte er den Schneider in die innersten Teile der Gemächer des Sultans. In einem dunkeln Zimmer wurde ihm die Binde von den Augen genommen; es war nur sparsam erhellt durch eine Lampe, die auf dem Gesims stand, das rings um die Wände lief; sonst war das Zimmer mit Sofas von reichem Goldstoff und mit köstlichen Teppichen ausgerüstet. Hier erhielt Babadul den Befehl, sich zu setzen, bis Mansuri wieder zurückkam mit einem Bündel, in ein Tuch eingeschlagen. Als das Bündel geöffnet wurde, zeigte sich eine Art von Derwischhabit, und Mansuri sagte ihm, er solle ihn betrachten, um zu bestimmen, in welcher Zeit er einen ähnlichen fertigmachen könnte. Dann sollte er ihn wieder gehörig in das Tuch einschlagen und zurückgeben; er selbst werde bald wieder zurückkommen und ihn abholen. So sprach Mansuri und verließ ihn.

Nachdem der Schneider den Anzug hin und her gedreht, Stich für Stich berechnet hatte und zu einem Schluß gekommen war, legte er ihn wieder in das Tuch, wie er geheißen worden war; doch kaum war er damit fertig, als ein Mann, majestätisch und erhaben in seinem Gang und Wesen, dessen hoher Blick den armen Schneider zittern machte, in das Zimmer schritt, das Bündel aufhob und wegging, ohne ein Wort zu sagen.

Wenige Augenblicke nachher, als Babadul noch nachdachte, wie sonderbar dies alles sei, und sich nachgerade von seinem Zittern erholte, tat sich eine Türe an einer anderen Seite des Zimmers auf, und eine geheimnisvolle Gestalt, reichgekleidet, trat ein; sie trug ein Bündel, in ein ähnliches Tuch geschlagen, und etwa von derselben Größe wie das, welches der Majestätische hinweggenommen, machte vor dem Schneider eine tiefe, tiefe Verbeugung, schien in großer Verlegenheit, näherte sich, legte das Bündel zu seinen Füßen nieder, küßte den Boden, ging ebenso wieder zurück ohne ein Wörtchen zu sprechen, ja, ohne nur den Blick zu erheben.

»He!« sprach Babadul bei sich; »recht artig sieht das alles aus, und ich stelle wohl eine gewaltig hohe Person vor; aber sicher ists, daß ich lieber alte Mäntel in meiner Bude flicken möchte als einen solchen Schnitt zu machen, so groß und einträglich er auch sei. Wer weiß, wozu man mich hier braucht? Das Hereinfahren und Abfahren dieser absonderlichen Leute, die keine Zungen in ihren Köpfen haben mögen, verspricht nichts Gutes. Ich wollte, sie machten weniger Bücklinge und mehr Worte, daß man doch auch wüßte wo hinaus? Man hat mir von armen Weibern erzählt, die man in Säcke eingenäht und elendiglich ins Meer geworfen hat. Wer weiß, ob ich nicht eine solche Näterei machen soll?«

So weit war er in seinem Selbstgespräch, als Mansuri wieder ins Zimmer kam und ihm nichts sagte als, er solle das Bündel aufheben. Dies getan, wurden ihm wieder die Augen verbunden, und man brachte ihn in die Bude, woher man ihn abgeholt hatte. Babadul tat, wie sie ausgemacht hatten, keine Frage, sondern versprach dem Sklaven, daß in drei Tagen der Anzug in der Bude fertig liegen sollte, wofür er noch zehn Goldstücke mehr bekommen würde.

Nachdem sein Begleiter ihn verlassen hatte, ging er in Eile nach Hause, wo, wie er wußte, sein Weib ungeduldig auf ihn wartete; er wünschte sich unter dem Weitergehen Glück, daß er endlich einen rechten Schnitt machen könnte und daß noch in seinen alten Tagen sein Schicksal eine so günstige Wendung genommen. Es mochte zwei Uhr des Morgens sein, als er auf seine Schwelle trat.

Seine Frau empfing ihn mit den Ausdrücken großer Ungeduld, und als er ihr nun das Bündel vor ihr Gesicht hielt, wie sie die Lampe vor sein Gesicht, und sprach: »Mujdeh! gib mir Lohn, denn ich bringe gute Kunde; siehe, ich habe mein Geschäft erhalten, und wenn ich fertig bin, so werden wir schön bezahlt –«, da war sie voll Lächeln und guter Dinge.

»Laß das Bündel liegen bis morgen und laß uns jetzt zu Bette gehen, es ist spät!« sagte der Schneider.

»Nein, nein,« erwiderte die Frau, »ich muß zuvor sehen, was du zu arbeiten bekommen hast, oder die Neugierde läßt mich kein Auge zutun.« Und so öffnete sie das Bündel, während er die Lampe hielt. Aber – man denke sich, man denke sich den Schrecken des Schneiders und seiner Frau, als sie statt eines vollständigen Anzugs in ein Tuch gewickelt, im schrecklichsten, widerlichsten Zustande – einen Menschenkopf entdeckten!

Er entgleitete der Frau aus der Hand und kollerte einige Schritte hin, indem die beiden, vom Schrecken niedergedonnert, das Gesicht mit beiden Händen bedeckten und sich dann gegenseitig mit Blicken anschauten, die niemand beschreiben kann.

»Arbeit!« rief das Weib. »Arbeit! ha! schöne Arbeit hast du gemacht. War es nötig, so weit zu gehen und so sich vorzusehen, um dieses Unheil über unsere Häupter zu bringen? Bringst du den Totenkopf da nach Hause, um einen Anzug daraus zu schneiden?«

»Anna senna! Baba senna! Fluch seiner Mutter, Fluch seinem Vater!« so rief der arme Schneider aus, »mich also in den Kot zu setzen! Ahnete es nicht mein Herz, als dieser Hund von einem Sklaven mir von Augenverbinden und Stillschweigen schwatzte? Ich dachte, so wahr ich ein Muselmann bin, nicht daran, daß der Schnitt, den ich machen solle, einen Anzug betreffe, und wahr genug hat mir der Hundesohn einen Kopf aufgehängt! Allah! Allah! Was nun anfangen? Den Weg nach seiner Wohnung weiß ich nicht, sonst wollte ich ihn zurücktragen und ihm den Kopf an die Stirne werfen. Ach! wir können den Bostandschi Baschi und hundert andere Baschi alle Augenblicke hier haben und dann das Blutgeld zahlen müssen oder, Gott weiß, gehangen, ersäuft oder aufgespießt werden! Was beginnen? Ach, Dilfrib, meine Seele, sprich?«

»Was tun, du Tropf?« sagte sein Weib »den Kopf loswerden, das sollen wir beginnen; ich weiß nicht, warum wir uns allein damit anführen lassen sollen?«

»Aber der Tag wird bald anbrechen,« erwiderte der Schneider, »und dann ists zu spät. Jetzt gleich müssen wir einen Entschluß fassen!«

»Mir fällt was ein«, sagte die Alte. »Jetzt eben heizt unser Nachbar, der Bäcker Hassan, seinen Ofen und fängt bald darauf an, das Brot für seine Frühkunden zu backen. Er hat oft allerlei Sachen aus den Häusern der Nachbarschaft zu backen, die man in der Nacht neben sein Ofenloch setzt. Stecke ich nun den Kopf in einen von den irdenen Töpfen hier und sende ihn zum Backen hin, so bekommt es niemand heraus, bis es geschehen ist, und dann brauchen wir ja nur nicht hinzuschicken, und der Kopf – bleibt in des Bäckers Händen.«

Babadul bewunderte den Witz seines Weibes, und sogleich machten sie sich an die Arbeit. Als der Kopf in der Bratpfanne lag, paßten sie einen Augenblick ab, wo niemand in der Nähe war, und setzten die Pfanne auf die Erde in eine Reihe mit den andern Dingen, die in Hassans Ofen kommen sollten. Das alte Paar verrammelte dann doppelt die Haustüre und legte sich nieder, und sie freuten sich, noch die schönen Tücher erobert zu haben, worein der Kopf gewickelt gewesen war.

Hassan, der Bäcker, und sein Sohn Mahmud waren eben im Begriff, den Ofen zu heizen, und schoben haufenweise dürre Dornen, Späne und altes Holz hinein, als sie auf das wunderliche Wimmern und Bellen eines Hundes aufmerksam wurden. Es war dies ein Hund aus der Nachbarschaft, der wegen der kleinen Brotbissen, welche hie und da abfielen, sich gewöhnlich beim Ofen einfand und den Hassan und sein Sohn gerne leiden mochten.

»Sieh einmal nach, Mahmud«, sprach der Vater zum Sohn. »Schau, was mit dem Hunde ist! Was wittert er nur Besonderes?«

Der Sohn tat, wie der Vater befahl; da er aber nichts Besonderes sah, sagte er: »Bir chey yock, es ist nichts« und jagte ihn hinweg.

Doch das Heulen und Bellen hörte nicht auf; drum ging Hassan selbst hin und sah, wie der Hund vor der Schüssel des Schneiders stand und unaufhörlich daran schnupperte und hinaufsah. Er sprang auf Hassan, dann an den Topf, dann wieder auf Hassan, bis endlich dieser nicht länger im Zweifel war, daß der Inhalt des Topfes ihn sehr interessiere. Er nahm daher behutsam den Deckel ab – aber – man denke sich sein Entsetzen und Erstaunen, als ein menschlicher Kopf daraus hervorguckte und ihn gerade ins Gesicht anstarrte.

»Allah! Allah!« rief der Bäcker; doch er war ein Mann von starkem Mute, und statt ihn fallen zu lassen, wie die meisten Leute getan hätten, legte er den Deckel ruhig wieder darauf und winkte seinem Sohn.

»Mahmud,« sagte er, »das ist eine schlechte Welt, und böse Menschen gibt es darin. Da hat irgendein gottloser Ungläubiger einen Kopf, einen Menschenkopf zum Backen geschickt; aber dank unserem Glück und dem Hunde, unser Ofen ist nicht verunreinigt worden, und wir können so gut wie immer unser Brot mit reinen Händen und gutem Gewissen backen. Aber da nun einmal der böse Feind sein Spiel damit hat, so sollen andere Leute so gut als wir von dem Kopfe besucht werden. Wenn es auskömmt, daß wir einen toten Menschenkopf gebacken, wer wird je wieder unser Kunde sein? Wir müssen Hungers sterben; denn wir dürfen nur gerade den Ofen zumachen. Werden wir nicht in den Ruf kommen, daß wir den Teig mit Menschenfett anrühren, und findet man ja einmal ein Haar, wird es nicht gleich heißen: ›das ist aus des toten Mannes Bart‹.«

Mahmud, ein junger Mann von zwanzig fahren, der seines Vaters kalten, starken Mut geerbt hatte und mit gutem Mutterwitz versehen war, sah den Zufall als einen köstlichen Spaß an und brach in lautes Gelächter aus, als er das gräßliche Bild sah, das der Kopf, umgeben von dem Rahmen der irdenen Schüssel, bildete.

»Wisset Ihr was, Vater?« sagte der Jüngling, »wir wollen ihn gegenüber in Kior Alis Barbierstube schaffen; er steht wohl eben auf, und da er auf einem Auge blind ist, wird er um so weniger sehen. Laßt mich machen, Vater; kein Hund soll mich entdecken, und zwar jetzt gleich muß es geschehen, ehe es heller wird.«

Der Vater willigte ein, und Mahmud lauerte auf den Augenblick, wo der Barbier gewöhnlich in die Straße herauszugehen pflegte, um Morgenluft zu schöpfen, ging in die Barbierstube und steckte den Kopf auf einen eisernen Haken an der Wand, band ihm einige Servietten zum Rasieren um, daß er aussah wie ein Kunde, der eben rasiert werden wollte, und voll Schadenfreude ging er zum Ofen zurück, um zu beobachten, welche Wirkung der sonderbare Kunde auf den blinden Barbier machen werde.

Kior Ali hinkte in seine Bude, die von dem ungewissen Morgenlicht, das sparsam durch das Ölpapier der Fenster drang, schlecht erhellt war; er sah sich um und erblickte die Gestalt, die, wie er glaubte, gegen die Wand gelehnt saß und darauf wartete, geschoren zu werden.

»Ah! Friede sei mit Euch!« sagte er zu ihm; »Ihr seid heute früh auf den Beinen; ich sah Euch nicht gleich. Mein Wasser ist noch nicht im Kochen. Ei, wie ich bemerke, wollet Ihr auch den Kopf geschoren haben? Aber warum habt Ihr die Nachtmütze so bald abgetan; gebt acht, Ihr werdet Euch erkälten.«

Er hielt inne; der Kunde entgegnete – nichts. »Keine Antwort,« sprach der Barbier zu sich; »nun, vielleicht ist er stumm und am Ende dazu noch taub; ich bin auch halbblind, so sind wir einander ähnlich; doch,« fuhr er fort, indem er sich wieder an den Kopf wandte, »doch sollte ich auch mein anderes Auge verlieren, so wollte ich, mein alter Herr Vetter, Euch dennoch barbieren; denn meine Rasiermesser würden ebenso glatt über Euren Kopf hinziehen, als ein Zug guten Weins meine Kehle hinuntergleitet.«

Nun fing er an, nach seiner Gewohnheit seine Vorbereitungen zu machen; er nahm sein zinnernes Rasierbecken vom Nagel herab, schäumte seine Seife, strich dann sein Messer auf dem langen Riemen hin und her, den er am Gürtel hängen hatte, rieb dann nochmals den Schaum, und nun ging er auf den tauben Kunden los, das Becken in der Linken haltend, während er die Rechte ausstreckte, den Schädel mit Wasser zu bestreichen. Doch er hatte kaum seine Hand auf den kalten Kopf gelegt, als er sie auch zurückzog, als hätte er sie verbrannt. »Wie, was habt Ihr denn, Freund,« sagte er, »Ihr seid ja kälter als ein Stück Eis!« Als er aber zum zweitenmal ihn einseifen wollte, da kam der Kopf mit einem greulichen Sprunge auf den Boden, und der arme Barbier sprang mit einem Satze durch seine Stube.

»Aman, Aman! Barmherzigkeit, Gnade!« heulte Kior Ali, und drängte sich in eine Ecke, ohne sich zu rühren; »nimm meine Bude, mein Rasiermesser, nimm meine Barttücher, nimm alles, was ich habe; aber laß mir das Leben. Wenn du der Satan bist, so sprich, aber wolle nicht, daß ich dich schere.«

Doch als er sah, daß alles ruhig war, nahte er sich dem Kopfe, nahm ihn bei einem Haarbüschel in die Höhe und schaute ihn an voll Erstaunen. »Ein Kopf, bei allen Imans!« sagte er, indem er ihn anredete, »und wie kamst du hieher? Willst du mich in Not und Jammer bringen, du schändliches Stück Fleisch, du? Aber so sollst du nicht. Hat auch Kior ein Auge verloren, so ist doch das andere klar und helle und sieht bis auf den Grund. Ich könnte den Kopf Hassan, dem Bäcker gegenüber, zustellen, aber sein Sohn, der arge Bursche, sieht jetzt gerade herüber, und seine Augen sind doch schärfer als diese. Aber jetzt kömmt mir ein Gedanke. An einen Ort will ich dich tun, wo du nichts schaden kannst; der Giaur Yanaki, der griechische Garkoch, muß dich haben und dich in Stücke schneiden für seine wankelmütigen Kunden.« Dieses gesagt, ging Kior Ali, die eine Hand mit dem Kopf unter dem Mantel, in der andern die Pfeife haltend, die Straße hin nach der Trinkstube des Griechen.

Er ging lieber dorthin als in die eines Muselmanns, weil er hier unbescholten Wein trinken konnte. Aus langer Erfahrung kannte er den Ort, wo das frische Fleisch aufbewahrt wurde; als er daher in die Trinkstube kam, ließ er sein Auge verstohlen herumlaufen, ließ dann den Kopf in einen dunkeln Winkel hinter den breiten Rücken eines Schafes fallen, welches an diesem Tage zu Kabobs (kleine Rostbraten) zubereitet werden sollte. Niemand sah ihm zu, denn noch schützte ihn die Dunkelheit des Morgens genugsam. Er rauchte seine Pfeife an Yanakis Kohlenfeuer an, und um einen Vorwand zum Besuch zu haben, bestellte er ein Frühstück von einem Stück Fleisch.

Yanaki hatte indessen seine Töpfe gespült, seine Roste geordnet, Feuer angeschürt, die Stube gefegt und ging nun zur Vorratskammer, um Fleisch für das Frühstück des Bartkratzers zu holen. Yanaki war ein Grieche, wie sie alle sind, listig, behutsam, gegen den Türken, seinen Oberherrn, betrügerisch, kriechend, aber despotisch gegen seine Diener. Er hegte tödlichen Haß gegen seine stolzen Herren, die Türken, aber er war schmiegsam, schmeichelnd, sooft einer, er mochte noch so niedrig sein, ihm seine Aufmerksamkeit schenkte. Er überschaute so seinen Vorrat und suchte nach irgendeinem alten Fetzen, der für jenen zu brauchen wäre, und murmelte dabei in seinen Bart, daß jeder Knochen gut genug für einen Türkenmagen wäre. Er befühlte sein halbes Schaf vom Kopf bis zum Schwanze, betastete es hin und her und sprach: »Nein, das ist noch zu gut«; als er aber den fetten Schwanz umwandte, begegnete das Auge des toten Kopfes seinen Blicken, daß er vor Schrecken einige Schritte zurücktaumelte. »So lieb Ihr Eure Augen habt,« rief er, »wer ist da?« – Keine Antwort; er sah wieder hin, kam näher, fuhr dann mit der Hand unter die Köpfe und Füße der Schafe, alte Knochen u. dgl. und zog den Kopf, den greulichen Kopf hervor, den er, so lang sein Arm war, von sich entfernt hielt, als fürchte er, er könne ihm etwas zuleid tun. »Bannflüche auf deinen Bart!« rief der Grieche, sobald er an dem Büschel Haare auf dem Wirbel merkte, daß er einem Muselmann gehört haben müsse. »O, hätte ich jeden eurer Köpfe so vor mir, verfluchtes Geschlecht von Omar! Rostbraten wollte ich daraus machen, und jeder Hund in Konstantinopel sollte umsonst bei mir zu Mittag speisen! Möchte jedem Griechen das Glück zuteil werden, das ich heute genieße, einen von euren verruchten Köpfen zum Fußball zu haben!« Und nun warf er in Wut den Kopf zur Erde und stieß ihn mit dem Fuße weg; jedoch nach einigem Besinnen sprach er: »Aber was nun damit tun? Wird er bei mir gesehen, so bin ich geschlagen auf immer; jedermann wird glauben, ich habe einen Türken getötet.«

Plötzlich aber rief er, entzückt von Schadenfreude: »Ha, das war ein herrlicher Einfall! Der Jude! der Jude! Einen passenderen Ort für einen solchen Kopf konnte man nie ersinnen; dahin sollst du kommen, du schändlicher Rest von einem Mahomedaner.«

Damit ergriff er ihn, barg ihn unter seinem Rocke und rannte die Straße hinab, wo der tote Körper eines Juden ausgestellt war, dessen Kopf sich unmittelbar unter seinen Beinen befand. Denn der Jude war ein Verbrecher, und dem Mahomedaner wird, wenn er enthauptet worden, der Kopf unter den Arm gelegt, dem Christen oder Juden aber unter die Beine.

So legte nun Yanaki den Kopf des Türken so nahe an den des Juden, als es in der Eile möglich war; es gelang ihm dies auszuführen, ohne bemerkt zu werden, denn der Tag war eben erst am Anbrechen, und noch war niemand auf der Straße. Voll Freude, daß er dem Haß gegen seine Unterdrücker hatte Luft machen können, kehrte er nach Hause zurück und bediente den Barbier mit einem Frühstück von Kalbskopf.

Der Unglückliche, welcher ausgestellt war, war angeklagt worden, ein mahomedanisches Kind gestohlen und getötet zu haben, wie sie es in Persien und der Türkei oft getan; dies hatte unter dem Pöbel von Stambul einen solchen Auflauf gemacht, daß man ihm, um Ruhe zu stiften, ohne weiteres den Kopf abschlug. Seine Enthauptung hatte man absichtlich vor der Türe eines Griechen vorgenommen und befohlen, den Leichnam drei Tage dort ausgestellt zu lassen, ehe er begraben würde. Der Beamte, der dies angeordnet, hatte nämlich geglaubt, der Grieche würde dadurch bewogen werden, eine hübsche Summe zu bezahlen, damit etwas so Schändliches von seiner Tür geschafft würde. Aber unbekümmert um die Folgen, obgleich man gewöhnlich Unglück aus einem solchen Gegenstand weissagt, hatte der Grieche seine Fenster geschlossen; denn er wollte seinen Unterdrückern diese Summe nicht zukommen lassen. Außer den Muselmännern selbst wagten es wenige Leute, diesem Ort sich zu nahen, aus Furcht, die Obrigkeit möchte, um allen Schimpf über die Giaurs zu bringen, einen Vorübergehenden nötigen, den Kadaver nach dem Begräbnisplatz zu tragen. So wurde der greuliche, ekelhafte Körper sich selbst überlassen, und Yanaki hatte gute Gelegenheit, den Kopf ungesehen loszuwerden.

Nach und nach aber wurden die Straßen lebhafter, das Gedränge größer, man entdeckte den zweiten Kopf, und eine große Menschenmenge sammelte sich umher. Es lief das Gerücht, daß ein Wunder geschehen sei, denn es wäre ein toter Jude mit zwei Köpfen zu sehen. Diese außerordentliche Kunde ging von Mund zu Mund, bis die ganze Stadt in Bewegung war und alles zuströmte, das Wunder in Augenschein zu nehmen. Der Sanhedrin Die Versammlung der Ältesten bei den Juden. verkündigte, es müsse sich etwas ganz Besonderes mit ihrem verfolgten Geschlechte ereignen. Rabbinen sah man ab und zu rennen, und die ganze Gemeinde war um den toten Körper versammelt, sie erwarteten nichts Geringeres, als daß er alsobald aufstehen, seine beiden Köpfe aufsetzen und sie aus den Klauen ihrer Unterdrücker losmachen werde.

Aber zu ihrem Unglück kam ein Janitschar des Weges, mischte sich in den Haufen, betrachtete den überzähligen Kopf genau und rief dann in Zweifel und Erstaunen: »Allah, Allah il Allah! Das sind nicht die Köpfe von Ungläubigen, einer davon ist der Kopf von unserem Herrn und Meister, dem Aga der Janitscharen!« Und als er mehrere seiner Kameraden sah, rief er sie zu sich und teilte ihnen seine Entdeckung mit; sie gerieten in Wut und gingen hin, diese Nachricht der ganzen Orta mitzuteilen.

Die Neuigkeit verbreitete sich schnell unter dem ganzen Heer der Janitscharen; sie erregten einen beunruhigenden Auflauf, denn noch war es in der Stadt nicht bekannt geworden, daß ihr Anführer, dem sie sehr zugetan waren und den sie immer selbst wählen, (auf Befehl des Sultans) umgebracht worden war.

»Was!« sprachen sie unter sich, »ist es nicht genug, so verräterisch mit uns umzugehen und uns unseres Anführers, den wir liebten, zu berauben; sollen wir auch noch mit solcher Verachtung behandelt werden? Was? den Kopf eines hohen Janitscharen-Agas unter die Füße eines Juden zu legen?! Wohin sind wir gekommen! Nicht wir allein sind beschimpft; die Religion ist entweiht, erniedrigt, geschändet! Nein, es ist unerhörte Frechheit, ein Schandfleck, der nie getilgt werden kann außer durch Ausrottung der ganzen Rasse. Aber wer hat diese Tat begangen?« sprachen sie weiter, »wie kam der Kopf hieher? Ist das ein Stückchen von diesem hündischen Wesir? Hat gar der Reis-Effendi oder die fränkischen Gesandten, die Verräter, die Hand dabei im Spiel? Wallah! Willah! Tallah! Bei der heiligen Kaabe, bei dem Barte Osmans, bei dem Schwerte Omars, das schreit um Rache!«

Jetzt fliehen Juden nach allen Seiten, verbergen sich mit Angst vor den wütenden Türken; die Türken sammeln sich mit Geschrei und Wüten in Gruppen, mit Pistolen und Säbeln bewaffnet, sie schwören allem, was ihnen in den Weg kömmt, Rache. Die engen Straßen von Stambul mit den schlechten, niedern Häusern geben ein Bild des schrecklichsten Aufruhrs; alles drängt und treibt sich, alles spricht und schreit, alle Blicke sind voll Wut oder lüstern nach Mord und Beute.

»Aber wie sah es indes im Palast des Sultans aus«, werdet Ihr mich fragen. In jener Nacht, wo der Schneider dort aufwartete, hatte der Sultan heimlich den Befehl gegeben, dem Janitscharen-Aga, der allerlei Unruhen gestiftet hatte, den Kopf abzuschlagen. Und so begierig war er auf die Vollstreckung seines Befehls, daß er anordnete, man solle den Kopf in dem Augenblick, wo er abgeschlagen wäre, vor ihn bringen. Der Mann, der mit der Hinrichtung beauftragt war, trat in das Zimmer, wohin er den Kopf bringen sollte, sah dort in der Dunkelheit einen Mann sitzen, den er für den Sultan selbst hielt, und ohne aufzublicken vor Ehrfurcht, legte er den Sack zu seinen Füßen nieder mit jener tiefen Verbeugung, die der Schneider empfing. Der Sultan, der einen Augenblick zuvor das Bündel mit dem Derwischanzug selbst weggenommen, hatte dies in der Absicht getan, Mansuri, seinen Sklaven, zu täuschen, so sehr wünschte er in seinem neuen Anzug sogar diesem unbekannt zu bleiben; er gedachte einen andern dafür umzutauschen, aber sei es, daß er nicht auf den Empfang des Kopfes gerechnet oder daß Mansuri zu schnell wiederkam, – er wußte nicht, was er machen sollte, als er in das Zimmer zurückkam und sah, daß sein Sklave den Schneider schon weggeführt habe.

Er konnte niemanden ihnen nachschicken, ohne seinen geheimen Plan zu vereiteln, und so war er genötigt, auf die Rückkehr Mansuris zu warten, um eine Aufklärung über die Geschichte zu bekommen; denn er wußte doch, daß er ohne den Anzug nicht weggegangen sein würde, und doch hatte er selbst diesen Anzug, um ihn zu vertauschen, weggenommen. Während diesem schickte er aber, ungeduldig, wie er war, und begierig, zu wissen, was mit dem Kopf, den er erwartete, geschehen wäre, nach dem Offizier, der zur Hinrichtung befehligt worden war, und – wer beschreibt ihr beiderseitiges Erstaunen, als es zur Erklärung kam! Der Offizier wollte den Kopf gebracht haben, und doch war der Kopf nicht zu finden!

»Bei meinem Bart,« rief der Sultan nach einigem Nachdenken, »jetzt wird mir die Sache klar; bei meinem Bart! Der Schneider muß den Kopf mitgenommen haben!« Jetzt stieg seine Ungeduld, Mansuri wiederzusehen, aufs höchste; umsonst tobte, wütete er, umsonst schrie er: »Allah, Allah!« Der Sklave kehrte nicht eine Minute früher zurück, und der gute Sklave hätte sich beinahe zur Ruhe gelegt, hätte ihn nicht der Sultan noch vor sich rufen lassen.

Als er ihn ansichtig wurde, rief er: »Ach! Mansuri! laufe, renne zu dem Schneider, – er hat den Kopf des Janitscharen-Aga statt des Derwischanzuges mitgenommen! Lauf, hole ihn ohne Zaudern, oder es gibt ein Unglück!« und zugleich sagte er ihm, wie dieser sonderbare Zufall sich ereignen konnte. Mansuri seinerseits war nicht wenig in Verlegenheit; er wußte zwar die Flickbude des Schneiders, aber sein Haus war ihm unbekannt. Doch um die Ungeduld seines Herrn nicht zu steigern, machte er sich auf, um den Schneider aufzusuchen, und ging nach jener Bude, in der Hoffnung, von den Nachbarn zu erfragen, wo der Schneider wohne. Aber es war zu früh am Tage; der Trödelmarkt war noch nicht geöffnet, und nur eine Kaffeewirtschaft wurde eben für die Kunden zugerichtet, aber auch dort konnte er nichts erfahren. Da fiel ihm zum Glück bei, daß ihm Babadul gesagt hatte, er sei der Muezzin an der kleinen Moschee auf dem Fischmarkt; dorthin richtete er seine Schritte. Gerade wurde der Azan (der Aufruf zum Gebet) von allen Minaretts abgesungen, und er durfte hoffen, den Kopfdieb mitten in seiner Einladung an die Gläubigen zum Gebet anzutreffen.

Als er sich der kleinen Moschee näherte, hörte er eine alte quiekende Stimme, welche die Stille des Morgens zitternd durchbrach; er glaubte Babaduls Stimme zu erkennen, und er hatte sich nicht geirrt; denn als er unter dem Minarett stand, sah er den alten Kerl, wie er auf der Galerie umherging, seine Hände hinter die Ohren haltend, indem er mit weit aufgerissenem Mund seine Einladung ausschrie. Als aber der Schneider sah, wie Mansuri ihm zuwinkte, blieb ihm das Glaubensbekenntnis im Halse stecken, und er soll aus Furcht, wegen des Kopfes Rechenschaft geben zu müssen, solch sonderbare Töne ausgestoßen haben, daß die Gläubigen in der Nachbarschaft, die auf den Gebetruf genau achteten, kein geringes Ärgernis nahmen an der Art, wie der Schneider-Muezzin sein Amt verrichtete. Dieser aber stieg hastig herunter, schloß die Türe hinter sich ab, welche zur Treppe führte, und traf Mansuri auf der Straße. Er wartete nicht ab, bis ihm über das fernere Schicksal des greulichen Gegenstandes Fragen vorgelegt würden, sondern griff den Sklaven sogleich wegen des Streiches an, den er ihm, wie er glaubte, gespielt habe.

»Was seid doch Ihr für ein Mensch,« sagte er, »einen armen Mann, wie ich bin, so zu behandeln und sein Haus wie ein Beinhaus zu betrachten. Ich glaube, Ihr kommet bald, um auch noch das Blutgeld zu fordern?«

»Freund,« entgegnete Mansuri, »was schwatzt Ihr nur; sehet Ihr nicht selbst, daß ein Irrtum obwaltet?«

»So? Ein Irrtum?« rief der Schneider, »ein schöner Irrtum, ja, ein absichtlicher, um einen armen Mann zu beunruhigen. Einer lacht über mich und beredet mich, ihm einen Anzug zu machen, ein anderer nimmt das Muster weg, und ein Dritter bringt einen Totenkopf dafür. Allah, Allah, in die Klauen eines Nestes voll Schelmen bin ich geraten, unter eine Versammlung von Schurken.«

Da legte Mansuri die Hand auf den Mund des Schneiders und sprach: »Schwatzet nicht weiter, haltet Euer Maul. Ihr tretet immer tiefer in den Sumpf. Wißt Ihr, wen Ihr schimpfet?«

»Ich weiß nicht und will es auch nicht wissen,« schrie Babadul; »aber das weiß ich, daß der, welcher mir einen toten Menschenkopf gegen einen Anzug vertauscht, ein ungläubiger Hund sein muß.«

»Scheltet Ihr Allahs Stellvertreter auf Erden einen ungläubigen Hund, Ihr halb flickender, halb betender Narr?« rief Mansuri in Wut; »Eure Lippen sind schändlich genug, den Namen dessen zu verunreinigen, der der Alem penah, die Zuflucht der Welt ist? Schnell, kein Wort mehr; den Kopf des toten Mannes heraus, oder ich schneide den Eurigen dafür ab.«

Als der Schneider dies hörte, stand er da mit weit geöffnetem Munde, als wären die Tore seines Verstandes eben erst aufgetan worden.

»Aman! Aman! Gnade, Gnade, Herr Aga!« rief Babadul. »Wußte ich denn, was ich sagte? Wer hätte auch das gedacht? Esel, Narr, Tölpel, der ich bin, daß ich dies nicht gleich einsah! Bismillah! Im Namen des Propheten! Ich bitte, kommt in meine Behausung; Eure Tritte werden glücklich sein und das Haupt Eures Sklaven wird bis zu den Sternen reichen.«

»Ich habe Eile, große Eile,« sagte Mansuri, »wo ist der Kopf, der Kopf des Janitscharen-Aga?«

Als der Schneider hörte, wessen Kopf es war, und daran dachte, was er und seine Frau damit gemacht, brachen ihm die Kniee vor Furcht, und seine Glieder zitterten.

»Wo er ist?« sagte er. »O, was ist über uns ergangen, welch verwünschtes Schicksal ist doch dies!«

»Wo ist er?« schrie der Sklave aufs neue. »Wo ist er? Sprecht! Schnell!«

Der arme Schneider wußte nicht, was er sagen sollte, er wälzte eine Antwort um die andere auf der Zunge, bis er endlich ganz wie in einem Netze saß.

»Habt Ihr ihn verbrannt?«

»Nein.«

»Habt Ihr ihn weggeworfen?«

»Nein.«

»Nun, im Namen des Propheten, was habt Ihr denn damit angefangen; habt Ihr ihn gar gegessen?«

»Nein.«

»Liegt er in Eurem Hause?«

»Nein.«

»Ist er in einem andern Hause verborgen?«

»Nein.«

Jetzt ging dem Sklaven Mansuri die Geduld völlig aus; er nahm Babadul bei seinem Barte, schüttelte ihn, daß der alte Kopf wackelte, und schrie: »Nun, so sagt mir doch, alter Schafskopf, was macht er denn?«

»Er bratet,« antwortete der Schneider und schnappte nach Luft; »jetzt ist es ja heraus.«

»Er bratet! sagt Ihr?« rief der Sklave mit großem Erstaunen, »warum bratet Ihr ihn? Wollet Ihr ihn verzehren?«

»Ich spreche wahr, was wollt Ihr weiter?« antwortete Babadul, »er bratet jetzt.« Und nun erzählte er weitläufig, was er und sein Weib in der Verlegenheit getan, in welche sie waren gesetzt worden.

»Zeigt mir den Weg zum Bäcker,« sagte Mansuri; »wenigstens werden wir ihn gebraten erhalten, wenn wir ihn nicht anders bekommen können. Aber wer ließe sich auch träumen, den Kopf eines Janitscharen-Aga zu braten! Allah il Allah!«

Sie gingen zum Bäcker Hassan, der eben sein Brot aus dem Ofen nahm; als er von ihrem Begehr hörte, erzählte er ohne Zaudern alle Umstände, wie der Kopf aus dem Topfe auf den Nagel des Barbiers gekommen war; die drei Männer, Mansuri, der Schneider und der Bäcker, gingen nun hinüber zum Barbier und fragten ihn, was er mit dem Kopf seines ersten Kunden von diesem Morgen gemacht habe.

Kior Ali versicherte nach einigem Bedenken, daß er den gräßlichen Gegenstand als ein Geschenk von Elis selbst betrachtet und folglich das Recht zu haben geglaubt hätte, ihn dem Giaur Yanaki hinüberzubringen, der ihn wahrscheinlich seinen ungläubigen Gesellen bereits in Gestalt von Rostbrätchen vorgesetzt haben würde. Voll Verwunderung und Staunen, bei jedem Schritte den Propheten anrufend und über den Ausgang der unerhörten Begebenheiten ungewiß, nahmen sie den Barbier mit sich und gingen nach Yanakis Trinkstube.

Der Grieche war bestürzt, als er so viele Türken in sein Haus treten sah und hatte eine Art von Ahnung, daß sie nicht seinen Rostbraten, sondern einem anderen Stück Fleisch nachspürten. Als man ihn daher über den Kopf befragte, leugnete er standhaft, etwas davon zu wissen.

Der Barbier zeigte den Platz, wohin er ihn verborgen hatte, und beschwor es auf den Koran.

Mansuri wollte eben die Sache genauer untersuchen, als sie auf das Getümmel auf der Straße aufmerksam wurden und die Bewegung erfuhren, die in der Stadt herrschte, nachdem man jene beiden Köpfe des Juden entdeckt hatte. Mansuri, der Schneider, der Bäcker und der Barbier begaben sich nun an jenen Ort, wo der tote Jude lag, und siehe, dort erkannten sie zu ihrem großen Erstaunen den so lange gesuchten Kopf.

Yanaki, der Grieche, aber hatte im Vorgefühl, was über ihn kommen würde, unterdessen ohne Säumen sein bares Geld zusammengerafft und war aus Stambul entflohen.

»Wo ist der Grieche?« sagte Mansuri und wandte sich um, weil er glaubte, dieser habe sich auch an sie angeschlossen, »wir müssen alle, wie wir hier sind, vor dem Sultan erscheinen.«

»Ich wollte wetten, er ist davongelaufen,« sagte der Barbier, »ich bin nicht so blind, daß ich nicht sehen sollte, daß er es ist, der den Juden mit dem Kopf Nummer zwei versah.«

Mansuri hätte gerne den Kopf mit sich genommen, aber umgeben wie er war von einem Trupp wütender und bewaffneter Soldaten, welche Rache schwuren dem, der ihnen ihren Anführer getötet, hielt er es fürs beste, sich still zu entfernen, und seine drei Zeugen an der Seite, erschien er sogleich vor dem Angesicht seines Herrn.

Als Mansuri den Sultan von allem, wie es sich begeben hatte, unterrichtete, wo er den Kopf des Janitscharen-Aga gefunden, wie er dahingekommen, welchen Aufstand es veranlaßt habe, so kann man sich leicht denken, was in der Seele des Beherrschers der Gläubigen vorging. Er fühlte, es würde ihn lächerlich machen, wollte er die Sache mit allen Umständen erzählen, und doch war es unmöglich, diese Angelegenheit, so wie sie stand, beruhen zu lassen, weil zu befürchten stand, daß der Aufruhr endlich zu einer sehr gefährlichen Höhe wachsen würde.

Er war eine Zeitlang unentschlossen, kräuselte seinen Knebelbart und murmelte »Allah, Allah« vor sich hin; endlich aber ließ er den Mufti und den Großwesir rufen.

Diese waren nicht wenig beunruhigt von dieser plötzlichen Vorladung, wußten nicht, was mit ihnen geschehen würde, und ihr Gemütszustand war nicht zu beneiden, als sie an der Hohen Pforte anlangten. Doch als sie von dem Aufruhr und seinen Ursachen unterrichtet wurden, sammelten sie sich zu ihrer gewöhnlichen Ruhe.

Nach einer Beratschlagung, wo manches verworfen und wieder aufgenommen wurde, kam man zum Beschluß, daß der Schneider, der Bäcker und der Barbier und der griechische Bratenmacher vor dem Gerichtshof des Mufti erscheinen und einer Verschwörung gegen den Janitscharen-Aga angeklagt werden sollten; daß sie seinen Kopf entwendet hätten, um ihn zu scheren, zu backen und zu braten, und daß sie verurteilt werden sollten, das Blutgeld zu entrichten. Da aber der Bratenwirt, der Grieche, die nächste Ursache des Aufruhrs gewesen war, weil er den Kopf also gröblich beschimpft hätte, er auch überdies ein Ungläubiger wäre, so wurde beschlossen, daß der Mufti ein Fetmah ergehen lassen sollte, kraft dessen sein Kopf abgehauen und an denselben Ort gelegt werden sollte, wohin er den Kopf des Janitscharen-Aga gelegt hatte.

Man kam im Staatsrate ferner zum Beschluß, daß, um die Janitscharen zu besänftigen, ein neuer Aga, der ihnen gefällig wäre, gewählt, der alte aber mit allen Ehrenzeichen seines Standes begraben werden sollte.

Den Griechen ausgenommen, der längst entflohen war, wurde alles ausgeführt und Stambuls Ruhe wiederhergestellt. Doch zur Ehre des Sultans, den Allah segnen möge, muß gesagt werden, daß er nicht nur dem Schneider, dem Bäcker und Barbier ihre Ausgaben für den Mufti und das Blutgeld wiedererstattete, sondern auch jedem eine Entschädigung für die Angst und Mühe, die sie aushalten mußten, reichen ließ.

Zu so vielen Unruhen hatte der Derwischanzug, den der Sultan haben wollte, Anlaß gegeben, und dies, Herr, ist die Geschichte des gebackenen Kopfes.

 

* * *

 

Der Scheik äußerte seinen Beifall über diese Erzählung. Er hatte, was in Jahren nicht geschehen war, einigemal gelächelt, und seine Freunde nahmen dies als eine gute Vorbedeutung. Dieser Eindruck war den jungen Männern und dem Alten nicht entgangen. Auch sie freuten sich darüber, daß der Scheik, auf eine halbe Stunde wenigstens, zerstreut wurde; denn sie ehrten seinen Kummer und die Trauer um sein Unglück, sie fühlten ihre Brust beengt, wenn sie ihn so ernst und stille seinem Gram nachhängen sahen, und gehobener, freudiger waren sie, als die Wolke seiner Stirne auf Augenblicke vorüberzog.

»Ich kann mir wohl denken,« sagte der Schreiber, »daß diese Erzählung günstigen Eindruck auf ihn machen mußte; es liegt so viel Sonderbares, Komisches darin, daß selbst der heilige Derwisch auf dem Berge Libanon, der in seinem Leben noch nie gelacht hat, laut auflachen müßte.«

»Und doch,« sprach der Alte lächelnd, »und doch ist weder Fee noch Zauberer darin erschienen; kein Schloß von Kristall, keine Genien, die wunderbare Speisen bringen, kein Vogel Rock noch ein Zauberpferd –«

»Ihr beschämt uns,« rief der junge Kaufmann, »weil wir mit so vielem Eifer von jenen Märchen unserer Kindheit sprachen, die uns noch jetzt so wunderbar anziehen, weil wir jene Momente aufzählten, wo uns das Märchen so mit sich hinwegriß, daß wir darin zu leben wähnten; weil wir dies so hoch anschlugen, wollet Ihr uns beschämen und auf feine Art zurechtweisen; nicht so?«

»Mit nichten! Es sei ferne von mir, eure Liebe zum Märchen zu tadeln; es zeugt von einem unverdorbenen Gemüt, daß ihr euch noch so recht gemütlich in den Gang des Märchens versetzen konntet, daß ihr nicht wie andere vornehm darauf, als auf ein Kinderspiel, herabsehet, daß ihr euch nicht langweilet und lieber ein Roß zureiten oder auf dem Sofa behaglich einschlummern oder halb träumend die Wasserpfeife rauchen wolltet, statt dergleichen euer Ohr zu schenken. Es sei ferne von mir, euch darum zu tadeln; aber das freut mich, daß auch eine andere Art von Erzählung euch fesselt und ergötzt, eine andere Art als die, welche man gewöhnlich Märchen nennt.«

»Wie verstehet Ihr dies? Erklärt uns deutlicher, was Ihr meinet? Eine andere Art als das Märchen?« sprachen die Jünglinge unter sich.

»Ich denke, man muß einen gewissen Unterschied machen zwischen Märchen und Erzählungen, die man im gemeinen Leben Geschichten nennt. Wenn ich euch sage, ich will euch ein Märchen erzählen, so werdet ihr zum voraus darauf rechnen, daß es eine Begebenheit ist, die von dem gewöhnlichen Gang des Lebens abschweift und sich in einem Gebiet bewegt, das nicht mehr durchaus irdischer Natur ist. Oder um deutlicher zu sein, ihr werdet bei dem Märchen auf die Erscheinung anderer Wesen als allein sterblicher Menschen rechnen können; es greifen in das Schicksal der Person, von welcher das Märchen handelt, fremde Mächte, wie Feen und Zauberer, Genien und Geisterfürsten, ein; die ganze Erzählung nimmt eine außergewöhnliche, wunderbare Gestalt an und ist ungefähr anzuschauen wie die Gewebe unserer Teppiche oder viele Gemälde unserer besten Meister, welche die Franken Arabesken nennen. Es ist dem echten Muselmann verboten, den Menschen, das Geschöpf Allahs, sündigerweise wiederzuschöpfen in Farben und Gemälden, daher sieht man auf jenen Geweben wunderbar verschlungene Bäume und Zweige mit Menschenköpfen, Menschen, die in einen Fisch oder Strauch ausgehen, kurz, Figuren, die an das gewöhnliche Leben erinnern und dennoch ungewöhnlich sind; ihr versteht mich doch?«

»Ich glaube Eure Meinung zu erraten,« sagte der Schreiber, »doch fahret weiter fort.«

»Von dieser Art ist nun das Märchen; fabelhaft, ungewöhnlich, überraschend; weil es dem gewöhnlichen Leben fremd ist, wird es oft in fremde Länder oder in ferne, längst vergangene Zeiten verschoben. Jedes Land, jedes Volk hat solche Märchen, die Türken so gut als die Perser, die Chinesen wie die Mongolen; selbst in Frankenland soll es viele geben, wenigstens erzählte mir einst ein gelehrter Giaur davon, doch sind sie nicht so schön als die unsrigen; denn statt schöner Feien, die in prachtvollen Palästen wohnen, haben sie zauberhafte Weiber, die sie Hexen nennen, heimtückisches, häßliches Volk, das in elenden Hütten wohnt, und statt in einem Muschelwagen, von Greifen gezogen, durch die blauen Lüfte zu fahren, reiten sie auf einem Besen durch den Nebel. Sie haben auch Gnomen und Erdgeister, das sind kleine, verwachsene Kerlchen, die allerlei Spuk machen. Das sind nun die Märchen; ganz anders ist es aber mit den Erzählungen, die man gemeinhin Geschichten nennt. Diese bleiben ganz ordentlich auf der Erde, tragen sich im gewöhnlichen Leben zu, und wunderbar ist an ihnen meistens nur die Verkettung der Schicksale eines Menschen, der nicht durch Zauber, Verwünschung oder Feenspuk wie im Märchen, sondern durch sich selbst oder die sonderbare Fügung der Umstände reich oder arm, glücklich oder unglücklich wird.«

»Richtig,« erwiderte einer der jungen Leute; »solche reine Geschichten finden sich auch in den herrlichen Erzählungen der Scheherazade, die man ›Tausend und eine Nacht‹ nennt. Die meisten Begebenheiten des Königs Harun Al-Raschid und seines Wesirs sind dieser Art. Sie gehen verkleidet aus und sehen diesen oder jenen höchst sonderbaren Vorfall, der sich nachher ganz natürlich auflöst.«

»Und dennoch werdet ihr gestehen müssen,« fuhr der Alte fort, »daß jene Geschichten nicht der schlechteste Teil der ›Tausend und eine Nacht‹ sind. Und doch wie verschieden sind sie in ihren Ursachen, in ihrem Gang, in ihrem ganzen Wesen von den Märchen eines Prinzen Biribinker oder der drei Derwische mit einem Aug oder des Fischers, der den Kasten, verschlossen mit dem Siegel Salomos, aus dem Meer zieht! Aber am Ende ist es dennoch eine Grundursache, die beiden ihren eigentümlichen Reiz gibt, nämlich das, daß wir etwas Auffallendes, Außergewöhnliches miterleben. Bei dem Märchen liegt dieses Außergewöhnliche in jener Einmischung eines fabelhaften Zaubers in das gewöhnliche Menschenleben, bei den Geschichten geschieht etwas zwar nach natürlichen Gesetzen, aber auf überraschende, ungewöhnliche Weise.«

»Sonderbar!« rief der Schreiber; »sonderbar, daß uns dann dieser natürliche Gang der Dinge ebenso anzieht wie der übernatürliche im Märchen; worin mag dies doch liegen?«

»Das liegt in der Schilderung des einzelnen Menschen,« antwortete der Alte; »im Märchen häuft sich das Wunderbare so sehr, der Mensch handelt so wenig mehr aus eigenem Trieb, daß die einzelnen Figuren und ihr Charakter nur flüchtig gezeichnet werden können. Anders bei der gewöhnlichen Erzählung, wo die Art, wie jeder seinem Charakter gemäß spricht und handelt, die Hauptsache und das Anziehende ist. So die Geschichte von dem gebackenen Kopf, die wir soeben gehört haben. Der Gang der Erzählung wäre im ganzen nicht auffallend, nicht überraschend, wäre er nicht verwickelt durch den Charakter der Handelnden. Wie köstlich zum Beispiel ist die Figur des Schneiders. Man glaubt den alten gekrümmten Mantelflicker vor sich zu sehen. Er soll zum erstenmal in seinem Leben einen tüchtigen Schnitt machen, ihm und seinem Weibe lacht schon zum voraus das Herz, und sie traktieren sich mit recht schwarzem Kaffee. Welches Gegenstück zu dieser behäglichen Ruhe ist dann jene Szene, wo sie den Pack begierig öffnen und den greulichen Kopf erblicken. Und nachher, glaubt man ihn nicht zu sehen und zu hören, wie er auf dem Minarett umherschleicht, die Gläubigen mit meckernder Stimme zum Gebet ruft und bei Erblickung des Sklaven plötzlich wie vom Donner gerührt verstummt? Dann der Barbier! Sehet ihr ihn nicht vor euch, den alten Sünder, der, während er die Seife anrührt, viel schwatzt und gerne verbotenen Wein trinkt? Sehet ihr ihn nicht, wie er dem sonderbaren Kunden das Barbierschüsselchen unterhält und – den kalten Schädel berührt? Nicht minder gut, wenn auch nur angedeutet, ist der Sohn des Bäckers, der verschmitzte Junge, und der Bratenmacher Yanaki! Ist nicht das Ganze eine ununterbrochene Reihe komischer Szenen, scheint nicht der Gang der Geschichte, so ungewöhnlich er ist, sich ganz natürlich zu fügen? Und warum? Weil die einzelnen Figuren richtig gezeichnet sind und aus ihrem ganzen Wesen alles so kommen muß, wie es wirklich geschieht.«

»Wahrlich, Ihr habt recht!« erwiderte der junge Kaufmann, »ich habe mir nie Zeit genommen, so recht darüber nachzudenken, habe alles nur so gesehen und an mir vorübergehen lassen, habe mich an dem einen ergötzt, das andere langweilig gefunden, ohne gerade zu wissen warum; aber Ihr gebt uns da einen Schlüssel, der uns das Geheimnis öffnet, einen Probierstein, worauf wir die Probe machen und richtig urteilen können.«

»Tuet das immer,« antwortete der Alte, »und euer Genuß wird sich vergrößern, wenn ihr nachdenken lernet über das, was ihr gehört; doch siehe, dort erhebt sich wieder ein Neuer, um zu erzählen.«

So war es; und der fünfte Sklave begann:


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