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Dorfplatz wie im ersten Akte. Links vorne ist vor dem Planwagen und mit ihm verbunden ein Bretterpodium aufgeschlagen, das durch ein aufgespanntes Tuch abgeteilt ist. Der vordere Teil des Gerüstes dient später als Bühne, der hintere als Garderobe für Kröner und Rosine. Die Häuser und Hütten rings um den Platz sind mit grünen Zweigen und Laubkränzen geschmückt. Auch um das Tor der Schenke windet sich eine Girlande.
Es ist etwa eine Stunde nach den Ereignissen des dritten Aktes. Noch früher Vormittag. Auf dem Platz bewegt sich eine bunte Menge, Bauersleute, abgedankte Soldaten, Bettler und Krüppel, fahrendes Volk: Männer, Frauen und Kinder. Auf dem Bretterpodest links steht Hilarius Agathon Kröner im Magistertalar, wie bisher, das Sprachrohr am Bande über der Schulter. Rosina im kurzen Flitterkleidchen, mit Trommel und umgegürtetem Degen steht neben ihm. Volk drängt sich um sie. Bei Beginn des Aktes Böllerschüsse und Glockenläuten, das bald verklingt.
Kröner indem er allerlei Büchsen, Tüten, Fläschchen aus den Taschen seines Talars zieht und dem Volke zeigt Hier Theriak gegen Mundfäule und Pulver für weiße Zähne, den Jungfräulein zu empfehlen, ehbevor sie zum Tanz mit dem Herzallerliebsten antreten! Wurmsamen für die lieben Kleinen! Bleibt auch nur der kleinste Wurm am Leben, so nennt mich einen Schreier und Leutbescheißer! Hier Bilsenkraut gegen Zahnschmerzen! Wer davon nimmt, dem tut kein Zahn mehr weh. Lachen in der Menge Probiert's, Leute! Wer hat Courage? Die Herren Soldaten voran! Auch ihr, verehrte Bauersleute! Auch euer Geld stinkt nicht nach Mist. Oleum philosophorum, zu deutsch Gelehrtenmilch, ein Eßlöffel davon macht im Handumdrehen zum reichsten Mann der Welt. Warum und wieso? erfährt, wer davon genommen. Hier Lausesalbe! Vergibt der letzten Laus auf dem Kopf und stärkt das Gedächtnis dazu. Denn wer davon aufschmiert, kratzt sich solange, daß er's sein Lebtag nicht vergißt! ... Oleum tassibarbassi, gegen Frost, Scharbock und Blasenbrand! Pomade von Hammelschmalz, gegen Schorf, Grind, Hämorrhoiden und Nasenfluß! Feuerspiegel und Brillen, im Dunkeln zu sehen, die sogar bei Tage funktionieren! Flederwische zu Lampendochten! Brennen bis zum Jüngsten Tag, wer's erlebt. Hilarius Agathon Kröner, genannt das Universalgenie, verkauft alles! Hilarius Agathon Kröner heilt alles! Hilarius Agathon Kröner kann alles!
Rosina trommelt Kauft, Leute! Kauft! Nach die Hochamt beginnt die Komödienspiel! La commedia dell'arte incomincia! Comprate! L'avrete per niente! Es kostet so gut wie nichts! Kauft! Kauft!
Kröner da sich niemand rührt Kauft niemand? Hat niemand Courage? Nicht einmal die Herren hiebevorigen Kriegsknechte und Troßbuben? Mit großer Gebärde Wohlan denn, Gott Äskulapius! Stärke deinen Jünger und Knecht! ... Ich nehme euch jetzt aufs Korn, ihr Leute! Ich versenke mich in euch, ihr Leute! Mein Wille wird jetzt der eure, ihr Leute! Zählt im stillen bis zwanzig mit und merkt wohl auf! Denn eh' ihr bis zwanzig gezählt, wird eines aus eurer Mitte hervortreten und mir eines meiner unfehlbaren Theriaka abkaufen! Oder ihr sollt Hilarius Agathon Kröner einen Faxenmacher und Lausepelz heißen! Er beugt sich weit vor, starrt unverweilt in die ihn umgebende Menge.
Die Menge murmelt noch einen Augenblick, verstummt dann. Es herrscht gespannte, Stille. Alle hängen an Kröners Blicken.
Ein Bauernmädchen in der Menge wird unruhig, drängt sich vor, hebt die Hand hoch, wie unter einem Banne Ein Pulver, Herr Zauberer! Ein Pulver für die Zähne möcht' ich haben! Sie verstummt, wie in Furcht und Scham. Allgemeine Bewegung.
Kröner hoch aufgerichtet, mit Stentorstimme Ein Pulver will sie haben! Ein Pulver gegen Mundfäule will sie haben! Habt ihr's gehört, ihr Leute? Eh' ihr bis zwanzig gezählt, bei siebzehn oder gar schon bei vierzehn, kommt dieses Jungfräulein und verlangt einen Theriak gegen die Mundfäule zu kaufen!
Stimme aus der Menge Abgekartet! ... Betrüger! ... Schlagt ihm die Knochen weich! Allgemeine Bewegung.
Kröner durch das Sprachrohr Ruhe, ihr Leute! Nichts abgekartet! Nie zuvor im Leben sah ich diese Maid! ... Oder kennst du mich, holdes Kind mit der Mundfäule? Sprich! Bei den Gebeinen deiner Urvorfahren auf dem Gottesacker dort!
Das Mädchen schüttelt in ratloser Verwirrung den Kopf.
Kröner donnernd Sie kennt mich nicht! Sie schwört bei den Gebeinen eurer Urvorfahren auf dem Gottesacker dort, sie kennt mich nicht! ... Er zieht sie bei der Hand heran Hier nimm dein Pulver, mein bräutlicher Engel, und tanz' mit deinem Schatz, bis die Hähne krähen. Zwei Heller, mein Engel! Zwei Heller! Auf die Trommel hier!
Das Mädchen legt Geld auf Rosinas Trommel, verschwindet mit dem Pulver in der lärmenden Menge.
Kröner durch das Sprachrohr Glaubt ihr's jetzt? Hilarius Agathon Kröner kann alles! Hilarius Agathon Kröner weiß alles! Hilarius Agathon Kröner heilt alles! Er verkauft von seinen Waren an die jetzt lebhaft herandrängende Menge.
Rosina hilft ihm dabei, ruft Avanti, signori! Avanti, signori! Buon mercato! Kauft! Kauft!
Erster Bettler an Händen und Füßen verkrüppelt, am Boden kauernd Das Gauklerpack stiehlt uns ehrlichen Bettelleuten die paar lausigen Heller vom Maul weg! ... Wenn er noch lange kräht, schmeiß' ich dem Kerl, dem Pferdedieb, meine Krücken an den Kopf.
Zweiter Bettler einarmig, mit blutiger Schmarre über Kopf und Stirn, spricht polnischen Akzent Was hilft, Bruder? Muß sich Spiel nehmen, wie Karten fallen. Heute Patzen Fleisch im Topf! Morgen Stück trocken Brot! Ganze Geschichte Dreck! Ist mich auch nicht an Wiege gesungen, daß einmal betteln gehen muß bei verfluchte niemiec!
Erster Bettler Halt's Maul, dreckiger Pollack! Plärrend zur Menge Ein armer Gichtbrüchiger! Von den Schwedischen von Haus und Hof gejagt! Gefoltert, gespießt, geschraubt, gebrannt, gerädert!
Zweiter Bettler mit hingehaltener Mütze Bitt' schön! Hochedle Deutsche! Milde Gabe für polnische Edelmann! Hat gekämpft für Vaterland gegen Russ' und Türk' und Schwed'! Hat verloren rechte Arm und Schloß und Geld und Weib! Schöne Weib! Muß laufen mit Bettelsack! Aber bleibt polnische Edelmann auch mit Bettelsack! Milde Gabe! Bitt' schön, edle Deutsche!
Ein Bauer in einer Gruppe zu einem Kriegsknecht Erzählt das noch einmal vom Friedensschmaus zu Nürenberg, Herr Soldat! Wieviel Ochsen haben sie geschlachtet? Das mußt du hören, Peter.
Kriegsknecht mit Stelzfuß, abgerissen, verwildert Zwanzig Ochsen haben sie gebraten und Wein ist gelaufen die ganze Nacht aus einem Löwenrachen ...
Zweiter Bauer Wein gelaufen die ganze Nacht? Glaubst du das, Hannes? Roter oder weißer?
Erster Bauer Und zwanzig Ochsen gebraten!
Kriegsknecht Viktoria haben sie geschossen auf der Nürenberger Burg. Zum letztenmal hat's knallern und bullern sollen, eh' der Friede kommt, haben sie geschrieen! Hernach sind sie heruntergezogen, zwei Haufen, Kaiserliche und Schwedische, der Karl Gustav und der Piccolomini voran, und alles ist abgedankt worden. Prosit Mahlzeit! Und wisch' dir das Maul, Soldat! Jetzt fecht' dich mit deinem Holzbein durch! Dein richtiges Bein hast du für uns auf der böhmischen Walstatt gelassen! Daß euch die Pest ...! Er spuckt aus.
Erster Bauer gibt ihm Geld Da! Hier, Soldat! Weil Friede heut ist.
Zweiter Bauer zum ersten Erst Riemen aus unserm Fell geschnitten und jetzt ihnen den Bettelsack stopfen! Laß sie krepieren, Hannes! Er zieht ihn fort.
Man hört Geklapper im Hintergrund.
Rufe in der Menge Ein Aussätziger! ... Ein Aussätziger! Alles weicht zur Seite.
Ein Aussätziger wankt im Hintergrund vorbei, mit der Klapper Um Christi willen ...! Barmherzigkeit!
Rufe Zum Siechenhaus! ... Ins Siechenhaus mit ihm!
Der Aussätzige verschwindet rechts hinten bei der Kirche.
Ein Mädchen achtjährig, zur Mutter, die es an der Hand hält Du, Mutter, sie reden so viel von Friede heute. Was ist das, Friede? Etwas zum Essen?
Die Mutter Bäuerin, dreißigjährig, verhärmt Friede, Ursel? Ich hab' keinen gekannt. Solang ich auf der Welt bin, hat's keinen geben. Frag' die Großmutter.
Das Mädchen Du, Großmutter, weißt du, was Friede ist? Ist's was zum Essen?
Die Großmutter sechzigjährig, verwittert, aber aufrecht Jawohl, zum Essen, Ursele! Schwein' im Stall und Küh' und Hühner. Das heißt Friede. Und die Mädele tragen Kränz' im Haar, wenn sie zum Altar gehen, Ursele. Wie ich's getan hab' als Braut.
Das Mädchen Hast du keinen Kranz tragen, wie du Braut warst, Mutter?
Die Mutter Zu meiner Zeit hat's keine Kränz' geben, Ursel. Die Soldaten han sie uns weggestohlen. Spuck' aus, wo du einen siehst! Ich spuck mit!
Das Mädchen Da steht einer, Mutter! Hat ein Bein von Holz. Soll ich ausspucken vor dem?
Die Mutter Laß nur, Ursel. Weil's Fried' heut' ist. 's ist auch nur ein armer Mensch. Der hat schon sein' Straf.
Das Mädchen Aber 's Ursel wird einen Kranz wieder tragen, nicht, Mutter?
Die Mutter Wie die Großmutter einen tragen hat, Ursel. Ganz so!
Die Großmutter Man muß schon ein alt's Weibele sein, daß man's erlebt hat.
Zweiter Kriegsknecht aufgeputzt, Geldkatze um den Leib, zu Wallreuter, mit dem er in der Menge verhandelt hat Also topp, Bauer! Der Handel gilt. Sein Haus und Acker sind mein.
Wallreuter finster und verwildert, Büchse über der Schulter wie im ersten Akt Soll gelten! Was brauch' ich Haus und Acker! Ich hab' zehn Jahr' kein Dach überm Kopf gehabt. Unterm Tannenbusch hat sich's auch nicht schlecht geschlafen.
Zweiter Kriegsknecht Nach dem Kirchgang wird's festgemacht.
Wallreuter Soll gelten! ... Sollen andere fronden und zinsen und schuften! Mein Weib und meine Kinder hat der Teufel geholt! Sack und Pack schmeiß' ich ihm hinterher! ... Nur den Freund hier behalt' ich! Er packt seine Büchse an Vor dem wird Platz gemacht in der ganzen Welt. Das Glockenläuten setzt von neuem ein.
Stimmen in der Menge Zum Hochamt läutet's! Kommt! Kommt! Gleich fängt's an!
Kröner vom Podium herunter, zu der ihn umdrängenden Menge Wollt ihr das Universalgenie zerreißen, Leute? Genug! Genug! Hört ihr nicht, wie die Glocken zum Dienste Gottes rufen? Glaubt ihr, Hilarius Agathon Kröner habe kein Christentum, daß er euch am Kirchgang hindere? Weit gefehlt! Meint ihr, diese Otter hier, dieser Basilisk, diese Tarantula, alle diese heidnischen Bestien hätten sich anders als von einem Christenmenschen bändigen lassen? Er hat aus seinen Taschen Otter, Basilisk, Tarantel gezogen und hält sie der Menge entgegen. Die Menge weicht kreischend und schreiend zurück.
Kröner mit Stentorstimme Ruhe! Ruhe! Euch geschieht nichts! Hilarius Agathon Kröner wacht über jedem einzelnen Haar von euch! ... Grüßt mir die Stätte des Friedens und der Andacht! Und dann kommt wieder und grüßt mir die Kunst!
Rosina trommelnd Nach der Kirche zur Komödie! Alla commedia dell'arte! Schöne Herren! Edle Frauen! Kommet alle! Alle! Tutti e tutti! So grüßt euch die Kunst! Eccola! Sie springt durch einen von Kröner vorgehaltenen Reifen, schlägt einen Purzelbaum auf dem Podium, steht sofort wieder auf den Füßen und verbeugt sich unter allgemeinem Jubel Rosina Bombinelli ringrazia moltissimo! Gemacht italienisch Küss' die Händ'! Küss' die Händ' allerseits!
Während des Folgenden drängt die Menge langsam in die Kirche rechts hinten. Hornung und Frau Stapps sind aus der Schenke getreten.
Frau Stapps in schwarzer Witwentracht, trägt Weinkanne und Becher, bleibt stehen, lauscht auf das Glockenläuten Wenn sie doch so meinen Seligen schon endlich zur ewigen Ruh' einläuten täten! ... Aber wer weiß, was für ein liederliches Türkenmensch der jetzt auf dem Schoß halten mag, irgendwo im Morgenland! Wenn's nicht gar ein nackichtes Mohrenfräulein ist, was ihm den Bart kraut! Dem Luder! Sie setzt Weinkanne und Becher auf den gleichen Platz wie gestern.
Hornung setzt sich an den Tisch, will sie an sich ziehen Komm her, Frauensmensch! Kraust dafür mir den Bart! Wurst wider Wurst! Oder Bart wider Bart, wie man logice sagen sollte!
Frau Stapps sieht sich ängstlich um, schlägt ihm auf die Hand Pst! Daß dich ...! Ins Gerede kommen bei den Leuten ... Man wird so schon doppelt und dreifach belauert. Und der Herr hockt schon wieder am Zapfen. Vorm Hochamt! Du liebe Zeit! Das hat sich nicht mal mein Seliger getraut.
Hornung Hat man nicht seine Schuldigkeit getan? Was? Steht man nicht seinen Mann, bei Nacht wie bei Tag? Was? Beim Becher wie auch sonst? Was? In omnibus rebus et quibusdam alliis? Wie? Verdient man nicht Lohn dafür, mein Hühnchen, mein quabbliges? Er faßt sie in die Seite.
Frau Stapps quiekt leise Unrat du! Flapps! ... Bist doch ein Süffel! Aber ein herziger!
Hornung macht sich's bequem Hier ist gut sein. Hier laßt uns Hütten bauen! ... Ich wünschte, mein Herr General und Leibfuchs wäre eine Bachstelze oder eine Kohlmeise oder ein Kiebitz oder so ein ähnliches Geflügel.
Frau Stapps Warum denn so was Kurioses, du Äffchen?
Hornung Dann wollte ich ihm eine Leimrute unter den Steiß halten, daß er sein Lebtag in Eldringen kleben bliebe. So wie ich für mein Teil hier festgeklebt bin. Bei Gott! Ich bin's mit dem ganzen Gesäß. Und nicht nur mit dem Gesäß!
Frau Stapps Nennst du mich vielleicht deine Leimrute, mein Hähnchen? Warte! Ich will dir die Flügel stutzen! ... Und dein Herr General ... Gott straf mich arme Wittib, wenn der nicht schon fest genug auf der Leimrute sitzt!
Hornung Bei dem schönen Weibsbild vom Schloß vielleicht?
Frau Stapps Pst! Still! Zeit macht Heu! ... Sie sind schon beim Kredo. Nur rasch, daß ich hinkomm'! ... Und guck' mir nicht zu tief in die Kanne derweil, du gottloser Saufaus du! Sie winkt ihm zu, geht eilends nach rechts hinten zur Kirche, ab.
Der Dorfplatz ist leer geworden. Die Menge ist in der Kirche, aus der dann und wann Orgelklang und Meßgesang tönen. Vor der Kirchentür rechts im Hintergrunde hocken die Bettler. Links vorn sind Kröner und Rosina geblieben, zählen ihr Geld ab, machen sich vor und hinter dem Tuchvorhang zu tun. Rechts vorn sitzt Hornung beim Wein, trinkt.
Hornung über dem Becher philosophierend Wer dient nun seinem Herrgott inbrünstiglicher, die da drinnen, indem sie den Pfaffen den guten Tropfen saufen lassen, oder unsereiner, der sich die edle Gottesgabe höchst personaliter einverleibt? Wenn ich der himmlische Vater wäre, würde mir die Entscheidung, beim Satan! nicht schwer fallen ... Was das Leben doch für ein zwiespältig Gesicht hat! Von der einen Seite sieht es einem vertrockneten Stück Brotrinde verdammt ähnlich. Von der anderen Seite läßt es sich wie eine fette Schmalznudel an. Ich dächte, man hätte zwanzig Jahre Brotrinde gekaut. Jetzt laßt einmal Schmalznudeln an die Reihe kommen. Er trinkt.
Kröner zu Rosina, indem er das letzte Geldstück in den Beutel zählt Vier ... sieben ... zehn ... In Summa dreiundzwanzig Batzen und zehn Heller, darunter fünf aus Blech! ... Immerhin keine schlechte Losung für einen Morgen des Himmelfahrtstages! Vor dem Hochamt! ... Aber weißt du auch, mein blondes Kleinod, daß ich noch nicht den Schimmer eines Dunstes von einer Ahnung habe, was für ein Spiel wir unserm Publiko nachher zum besten geben sollen?
Rosina Vielleicht etwas aus dem Trojanischen Krieg, maestro?
Kröner Wohl geraten, meine Muse! Das würde nicht übel zur Feier des Tages passen. War es nicht ein anderer Trojanischer Krieg, dessen Friedensschluß wir heute begehen?
Rosina klatscht in die Hände Ich hab's, Direttore! Paris und Helena! Mein liebstes Kostüm!
Kröner Nämlich so gut wie gar keines! Warum denn nicht gleich Leda mit dem Schwan, wie dazumal vor dem Herzog von Savoyen? Du hast ja die Rolle auf den Leib studiert bekommen.
Rosina schlägt ihm auf die Finger Eh! Via! Vergognati!
Kröner Wann war denn das eigentlich, mein Engel?
Rosina Niemals! Mai! Mai! Glaub' doch dem Spitzbuben nicht!
Kröner Wir könnten ja die Probe aufs Exempel machen und unsern großen Kollegen vom Schloß zur Mitwirkung einladen.
Rosina Schlankerl du! ... Überlass' es nur wieder dem Augenblick!
Kröner Ja, ich will es in die Hände meines Genius legen, wie gewöhnlich. Hier nimm den Beutel, meine Rose! Bewahr' ihn gut! Er gibt ihr den Beutel, beide ziehen sich in den Planwagen zurück.
Hornung rechts vorn, leicht angesäuselt Wie das mit dem Gelde klimpert! Lausepack! Gebt mir meine fünfzigtausend zurück, oder ich frikassier' euch zu Kalbsbries! Er trinkt Prosit, Schmalznudel!
Schwartz kommt rasch von links hinten, den Weg um das Schloß herum, geht über den Platz geradewegs auf Hornung zu Parbleu! Wußt' ich's doch! Sitzest du noch seit gestern hier?
Hornung Der Letzte und der Erste auf der Walstatt! So hält es ein wackrer Kriegsmann. Tu' mir Bescheid, alter Junge! Vivant hoch die Leimruten! Er hält ihm den Becher hin.
Schwartz Laß die Faxen! Das Leben ist keine Possenbude.
Hornung Das Leben ist eine Schmalznudel. Oder meinethalben eine Blutwurst. Nur herzhaft einhauen und mit Wein nachspülen! Es rutscht schon.
Schwartz schüttelt ihn Auf mit dir, Christoph Hornung! Auch anderswo wächst roter und weißer Wein.
Hornung Aber kein so extrasüffiger wie der hier, der Tauberbischofsheimer. Und vor allen Dingen keine Schmalznudeln, keine knusperigen.
Schwartz Die Welt ist weit. Wir haben's erfahren. Erhebe dich und pack' unsere Sachen. Wir scheiden von hier.
Hornung starrt ihn an Wir schei...? ... Ja, ist denn der Satan los?
Schwartz Gott oder Satan! Einerlei! Vielleicht haben sie Halbpart gemacht im Weltregiment! ... Geh! Schick' dich! Die Luft hier steigt mir zu Kopf.
Hornung ist aufgestanden, ganz ernüchtert Himmel Herrgottsakrament noch eins! Was ist in dich gefahren, General? Leibfuchs? Kamerad? Da hat doch sicher wieder so ein verfluchter Sakermenter von Gaukler seinen Löffel im Brei!
Schwartz Ein Gaukler? ... Warum das?
Hornung Weil alles Malheur in dieser Welt von denen Gauklern stammt. Denk' an den meinen! Den mit den sechzigtausend! Den Schelm! Den Galgenvogel! Ich will verdursten, wenn's nicht so ein gleicher ist, der's dir bei dem schönen Weibsbild verschüttet hat! ... Ist's ernst mit dem Bündelschnüren, General?
Schwartz Eh' es zu Mittag läutet, muß dieser Traum von uns abgeschüttelt sein!
Hornung Sauerei verdammte! Also ausgenudelt, da's kaum angefangen! Jetzt kommt wieder Brotrinde. Ab in die Schenke.
Vom Schloßweg herunter kommen eilends Natalie, Gebetbüchel in der Hand, und Hufnagel.
Natalie Geht's auch nicht zu geschwind, Meister Hufnagel?
Hufnagel Es humpelt sich so weg. Bergauf hol' ich noch die Jüngsten ein. Bergab muß man sich in acht nehmen mit dem Holzfuß.
Natalie teilnehmend Wie lang' habt Ihr ihn schon?
Hufnagel Ziemlich dreimal solang, als Ihr alt seid. Anno sechzehnhundert. Im Strauß bei Sulzbach.
Natalie Welch ein Unheil! Ich glaube, ich stürzte mich aus dem Fenster.
Hufnagel Ich hab' mich im Gegenteil auf den Turm gesetzt. Wo wäre die Chronika derer von Eldringen ohne dies Holzbein!
Natalie Hörtet Ihr das Poltern heut nach bei Euch im Turm? Schaurig war's!
Hufnagel Ich schrieb die Nacht durch. Mein graues Männchen war bei mir. Da sitzt man auf den Ohren.
Natalie Ihr schreibt vom Spuken, und das wirkliche Spuken ...
Hufnagel Das überhört man. Das ist wie mit dem Leben überhaupt. Nur was geschrieben wird, lebt. Was man so gemeinhin Leben nennt, ist tot.
Natalie Wenn wir den General nur noch antreffen! Ich fürchte, die Muhme tut sich ein Leids an.
Hufnagel Mir deucht, er sitzt keine fünf Schritt von Euch. Sie sind über den Platz weg, bis nahe an den Lindenbaum vor der Schenke gekommen.
Natalie erschrickt beim Anblick von Schwartz Mein Gott! Mein Herz! ... Er selbst ...! Wie sag' ich's ihm nur? ... Sagt Ihr's ihm, Meister!
Schwartz hat mit aufgestütztem Kopf vor sich hingebrütet, ist erst jetzt die beiden gewahr geworden, erhebt sich mit Verneigung Mein Fräulein? ... Und der Herr Archivarius? Er sieht sie fragend an.
Hufnagel Eine Sache von Wichtigkeit ... Mich geht's ja im Grunde nichts an. Weibergeschichten! Unsereins hat Besseres zu tun. Aber da's die Herrin selbst betrifft ... Und das Fräulein hier ... Was weiß ich! Ich bin kein Papagei! Fragt sie selbst! Er kehrt sich unwirsch halb ab.
Schwartz betroffen Sprecht, Fräulein! Was ist geschehen? Verfügt über mich, wenn's geboten ist! ... Und solang es meine Zeit hier noch erlaubt.
Natalie Ihr wollt fort von Eldringen?
Schwartz Die Umstände, Fräulein! ... Dringende Geschäfte im Thüringenschen! ... Man braucht mich hier auch kaum.
Natalie Man braucht Euch! Man braucht Euch! Nur zu sehr braucht man Euch! Seid Ihr denn wirklich von Stein? Rettet! Helft!
Schwartz erschrocken Fräulein ...!
Natalie Die Muhme tut sich ein Leids an! Und wenn sie nicht, dann ich!
Hufnagel beiseite Weiber! Weiber! ... Als ob der Himmel einstürzen muß, wenn nicht gleich jeder Topf seinen Deckel findet!
Natalie zu Schwartz, immer exaltiert Prallt denn alles an Eurem Panzer von Eisen ab? Müßt Ihr immer weiter über Leichen gehen?
Schwartz Ich versteh' Euch ja nicht ... So erklärt mir doch nur ...
Natalie Ihr versteht nicht, daß Ihr ein liebendes Weib in den Tod zu treiben auf dem Wege seid? Muß denn das reinste, zärtlichste, aufopferndste Herz erst entseelt zu Euren Füßen liegen, damit Ihr begreifen, verstehen lernt, was Ihr, was die Welt an ihm verlor? Und was Euer hätte sein können, wenn Ihr nicht so ein grausamer, kaltherziger, gefühlloser Barbar und Tyrann wäret!
Schwartz Gerechter Gott! ... Das hab' ich nicht verdient!
Natalie Nein, wahrlich nicht verdient, daß man sich um Euretwillen, um eines solchen Marmorgötzen willen, der kühl lächelnd das Blut seiner Opfer fließen sieht ... Sie bricht in ein krampfhaftes Schluchzen aus.
Schwartz legt ihr die Hand auf den Kopf Kind! Achtzehnjähriges! Kommt zu Euch!
Natalie immer schluchzend Nein! Nein! Laßt! Laßt! Sie greift unwillkürlich nach seinen Händen, als ob sie sie küssen wollte.
Schwartz Kind! Was tut Ihr!
Natalie hat sich gefaßt Es ist schon wieder gut.
Schwartz Glaubt Ihr mir jetzt, daß ich kein Marmorgötze bin, sondern leider ein sehr sterblicher und fehlbarer Mensch, der wieder einmal, wie es scheint, die falsche Brille vor den Augen gehabt und den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen hat? Mein währendes Schicksal auf Erden! Glaubt Ihr mir das?
Natalie an seinen Lippen hängend Wenn Ihr mir's mit den Augen sagt, ja! Aber wollt Ihr, könnt Ihr dann mit ansehen, daß sich die liebendste, hingehendste Seele von der Welt um Euretwillen an einen Nichtswürdigen wegwirft, der sie nur als den Schemel benutzt, um sich aus dem Schmutz über uns alle zu erheben?
Schwartz Sich wegwirft? Um meinetwillen? Ewige Vorsehung! Strafst du mich so?
Natalie Duldet es! Aber nennt Euch keinen Mann mehr! Ein schwaches Mädchen beschämt Euch! Denn ich, ich duld' es nicht, und wenn die blutigste Tragödie daraus entsteht, die je aus dem Gehirn eines Dichters entsprungen ist!
Schwartz faßt ihre Hand Reinen Wein, Fräulein! Zwei Worte! Was ist es, das um meinetwillen geschieht?
Natalie Wer gab Euch den gewissen Ring?
Schwartz bebend Eure Muhme! ... Ahn' ich's nicht schon?
Natalie Durch wen bekam sie ihn zurück?
Schwartz Weiter! Weiter!
Natalie Was verhieß sie dem Bringer als Lohn?
Schwartz schlägt die Hände vor die Stirn Nur nicht das! Nur das nicht!
Natalie Nun! Sich selbst! Um euretwillen! Versteht Ihr jetzt den Hergang?
Schwartz Großer Gott! Wo hab' ich denn meine Augen, meine Sinne, meinen Verstand gehabt? Soll ich mein Lebtag von einem Wahn in den andern taumeln, gleich dem Trunkenbold, der den gestrigen Rausch mit dem heutigen wettmacht und morgen den heutigen übertrumpft? Kaum das eine Trugbild ausgejätet! Und schon kriecht ein zweites aus dem geilen Boden, vom ersten gezeugt und geboren! Der Ring und immer der Ring! War's am Ende doch die Hölle, die ihn ausgespieen? Gleich Flämmchen züngelt es um mich auf. Zertret' ich's hier, so lodert's schon dort. Phantasma über Phantasma! Mein Kopf! Er hält sich mühsam am Tisch fest.
Hufnagel beiseite Wann war das doch, wo sich so ein ähnlicher Fieberkrampf des Wahns in der Chronik zutrug? Er schlägt sich vor den Kopf Alter Esel! Wo hast du dein Gedächtnis? Anno dreizehnhundertundsiebenundvierzig. Ritter Gottfried von Eldringen. Dreihundert Jahre her. Aber die Gesichter der Menschen scheinen sich gleichzubleiben. Und ihre Narrheit auch!
Schwartz hat in innerem Ringen dagestanden, sieht verstört auf Um meinethalben versprach sie sich dem Vaganten, dem Abenteurer? Das also war der Preis für den Ring? Sagtet Ihr nicht so?
Natalie nickt Und da es nun ans Bezahlen geht, so übersteigt es ihre Kraft. Habt Ihr jetzt Klarheit? Endlich? Endlich?
Schwartz Klarheit! Endlich! Endlich! Hätt' ich sie nicht von Anfang an haben müssen? Kannt' ich es nicht, das leidenschaftliche, überstürzte Herz, den wilden, jähen, brausenden Willen, der sich überschlägt wie die Woge in der Brandung: ein Schwall, ein Gischt, sie selbst zerrinnt im Sand, aber der Ertrinkende, den sie trug, liegt gerettet im Licht, atmet, lebt! Er atmet tief auf Ja, Klarheit wie das Himmelslicht jetzt! Und kaum eine Stunde zuvor wie in einen blutigen Nebel eingehüllt! Ewig blindes Schicksal, das du in deiner Wut das Leben um dich her zerstampfst wie der Büffel den Anger, was hast du mir für ein Erbteil in die Wiege gelegt! Er schlägt sich mit den Fäusten vor die Stirn.
Natalie Heilige Maria! Jetzt auch er ...! Wenn sich nur nicht beide ...! Konnt' ich denn ahnen, daß ein Mann von Stein so gegen sich selbst wüten ...? So kommt doch zu Euch, Herr Gen...! Die Muhme lebt! Noch wird alles gut! ... Zu Hufnagel Sprecht doch Ihr ihm ...! Ich vermag's ja nicht! Sie bricht in Tränen aus Heilige Jungfrau! Warum lebt man nur!
Hufnagel halb beiseite, halb zu Natalie Was zur Nessel werden will, brennt beizeiten. Diesen hier kannt' ich; als er ein neunjähriger Bub auf den äußersten Zacken da oben er deutet nach den Turmzinnen hinaufkletterte, weil man ihm das Geschichtenbuch verboten. Entweder Ihr laßt mich meine Magellone lesen, schrie er uns zu ...
Natalie entzückt Oder ich spring' hinunter! Nicht?
Hufnagel Oder ich bleib' hier oben sitzen! Und ließ die Beine herunterbaumeln!... Und beim Livius! Hätt' man ihm nicht seinen Willen gelassen, ich glaube, er säße noch droben! Ein Wirrkopf Zeit seines Lebens!
Natalie schwärmerisch Aber ein Held! Sie nähert sich zaghaft Schwartz, der noch immer ganz in sich versunken, wie abwesend über den Tisch lehnt Herr General! Hört Ihr nicht? Herr General!
Schwartz sieht verstört auf Was wollt Ihr? ... Was könnt Ihr von einem wie ich noch wollen? Von einem unheilbar Verblendeten? Von einem mit Narrheit Geschlagenen?
Natalie Zerfleischt Euch doch nicht immerwährend selbst! Ich ertrag's nicht! Ein Mann wie Ihr! Der Mars selbst die Stirn geboten! Helft lieber uns schwachen Geschöpfen! Rettet uns! Bleibt! Bleibt!
Schwartz halb erwachend Bleiben? Gehen? Bleiben? Es dreht sich um mich! Wo fass' ich's? Wo halt' ich's?
Natalie halb vor ihm niedersinkend Bleibt! Bleibt! Meiner armen Muhme zuliebe ... wenn auch niemand sonst! Bleibt! Rettet sie vor dem Abenteurer!
Schwartz richtet sie auf Steht auf, Fräulein. Ihr entwürdigt Euch. Ich bleibe.
Natalie entzückt Ihr bleibt? Und nehmt den Kampf mit dem Ungeheuer auf?
Schwartz Ich tue, was in meinen Kräften, um meine Schuld gegen Eure Muhme abzutragen, so unbezahlbar sie ist. Und also werd' ich wohl bleiben müssen, bis dem Abenteurer das Handwerk gelegt ist. Mit ihm zusammen hab' ich ausgespielt.
Natalie O dann ... dann ...! Dank! Dank derweil! Auf dem Burgweg links hinten erscheint Seidenfuß, schaut sich suchend um. Sie erblickt ihn Meinje! Der Ritter! Und gerade jetzt ...!
Hufnagel Zur richtigen Stunde! Meine Chronik ruft. Alt und alt paßt zusammen. Jung und jung auch. Ihr habt, was Ihr braucht. Er entfernt sich nach links hinten zum Burgweg, ab.
Natalie verwirrt Wohin flücht' ich mich?
Schwartz verwundert Fürchtet Ihr Euch vor dem Ritter?
Natalie Ich mag ihn jetzt nicht sehen! Nicht vor Euch!
Seidenfuß ist über den Platz gekommen, verbeugt sich Mon général! Et tiens! C'est vous, ma déesse! Quelle surprise! Wird mein sterbliches Auge hier Eures göttlichen Anblicks gewürdigt, holde Daphne?
Natalie verwirrt und zugleich spitz Phyllis, wenn's durchaus mythologisch sein soll, Herr Ritter! Im Augenblick aber nur eine einfache Natalie, wie sich's auf dem Wege zum Hochamt geziemt ... Wollt Ihr etwa auch dorthin? Sie wendet sich zur Kirche.
Seidenfuß Oh! Charmant! Welch ein délice, an Eurer Seite vor den Hochaltar zu treten! Laßt meine Anbetung bis dahin den Mondstrahl um Eure Fußspitzen sein, bezaubernde Nymphe!
Natalie halb bezwungen O mein Herr Dichter!
Seidenfuß Nur ein bescheidenster Nachtreter in den leuchtenden Spuren des Herrn von Hofmannswaldau!
Susanne kommt rasch den Burgweg herunter, geht über den Platz. Sie trägt feierliche dunkle Kleidung, wie zu Ende des vorigen Akts.
Natalie Die Muhme!
Schwartz gleichzeitig, wie zu sich selbst Susanne!
Seidenfuß schlägt sich vor den Kopf Oh, ich vergaß! Es geht mir so vieles durch den Kopf. Eure schöne Muhme, meine erhabene Schwäherin und Base, schickte sich gerade zum Kirchgang an, da ich das Schloß verließ. Vergebens, daß ich ihr mein accompagnement anbot. Sie sandte mich voraus, nach Euch Umschau zu halten, angebetetes Mädchen.
Natalie Nun so kommt schnell, daß wir das heilige Amt nicht ganz vertrödeln. Zu Schwartz Vergeßt mir nicht, Herr General, ein Mann ein Wort! Und doppelt eines Mannes wie Ihr! Sie zieht Seidenfuß mit sich fort.
Seidenfuß gegen Schwartz Au plaisir de vous revoir, mon général illustre! Im Abgehen zu Natalie Nun Hand in Hand mit Euch, Göttin, zu den himmlischen Harmonien, die ja auch unsere neueste Dichtkunst wieder durchfluten! Beide nach rechts hinten in die Kirche, ab.
Susanne ist über den Platz gegangen, als wolle sie ebenfalls zur Kirche. Sie trägt wie Natalie ein Gebetbüchlein in der Hand.
Schwartz hat mit sich gekämpft, tritt ihr entgegen Susanne ...!
Susanne still und traurig Du noch hier, Lieber? ... Ich glaubte dich schon fern. Leise, für sich Wie unsere Jugend. Deine und meine.
Schwartz Noch bin ich da. Nimm's als ein Zeichen, da du's so auslegst.
Susanne Die Zeichen trügen, Lieber. Wie die Wunder ja auch, du weißt. Mir gelten keine Zeichen noch Wunder mehr. Ich hab' einen guten Lehrmeister gehabt.
Schwartz Sprichst du so traurig davon?
Susanne Nicht traurig. Nur still und klar. Wie's etwa der Natur zumute sein mag, wenn der August sich zur Tür hinausschleicht. Die Sonne scheint, aber die Felder sind leer. Stoppeln, wohin du siehst. Alles gelb. Alles eingeerntet. Altweibersommer, Bester. Laß ihn mir! Und du koste deinen Juli aus, wo es das Glück will. Möge es dich geleiten, auch ohne den Ring. Sie hat sich mühsam bezwungen, bricht plötzlich leidenschaftlich aus Warum behieltest du ihn nicht, den Reif! Nimm ihn zurück! Noch ... ehe du gehst ... für immer ... nimm ihn zurück! Sie nestelt an ihrem Mieder, wie um ihm den Ring zu geben.
Schwartz Und du ... du ... du zahlst dich als Preis für ihn, dem Vaganten? Dein Leben gibst du als Pfand für meines? Weiß ich's nun endlich, ich zehnfach vernagelter Tor!
Susanne wieder still und einfach Weißt du's nun? Hat sie's dir verraten? Meine eigene Schuld! Wieder zu schwach! Warum sagt' ich's ihr auch! Immer zu schwach! ... Wohl auch zum letzten, was zu tun wäre! ... Ein schwaches, hilfloses Weib, das sich so stark, so groß vorkam! Beiseite, mit sich ringend Gott! Gott! Gib mir Kraft!
Schwartz tritt dicht an sie heran Susanne! ... Kannst du mir verzeihen?
Susanne Was wäre hier wohl zu verzeihen, Bester?
Schwartz Daß ich nicht mit dem ersten Blick in deine tiefe, reine Seele geschaut, ich blinder, irrer, vernarrter Lebensphantasierer! Daß ich auch nur eine Stunde an dir hab' zweifeln können!
Susanne Und weiter gezweifelt hättest, viele Stunden, viele Tage, viele Jahre, bis zum letzten Stündlein in deinem Kalender!
Schwartz senkt den Kopf.
Susanne Hätte nicht das Mädel, hätte nicht Natalie dir hinterbracht, was ich zu schwach war, ihr zu verbergen. Aber nimm's dir nicht zu Herzen, Bester. Du tatest, wie du mußtest. Und wie auch jeder andere es getan hätte. Männerart so! Was könnt Ihr von einem Weibe erwarten, das nicht Euch allein angehört hat!
Schwartz will sprechen Susanne ...
Susanne Das durch manche Hand gegangen, grobe und schmutzige dazu, nach Kriegslos, wie's über uns alle, alle verhängt gewesen ... Oh! Sie schaudert wie in Erinnerung, sieht wieder auf Weißt du, so ähnlich, wie der Ring, nachdem du ihn verloren hattest .... Und da du ihn wiederfandest, war seine Kraft und sein Zauber dahin. Der arme Ring! Aber er besaß ihn doch einmal, den Zauber, nicht? Nun gut! So leben wir entzaubert, entwundert, solange als es Gott noch gefällt. Geh, geh, Henning Schwartz! Du hast dich an eine Unwürdige verschwendet!
Schwartz Susanne, deine Worte hämmern mir ins Ohr wie der Stundenschlag der Uhr dem des Todes Schuldiggesprochenen! Jeder Schlag ruft ihm sein Verbrechen klarer, eindringlicher, erbarmungsloser vor die Seele, denn jeder Schlag rückt um einen Schritt breit näher die Stunde, wo er seine Schuld sühnen muß. Aber wie sühn' ich mein Verbrechen? Du unwürdig meiner? Um wieviel unwürdiger dann ich deiner! Man müßte ein neues Einmaleins dazu erfinden. Und wenn du mich jetzt nicht selbst verstießest ... ich, ich dürfte keine Gnade mit mir haben, ich müßte mich für immer aus deiner Nähe verstoßen, denn ich habe ärger als der nichtswürdigste Schelm und Merodebruder an dir gefrevelt ...
Susanne abwehrend Henning Schwartz!
Schwartz Ein solcher hätte nur deinen Leib geschändet. Ich habe das liebendste, edelste, großmütigste Herz wie ein blindwütiges Huftier einen Demant zertreten, in dem alle Kostbarkeit der Welt gesammelt war! Dafür müßt' ich des Todes sein, denn jetzt, wo ich dies alles von dir weiß, wo ich ermesse, was ich Unermeßliches besaß und doch nicht wußte, daß ich's besaß ... jetzt von dir zu gehen, Susanne, das heißt leben und nicht mehr leben ...
Susanne für sich, mit Blick zum Himmel Gott! Gott! Wie er mir das Herz zerreißt, da er sein eignes zerfleischt! ... Mein Schwur! Warum schwor ich nur!
Schwartz Und doch ... doch ... darf ich noch nicht gehen, eh' nicht das eine hier, was nottut, getan! ... Schwöre mir, Susanne, daß du von deinem Vorhaben abstehen willst! So reit' ich noch in dieser Stunde. Die nächste sieht mich schon hinter den Spessartwäldern dort. Schwöre mir, Susanne!
Susanne angstvoll ringend Ich schwor dem anderen, Henning Schwartz!
Schwartz Du schworst dem Magister deine Hand zu, wenn er mir den Ring wiederschaffte. Er tat's. Ich gab ihm den Ring zurück. Du bist deines Schwurs ledig. Vor Gott und Menschen! Nicht nach dem Wort! Doch nach dem Geist!
Susanne Du nahmst den Ring. Du erkanntest ihn als den deinen. Der Pakt war erfüllt. Ich schwor, Henning Schwartz! Schwor bei dem Leben dessen, was mir das Liebste hienieden!
Schwartz Und willst um einen Wahn, um ein Hirngespinst, um einen Dienst, der niemand dient, das Opfer aller Opfer, dich selbst zum Opfer bringen? Ich, den du retten wolltest und der keine Rettung braucht, nicht diese, nicht eine andere, keine, ich spreche dich von dem Opfer, von dem Eide frei. Um mich schworst du ihn. Ich spreche dich von ihm frei!
Susanne Aber der Ewige droben, der ihn hörte? ... Ich schwor! Ich schwor! Da helfen keine Worte! ... Warum schwor ich auch!
Schwartz mit kurzem Ruck Wohlan! Das Wort versagt. So helfe die Tat! Sie half noch immer. Sie hilft auch hier.
Susanne Was planst du? ... Die Zornader auf der Stirn ...! Gerechter Gott!
Schwartz Das Wort hinkt. Die Tat springt. Wer von beiden kommt schneller ans Ziel? Beim Gott der Schlachten! Ich hab's zu lang' vergessen! ... Die nächste Stunde findet mich hinter den Spessartbergen dort. Doch in dieser gehör' ich noch Eldringen und dir. Eh' die Glocke schlägt, hab' ich dich von deinem Eide freigemacht. So wahr ich Fridolin Schwartzens, des Torwächters, Sohn bin! Er geht aufgerichtet rechts in das Wirtshaus ab.
Susanne Er will ihm ans Leben ...! Wenn ihm so das Weiße im Auge ... Er will ihm ans Leben! Ist das der Zauber des Rings? Fluchwürdiger Ring! Fluchwürdiger Zauber! Und ich, die ihn beschwor! Die sich selbst verschwor, ihn zu beschwören! Warum schwor ich auch? Und jetzt gleich schwach den Eid zu halten wie ihn zu brechen! Wär's wirklich nur ein Irrwahn? Gott! Gott! Warum schwor ich nur? Kann das gut sein, was ringsherum nur Unheil sät? Sie zieht den Ring aus dem Mieder, betrachtet ihn Welch winziger Reif! Und dreier Menschen Verderben in ihm eingeschlossen! Verruchter Reif! Dreifach verruchter Zauber!
Rosina ist schon während eines Teiles der vorhergehenden Szene zwischen Schwartz und Susanne auf dem Podium vor dem Planwagen sichtbar geworden, hat neugierig und mit wachsendem Interesse zugehört, ist nach Schwartzens Abgang geräuschlos über das Podium auf den Boden geglitten und mit leisen Schritten, immer wie lauernd und horchend, nähergekommen, steht jetzt hinter Susanne, ihr über die Schulter auf den Ring schauend, wendet sich mit einer geschmeidigen Gebärde, so daß sie Susanne gegenüber steht, spricht zuerst wieder gemacht Italienisch Ah! Que bell'anello! Verzeihen Eure Gnaden molte volte! Ick nur wolle sehen die Ring. Ah! Bellissimo! Wohl eine Zauberring? Un' anello magico?
Susanne einen Augenblick verdutzt, dann gefaßt Wer seid Ihr? Was wollt ... Wohl des langen Gauklers blonde Weggenossin?
Rosina mit tiefem Knicks La stessa, eccellenza! Die sein ick! Küss' Eure Gnaden alle beide Hände! Sie tut es, betrachtet dabei unverwandt den Ring, den Susanne noch in Händen hält Perdoni, eminenza! Wer hat gegeben Eure Gnaden die Ring?
Susanne Wer ihn mir gab? Nun jemand, den du nicht kennst, Mädchen. Auch kümmert's dich wohl kaum. Sie steckt den Ring ins Mieder, faßt dabei Rosina näher ins Auge Ja, was ist das? Wer bist ...? Das ist ja ...? ... Magdalena! ... Magdalena Wallreuter!
Rosina späht in die Runde, legt den Finger auf den Mund, spricht jetzt wieder fließend Deutsch Pst! Zitto, Eccellenza! Die Wallreuter Magdalen' ist tot! Morta e sparita! Untergegangen wie der gestrige Tag! Die Rosina Bombinelli aber lebt und tanzt und springt und spielt Komödie ... mit andern und mit sich selbst ... con tutto il mondo!
Susanne in ihren Anblick versunken Rosina Bombinelli! ... Das also ist aus der verschollenen Magdalena geworden! Aus dem Eldringer Bauernmädel, das die Weimarischen Jäger mit sich nahmen!
Rosina Perchè no, eccellenza? So ähnlich, con permesso, wie aus der Radewaldt Susel eine großmächtige Freifrau von Eldringen geworden ist. Una baronessa illustrissima e potentissima. Ganz ähnlich, Euer Gnaden! Non è vero? Verschollen die Sus' wie die Len', alle beide. Und auferstanden alle beide. Nur mit einem ganz einem kleinen Unterschied, eccellenza! Una differenza tutta piccolina! Ihro Gnaden haust da droben in einem Schloß von Stein! Ihro Gnaden untertänigste Dienerin hier unten in einem von Leinwand und Holz! Eccolo, eminenza! Da steht es, unser Schloß! Sie zeigt auf den Planwagen Dafür regiert Euer Gnaden auch nur über Eldringen, Sulzbach, Wertheim und Auf der Fluh, Rosina Bombinelli dagegen über die ganze Welt! Perdoni, Eminenza! Le chiedo mille perdoni! Sie knickst tief, will ihr wieder die Hände küssen.
Susanne entzieht sich ihr unwillkürlich, faßt sie an der Schulter Laß dich anschauen, Mädel! ... Hübsch! Sehr hübsch!
Rosina mit Knicks Il bisogno del mestiere, Euer Gnaden! Das gehört zum Metier.
Susanne Und leicht! ... Recht leicht, wie es scheint?
Rosina Auch das gehört vielleicht zum Metier! ... Dafür ist Euer Gnaden so ernst wie schön.
Susanne Denkst du noch an die Nacht, Magdalena? Als sie uns fortrissen aus den Betten? Dich dort, mich drüben? Sie zeigt ins Dorf.
Rosina Ein Wirbelwind! Nach Ost und West auseinander!
Susanne Und nach einem Jahrzehnt doch wieder am gleichen Platz zusammen. Sahst du deinen Vater, Magdalene? Er lebt! Willst du ihn nicht sehen?
Rosina schüttelt den Kopf Rosina Bombinelli kennt weder Vater noch Mutter, Euer Gnaden. Rosina Bombinelli ist geradeswegs vom Himmel heruntergefallen.
Susanne Aber wenn der Vater die Tochter erkennt?
Rosina Eine solche wie mich? ... Besser keine! Sie macht die Gebärde des Ausspuckens.
Susanne Grauenvoll dunkel unser Leben, Magdalene!
Rosina Wundervoll bunt unser Leben, Euer Gnaden! Io t'amo, o vita! Sie wirft die Arme in die Luft.
Susanne So glücklich bist du?
Rosina Come l'uccello nell'aria! Wie der Vogel in der Luft, den die Sonne bescheint! ... Scheint Euer Gnaden die Sonne nicht mehr?
Susanne schüttelt den Kopf, halb für sich Es dunkelt! ... Ich könnte dich beneiden!
Rosina Arme Suse! ... Arme eccellenza! Sie streichelt ihre Hand.
Susanne Schon gut! Laß! ... Brauchst du nichts von mir? Willst du nichts von mir?
Rosina mit anmutigem Knicks Braucht Euer Gnaden nichts von mir?
Susanne richtet sich auf Nicht gar so stolz, Mädel.
Rosina Nicht stolz! Con permesso! Nur vogelfrei! ... Doch halt! Eine Bitte! Ich vergaß ...
Susanne Nun doch! Sag's!
Rosina Una piccola domanda, Euer Gnaden! Zeigt mir noch einmal den Ring.
Rosina Ihr verbargt ihn an Eurem Busen vorhin. Bitte, bitte, zeigt ihn mir!
Susanne Was soll's damit, Mädel? Sie zieht ihn aus dem Busen, hält ihn ihr hin, ohne ihn aus der Hand zu geben.
Rosina ihn mit Eifer betrachtend L'anello magico! Der Zauberring! ... Er ist's! Es ist der gleiche! Sie lacht hell auf, reißt den Ring Susanne aus der Hand, ruft und nickt Lo stesso! Lo stesso! Der gleiche! Ganz der gleiche!
Susanne heftig Welch gleicher? ... Gib ihn her! Er ist mein!
Rosina Sia tranquilla, eccellenza! Ich stehl' ihn nicht. Rosina Bombinelli hat genug davon. O grande birbante! Welcher Schelm gab ihn Euch?
Auf dem Burgweg ist, ziemlich eilend, Kaspar Melchior Hülff erschienen, mäßigt seine Schritte, da er die beiden Frauen erblickt.
Susanne Der Magister! Gib her! Und still davon! Sie nimmt Rosina den Ring aus der Hand, steckt ihn schnell ein.
Rosina übersieht die Situation Ah! Eccolo! Eccolo! Aspetta, mio caro! Sie tritt abwartend und beobachtend ein wenig zur Seite.
Hülff hat beim Anblick Rosinas gestutzt, scheint mit sich zu Rate zu gehen, wendet sich, als ob er zur Kirche gehen wolle.
Susanne ruft plötzlich Herr Magister! Auf ein Wort!
Hülff scheint zu überhören, geht weiter.
Rosina Soll ich, Euer Gnaden? ... Grande ciarlatano! Man ruft Euch!
Hülff fährt zusammen, kommt näher Benedicatur Dominus! Gebenedeit der Name des Allmächtigen und Allwissenden!
Susanne In Ewigkeit!
Hülff Treff' ich Euer Gnaden hier statt in der Kirche? Und in Gesellschaft, scheint's?
Rosina Sogar nicht einmal in der allerbesten, wie Ihr seht, grande incantatore.
Hülff zu Susanne, mit frommem Augenaufschlag Wir sind Sünder alle durch die Bank, wie Euer Gnaden weiß, wir von Adams und Evas Samen, und unser Herr Jesus Christus ließ sich von einer Magdalena die Füße waschen. Also weshalb sollte Euer Gnaden nicht auch einmal die Luft atmen wie armes fahrendes Volk! Zu Rosina, halblaut beiseite Kein Sterbenswort, oder ich frikassier' dich!
Rosina mit Knicks Le sono molto tenuta, mago sublime.
Hülff wieder zu Susanne, wie vorher Laßt mich nun in Ruhe meinen Gang zur Kirche fortsetzen, edle Frau. Zu Rosina, wie vorher Scher' dich! Oder die Pestilenz über dich!
Susanne immer aus schwerem inneren Ringen, halb wie von Sinnen Was sucht Ihr in der Kirche? Ihr?
Hülff Sammlung! Läuterung! Heiligung! Ein großer Tag heute! Da durstet es uns nach dem Wort Gottes wie die Juden nach dem Manna in der Wüste. Euer Gnaden versteht mich schon. Zu Rosina Zum Satan mit dir!
Susanne Versteh' ich Euch recht, daß Ihr noch immer an Eurem wahnwitzigen Plane festhaltet?
Hülff Mir scheint hier nicht der Ort und die Stunde, Euer Gnaden ... Das heilige Meßopfer dort ... Euer Gnaden sollte lieber mit mir zur Andacht ... Wenn schon nicht gleich wo andershin ...
Susanne Ins Brautbett wohl gar mit Euch? Lieber durch eigene Hand ins Grab! Der ewige Richter würde mehr Erbarmen mit mir haben!
Hülff Euer Gnaden scheint bei übler Laune. Ich weiß nicht, welch eine Laus Euch über die Leber gelaufen ...
Susanne Antwortet mir, Mann! Es steht mehr auf dem Spiel, als Ihr ahnt! Nämlich nicht weniger als Euer Kopf!
Hülff fährt sich unwillkürlich an den Hals Verflucht noch eins! Das scheint nach Blut zu riechen.
Susanne Blut ist ein billiger Saft in diesen Tagen. Wir haben Ströme davon zu Tal fließen sehen. Ein paar Tropfen mehr würden den Ozean nicht überfluten machen!
Hülff wieder gefaßt Ihr beliebt mir zu drohen, Euer Gnaden. Aber wenn Ihr in die eine Schale meinen armen Kopf werfen wollt, so werfe ich in die andere Euren großen Schwur. Mein irdisches Heil gegen Euer ewiges! Und nicht nur das Eure allein. Urteilt, was schwerer wiegt.
Susanne lacht gellend auf Mein Schwur oder Euer Kopf? Faßt ihn mit beiden Händen an, Euren Kopf! Betastet ihn ringsherum, von vorne nach hinten, von oben nach unten! Meßt ihn nach der Quere und nach der Länge! Nicht wahr, sehr greifbar, Euer Kopf? Sehr fühlbar? Sehr treffbar? Ein Säbelhieb spaltet ihn wie einen Kürbis durch, Euren Kopf! Dagegen mein Schwur? Wo greift Ihr ihn? Wo packt Ihr ihn? Was schwor ich denn? Verratet mir's doch! Was schwor ich denn?
Hülff mit Wendung gegen Rosina Soll die Betteldirne hier ewig Maulaffen feilhalten? Halblaut 's ist nur zum Schein. Fort mit dir! Fort mit dir! Wieder laut Wollt Ihr das Straßenmensch zur Zeugin Eures Schwurs oder vielmehr Eures Meineids machen? Zu Rosina Sei still! Sei still! Sei still!
Susanne Weshalb denn nicht? Sie ist ein Weib wie ich! Ihr Blut gärt wie meins! Ihre Sinne drängen wie meine! Die gleiche Erde trägt sie wie mich! Der gleiche Boden gebar sie wie mich! Und Verzweiflung macht sie rasend wie mich! Mag sie, mag alle Welt zuhören, wie man sich ein lebendiges, heißes, fühlendes Weib erschachern will für einen kalten, toten, verfluchten Ring! Und auch du, ewiger Richter, neige dein Ohr herab! Was schwor ich denn? Meine Hand Euch für den Ring, an die Hand des Generals zurück! Hier ist der Ring von seiner Hand! Er gibt ihn Euch wieder! Gebt mir dafür mein Wort zurück! Wir sind quitt!
Rosina hat scharf lauernd dabeigestanden Ei sieh! Ei schau! Ciarlatano! Welch ein Spieler du bist! Und welch ein Spiel du spielst! ... Arme, arme eccellenza!
Hülff Gott verdamm' mich, wenn ich in dieser Sache noch ein Wort spreche, solange diese Gauklerdirne hier herumlungert! Auf Rosina zu In den Höllentrichter mit dir, wo er am tiefsten ist! Fort mit dir! Beiseite, halblaut zu Rosina Sei klug! sei artig! Sei vernünftig, mein Püppchen! Halt' den Mund! Wir spielen halbpart! Laut Fort mit dir! In Satans Namen!
Rosina Arme, arme eminenza!
Susanne Geh, Mädchen! Sei glücklich! Überlaß mich meinem Schicksal! ... So weit auseinander laufen Wege in dieser Welt!
Rosina Euer Gnaden hat menschlich mit einer Gauklerdirne gesprochen. Euer Gnaden soll erfahren, daß auch eine Gauklerdirne sich dankbar erzeigen kann. Sie beugt sich über ihre Hand, küßt sie, wirft den Kopf zurück Auf Wiedersehen, grande ciarlatano! Vor den Brettern dort! Sie winkt ihm zu, läuft schnell über den Platz nach links vorne zum Planwagen, ruft Direttore! Maestro! L'abbiamo trovato! Wir haben unser Spiel!
Kröner steckt den Kopf aus dem Planwagen Was rufst du, mein Engelsbild?
Rosina Unser Spiel! Unser Spiel! Wir haben unser Spiel! Sie springt in den Wagen hinein, beide verschwinden.
Hülff fast gleichzeitig, indem er sich die Stirn wischt, für sich murmelnd Hölle und Teufel! Noch einmal herausgezogen! Wenn das nur glimpflich abläuft! ... Verdammter Ring! Schlägst du auf mich selbst zurück? Er besinnt sich, wendet sich wieder zu Susanne Habt Ihr Euren Entschluß gefaßt, Euer Gnaden? Süßeste und berauschendste Frau? Nur um so süßer, je bitterer die Rede von Euren Lippen fließt! Wollt Ihr Euren Schwur halten? Oder muß ich die sieben Erzteufel zu Eideshelfern gegen Euch heraufrufen?
Susanne richtet sich auf mit entsetzter Gebärde Seid Ihr noch da? Wollt Ihr noch Immer nicht glauben, daß es ernst wird? Rettet Euch! Flieht! Jeden Augenblick kann der Blitz auf Euch niederzucken! Es ist Eure Todesstunde, Mann, und Ihr ahnt es nicht!
Hülff kratzt sich am Halse Verdammt noch eins! Ist das nun bloße Kriegslist, wie's Weiberart, oder geht es in Wahrheit an den Kragen wie damals auf der Leiter? ... Beim ewigen Höllenpfuhl! Ich laß es darauf ankommen! Man soll nicht sagen, daß ich mich von Euch, schöne üppige Frau, ins Bockshorn jagen ließ wie ein brünstiger Kater von einer fauchenden Katze!
Susanne Dann befehlt Eure Seele dem Himmel, solange Ihr noch Zeit dazu habt! Sie wendet sich ab.
Auf dem Kirchturm beginnen die Glocken zu läuten. Das Kirchentor öffnet sich. Die Menge fängt an herauszuströmen. Seidenfuß und Natalie erscheinen Seite an Seite. Frau Stapps geht ins Wirtshaus. Wallreuter und alle anderen vom Beginn des Aktes werden sichtbar. Es bildet sich ein Spalier zu beiden Seiten des Kirchentors. Ein Zug weißgekleideter Kinder mit Zweigen in den Händen und grünen Kränzen im Haar bewegt sich durch das Spalier auf den Platz. Sie singen:
Nun so bist du endlich kommen
O du langgewünschter Tag,
Der uns alles Leid benommen
Und geendet unsre Plag.
Tausend Seelen mit Verlangen
Hofften tausend Täg auf dich:
Nun du uns bist aufgegangen,
Enden alle Nächte sich.
Sie sind vor Susanne angelangt, wedeln mit Zweigen und Tüchern, rufen im Chor:
Auf immer und ewig hienieden
Sei dir und uns allen beschieden,
Nur Frieden, Frieden, Frieden!
Unsere Herrin von Eldringen, Sulzbach und Auf der Fluh, Schenk' uns Glück und Segen und zu essen und trinken dazu! Susanne beugt sich über eines der Kinder, küßt es Ich dank' dir, Kind. Ich dank' euch Kindern allen. Sei euch das Leben leichter, als es euren Vätern und Müttern war! Leises Murmeln in der Menge.
Wallreuter in der Menge, zum zweiten Kriegsknecht Kommt, Soldat! Wir bringen's ins reine.
Susanne bemerkt ihn, ruft Wallreuter, Ihr! Tretet einmal her!
Wallreuter folgt widerwillig Was soll's? Meine Pflicht dahier ist aus. Ich geh' in die Welt.
Susanne Ist's wahr? Ihr wollt Euren Acker verkaufen?
Wallreuter Dem Soldaten da! So ist's! Ein Bauer ohne Kinder braucht kein Bauer mehr zu sein. Das ist wie eine Henne ohne Brut. Die soll man schlachten.
Auf dem Brettergerüst ist Rosina Bombinelli, noch im Flitterkleidchen, erschienen, mit Trommel und Sprachrohr.
Susanne zeigt auf Rosina Seht das Mädchen dort, Mann!
Wallreuter Die Strunze!
Susanne Eure Tochter, Mann! Die die Weimarischen Jäger mit sich nahmen. Wollt Ihr ihr nicht die Hand reichen?
Wallreuter starrt finster auf Rosina hin Das ... mein Kind? Das Straßenmensch? Er spuckt aus Dann lieber ohne Kinder in die Grube! ... Kommt, Soldat! Jetzt wird's mit Brief und Siegel festgemacht! Er geht mit dem Soldaten, ohne sich noch einmal umzusehen, in die Schenke.
Rosina ruft und trommelt vom Bühnenpodium herunter Zur Komödie! Zur Komödie! Hoch- und edelgeborene Herrschaft vom Schloß! Gentilissima eccellenza! Bellissima baronessa! Illustrissimo cavaliere! Anche voi, grande ciarlatano! Zur Komödie! Zur Komödie! Die Herren Soldaten und werten Bauersleute nicht zu vergessen! Tutti! Tutti! Alla commedia dell'arte! Mit hoher herrschaftlicher Erlaubnis! Con permesso della signoria! Die Komödie beginnt! Sie trommelt, ruft durch das Sprachrohr Hilarius Agathon Kröner, genannt il luce del mondo oder das Universalgenie, und Rosina Biombinelli, la stella d'Italia oder der Stern des Südens, werden sie spielen! Gleich beginnt's! Subito! Subito! Sie springt hinter den Vorhang, wo sie sich schnell umkleidet.
Während des Vorhergehenden sind von Frau Stapps Stühle herausgetragen und vor die Bühne gestellt worden. Susanne nimmt Platz. Neben ihr Natalie. Seidenfuß steht hinter Natalie. Hülff steht links, hinter Susanne, etwas beiseite, in lauernder, argwöhnischer Haltung. Die übrige Menge gruppiert sich hinter den Herrschaften, rings auf dem Platz.
Natalie zu Susanne Was ist geschehen, Mühmchen? Sprich ein Wort!
Susanne halblaut zu Frau Stapps Sind Eure Gäste noch im Haus?
Frau Stapps mit Schürze vor den Augen Sie rüsten sich zur Abreise, Euer Gnaden. Ihr Sack wird bald gepackt sein.
Susanne Was weint Sie denn, gute Stappsin?
Frau Stapps So liebe Herren! So vornehme Herren! So mildherzige Herren! Und kaum eine Nacht oder zwei im Haus! Und schon wieder heidi! Fort! Hingegen das Schweinepack! Das hängt wie die Kletten!
Susanne Wir sind Wandersleute auf Erden. Niemand weiß, wo er sein letztes Kopfkissen findet.
Frau Stapps Nur zu wahr, Euer Gnaden! Mein Seliger kann ein Lied davon singen. Aber diesmal ... hätt' ich's anders gehofft! Sie schluchzt.
Susanne Mancher hat's anders gehofft. Tröste Sie sich, Stappsin!
Natalie halblaut zu Susanne Er nimmt Reißaus? Und sein Wort? Das will ein Held sein?
Seidenfuß Ich bin neugierig wie eine Nachtigall auf das Spektakel. Fahrende Gaukler, wenn man das Théatre français gesehen hat! O mon Dieu!
Rosina tritt durch den Tuchvorhang wieder auf die Bühne. Sie ist in einen faltigen Mantel gehüllt, trägt in der Linken ein Zepter, in der Rechten einen kleinen Folianten. Sie verneigt sich. Das Murmeln in der Menge verstummt. Sie spricht:
Ich bin die Zeit, verehrtes Publikum.
Doch nein ... Beim ersten Schritt schon gleit' ich aus.
Ich bin die Künderin der Zeit, ihr Herold,
Ihr Spiegel, Griffel, Sprachrohr ... Wie ihr wollt!
Prinzessin Klio bin ich, wohlbekannt
Seit grauer Zeit als Muse der Geschichte,
Apollos blondes Kind, mit acht Geschwistern
Im Reigen seinem hohen Thron gesellt.
Was jemals war und ist und was sein wird,
In dieses Bandes ewigen Blättern wird's gebucht.
Gleichmütig reih' ich Silb' an Silbe, Wort
An Wort. Ein Menschenleben jede Silbe,
Zwei Worte – und ein Säkulum schwand hin.
Mein Urteil unbestechlich. Meinem Auge
Entschleiert die geheimste Falte sich
Und wär's im Busen eines Neros auch.
Die Züge meines Griffels unverlöschlich,
Wie jene Flammenschrift an Babels Mauern,
Verbuhlten Königs nahem Sturz geweiht.
Gleichmütig, unauslöschlich, unbestechlich,
Dreieinig eins, so walt' ich meines Amts.
Vor meinem Aug' ein Tag wie tausend Jahre,
Und tausend Jahre wie ein Tag, ein Hauch.
Mein Zepter heb' ich, sprech' den Zauberspruch
Und wie von Grund gewandelt steht ihr da.
Was jetzt ist, war – und was da war, ist jetzt.
Urewig gleich im Gleiten der Gestalten,
Ihr heutigen seid's und seid auch jene alten.
Nach Priams Stadt, vor Troja führ' ich euch.
War's nicht ein Krieg, an Wut dem euren gleich?
Merkt ihr auch sonst noch manche Ähnlichkeit,
Der Mensch bleibt Gott und Narr zu jeder Zeit.
Sie verbeugt sich. Beifallsmurmeln in der Menge.
Seidenfuß zu Natalie Nicht übel! Wenn auch des höheren Schwungs und der tropischen Bilderfülle entbehrend. Kein Hofmannswaldau! Bestenfalls ein Opitz! Nur weiter!
Natalie Ja, was wird kommen? Mir klopft das Herz!
Rosina hat den Mantel abgeworfen, steht in Männertracht da, mit Reiterstiefeln, Degen an der Seite. Ein Murmeln der Überraschung in der Menge. Sie verschränkt die Arme, runzelt martialisch die Stirn, spricht in gemacht männlichem Ton Tyndarus bin ich! Ein junger Griechenfähndrich vor Troja. Aus Argos Gestaden mit Agamemnons Heerscharen übers Meer geschwommen. Sieben Jahre fecht' ich schon wie ein Löwe oder wie ein Tiger! Tausend Feinde liegen von meinem Grimm erschlagen gleich einem Lämmerhaufen, über den der Wolf kam! Was ist Achilles, was Ajax gegen mich? Und dennoch, so oft ich auch nach Fortunas Locke gegriffen, immer wieder entfleuchte sie mir. Könnte ich nicht längst Hauptmann oder gar Oberst, zum wenigsten Adjutant des Agamemnon sein, wie Patroklus beim Achilles? Beim Zeus! Lieber wollt' ich meine Seele dem Pluto oder seiner Großmutter, der Hekate, verschreiben, als noch länger mit so trockener Kehle dastehen und andere trinken sehen! Pluto! O Pluto! Hekate! O Hekate! Sie verändert den Ton, spricht ins Publikum Paßt auf! Das ist das Stichwort! Jetzt wird Pluto sofort einen Sendboten schicken. Er heißt Epimetheus und ist ein Schwarzkünstler.
Hülff murmelnd Verflucht noch eins! Das riecht brenzlig!
Rosina streckt sich auf das Podium Laßt mich jetzt schlafen, ihr Leute! Jetzt muß der Schwarzkünstler zu Worte kommen. Sie ruft Pluto! O Pluto! Hekate! O Hekate! Sie schläft ein.
Natalie Welch eine Spannung! Fühlt Ihr, wie ich fiebere? Sie reicht Seidenfuß nach rückwärts die Hand.
Seidenfuß küßt sie feurig Leiht einen Funken dieses Fiebers meiner Seele! So wird sie ewig glühen!
Kröner in griechischer Tracht, mit umgeschlagenem schwarzem Intrigantenmantel, tritt auf, mit rollenden Augen und dröhnender Stimme Ich bin ein Bösewicht! Epimetheus ist mein Name! Aber ich könnte auch Rattengift oder Kinderfraß oder Holmichdiepest heißen! Solch ein Bösewicht bin ich! Meine Seele ist so nachtschwarz, daß Mohren erröten, weil sie schneeweiß gegen mich erscheinen! Meine Hirnschale brodelt von giftigen Dämpfen, als wäre sie Hekates Kessel selbst! Mein Herz spinnt Tag und Nacht nur Tücke und Verrat, wie Weiber ein Knäuel Garn spinnen! Wenn ich auftrete, verfinstert sich die Sonne, die Mondscheibe verschwindet am Himmel wie ein Stück Butter auf der glühenden Pfanne, und Uranus brüllt aus den Urtiefen des Erdbaues wie Gefangene in Eisenketten aus unterirdischen Gewölben brüllen! Ich bin ein Bösewicht! Ich bin Plutos Sohn! Hekate ist meine Urgroßmutter! Ich will jetzt diesem jungen Fähndrich ein Bein stellen, daß er geradeswegs in die Hölle stolpert! Paßt auf, wie ich das anfange, hohes Publikum! Er ruft He, Tyndarus! Wach' auf!
Rosina als Tyndarus, erwachend Wer ruft mich? Laßt mich schlafen! Mir träumte, ich sei Feldmarschall geworden.
Kröner als Epimetheus Du riefst mich. Ich bin Plutos Sohn. Hekate ist meine Urgroßmutter. Du willst Feldmarschall werden? Du sollst es werden, wenn du mir deine Seele dafür versprichst.
Rosina steht auf Euch meine Seele verschreiben? ... O meine arme Seele! Aber nehmt sie! Ich werde ja Feldmarschall dafür. Sie faßt an den Degen, klirrt mit den Sporen.
Kröner Her mit deiner Seele, Tyndarus! Hier hast du einen Ring dafür. Er wird dich groß und berühmt machen. Aber verlier' ihn nicht, Tyndarus!
Hülff Ei verflucht!
Susanne ist zusammengeschrocken, ruft zur Bühne hinauf Einen Ring, sagtet Ihr?
Kröner Ein Ring! Beim Pluto! So ist es, Euer Gnaden! Ein Ring, aus Sargnägeln geschmiedet, die ein Jahrhundert im Totenreich gemodert. Ein Blutstein dran, den mein Vater Pluto höchsteigenhändig am Finger getragen. Bewahr' ihn gut, Tyndarus! Bei deinem Leben! Und damit Ihro Gnaden sieht, daß es auch ein leibhaftiger Ring und kein Spazierstock oder sonst ein Blendwerk ist, zeig' ihn Ihro Gnaden, Tyndarus.
Rosina überreicht Susanne den Ring mit Courtoisie Con permesso, eccellenza! Nehmt hier den Ring!
Susanne in ratloser Verwirrung Der Ring? ... Aus Sargnägeln? ... Ein Blutstein dran? ... Doch nicht der meine? ... Taschenspielerei? Sie nestelt an ihrem Mieder nach dem Ring, als vermute sie ihn entwendet.
Rosina Oh no, Eminenza! Nichts von Taschenspielerei! Niente affatto! Nur dem Euren gleich! Doch nicht der Eure!
Susanne hat ihren Ring gefunden, vergleicht ihn mit dem andern Derselbe! Großer Gott! Es ist derselbe! ... Also Blendwerk alles! Blendwerk! Blendwerk!
Rosina Ihro Gnaden behalte ihn! Wir haben noch mehr davon. Nicht wahr, Epimetheus? Sie zieht zwei andere Ringe hervor, jongliert sie in der Luft.
Kröner So ist es, Tyndarus. Es sind sogenannte Wunderringe. Aber nur für den, der an sie glaubt. Denn auf dieser durchaus problematischen Erdkugel ist ebensosehr alles ein Wunder wie nichts, und ebensosehr nichts ein Wunder wie alles, je nach dem, mit welchen Augen du es betrachtest, Tyndarus. So wahr ich Epimetheus, Plutos Sohn, und ein Bösewicht bin!
Susanne steht auf, reicht Rosina die Hand Hab' Dank, Magdalene!
Rosina Oh! Niente! Rosina hat Euch zu danken, eccellenza. Sie versprach's. Sie hat's gehalten. Sie küßt ihre Hand.
Natalie wirft sich an Susannes Brust Frei, Mühmchen! Frei! Frei! ... O mein Herz! Zuviel der Spannung! Sie schwankt leicht.
Seidenfuß fängt sie in seinen Armen auf Nymphe! Daphne! Laßt mich die Weide sein, die Ihr als Lorbeer umrankt!
Susanne wendet sich zu Hülff Herr Magister ...
Hülff durch die Zähne Die Partie ist verspielt!
Rosina von der Bühne Siehst du wohl, großer Spieler, daß auch andere spielen können? Hat dein Weibchen seine Sache gut gemacht, grande ciarlatano?
Hülff Verfluchte Schlange! Warst du es, die mir die Ringe stibitzt hat?
Rosina Ich mußte doch ein Andenken an dich haben, caro marito, als du mir mit den letzten Dublonen meines braven Korporals durchgingst. Dein armes verlassenes Weibchen hatte nicht umsonst von dir gehört, wie man es anfangen muß in dieser Welt, Warum hast du dir auch dein Geheimnis von mir herauslocken lassen? Weißt du noch, bambino? Dazumal bei Würzburg, im Wiesengrund? O ihr Simsone ihr! Dalila tanzt euch allen auf der Nase herum!
Hülff Um ein Schäferstündchen den Freiherrnhut verspielt! Ohrfeigt mich! Ich hab's nicht besser verdient!
Susanne Geht! ... Und so schnell Ihr könnt!
Hülff Ja! Jetzt heißt es wieder Beine machen! Hol' mich die Pest! Er springt mit einem Satz auf die Bühne, spricht zu Kröner Nimm mich in deine Truppe auf, Kamerad. Ich verpflichte mich, dir den Epimetheus zu spielen, daß du vor Neid grün werden sollst.
Aus dem Tor der Schenke treten Schwartz und Hornung, beide reisefertig, Frau Stapps mit beider Reisesäcken, Schürze vor den Augen.
Hornung überlaßt den Kasus mir, General. Ich stech' ihn ab wie eine Ratze im Loch! Zu Frau Stapps Hör' auf mit dem Geflenn, Weibsbild, dickes! Es wächst neues Jungvieh. Die Kühe kalben nicht bloß einmal. Findst schon noch das Deinige zum Hörneraufsetzen!
Frau Stapps schluchzend Mein Mäuschen! Mein Hühnchen!
Hornung zu Schwartz Überlaßt den Kasus Eurem Leibburschen und Adjutanten! Macht Euch Euren Degen nicht dreckig!
Schwartz schiebt ihn beiseite Diese Rechnung geht mich und keinen andern an, Alter. Er tritt zu Susanne Jetzt wirst du frei! Dann scheiden wir! Unsere Rechnung ist aus!
Susanne Frei, Liebster? Ich ward es schon. Du aber bleibst. Denn unsere wahre Rechnung, die soll jetzt erst beginnen. Nur der Tod setze den Strich darunter! Sie sinkt ihm an die Brust.
Schwartz umfängt sie Susanne! Er erblickt jetzt erst Hülff, der sich in den Hintergrund der Bühne zurückgezogen hat Was ist das?
Hülff zwischen Rosina und Kröner, wie in ihrem Schutz, zu Schwartz Steckt Eure Plempe nur wieder ein! Ihr wißt, ich kann nichts Kitzliges vertragen. Die Geschichte ist aus. Ihr habt die Partie gewonnen! ... Oder wollt Ihr zum Dank einen Mann kalt machen, der Euch erst warm gemacht hat? Will sagen, der Euch Feuer unter den Hintern gelegt hat, daß Ihr nicht kleben geblieben seid, wo Ihr saßet, sondern das Klettern angefangen habt und jetzt oben auf der Leiter sitzt ... Er kratzt sich am Halse Hol' Euch die Pest! Ich wünschte, Ihr hocktet auf einer andern Leiter, und ich hätte, was Ihr da im Arm habt! Aber einerlei! Bedankt Euch gefälligst bei mir! Denn was wäret Ihr ohne den Ring, den ich Euch gab!
Schwartz fährt auf Er war's, der mir den Ring ...? Ihr wart es ...? Mort de ma vie! Wieder eine Binde, die mir von den Augen fällt! Die wievielte wohl? Und wieviel noch? ... Phantasierer! Phantasierer! Er stützt den Kopf in die Hand.
Susanne Uns allen mußte die Binde von den Augen fallen, Geliebter. Unser Leben war Wahn und Trug und Schmutz und Blut und Krieg. Jetzt soll Friede sein.
Murmeln in der Menge Friede! Friede!
Hülff zu Kröner Willst du mich als Charakterspieler haben, Kamerad?
Kröner Es sei, großer Bruder im Apoll! Aber meinen gräßlichsten Fluch über dich, so du mir mit Rosina, meiner Rose, durchbrennen solltest!
Rosina Wozu mit ihm durchbrennen, Maestro? Sind zwei nicht besser als einer? ... Grande Direttore! Mago sublime! Sie umhalst abwechselnd Kröner und Hülff.
Frau Stapps zu Hornung So bleibst du also, mein Äffchen?
Hornung Es scheint so, bis auf weiteres. Her mit dir, Schmalznudel oder Blutwurst! Er zieht sie an sich.
Frau Stapps in seinen Armen Mein Puthähnchen!
Susanne zu Schwartz Hier nimm den Ring, Geliebter! Den andern trag' ich selbst. Veracht' ihn nicht. Vielleicht war's doch ein Wunderring.
Schwartz Er war's, denn er hat das Schwerste aller Wunder gewirkt: Er hat zwei Menschen, die sich in Liebe gefunden, einander auch verstehen lehren. Sie stehen umschlungen.
Natalie stürzt auf sie zu Mühmchen! Ich segne Euch ... Segne uns wieder!
Seidenfuß umfängt sie Nymphe! ... Ma déesse!
Die Menge ruft Lang' lebe unsere Herrschaft von Eldringen!
Kröner tritt vor Wozu ich aus meiner Universalapotheke diese Flasche unfehlbaren Lebenselixiers untertänigst präsentiere!
Hülff Es bleibt dabei, die Welt will genasführt sein. Es kommt nur darauf an, wie!
Rosina trommelt Zur Komödie! Zur Komödie!
Vorhang.