Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Dritter Gesang

Jede Nacht wie diese kam der Gatte.
Wie der blasse Mond am Tageshimmel,
Wandelte, so lang die Sonne glänzte,
Psyche liebeskrank und blass und schmachtend.
«Holde Nacht!» so seufzte sie, «um wie viel
Bist du reicher doch an Glück und Wonne,
Als der laute Tag! Wie solltest du nicht
Lieb mir sein, die du so viel mir bringest,
Und wie soll mir nicht verhasst der Tag sein,
Der so viel mir raubt! o, dass es ewig
Nacht doch blieb' einmal, und keine Trennung
Fürder drohte mir und meinem Liebsten!»

Also seufzte sie. Der Vielgeliebte
Brachte jede Nacht ihr holde Dinge
Zum Geschenk und liess zum Angedenken
Sie zurück, vor Morgengrau'n entschwindend.
Bunte Muschelchen, Korallen, Perlen
Bracht' er, Edelsteine, zaubrisch funkelnd,
Auch wohl wunderbare, fremde Blumen,
Vögelchen mit schimmerndem Gefieder
Und noch andre traute, kluge Thierlein;
Und mit diesen koste sie, den einsam-
Langen Tag hindurch, des Liebsten denkend.

Aber noch ganz And'res ward verlieh'n ihr
Durch die Gunst des unsichtbaren Gatten.
Schöner täglich blühte mit verklärtem
Liebreiz sie, gleich all' den andern Wesen
In dem Bann des weiten Zaubergartens.
Und wie staunte nun erst Psyche freudig,
Als sie eines Tages in des Weihers
Wellen sah ihr Spiegelbild und merkte,
Dass ihr Flügelchen gesprosst im Nacken,
Falterfiügel, bunte, goldberändert!

Sinnend auf den Pfaden, die ein ew'ger
Lenz mit Blüten überschneite, wandelnd,
Sprach im Hain sie oft mit den Gazellen,
Sprach mit weissen Lämmern auf den Triften,
Sprach mit Vögeln auf den grünen Zweigen.
Bald verstand sie aller Wesen Sprache,
Und verständlich diesen war die ihre.
Von dem Liebsten sprach sie, und sobald sie
Klagte, dass er so sie einsam lasse,
Dass sein Antlitz er vor ihr verberge,
Trösteten die Thierlein sie und sagten:
«Sieh, auch wir nicht schauen ja sein Antlitz,
Lassen uns an seinem Hauch genügen,
So von ihm durchdrungen und beseligt!»
Und die Blumen sagten: «Auch zu uns kommt
In der stillen Nacht er nur, und lässt uns
Perlen hold zurück, mit welchen freudig
Wir dann funkeln in der Morgensonne!»

So getröstet ward die holde Psyche.
Eine Schwalbe aber kam geflogen
Manchmal, und die sang ihr immer wieder,
Wenn sie einsam, von vergang'nen Tagen,
Sang ihr von der trauten Kindesheimat,
Sang ihr von den Eltern und Geschwistern,
Und vom Leid, das diese weinend trügen
Um die Frühverlorne, Todtgeglaubte.
Träumend lauschte Psyche, bat das Schwälblein,
Gruss gen Cypern über's Meer zu tragen.

Einst als Nachts der Gatte kam zu Psyche,
Fand er feucht von Thränen ihre Wangen,
Und er fragte nach dem Grund des Leides.
«Ach,» versetzte Psyche, «wie beseligt
Deine Liebe mich, du Vielgetreuer!
Aber eine Schwalbe singt mir oftmals,
Wenn ich einsam, von den fernen Lieben,
Von den trauten Eltern und Geschwistern,
Die sich härmen um die Todtgeglaubte!
Werd' ich sie denn niemals wiedersehen?
O mein Liebster, dürft' ich doch nur einmal
Einmal nur auf eine kurze Stunde
Herbescheiden meine trauten Schwestern,
Dass sie Zeugen meines Glückes würden!»

Mit den Locken ihr hinweg die Thränen
Trocknend von den Wangen, sprach der Gatte:
«Psyche, Herzenskind, mein trautes Seelchen,
Gern erfüllen würd' ich dein Verlangen;
Doch ein schwer Geschick bedroht uns beide,
Wenn den Weg zu dir die Schwestern finden;
Bald entschwinden müsst' ich dir auf immer!»

«Lieber hundert male sterben wollt' ich,»
Gab zur Antwort Psyche, «als dich missen,
Dich verlieren, Liebling meiner Seele!
Auf ein Stündchen nur gieb mir die Schwestern,
Dass sie sich nicht länger um mich härmen!»
Und so lang mit Küssen, holden Worten,
«Süsser Gatte! Seele deiner Psyche!»
Schmeichelt sie dem liebeswarmen Liebsten,
Bis er spricht mit traurig-ernster Stimme:
«Liebst du noch mich nicht so warm und innig,
Dass du gern entbehrest all' die Andern,
So geschehe denn nach deinem Willen!
Aber sei besonnen und verschwiegen!»

Also sprach er, und den beiden Schwestern
Nahten Träume nächtlich, die sie spornten,
Hinzugeh'n nach jener Felsenklippe,
Wo in bräutlichen Gewanden Psyche
Ausgesetzt ward auf Befehl des Gottes;
Wiedersehen würden, dahin kommend,
Sie die theure Schwester, die verlor'ne.

Zu dem Uferfels, dem Traumgott folgend,
Eilt das Schwesternpaar und späht nach Psyche.
Plötzlich hebt der Zephyr sie vom Boden,
Trägt sie fort auf seinen leichten Schwingen;
Nach den wunderbaren Zaubergärten
Bringt er sie im Flug, wo Jene hauset.
Staunend seh'n sie da sich um und rufen
Nach der Schwester, und herbeistürzt Psyche,
Wirft sich freudig an die Brust der Theuren,
Rufend: «Sehet hier, die ihr betrauert!»
Welch' ein Küssen gab's, Umarmen, Schwatzen!
Liebreich dann, in kind'scher Freude hastend,
Führt umher sie Psyche, weiset ihnen
Alle Wunder dieses Zaubergartens,
All' die Herrlichkeiten des Palastes,
Die Kleinodien auch und Prunkgewänder.
Und all' dieser wunderbaren Dinge
Herr sei ihr Gemahl, erzählt sie, rühmend
Seine Macht, sein übermenschlich Wesen,
Seine Lieb' und Güte. Diener ruft sie,
Unsichtbare Stimmen geben Antwort,
Und was sie gebeut, im Nu vollzogen
Wird's von Geisterhänden. Nun erfrischt sie
Durch ein köstlich mildes Bad die Schwestern,
Und bewirthet reich mit lecker'n Speisen
Sie auf Tischen, die von selbst erscheinen.
Zitherspieler dann und Flötenbläser
Ruft sie, Sänger auch, unsichtbar alle,
Und gespielt, geflötet wird, gesungen,
Rauschend in bezaubernd süssen Tönen.
Allgemach in beider Schwestern Herzen
Regt der Neid sich schon; neugierig fragen
Sie, wer er denn sei, der mächt'ge Gatte,
Aller dieser Dinge Herr und Eigner.
Antwort gibt verwirrt und zögernd Psyche,
Sagt, ein Jüngling sei's, gar schön und stattlich,
Blondgelockt, das Barthaar schön gekräuselt,
Fern vom Hause pfleg' er oft zu weilen,
Mit der Meute jagend durch die Wälder.
Doch da jene weiter in sie dringen,
Mahnt zum Aufbruch sie, dieweil es dunkle,
Und entlässt sie reich beschenkt mit Gaben,
Die empfangen aus des Liebsten Hand sie.
Und auf ihren Wink entführt der Westwind
Rasch die Schwestern, die, bevor sie scheiden,
Wiederkehr versprechen ungebeten.

Aber auf dem Heimweg, sich ereifernd,
Sprachen zu einander so die Beiden:
«Seht nur,» spricht die eine, «diese Jüngste
Von uns Dreien, diese Halberwachs'ne,
Fast ein Kind noch, welcher noch vor Kurzem
Schien zu droh'n das grausenvollste Schicksal,
Wie sie jetzt mit ihrem Loos sich brüstet!
Sahst du, wie es dort von Prunkkleinoden
Nur so wimmelt, wie die Edelsteine
Liegen dort umher gleich Sand am Wege?
Ihr Gemahl ist wohl ein mächt'ger Dämon,
Halbgott oder Gott. Und scheint nicht selber
Zu betrachten sie sich schon als Göttin ?
Wie um sich in ihren Prunkgewanden
Stolz sie blickt, das kind'sche Ding, sich stellend
Auf die Zeh'n, als eine Frau, die Stimmen
Hat zu Mägden, Winden selbst gebietet!
Welches Loos ward uns, den altern Schwestern?
Mir zu Theil geworden ist ein Griesgram,
Ungeschlacht, ein Knauser, der das ganze
Haus versperrt mit Schlössern und mit Riegeln!» –

«Mir,» so fährt die Andre fort, «ein Männchen,
Siech, betagt, ein Schatten, nicht ein Gatte!
Pflegen muss ich ihn des Nachts, muss reiben
Ihm die von der Gicht gekrümmten Finger,
Muss mit Salben mir die Hand besudeln!
Und das jüngste Schwesterlein geht müssig,
Lebt in Saus und Braus! O, mir zur Qual war's,
Anzuhören ihre Prahlereien!
Immer dies: «O seht! ist das nicht herrlich?»
Und nachdem sie sich genug gebrüstet,
Und ein Weniges von ihren Schätzen
Zugeworfen uns wie Bettlern, eilig
Schickte sie uns wieder fort – das ging so,
Hui! wie fortgezischt und fortgeblasen!
Nun, wir sehn wohl noch und wir ergründen's,
Wie's bestellt mit ihren Herrlichkeiten!
Wir beschämen's noch, das eitle Seelchen;
Wachsam öfter bei ihr einzusprechen,
Wollen wir uns schwesterlich bemühen!»

So die neid'schen Furien. Aber Psyche,
Einsam wieder lebend ihre Tage,
Sann nun oft und öfter nach dem dunklen
Räthsel ihres Glückes, ihrer Liebe.
Und zuweilen bei sich selber sprach sie:
«Würde doch beschieden mir ein Kindlein!
Dieses würde seine Züge tragen,
Ich besässe sein verjüngtes Nachbild,
Ihm zum Trotze wüsst' ich, wie er aussieht!» –

Manchmal, wenn des Nachts an ihrem Busen
Schlief der Gatte, dachte wach im Stillen
Sie zu bleiben und in ihren Armen
Ihn zu halten, bis der Morgen graute,
Dass er nicht vermöchte zu entrinnen,
Und der Tag sein Antlitz ihr enthüllte.
Doch wie fest sie ihn auch hielt umschlungen,
Wie ein Dunstgebild aus ihren Armen
Schwand er weg, bevor ein Strahl sich zeigte.
Einst, ein Herz sich fassend, sprach sie kosend
Zu dem Liebsten, ruhend ihm zur Seite,
Zärtlich seinen süssen Kuss erwidernd:
«Nur dein Aug' – nichts weiter als dein Auge,
Möcht' ich schau'n einmal! darnach am meisten
Trag' ich heimlich Sehnen. Aug' in Auge
Dir zu schau'n, in deiner Seele lesend,
Lieber wäre Solches, traun, und süsser,
Wonniger als Kuss mir und Umarmung!» –

Auf die Stirn sie küssend, sprach der Gatte:
«Eingetroffen, ach, geliebte Seele,
Ist, was warnend ich voraus verkündet!
Allzuviel gehört auf jene Schwalben
Hast du, die geschwätzig ein sich schlichen
Unter dieses Gartens Nachtigallen!
Hüte dich! sie werden wiederkehren,
Vollzufüllen dir das Mass des Unheils!»
«Ist's genug nicht,» flüstert Psyche schmollend,
«Dass du deinen Anblick mir verweigerst?
Soll ich auch der Schwestern Anblick missen,
Die ich liebe, die mich wiederlieben?
Nimmer würd' ich ja, auch wenn ich's wrüsste,
Nimmermehr verrathen dein Geheimniss! –
Und warum, ach, soll ich selbst nicht wissen,
Nimmer es erfahren, ich die Gattin,
Deine Psyche, wer du bist, Geliebter?»

«Wer ich bin?» entgegnet drauf der Liebste;
«Ich bin du – und du bist ich, mein Seelchen!
Eins sind wir – vereint in Liebe – selig!
Kind, was willst du mehr? lass dir's genügen!
Denn so lang nur mit des Geistes Augen
Du mich schauen wirst, bin ich der Deine,
Bleib' ich immerdar dir unverloren;
Aber schaust du mich mit Leibes Augen,
Schaust du mich als Aussending und -Wesen,
Kind, dann hast du mich nicht mehr– verlieren
Wirst du mich, verlieren mich auf immer:
So, Geliebte, will es das Verhängniss!» –

Also sprechend und an's Herz sie schliessend,
Fügt er scherzend noch hinzu, zum Trost ihr:
«Blind, mein Tausendschönchen, sei die Liebe!
Gern erscheint sie mit verbund'nen Augen,
Schliesst die Augen gern, wie Tod und Schlummer!» –

Von des Zephyrs Zauberhauch getragen,
Wiederkehren bald die neid'schen Schwestern.
Freude heucheln sie bei Psyches Anblick,
Und der zarten Glieder Fülle musternd,
Rufen sie: «Ei, Mütterchen wird bald wohl
Unser zartes Seelchen! o wie freu'n wir
Uns von Herzen auf das goldne Püppchen!
Sicherlich ein kleiner Gott ja wird es!»
Dann von Neuem fragen, forschen schwatzend
Sie nach dem Gemahl: wie er gestaltet,
Ob gedrungen er, ob schlank? wie alt er?
Leichthin Psyche sagt: «Nicht allzu jung mehr
Ist er, grau schon halb das Haar gesprenkelt,
Aber stark und heldenhaft von Anseh'n!»

«Ei,» versetzen höhnisch drauf die Schwestern,
«Sagtest du nicht jüngst, ein stattlich schöner
Jüngling sei's, mit goldig blonden Locken?
Ist so rasch seither ergraut der Blonde?»

Psyche schweigt erröthend, und da mehr nur
In die Enge sie die Schwestern treiben,
Immer mehr mit Fragen sie bedrängen,
So entschlüpft das Wort der in Verstellung
Ungeübten, nie bisher gesehen
Habe selbst sie den Gemahl: im Dunkel
Komm' er nur, das Lager mit ihr theilend,
Und mit grausem Unheil sie bedrohend,
Wenn sie sich erzwänge seinen Anblick.

Hier bedeutsam sah'n sich an die Schwestern,
Sprachen dann zu Psyche: «Liebe Schwester,
Denkst du denn so gar nicht des Orakels?
Nicht des Gatten, der durch Götterspruch dir
Ward verkündet, und für den du bräutlich
Ausgesetzt wardst auf dem Fels am Strande?
Sprach er nicht von einem Ungeheuer,
Einem Unhold vom Geschlecht der Drachen?
Wisse: letzte Nacht, da sah'n im Traum wir
Beide dieses Unthier: und ein Drache
War es wirklich, giftgeschwellt, in vielen
Knoten grausenhaft sich windend, scheusslich,
Bauch und Hals blutrünstig aufgedunsen!
So gestaltet ist dein Mann in Wahrheit;
Und zur Welt auch bringen einen Drachen
Würdest du, zur Mutter durch ihn werdend!»

Schaudernd Psyche lauscht; verkündet ward ihr
Zum Gemahl – so ist's! – ein Ungeheuer.
Nebelhaft – sie kann's nicht leugnen – formlos
Schien des Gatten Leib ihr, wenn er ruhte
Nächtlich neben ihr. Und war's nicht möglich,
Dass durch böses Zauberwerk verblendet,
Bei dem Unhold ruhend, eines Menschen
Wohlgestalt sie zu umarmen wärmte?
Und wie er als Traumgebild erschienen
Augenblendend ihr und herzversehrend,
War es mehr denn eben als ein Traumbild?
Ach, warum verbarg er ihr sein Antlitz,
Wenn es menschlich, schön, und liebenswürdig? –

«Lass dir rathen, Kind; es ist ein Drache!»
Huben Jene wieder an. «Den Dolch hier
Nimm, und nächste Nacht im Vorgemache,
Eh' zur Ruh' du gehst und dir gesellt sich
Hat das Scheusal, birg ein brennend Lämpchen!
LTnd in's Öhl wirf etwas hier von diesem
Kraut, durch dessen Zauber bei der Lampe
Schein sich zeigt in seinem wahren Wesen,
Was durch schnöden Zauber ward venvandelt.
Liegt dann Jener tief in Schlaf gesunken,
Schlüpfe du gemach herab vom Lager,
Schleiche dich in's Vorgemach, vorsichtig,
Nimm die Lampe, tritt vor's Bett des Drachen,
Und das blanke, scharfe Messer schwingend,
Rasch durchschneide den gekröpften Hals ihm!»

So die tück'schen Schwestern, und nachdem sie
Viel geschwatzt, geraunt noch und geflüstert,
Ganz in bösen Rath die reinste Seele,
Ganz in Misstrau'n geifernd eingesponnen,
Eilen sie hinweg; zurück bleibt einsam
Psyche, schwankend zwischen Grau'n und Liebe.
Und sie sinnt und sinnt und kann's nicht fassen.
«Er ein Ungethüm? es ist nicht möglich!
Allzuhold erklang mir seine Stimme
Wird ein Gott mir's in die Seele legen,
Allzusüss beseligte sein Kuss mich! –
Doch des Gottes Stimme, das Orakel,
Sprach es nicht von einem Ungeheuer?» –
Unentschlossen bringt sie so den Tag hin,
Unentschlossen bringt sie hin den andern.
In der Nacht träumt sie von Schreckgestalten
Ihres Gatten, fährt an seiner Seite
Aus dem Schlaf empor, mit angst-erpresstem
Schrei, und endlich schmiegt sie, zitternd, enger
Sich an ihn, den Liebsten, gleich als wollte
Schutz vor ihm sie suchen bei ihm selber.
Aber zu sich spricht am dritten Tag sie:
«Warum sollt' ich es nicht doch versuchen
Mit der Lampe? Zeigen wird ihr Glanz mir,
Ob er wirklich ein so grauser Unhold.
Und gewahr' ich, dass er ist ein Unhold,
Wird ein Gott mir's in die Seele legen,
Ob ich folgen soll dem Rath der Schwestern,
Zücken soll mit diesen schwachen Händen
Gar den Dolch auf ihn ... Nein – nie vermöcht' ich's!

Aber dichter stets sinkt bösen Zweifels
Mehlthau nieder auf ihr schönes Eden,
Und ihr junges Herz, es schrumpft zusammen,
Wie, von einem Raupenknäu'l umkrochen,
Schnöd verdorrt im Lenz die Mandelblüte.

Wieder kommt die Nacht; und dunkel wieder
Naht der Unbekannte, ruht bei Psyche.
Und je mehr sie zweifelt an dem Liebsten,
Desto wesenloser ihr erscheint er,
Desto ungewisser die Gestaltung,
Während sie ihn hält in Liebesarmen.
Diese Nacht – ihr Loos entscheiden soll sie.
Ach, was wird sie bringen? Er ein Scheusal!
Hat sie nicht geliebt ihn, er geliebt sie?
O des Grau'ns, geliebt von einem Scheusal
Werden – o der Schmach, ein Scheusal lieben! –

Stern um Stern begann hinabzusinken.
In dem tiefsten Schlafe lag der Gatte,
Zitternd küsste noch einmal ihn Psyche,
Eh' sie leise glitt herab vom Lager.
Und nun schleicht hinaus in's Vorgemach sie,
Holt von dort die Leuchte, die entfachte,
Und dass nicht ihr Schein den Schläfer wecke,
Birgt, eh' sie dem Lager sich genähert,
Hinter'm Rücken klüglich sie die Lampe.
Hinter sich sie haltend, schreitet langsam,
Zaudernd, schwindelnd, vorwärts sie; nicht merkt sie,
Dass der Lampe Flamme, aufwärts züngelnd,

Ihr das zarte Flügelpaar versengte ...

Wie das Herz ihr klopft, die Kniee zittern!
Tödten will es einen wilden Drachen,
Dieses Kind, so zart an Seel' und Leibe?
Angelangt nun ist sie vor dem Lager;
Doch sie wagt nicht hinzublicken – seitwärts
Wendet sie das Haupt, und während schüchtern
Mit der einen Hand sie hebt die Lampe,
Deckt sie mit der andern sich die Augen
Einen Augenblick so steht sie zögernd.
Aber endlich sich ermannend, zieht sie,
Rasch entschlossen, weg die Hand vom Auge,
Wirft, das Herz in wilder Unruh pochend,
Einen Blick auf die Gestalt des Schläfers ...

Und vor ihren Augen lag, geflügelt,
Schöner als ihr Traum, ein Götterknabe.
Goldner Glanz ging aus von seinen Locken,
Blendend fast; der Wangen Purpurblüte,
Und das Liljenweiss der andern Glieder
War so zart, so rein, wie das Geblätter
Morgendlich erschloss'ner frischer Knospen.
Unbeschreiblich lieblich war das Antlitz.
Und ein Wonnehauch umfloss den Knaben,
Strömte von ihm aus, den Sinn berückend.
Träumerisch auch, wie in Liebeswonne,
Zitterten des leuchtenden Gefieders
Zarte, goldne Spitzen, farbig schillernd.
Zart erschien der Leib, wie der des Knaben,
Blühend wie des Jünglings Leib erschien er,
Leuchtend wie des Mann's in reifer Schönheit,
Und holdselig doch wie der des Kindes.
Lieblicher als alle Menschensöhne,
Hehr erschien er wie ein Götterwesen;
Und es fühlte die erschrock'ne Psyche,
Tödten müsste seines Blickes Strahl sie,
Wenn er plötzlich öffnete die Augen.

Zu den Füssen jetzt des Wunderknaben
Sieht sie liegen einen gold'nen Köcher,
Edelsteinbesetzt; die gold'nen Pfeile
Leuchteten daraus wie Sonnenstrahlen.
Und der Bogen lehnte bei dem Köcher,
In des Regenbogens Farben schimmernd;
Von der Sehne kam ein leises Klingen.

Und nun wusste Psyche, wonneschauernd,
Wer ihr göttlich schönes Ungeheuer!
Nach den Pfeilen mit verwirrten Sinnen
Greift sie, wie ein Kind nach buntem Tande.
Weh, da ritzte sie den ros'gen Finger,
Und ein Glutstrom quoll ihr durch die Adern.
Liebeglühend neigt sie zu dem schönen
Schläfer sich; nicht satt, ihn zu betrachten,
Kann sie werden, einen Kuss zu drücken
Sehnt sie sich auf seine Liljenstirne:
Plötzlich aber scheint er sich zu regen –
Sie erschrickt – die Lampe, leis' erschüttert,
Von der Flamme Spitze einen Tropfen
Heissen Öhls verspritzt sie, der mit ros'gem
Brandmal sengt die Haut des Liebesgottes.

Er erwacht. Mit einem Schmerzensseufzer
Zuckt er aus dem Schlaf empor. Die Blicke
Vorwurfsvoll und ernst auf Psyche richtend,
Welche, wie von einem Blitz geblendet,
Sinkt vor ihm zu Boden, spricht er zürnend:
«Mit der Lampe trittst du, mit dem Dolche
An das Lager deines Vielgeliebten?»

Zitternd kauert Psyche ihm zu Füssen
Und umklammert unter heissen Thränen
Seine Kniee schluchzend, gnadeflehend.
Ihn umschlingend, krampfhaft hält sie fest ihn.
Doch er schwand hinweg aus ihren Händen,
Und er schwand hinweg aus ihren Augen,
Setzte fort zu ihr die ernste Rede
Von dem Wipfel eines Palmenbaumes
In Gestalt des weissgefleckten Hähers,
Doch mit Lauten einer Menschenstimme:
«Lebe wohl, du argbethörtes Mädchen!
Nimmer wirst du nun mich wiedersehen,
Nimmer wirst du ruhn in meinen Armen,
Nimmer wirst du hören meine Stimme!
Nie beglückt dich mehr das traute Dunkel,
Welches du verscheucht mit frecher Leuchte!»

Schier vor Jammer bricht bei diesen Worten
Psyches armes Herz, das, von des Gottes
Pfeil geritzt, vom Anblik seiner Schöne
Heiss entzündet, willenlos und leidvoll,
Ganz ermisst die Allgewalt der Liebe.
«Wie verblendet, ach,» so rief sie, «war ich,
Dass ich so geliebt die tück'schen Schwestern!
Du nur füllst ja meine ganze Seele,
Und ein Nichts ist nun die ganze Welt mir!
Ach, vergib! Nie hätten so die Schwestern
Mich bethöret, hätte des Orakels
Götterstimme nicht, im Bund mit ihnen,
Mich verwirrt, dass ich an dir gezweifelt!»

Antwort kam ihr von der Palme Wipfel:
«Sagte des Orakels Götterstimme,
Dass ich sei ein wildes Ungeheuer,
Musste dir des Herzens Stimme sagen,
Dass ein Gott ich! Doch du, Psyche, liebtest
Mich nicht wahrhaft noch, mit ganzer Seele,
Und so hast du schnöd' an mir gezweifelt.
Offenbaren dir mein wahres Wesen
Könnt' ich im Gemüth nur: nimmer dürfen
Götter Menschen, wie sie sind, in voller,
Ungedämpfter Herrlichkeit sich zeigen.
Hat nicht Semele gebüsst den Vorwitz,
Als sie sah den Gott in seinem Glanze?
Oft so büssten eines Gottes Anblick
Sterbliche mit raschem, frühem Tode,
Wahnsinn, Schwermuth oder anderm Leide.
Wer geschaut hat überird'sche Schöne,
Angeschaut in ihrem vollen Glänze,
Für das ird'sche Glück ist er verloren.
Solches wissend, naht' ich unverwandelt,
Aber in des Dunkels tiefstem Schleier
Dir, und deinem Herzen überliess ich's,
Liebend sich ein Bild von mir zu träumen.
Doch dem Neid der Menschen und der Götter
Ward zum Opfer dieses stille Glück nun!
Unglücksel'ge, du erlagst der Prüfung!
Nun bist du ein sterblich Mädchen wieder,
Nicht mehr die beflügelte, die Gattin
Deines Amor: rächend hat das Werkzeug
Deiner eig'nen Frevelthat, die Lampe,
Dir hinweggesengt die gold'nen Flügel,
Welche dir gesprosst in meinen Armen.
Lebe wohl denn, Psyche! dich geliebet
Hab' ich, wie den Strom die Lotosblume,
Wie den Strand des blauen Meers die Myrthe,
Und zum Wohnsitz hatt' ich mir erkoren
Deine Seele. Nun bist du verhasst mir,
Und ich grolle dir, und sühnen wirst du,
Was du hier verbrachst, mit schwerem Leide!»

So mit Lauten einer Menschenstimme
Sprechend, hob der Vogel in die blauen
Lüfte sich, und schwand im höchsten Äther.
Wie entseelt, sinkt Psyche stumm zu Boden.
Und als wieder sie erwacht, da findet
Sie sich fern entrückt der Liebesinsel,
Ferne dem Palast, dem Zaubergarten;
Steinig, wüst ist ringsumher die Gegend.


 << zurück weiter >>