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Der gute alte Vater Rhein, der während seines langen Laufes und vielbewegten Lebens schon eine unendliche Menge von Flaggen und Fahnen aller Art geschaut, sah doch am 2?. September einen Wimpel, der ihm, wenn nicht gänzlich fremd, doch gewiß lange nicht mehr zu Gesicht gekommen war – das Künstlerwappen Albrecht Dürers, welches die Künstlergesellschaft »Malkasten« für heute angenommen, auf dem Hauptmast eines der stattlichen Rheindampfer aufgehißt hatte und unter dessen Schutze eine beträchtliche Menge Künstler den Rhein hinauf fuhren, um in Bingen zu tagen.
Von dem Malkasten in Düsseldorf war ein Aufruf an alle deutschen bildenden Künstler ergangen, wodurch dieselben gebeten wurden, sich in den letzten Tagen des September in Bingen zu versammeln, um so Gelegenheit zu schaffen, sich persönlich kennen zu lernen, eine freundliche Annäherung anzuregen und zu befestigen, sowie manche Gegenstände und Fragen zu erörtern, welche die deutsche Kunst und ihre Interessen berührend, ein gemeinschaftliches Uebereinkommen und gemeinschaftliche Bestrebungen der deutschen Künstler erheischen. Es war das eine tüchtige und, um ein oft gebrauchtes Wort nochmals zu gebrauchen, auch zeitgemäße Idee; halten doch die Träger fast aller Wissenschaften ihre jährlichen Zusammenkünfte, und wenn man im Herbste die Zeitungen zur Hand nimmt, so liest man, daß in dieser Stadt die Naturforscher berathen, dort die Philologen geredet, hier die Landwirthe getagt, gepflügt und die gewachsenen Gottesgaben gründlich untersucht haben. Haben doch selbst auch schon einmal die deutschen Schriftsteller den Versuch gemacht, sich irgendwo zu versammeln; doch war das zu einer Zeit, wo Feder und Papier ziemlich mißliebig waren, weßhalb denn auch die damals projektirte Zusammenkunft nicht zusammen kam.
Die Idee einer Versammlung deutscher bildender Künstler fand denn auch im lieben Vaterlande recht viel Anklang, und nicht nur die Kunstgenossen selbst interessirten sich dafür, sondern auch hohe und höchste Kunstfreunde nahmen die Sache beifällig auf. Der Gemeinderath der Statt Bingen erwählte ein Comité aus seiner Mitte, um die Künstler würdig zu empfangen und für ihre Unterbringung in Privathäusern, im Fall die Gasthöfe nicht ausgereicht hätten, Sorge zu tragen. Wenn nun schon ein gelungener Vorgang da gewesen wäre, so hätte gewiß das schöne Fest noch zahlreichere Theilnehmer gefunden, als dies wirklich der Fall war; das Abwarten und Zuschauen bei vielen Gelegenheiten gehört mit zu unserem Charakter, man will sehen, wie eine Sache ausfällt, ob sie gelingt, ob man keinen Schiffbruch zu befürchten hat, und dann das zweite ähnliche Fest ebenfalls mitmachen. Aus diesen Gründen aber verdienen die Männer, welche die erste deutsche Künstlerversammlung, unbekümmert, ob die Sache gelingen werde oder nicht, ins Leben riefen, den doppelten Dank ihrer Zeitgenossen. Und diesen Dank sind wir dem von dem Düsseldorfer Malkasten aus seiner Mitte erwählten Comité schuldig, welches das gelungene Fest projektirte und die Hauptursache war, daß es so schön und glänzend ausfiel, wie es ausgefallen.
Am 28. September fuhr ich mit ein paar befreundeten Malern von Düsseldorf mittelst der Eisenbahn über Köln nach Rolandseck, wo wir am andern Tag das Schiff besteigen wollten, welches uns, mit den andern Genossen vereint, aufwärts nach Bingen bringen sollte. Wie ist jetzt durch den eröffneten Schienenweg das schöne Siebengebirg den Städten Düsseldorf und Köln näher gerückt! Als wir so an den Ufern des Rheins dahin sausten, erinnerte ich mich noch genau der Zeit, wo um von Düsseldorf nach Rolandseck zu kommen schon für eine ziemlich bedeutende Reise galt, wo man in erstgenannter Stadt Abends um zehn Uhr den Dampfer bestieg, um am andern Morgen früh Köln zu erreichen, wie man darauf in sechs bis sieben Stunden nach Bonn fuhr und dort seinen Weg weiter fortsetzte vermittelst eines Einspänners oder zu Fuß, voll von Begeisterung und Aarbleicher lustige Lieder singend, bei der malerischen Ruine Godesberg vorbei nach dem Fels mit dem romantischen Rolandsbogen, dessen Füße der Rhein bespülte und seine Insel umflutet,
wo das Kloster aus der Mitte düstrer Linden sah.
Zur Linken ragte der Fels des Drachen in seiner unübertroffenen wunderbaren Form, und die andern sechs Berge gruppirten sich wie in stiller Ehrfurcht um den hoch emporragenden Riesen, aus dessen Körper man die Kölner Domruine erbaut, und der wie ein Merkzeichen Bewunderung erheischend dasteht an der Grenze des herrlichen Rheinthales, dort wo es anfängt lebendig und malerisch zu werden und sich zu schmücken mit eigenthümlichen Felsen, alten Thürmen und zerstörten Ritterburgen.
Ach, das Siebengebirge bleibt uns immer eine liebe Erinnerung, und wenn wir fast ermüdet durch die Schönheiten des Rheingaues gegen Rolandseck herabschwimmen und das Kloster vor uns sehen, rechts den Drachenfels, links Rolandseck, dann zieht wieder durch unser Herz ein Klang aus der freudigen Jugendzeit, dann erinnern wir unser glücklichen Tage, wo wir jene Ruinen, jene Berge und Thäler besuchten, wo wir funkelnden Wein tranken aus bekränztem Glase, zurückgelehnt an ein moosbewachsenes Felsenstück, aufblickend an den Himmel – schöner strahlender Mädchenaugen. – Vorbei ist jene Zeit, ach so schnell vorübergesaust liegt sie weit, weit hinter uns, als hätten wir auch die Fahrt durchs Leben hinter die keuchende Lokomotive gespannt zurückgelegt. – Jetzt stößt diese in Wirklichkeit ihr schrilles Pfeifen aus; vor uns und links neben uns in der Tiefe, wo der Rhein silbern funkelt, bemerken wir blitzende Lichter – Station Rolandseck! Wir sind im Bahnhofe bald im freundlichen Hotel Groyen, ebenfalls eine Erinnerung früherer schöner Tage; nur hat sich das kleine Haus von damals bescheiden neben einem neuen großartigen Gebäude verborgen, das aber kaum ausreicht, die vielen Fremden zu beherbergen, welche die Schönheit des Siebengebirges meistens auf mehrere Tage hier gefesselt hält.
Dem windigen und trüben Tage unserer Ankunft war ein heiterer klarer Morgen gefolgt, der Himmel blickte blau hernieder, einzelne Wolken zogen über den Rhein und das Siebengebirge und ließen den ruhig dahinströmenden Fluß zeitweise aufleuchten unter dem Kuß der Morgensonne. Einige von uns benutzten das schöne Wetter, dem Rolandsbogen einen Besuch zu machen. Seit dessen Einsturz – ich glaube im Jahr 1840 – den Freiligrath damals so schön besungen, wo er um Beiträge für den Wiederaufbau bat, hat sich Berg und Ruine doch einigermaßen verändert: der wilde Pfad, mit Steingeröll bedeckt, überwuchert von Ginster und Brombeersträuchen, ist einem bequemen Wege gewichen; unterhalb der Ruine über dem Rheine hängt ein neumodisches Tempelein, was dem alten Gemäuer da oben ebensowenig zu behagen scheint, wie der Neubau eines kolossalen Thurmes weiter oben, welcher alle Blicke auf sich zu ziehen und dem Vorüberfahrenden zu sagen scheint: laßt doch das alte Gerümpel da unten, betrachtet mich, da seht ihr was Rechtes. – Es ist schade, daß der Bogen Rolands die stille Einsamkeit verloren, die ihn sonst umgab; aber wir wollen deßhalb weder mit dem Tempel, noch dem neuen Thurme rechten, braust ja in diesem Augenblicke neben uns durch die Schlucht der Eisenbahnzug mit gellendem Pfeifen. Wie er so höhnisch zwischen die alten Bäume seinen Dampf hinauf schleudert, der nun wie durchsichtige Elfenschleier für Augenblicke an den Zweigen hängen bleibt. – Leb wohl, du alte Ruine, die neue Zeit ist dir traurig nah auf den Leib gerückt. Für uns hatte übrigens der ankommende Zug das Gute, daß er Freunde und Genossen, die gestern Abend in Köln und Bonn zurückgeblieben waren, nachbrachte und ein ganzes Dutzend heiterer und fröhlicher Gesellen in den Frühstückssaal hineinwarf, wo wir in Wahrheit geblendet von Licht und Sonne – denn der Rhein vor den Fenstern spiegelte alle Strahlen zurück – gemüthlich unsern Kaffee tranken. Darauf sagten wir dem freundlichen Gasthofe Adieu und gingen ein paar hundert Schritte den Rhein aufwärts bis zur Landungsbrücke der Dampfer, den unsrigen erwartend. Der arbeitete sich denn auch nicht lange nachher rauschend und Dampf auswerfend zwischen den beiden Inseln Nonnenwerth und Grafenwerth hindurch und war, was uns alle mit einigem Stolz erfüllte, stattlich beflaggt wie zu einer anderen großen Feier; oben an dem Hauptmaste flatterte die weiße Fahne mit dem Künstlerwappen, an den Tauen die der verschiedenen Uferstaaten, und hinten über dem Pavillon sah man breit und lang die preußischen Fahnen. Mit lautem Hurrah wurde das Schiff begrüßt, und wir, die am Ufer standen, ebenso von den Ankommenden aus Düsseldorf. Eine ziemliche Menge, namentlich der jüngeren Künstler, hatte es vorgezogen, gestern Abend um elf Uhr von Düsseldorf abzufahren und die Nacht auf dem Rheine zu bleiben. Wir selbst haben das in früheren Jahren auch gethan und uns nur vielleicht in den Morgenstunden etwas unbehaglich gefühlt, wenn nach mancher Flasche und manchem Lied der Schlaf doch sein Recht forderte und sich das müde Haupt alsdann vergeblich nach einer stillen Ecke umsah.
Unterdessen haben wir Rolandseck hinter uns gelassen und Freunde und Bekannte suchen sich auf und begrüßen sich herzlich. Auch ohne die fünfzig bis sechzig Künstler, die von Düsseldorf herauf gekommen waren, hatte das Schiff eine ziemliche Anzahl von Passagieren, weßhalb es in den Kajüten heiß und unangenehm war und auch auf dem Verdecke ziemlich enge herging. Aber in guter angenehmer Gesellschaft erträgt man das leicht und gern; Freunde fanden sich zu Freunden, blinkende Rheinweinflaschen mit verzierten Zetteln wurden auch sichtbar, Cigarren dampften und hie und da hörte man zwischen dem Rauschen der Räder hindurch den Anfang irgend eines lustigen Liedes. Der klare Himmel wie heute Morgen war über unsere Künstlerfahrt nicht hold geblieben, die Sonne hatte dichte Schleier über ihr Angesicht gezogen und hielt den ungezogenen Wind nicht mit strengem Antlitz in Ordnung, so daß wir viel von diesem tollen Gesellen zu leiden hatten, der durch das Rheinthal fegte und dicke Oberröcke nothwendig machte. Verzeihlich war es deßhalb auch, daß einige, worunter auch ich, im Rauchzimmer eine kleine Kartenpartie veranstalteten; wir spielten dort ein für mich neues Spiel, Juckern genannt, welches ich dem geneigten Leser, der Unterhaltung ohne irgend geistige Anstrengung liebt, hiemit bestens empfehle.
An des Rheines kühlem Strande
Stehen Burgen hoch und kühn,
singt das bekannte Lied, und an all diesen oft gesehenen Burgen und Ruinen fuhren wir denn abermals dahin. Aber wo ist die Zeit unserer ersten wunderbaren Neugierde geblieben, wo wir dem geplagten Kondukteur und dem überbeschäftigten Kellner den Namen keiner Felswand, keines alten Steinhaufens schenkten, wo wir es für unsere Pflicht hielten, den Namen jedes Städtchens, jedes Dörfchens zu erfahren, um ihn gleich darauf wieder zu vergessen, wo wir Namen wollten, nur Namen, wo wir die Katze für die Maus ansahen, und ebenso verzeihlich St. Goar für Oberwesel. Bei den bedeutendsten Stellen, für die sich unsere Phantasie ernstlich interessirte, so z. B. bei der Pfalz oder dem Lorleyfelsen, kamen wir doch wieder in den richtigen Takt hinein.
Da liegt denn auch heute der letztere wieder vor uns, und wenn wir gegenüber dem steilen, mit herbstlich absterbendem Laub bedeckten Felsen vorüberkommen, so erblicken wir ihn malerischer gefärbt als im Frühjahr und Sommer, und sehen rechts den Invaliden aus seinem Steinhäuschen hervorspringen, regelmäßig wie der Hahn auf einer Nürnberger Uhr sein Liedel blasen und seine rostige Muskete abfeuern, was Beides aber nur einen schwachen Widerhall zwischen den Felsen hervorruft. Namentlich heute klang mir derselbe so unbedeutend, daß ich fast glaube, die gute Lorley fängt an, für ihren Verehrer unempfindlich zu werden, oder der alte Mann dort drüben hat nicht mehr Kraft genug, tüchtig in die Trompete zu stoßen oder den Schuß in seiner Muskete fest anzusetzen.
Ach, wie bald, ach, wie bald
Schwinden Schönheit und Gestalt.
Noch ein paar Jahre und der Invalide wird zu seinen Vätern versammelt sein, die Direktion wird keinen neuen zum Blasen und Schießen aufstellen, und dann wird die Sache erst in der Tradition recht bekannt und berühmt. Ja damals, werden ältere Reisende sagen, wurde hier geschossen, und den donnernden Widerhall hättet ihr hören sollen! Damals war so eine Rheinfahrt noch interessant, heute – du lieber Gott! – ist das alles nichts mehr. Ein Mitreisender erzählte uns, daß neulich hier eine Batterie preußischer Artillerie vorbei marschirt sei, der kommandirende Offizier ließ einen Sechspfünder abprotzen und einen Schuß gegen die Felswand der Lorley thun. Das krachte denn freilich anständig genug, und die weiter rückwärts liegenden Berge warfen jubelnd den Widerhall einander zu, bis er am Ende weiterhin verklang wie ein dumpfer Donner, der Invalide aber stürzte bei diesem Getöse aus seiner Steinhütte hervor und rief in komischem Zorne: Jesus, Maria und Joseph! hört doch auf, ihr schießt mir das ganze Echo kaput!
Wer es noch nicht weiß, daß sich hoch an der Felswand der Lorley ein paar eigenthümlich geformte Felszacken befinden, die, wenn man zu Thal schaut, einen kolossalen Kopf im Profil zeigen, welcher dem des Königs der Franzosen, Louis Philipp, außerordentlich ähnlich ist, den erlauben wir uns hier gratis darauf aufmerksam zu machen; der Anblick ist wirklich überraschend und sogar der Backenbart nicht vergessen, der durch ein paar hervorwuchernde Sträucher gebildet wird.
An den Bergwänden hier herum war an verschiedenen Stellen Heidekraut angebrannt und weißer Dampf quoll, zuweilen vom scharfen Winde niedergehalten, dann auf einmal wieder auf verschiedenen Punkten in die Höhe, was artig aussah, als feuerten Gnomen in den Felsspalten eifrig auf einander.
Als wir in die Nähe von Oberwesel kamen und uns dem Ziel der heutigen Reise näherten, gerieth die Genossenschaft der Künstler aus dem Dampfer in Bewegung; sämmtliches Gepäck derselben wurde unter die Obhut der beiden Diener des Malkastens gegeben und die prachtvolle Fahne enthüllt, welche, ein Geschenk Düsseldorfer Frauen und Jungfrauen, beim Einzug in Bingen vorangetragen werden sollte. Man hatte schon erfahren, daß die Ankunft der Künstler von der Stadt Bingen so festlich wie möglich begangen werden sollte, und da der Kapitän unseres Dampfers nicht dahinten bleiben wollte, wo es galt, Artigkeiten zu erwidern, die man seinen Passagieren erzeigt, so hatte er sich in Koblenz mit gehöriger Munition für seine Schiffsartillerie, zwei kleine Böller, versehen, und schon in Oberwesel, wo man uns durch aufgesteckte Flaggen willkommen hieß, krachte es von unserem Schiffe zum Gegengruße hinüber. Noch ein paar Biegungen und wir sahen den Rheinstein vor uns liegen, diese kleine, aber außerordentlich malerische Burg des Prinzen Friedrich von Preußen. Da hing sie mit ihrem dunklen Gemäuer von derselben Farbe wie der Stein, auf dem sie erbaut, an der Bergwand mit ihren ein- und ausspringenden gezackten Zinnen, mit ihren Thürmen und Außentreppen, alles malerisch neben und über einander gebaut und überragt von dem Hauptthurm mit der hohen Flaggenstange und dem eisernen Pechkorbe. Wie Prinz Friedrich von Preußen der Erste war, der hier im schönen Rheinthale eines der Schlösser der Vorzeit im reinen Geschmacke, edel und zweckmäßig wiederherstellen ließ, so hat er sich auch den schönsten Punkt erwählt, und es muß dem hohen Beschützer der Kunst zur Freude und Genugthuung gereichen, wenn die Vorüberfahrenden mit Lust und Bewunderung zu seiner Felsenfeste emporschauen. Freundlich und prächtig zugleich begrüßte sie uns, als wir unter ihr dahin fuhren; von ihrer Plattform donnerten die Kanonen über den Rhein dahin, rings umher das Echo wach rufend. Es war in der That ein schöner Anblick, wie man es aus den Schießscharten blitzen sah, wie der weiße Dampf herausquoll und sich darauf lang gestreckt um die Felszacken herum wand. Auch der alte im Neubau begriffene Mäusethurm hatte Flaggen aufgesteckt, doch ging sein Anblick verloren durch die wirklich schone Ausschmückung der Stadt Bingen, vor der setzt unser Dampfboot unter immerwährendem Feuern rundete. Das ganze Ufer war mit unzähligen Flaggen besteckt und aus allen Häusern am Ufer flatterte es bunt durcheinander in den verschiedensten Farben. Auch über die hintern Häuserreihen ragten Fahnen hervor in Roth, Weiß, Blau, Gelb, und das setzte sich so fort bis zu der alten Burg Klopp hinauf, die mit einer kolossalen Flagge geziert war und von ihren Wällen unser Schiff lustig mit krachenden Schüssen begrüßte. Links neben Bingen aufwärts des Rheines lag ein Schiff mit bunten Wimpeln, und dort schloß die prachtvolle Villa Landy, die sich mit ihren ausgedehnten weißen Gebäulichkeiten und zackigen Mauern den Berg bis zur Rochuskapelle hinanzieht, wie ein lichter, hellglänzender Rahmen die Festlichkeit. Auch dort flatterten von Warten und Thürmen bunte Fahnen, auch von dorther krachten die Schüsse ein Willkomm herüber. Auf dem Radkasten unseres Dampfers hatte sich der Bannerträger des Malkastens mit der Fahne aufgestellt und viele waren nachgeklettert, um mit geschwungenem Hute das Hurrah zu erwidern, mit dem die Künstlerschaft vom Ufer her empfangen wurde. Die Stadt schien sich zu dem Zwecke entleert zu haben, denn auf dem Quai bis zur Landungsbrücke sah man Kopf an Kopf, und eine Deputation des Gemeinderathes mit dem Kreisrath an der Spitze hatte Mühe, bis zu uns durchzudringen. Der Empfang bestand aus einigen herzlichen Worten, die freundlich dankend erwidert wurden. Schon auf dem Schiffe waren die Quartierbillets ausgetheilt worden, doch zogen sämmtliche Angekommene vom Dampfer weg in das neue Badehaus, welches den Künstlern zu ihrer ersten Versammlung freundlichst zur Verfügung gestellt worden war. Die Zimmerwände des großen, noch nicht fertigen Gebäudes, aus rohem Mauerwerk bestehend, halte man freundlich mit Epheuranken, Fahnen und Draperieen geschmückt, und es sah aus, als wenn es grade so und nicht anders sein mußte. Maler Lentze aus Düsseldorf, den man wohl als die schaffende Kraft des ganzen Unternehmens ansehen kann, bestieg die Rednerbühne, begrüßte die Versammlung mit wenigen herzlichen Worten, worin er auch den Dank für die freundliche Aufnahme der Stadt Bingen einzuflechten wußte, und lud die Anwesenden ein, sich am andern Morgen um neun Uhr wieder einzufinden, um alsdann zuerst zur Wahl von Präsidenten und Comité zu schreiten. Darauf zog sich jeder in die angewiesenen Quartiere zurück, und da ich als Gast betrachtet wurde, so traf ich es so angenehm, mit dem größten Theil des Düsseldorfer vorbereitenden Comité's, meistens lauter guten Bekannten, in der vorhin schon erwähnten Villa Landy untergebracht zu werden, deren freundlicher Besitzer uns in Bingen in Empfang nahm und auf seinen wirklich prachtvollen Landsitz hinausbrachte. Dort fanden sich nach und nach noch viele der Genossen ein, die von dem gastfreien Wirthe Einladungen erhalten hatten, und so verbrachten wir den ersten Abend bei einem guten Souper in den kolossalen Glashäusern der Villa arrangirt, die bei der Beleuchtung unzähliger Lichter, auf Kron- und Armleuchtern von der Glasdecke herabglänzend, oder auf der langen Tafel brennend, bei Bäumen fremder Zonen, durch deren Zweige Lampenkugeln leuchteten, bei springendem Wasser wahrhaft feenhaft aussahen, die liebenswürdige Hauswirthin präsidirte dem Fest und gab demselben durch ihre Anwesenheit, sowie durch die einer anderen befreundeten Dame erst die rechte Weihe.
Daß den guten Gewächsen des Rheingaues, in dessen Herzen wir uns gerade befanden, und die freigebigst aufgetischt waren, alle Ehren angethan wurden, brauche ich wohl nicht zu sagen. Ja, alle Ehren, aber in allen Ehren, und wenn auch herzliche Lebehochs ausgebracht wurden, so fiel doch, selbst als die Damen sich entfernt hatten, sonst kein zu lautes und die Fröhlichkeit störendes Wort.
Nach einer etwas unruhig vollbrachten Nacht, woran wohl das ungewohnte Feuer des Scharlachbergers Schuld war und theilweise auch die musikalische Nachbarschaft eines sonst gemüthlichen Freundes, der seine Unruhe demselben Motiv zuschrieb, das mich wach erhielt, fanden wir uns am Kaffeetisch wieder zusammen, von unserem freundlichen Hauswirthe begrüßt, der nicht nur ein vortreffliches Frühstück für uns hatte bereiten lassen, sondern uns auch neben dem Wunsche einer gut vollbrachten Nacht mit den vortrefflichsten Cigarren regalirte – ein Edelmuth, der in unserer jetzigen leider so verdorbenen Zeit in solchem Umfange schwerlich mehr gefunden wird. Als die Andern, welche ihre dringende Pflicht rief, gegen 3 Uhr nach der Stadt zu ihrer Sitzung gingen, wurde ich, bei dem man voraussetzte, daß er sich schon eher eine Versäumniß könne zu Schulden kommen lassen, von Herrn v. Landy zurückbehalten, was ich mir um so lieber gefallen ließ, da ich dadurch Gelegenheit bekam, dessen ganzes schönes Gut im Detail zu besehen. Der Besitzer hat hier in einem Zeitraum von 4 Jahren etwas Außerordentliches geschaffen; gerade unter der Rochuskapelle kaufte er so viel Terrain, als er erhalten konnte; diese Ankäufe wurden ihm, was eigentlich unglaublich klingt, nicht erleichtert; das Gut beginnt nun an der Chaussee von Bingen nach Mainz und zwar mit sehr sauber gehaltenen Weinbergen, bei welchen die bisherige Art des Anbindens an Pfähle vermieden wird und die Reben an den durch das ganze Stück parallel laufenden Eisendrähten gezogen werden; kleine einfache Räder von Gußeisen, von Hrn. v. Landy selbst konstruirt und angebracht, lassen diese Drähte beliebig anspannen. Ein breiter Fahrweg führt durch die Weinberge nach einem zweiten Thor, welches durch zwei Veranden gebildet wird, die quer das ganze Anwesen durchschneiden und an die Umfassungsmauern des Gutes stoßen, welche grenelirt den Berg hinauf das ganze Anwesen eingrenzen. Hinter der Veranda beginnt eine Art pleasure ground sanft ansteigend mit Blumenpartieen, gut erhaltenem Rasen, Springbrunnen, an dessen Ende sich die Villa erhebt. Dies Gebäude, zu welchem eine hohe breite Treppe führt, ist nicht übermäßig groß, einfach und geschmackvoll. Sehr angenehm für den Besitzer und dessen Familie ist der anstoßende, außerordentlich große Wintergarten, an dessen Ende sich ein Warmhaus mit sehr schönen Palm- und anderen Pflanzenarten befindet. Hier lebt man selbst im Winter wie im Freien, umduftet von Blumen unter dem immerwährenden Grün der Orangen, Lorbeer, Cypressen und Cedern; hier wird fast Jahr aus Jahr ein dinirt, und hier haben die Kinder bei jedem Wechsel der Witterung einen außerordentlich angenehmen Spielplatz. Man sieht, alles was der Besitzer geschaffen, ist von der Idee durchdrungen, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden und den erreichbaren Comfort selbst nicht auf Kosten einer vielleicht noch größeren Eleganz zu opfern. Hinter Villa und Glashaus sehen wir die Wirtschaftsgebäude, Stallung und Remisen versteckt an der Mauer liegen und reinlich erhaltene Zickzackwege führen uns den Berg hinan zu einer kleinen Kapelle, die mit neuen schönen Glasmalereien, sehr verständig den Alten nachgeahmt, ausgeschmückt ist. Herr v. Landy, der fast alles, was hier entstand, so weit wie möglich auf dem Platze anfertigen ließ, der z.B. seine kleine Dampfmaschine, die das Wasser pumpt, zum Schneiden von eichenen Stäben benutzte, woraus er einen großen Gartenpavillon im maurischen Geschmack erbaute, hat ebenfalls ein Atelier für Glasmalerei angelegt, das schon sehr hübsche Resultate geliefert, und wo man auch anfängt, für Bestellungen von auswärts zu arbeiten. Hinter der Kapelle steigt man abermals aufwärts, bis zu einer Terrasse mit Böllern besetzt, wo sich ein hoher Thurm von zwei Stockwerken erhebt, welche freundliche Gemächer bilden und mit alten und neuen Waffen und Möbeln ausgeschmückt sind.
Indessen war mir bei Besichtigung all' dieses Schönen die Zeit so schnell vergangen, daß ich – für einen Berichterstatter schlimm genug – kaum zum Schluß der ersten Sitzung im Badehaus anlangte. Um aber so genau als möglich zu sagen, was hier vorgefallen, sowie auch nach dem Ausspruche Molière's: »Man nimmt das Gute, wo man es findet,« muß ich mich für die heutige erste Sitzung des Berichts meines Collegen Kaulen aus Düsseldorf bedienen, der mit Pünktlichkeit nachgeschrieben.
Eine bessere Einweihung als durch die erste Versammlung deutscher bildender Künstler konnte sich das neu erbaute Badehaus nicht wünschen. In hunderterlei Dialekten hörte man ringsumher die Repräsentanten aller deutschen Vaterländer und Ländchen, von der breiten Kehle des Westfalen bis zum überstürzenden halbverschluckenden Singlaut des Frankfurt am Mainers. Allmählig verstummten die Einzelstimmen, als nun im hübsch dekorirten Raume Platz genommen war, und dann ein Ueberblick der etwa 160 besetzten Stühle ein freudiges Gemurmel der Befriedigung hervorrief. Jetzt wußte man, wie viel da waren, aber man wußte noch nicht wer, und mit vielem Scherz wurde der Plan einer Generalbeichte durchgeführt, nach der Reihe aufstehend, nannte jeder seinen Namen, Wohnort und Charakter. Düsseldorf hatte als Ursprung des Planes selbstverständlich die meisten Repräsentanten, einige vierzig; das nahe Frankfurt erreichte beinahe dieselbe Zahl. Außerdem waren die süddeutschen Städte Hanau, Darmstadt, Wiesbaden durch eine Anzahl Künstler vertreten. Von Köln waren einige, von Berlin ein Deputirter; Münchens Künstler sandten eine Kommission mit offiziellem Mandat, und ein deutscher Meister aus der Fremde, Professor Chaurin von Lüttich, hatte sich ächt kosmopolitisch angeschlossen. Vor allen gebührendermaßen besonders freundlich begrüßt wurde Phil. Veit von Mainz, einer der Nestoren, die vor 40 Jahren in Rom den Plan der Reorganisation der arg verwaisten deutschen Kunst faßten und ihn so glänzend durchführten, daß der Ruhm derselben jetzt sich über die entferntesten Länder der Welt erstreckt. Der liebenswürdige Greis nahm die sofort einstimmig auf ihn fallende Wahl zum Präsidenten an, nachdem er das Düsseldorfer Comité gebeten, zuvor kurz die leitende Idee ihres Aufrufes darzulegen.
Auf den Wunsch des interimistischen Vorsitzenden E. Leutze berichtete der Vereinssekretär, Hermann Becker, in kurzen Worten über die Entstehung des Planes. Es sei im Kreise des »Malkastens« bei Gelegenheit eines Besuches aus München Klage darüber geführt worden, daß die Genossen der Malerzunft im Süden und Norden Deutschlands sich und ihre Werke gar nicht kennten. Man habe frisch beim Schopf die Idee erfaßt, dem abzuhelfen durch eine allgemeine deutsche Künstlerversammlung, und zwar außer Vermittelung der persönlichen Bekanntschaft auch sofort jene der Werke in's Auge gefaßt. Somit brächten die Düsseldorfer für heute auf die Tagesordnung den Plan einer allgemeinen deutschen Kunstausstellung. Man möge bei Diskussion dieser Idee nicht übersehen, daß es sich hier weniger um einen Markt für die Bilder handle, etwa wie ihn die Kunstvereine böten, als vielmehr um eine Ehren-Repräsentation gegenüber den Genossen und dem Publikum.
Direktor Veit nahm, nachdem er sich mit diesem schönen Plane aus vollem Herzen einverstanden erklärt, alsbald den Vorsitz ein, und ihm gesellte sich zur Seite als Vicepräsident Herr Direktor Pelissier aus Hanau. Dann konstituirte sich das Bureau aus Delegirten der verschiedenen hier vertretenen Schulen: Professor Jacob Becker von Frankfurt, Professor Jacob Felsing von Darmstadt, Schleich und Frank aus München, Professor Rustige und Maler Herdtle aus Stuttgart, – und dem Düsseldorfer Comité.
Wie sehr die Idee der allgemeinen Ausstellung Anklang fand, zeigte sich dadurch, daß nur eine Opposition erhoben wurde und zwar von dem Präsidenten der süddeutschen Kunstvereine, Felsing, der wiederholt die Befürchtung aussprach, die Gesammtausstellung möchte mit den bereits bestehenden Einzelnausstellungen der Kunstvereine collidiren und dann eins dem andern schaden. Seine wohlgemeinten Gründe wurden indeß widerlegt und von anderer Seite hervorgehoben, daß nur eine größere deutsche Stadt in jedem Jahr an die Reihe käme und diß nur eine Ausstellung alljährig würde stattfinden können. Man ging inzwischen konsequent zu Werke, abstrahirte von allen Details und setzte einstimmig als Beschluß fest:
»Es soll eine allgemeine deutsche Kunstausstellung stattfinden, welche periodisch in verschiedenen größeren Städten wiederkehren soll.«
Das wann, wie und wo konnte man um so besser einer späteren Berathung vorbehalten, als die Wiederkehr der deutschen Künstler-Versammlung für das nächstfolgende Jahr a priori zum einstimmigen Beschluß erhoben war. Einstweilen war die Idee im Prinzip festgestellt. Jeder Künstler in Deutschland weiß, daß ihm künftig ein Ueberblick über die Gesamtleistungen aller Schulen geboten wird; er kann dort sehen, was anderswo gemacht wird, welche Richtungen verfolgt werden und an den Leistungen anderer den Maßstab für die eigenen nehmen.
Nach dem Schlusse dieser ersten Sitzung zog man zu einem gemeinschaftlichen Mittagessen im englischen Hofe, wo in einem großen, hübsch verzierten Saale an drei Tafeln ungefähr zweihundert Couverts gedeckt waren. Das Essen war erträglich, und mehr konnte man auch für eine so große Anzahl von Gästen nicht verlangen. Dafür aber herrschte laute Fröhlichkeit, man fand Bekannte, man wurde von Freunden entdeckt und dem flüchtigen Gruße, womit man sich heute Morgen während der ernsten Berathung hatte begnügen müssen, folgte jetzt lustiger Zuruf und herzlicher Handschlag. Auch an Toasten fehlte es nicht, und nachdem der auch hier vorsitzende Direktor Veit auf den Landesherrn ein stürmisches Lebehoch hervorgerufen, wurde König Ludwigs von Baiern gedacht, des edlen und hochherzigen Beschützers der Künste, und dem hochgefeierten Namen im freudigsten Dankbarkeitsgefühle so zahlreiche und lärmende Lebehochrufe gebracht, daß ordentlich die Fensterscheiben erdröhnten. Lentze sagte für die Anordnungen der Bingner Bürgerschaft den besten Dank der Versammlung, worauf Herr Baumeister Scherr freundlich antwortete.
Trotzdem man bei diesem Diner in Bingen so recht im Herzen des besten deutschen Weines saß, trotzdem zahlreiche Flaschen Rüdesheimer, Scharlachberger und Aßmannshäuser auf den langen Tafeln blinkten, ging doch das heitere Mahl in jeder Beziehung so ruhig und gesetzt vorüber, daß selbst ein bekanntes Witzblatt, welches die außerordentliche Freundlichkeit hatte, die tagenden Künstler vor dem Genuß des 1848er Weines zu warnen, seine Freude gehabt hätte, im Falle es nämlich diesem Witzblatt überhaupt möglich ist, an der harmlosen Fröhlichkeit anderer Menschen Freude zu empfinden.
Da das Wetter am Morgen zweifelhaft gewesen war, es auch einigemal geregnet, so war von Seiten des Comités keine allgemeine Künstlerfahrt für den Nachmittag beschlossen worden, weßhalb sich einzelne Partieen nach verschiedenen Orten in der Umgebung Bingens begaben. Einige fuhren nach Rüdesheim, andere nach Aßmannshausen, die meisten aber erstiegen trotz Wind und trübem Wetter den Scharlachkopf. um einen Blick in das prachtvolle Nahethal zu thun, und gingen darauf zur Rochuskapelle, wo aber die sonst so herrliche Aussicht durch tiefhängende Wolken und Regen verschleiert war. Abends fanden sich sämmtliche Künstler wieder im Saale des englischen Hofes, wo man bis spät in der Nacht sitzen blieb unter Absingung deutscher Lieder, unter ernsten und scherzhaften Toasten, unterhalten durch die Talente einzelner, welche sich unter allgemeinem Beifall in Gedichten und dramatischen Scenen produzirten.
War die Form der ersten Berathung etwas locker und nicht ganz streng parlamentarisch gewesen, so war die des zweiten Tages, Montag, schon so fest und so sicher, als habe man bereits Wochen lang getagt. Da der Alterspräsident Veit bereits abgereist war, so trat Professor Pelissier aus Hanau an seine Stelle, und v. Launitz aus Frankfurt wurde zum Vizepräsidenten erwählt. Im ersten Theile der Berathung wurde zum Beschluß erhoben, daß eine große Kunstausstellung deutscher Künstler abwechselnd vorläufig in sechs Städten, nämlich Frankfurt, Wien, Berlin, München, Dresden und Düsseldorf stattfinden solle, und zwar das erstemal in Frankfurt im Herbste des Jahres 1857. Den zweiten Theil der Berathung bildete ein Antrag Beckers aus Düsseldorf, die deutschen Regierungen im Einzelnen und den Bundestag anzugehen, zum Schutz des geistigen Eigenthums in Kunstwerken ein Gesetz zu geben. Der Antragsteller brachte in der Motivirung seines Antrags eine Menge der ans Unglaubliche streifenden Beispiele bei, wie gegenwärtig durch einzelne Subjekte der Handel mit Kunstwerken betrieben werde. Diese Menschen lassen auf den öffentlichen und permanenten Ausstellungen die Bilder der großen Meister, wie Achenbach, Lessing, Lentze etc. in Masse copiren und verkaufen sie unter dem Namen und dazu mit dem Monogramm derselben zu Spottpreisen, so daß es häufig vorkommt, daß die Aussteller, wie Kunstvereine u. dgl., die Originalbilder als unverkauft zurückschicken, während die Kopieen reißend abgingen. Daß von den Vorständen der Kunstvereine Norddeutschlands nichts gethan werde, diesen schändlichen Betrug zu verhindern, bedauerte der Redner, ohne jedoch wie es in einem Bericht aus Bingen heißt, die Kunstfreunde zu verdächtigen, als beförderten sie ein solches Treiben. Außerdem, fuhr der Redner fort, werden im Norden massenhaft Bilder unter dem Namen großer Künstler verkauft, von denen diese nie etwas gesehen, und was sie zum Theil ihrer ganzen Richtung nach gar nicht malen konnten. Vizepräsident v. Launitz, der sich den Interessen der Versammlung mit ganzer Seele hingab, versprach die Sache beim Bundestag möglichst zu fördern; es sei ihm bereits vom oldenburgischen Gesandten mitgetheilt, daß der Bundestag diese Frage demnächst in Berathung ziehen werde. Das Comité, welches bis zur nächsten Versammlung als permanent erklärt wurde, ist mit der Ausführung der Beschlüsse beauftragt.
Man hört von manchen Seiten die Hoffnung oder Befürchtung aussprechen, als sei ein Hauptzweck des Zusammentritts deutscher bildender Künstler, dem einseitigen Treiben mancher Kunstvereine ein Ende zu machen, und wenn es auch, was diese anbetrifft, vielleicht dankbar anerkannt werden muß, daß sie durch ihre Ausstellungen und Verloosungen auch weniger bekannten Künstlern behülflich waren, ihre Arbeiten zu verkaufen, so wird doch bei vielen über eine sehr unerquickliche Protektion Einzelner geklagt, sowie über ein Schiedsrichteramt beim Ankauf von Bildern, welches sich die Vorstände mancher Kunstvereine angemaßt, ohne selbst Künstler oder auch nur Kunstkenner im wahren Sinne des Wortes zu sein. Es ist selbstredend: jeder Arbeiter soll seines Lohnes gewiß sein, und wenn ein Bild mit noch so großer Liebe entworfen und ausgeführt wird, so ist es doch für den Maler die angenehmste Perspektive, es durch Kauf in gute verständige Hände übergehen zu sehen, und hiezu die Vermittler zu spielen, schienen sich die Kunstvereine anfänglich zu ihrer Aufgabe machen zu wollen. Aber auch darin haben viele derselben ihr Wort nicht gehalten; statt als deutsche Kunstfreunde die deutschen Künstler zu unterstützen, könnten wir Vereine namhaft machen, die bei ihren Ankäufen über die Hälfte belgische und französische Bilder erwarben, und bei ihren Ausstellungen den ausländischen Malern Rechte einräumten, die leider ohne Reciprocität blieben. So versendet z. B. ein Pariser Maler durch ganz Deutschland nach Wien oder Königsberg portofrei seine Bilder unter der Adresse des betreffenden Kunstvereines, welcher dafür besorgt ist, daß das zugesandte Bild ausgepackt und aufgestellt wird; der deutsche Künstler dagegen kann es kaum erlangen, daß von der Grenze des betreffenden Landes sein Bild ohne Kosten bis an den Ausstellungsplatz geht, dort aber muß er für einen Kommissionär sorgen, der das Bild in Empfang nimmt und das Weitere besorgt.
Nach dieser zweiten Sitzung war das gemeinschaftliche Mittagessen in den geräumigen Sälen des Badehauses selbst arrangirt und verlief unter den mannigfaltigsten Toasten ebenso heiter wie das gestrige. Da sich das Wetter heute schon besser anließ, so war eine allgemeine Partie von Aßmannshausen über den Niederwald auf die Rossel und auf den Apollotempel und von da nach Rüdesheim verabredet worden. von der sich, glaube ich, nicht ein einziger der Anwesenden ausschloß. Und so zogen denn die lustigen Völker Arm in Arm, singend und lachend vom Badehaus nach den Ufern des Rheins, wo eine große Menge Nachen bereit lag, in welche sich die Gesellschaft theilte. Ob einer oder der andere ein wenig stärker beladen war oder einen mehr oder minder geschickten Steuermann aus der Künstlerschaft selbst hatte, darauf wurde gerade nicht besonders gesehen, woher es denn wohl kam, daß mancher Nachen tüchtig schwankend sich in eigenthümlichen Schlangenlinien fortbewegte und Fährleute und Steuermann große Anstrengungen machten, um Scylla und Charybdis zu vermeiden: Scylla das Bingerloch mit seinen strudelnden Untiefen nämlich, und Charybdis ein paar sich rasch folgende Dampfer und Remorqueurs. Eins der Boote zeigte dabei einen bedenkliches Leck und alle Hand mußte an die Pumpen, d. h. das Wasser mit den Händen ausschöpfen, um Aßmannshausen glücklich zu erreichen.
Hier am Ufer war nun wohl die ganze Einwohnerschaft versammelt mit den getreuen Lastthieren, kleinen Pferden und Eseln, aufs Mannigfaltigste und Abenteuerlichste gesattelt und geschirrt, und man hatte sich nicht geringe Mühe gegeben, um die ganze Künstlerschaft beritten zu machen. Der drängte sich zu einem Esel durch, dieser zu einem Pferde. Dabei wählte man hier ein Thier mit altem englischem Sattel, dort eines, dessen überzogener Reitsitz, vorn und hinten hoch aufgepolstert, an die Rüstzeuge des Mittelalters erinnerte; Steigbügel wurden probirt und Zügel so ernsthaft betrachtet, als gälte es weniger eines harmlosen Rittes über die Berge als des Angriffs auf irgend einen feindlichen Volksstamm. Sowie ein Trupp beritten war, so machte er sich unter lautem Halloh, unter Hurrahrufen und Singen auf den Weg, Es war ein komischer, ergötzlicher Anblick, die mannigfaltigen Reiter zu sehen, sich selbst und andere karrikirend, auf den armen Thieren, die ihr Möglichstes thaten, ihre steifen Beine mit dem frischen Muth ihrer Besteiger in Einklang zu bringen. Dabei habe ich Esel gesehen, die mit wackelnden Ohren förmlich trabten, und Pferdchen, die es zu einem wirklichen sichtbaren Galopp brachten. Wie eine Karawane zog sich der Reiterzug schon gleich zu Anfang weit auseinander und nahm sich in den Schlangenwindungen des Bergpfades allerliebst und malerisch aus; dabei tönten lustige Lieder und lauter, herzlicher Zuruf, wenn man einen Freund einholte, den man seit dem Ausritte vermißt, kurz es war ein lustiger Zug lebensfroher, gemüthlicher Leute, wie sie der alte Niederwald gewiß lange nicht gesehen.
Am Jägerhause sammelte sich das wilde Heer und über hundert Stimmen riefen nach Kaffee. Daß dieses sehr angenehme Getränk hie und da einem Glücklichen zu theil wurde, habe ich für meine Person gerochen und am Klappern der Tassen entnommen; trotzdem aber sogleich bei der Ankunft ein Kaffepräsident, sowie ein ditto für Milch und Zucker ernannt wurden, gingen doch die meisten leer aus und mußten sich mit dem guten Willen der Wirthsleute begnügen, die treppauf und ab stürmten, um nur einem kleinen Theil der Forderungen gerecht werden zu können.
Vom Jägerhause erreichten wir in weniger Zeit den Apollotempel auf der Höhe des Niederwaldes über Rüdesheim gelegen mit seiner großartigen und wunderherrlichen Aussicht auf das hier so weite und majestätische Rheinthal. Wer im Jägerhaus keinen Kaffee erhalten hatte, konnte sich hier an Pfirsichen und guten Weintrauben erlaben, die in ziemlicher Menge zum Verkauf ausgeboten wurden. Abwärts war der Anblick des Reiterzuges eigentlich noch komischer als aufwärts, denn hier ist es schon leichter, eine heroische Haltung anzunehmen, wogegen der Sitz manches Reiters hinunter auf steilem Wege mit zurückgelegtem Oberkörper, die Fußspitzen fast an den langen Eselsohren haltend, alles ritterlichen Anstandes entbehrte.
Vor Rüdesheim wurde übrigens Sitz und Haltung corrigirt, und als man so einzog, froh und heiter, als die Hufe der Thiere in den engen Straßen gewaltig klapperten und die kräftigen Gestalten der Reiter keck an den Häusern hinauf schauten, da bin ich überzeugt, daß die Einwohner einen guten Begriff bekamen von den deutschen Künstlern, die in Bingen zusammengekommen, um wegen ihres guten Rechtes zu tagen.
Die Nachen, welche uns nach Aßmannshausen gebracht, hatten sich hier wieder eingefunden, und es war schon ganz dunkel geworden, als wir uns einschifften, um ans andere Ufer zurückzukehren. Vorher war noch manches Glas Rüdesheimer versucht worden, die Genossen munter und froh gestimmt, und so war es denn leicht erklärlich, daß bald eine kräftige Stimme ein bekanntes Lied anhob, worein die Andern jubelnd einfielen. Daß es grade das Lied von der Lorley war, gab sich, wie ich glaube, von selbst, denn war es doch um uns her grade so, wie es der Fischerknabe gesehen, als er das Lied der gefährlichen Schönen vernommen.
Die Luft ist still und es dunkelt
Und ruhig fließet der Rhein,
Der Gipfel des Berges funkelt
Im Abendsonnenschein.
Es war eine prächtige nächtliche Fahrt, und um der heitern Scene ihre Vollendung zu geben, fehlte nur noch Fackelschein, der denn auch mit einemmale improvisirt wurde und darum um so gelungener erschien. Gott weiß, woher die Menge von Journalen und Zeitungen kamen, die nun plötzlich aus allen Rocktaschen hervorgezogen, zusammengedreht und angezündet wurden; ich glaube, um unser Schiff loderten zuerst die dunkelrothen Flammen, und diese phantastische Beleuchtung wurde von denen in den andern Nachen jubelnd bemerkt und nachgeahmt. So schwammen wir leuchtend und bestrahlt im röthlichen Rheine, umtanzt von unzähligen Stücken halbverbrannten Papiers, das über Bord geworfen wurde, nach Bingen und erreichten das Ufer, als es hundertstimmig, vielleicht nicht ohne Bedeutung, über den stillen Rhein hinüberschallte:
Ueber's Jahr, über's Jahr, wenn i wiederum komm,
Kehr' t ein, mein Schatz, bei dir.
Der heitere Abend wurde ebenso heiter mit einem gemeinschaftlichen Nachtmahle in den Sälen des Ballhauses beschlossen, wo zwangloser Scherz und ächter Künstlerhumor aufs Freieste waltete. Jeder Augenblick brachte für den Zuhörer und Zuschauer eine neue Ueberraschung; originelle Figuren, trotz des Wenigen, was man finden konnte, aufs zweckmäßigste kostumirt, ließen sich sehen, führten Scenen auf und deklamirten. Ja später wurde quer durch eine Seite des Saals vermittelst zusammengerückter Tische eine förmliche kleine Bühne gebildet, wo Räuberscenen, Bekanntes parodirend, mit köstlichem Humor spielten, wo deklamirt wurde und wo man berühmte Virtuosen in schrecklicher Wahrheit karrikirt erscheinen sah.
Es war spät, als man sich trennte, aber alle gestanden, einen köstlichen Abend verlebt zu haben. In der am nächsten Morgen abgehaltenen dritten und letzten Sitzung wurde der Beschluß gefaßt, Frankfurt am Main als Versammlungsort, sowie als Ausstellungsort für das nächste Jahr zu bestimmen. Dieser Beschluß hat nun zwei sehr verschiedene Seiten. Wenn es am Ende für jeden der Theilnehmer und Aussteller angenehm sein wird, zugleich in der Stadt, wo die Bilder zusammen kommen, auch die Freunde zu finden und mit ihnen ein paar Tage vergnügt zu verleben, so ist Frankfurt als große Stadt, welche sich durch den Zusammenfluß vieler Fremden ganz vortrefflich zur beabsichtigten großen Ausstellung eignet, zu dem andern Zwecke eines Beisammenlebens der Künstler wie hier in Bingen durchaus nicht passend. Dazu ist Frankfurt zu groß; man wird sich dort zersplittern, man wird vielleicht in den Berathungsstunden zusammen kommen, um sich alsdann hierhin und dorthin zu verlieren. Man hätte auch zur zweiten Versammlung eine kleine Stadt wählen sollen; die erste nach Bingen zu verlegen war eine vortreffliche Idee des Düsseldorfer Comités. Hoffen wir, daß darin noch etwas geändert werden kann, und wenn Frankfurt auch für die große Ausstellung bleibt, sich die deutschen Künstler, die nächstes Jahr wohl noch viel zahlreicher erscheinen werden, in einer nicht so geräuschvollen ausgedehnten Stadt finden mögen.
Für das heutige gemeinschaftliche Mittagessen im Badhaus fehlte es nicht an angenehmen Überraschungen. Professor Rustige von Stuttgart erhob sich und sprach folgenden launigen Toast:
Ihr Düsseldorfer wart gar schlau,
Daß ihr uns rieft nach Bingen,
Hier muß, das wußtet ihr genau,
Das Künstlerfest gelingen.
Hier, wo vereint die Nahe und
Der Rhein zusammenlaufen,
Bis sie im fernen Meeresgrund
Vor lauter Lieb' versaufen.
Hier, wo der Sonne erster Koch
Das Rebenblut bereitet
Und selbst das enge Bingerloch
Dem Schiffenden sich weitet.
Hier, wo man voll Barmherzigkeit
Gern jede Blöße decket,
Und in ein nagelneues Kleid
Den Mäusethurm gestecket.
Hier, wo der Durst'ge seinen Brand
In wenig Geld ertränket,
Dieweil das kleine Hessenland
Die größten Schoppen schenket.
Hier, wo – doch was ich seh' und hör',
's ist alles zum Entzücken!
Auf, Brüder, trinkt die Gläser leer
Und laßt die Hand uns drücken.
Dem Künstlerbund dies Glas und topp!
Dem Binger – diesen Schoppen,
Damit uns seine alte Klopp
Die Bilder hilft verkloppen.
Das Bingener Festcomité, welches überhaupt alles gethan, um den Fremden den Aufenthalt angenehm zu machen, hatte uns auch noch eine weitere Ergötzlichkeit bereitet. An den beiden vorhergehenden Tagen hatten einige Musikanten mit Violine, Clarinette und Contrebaß ihre harmlosen Weisen aufgespielt, heute aber erschallte mit einemmale rauschende Militärmusik, und eine Abtheilung der österreichischen Bande aus Mainz marschirte geschlossen in den Saal und erhöhte die Lustigkeit der Tafelnden zu lautem Jubel. Dabei war es eigentlich traurig anzusehen, wie unser armes bisheriges Orchester mit einem wehmüthigen Akkorde plötzlich abbrach, seine Noten und Instrumente zusammenpackte und sich vor den rauschenden Klängen der neu Angekommenen still aus dem Saale schlich – ein treues Bild unserer gegenwärtigen Zeit. Lentze aus Düsseldorf dankte dem Bingener Comité in beredten Worten für diese neue Aufmerksamkeit, worauf Herr Kreisrath Parcus im Namen der Uebrigen noch einmal seine Freude darüber zu erkennen gab, daß die deutschen Künstler Bingen zu ihrem Versammlungsort gewählt. – »Um aber auch,« setzte er hinzu, »die Damen der Stadt, die bisher dem festlichen Treiben theilnehmend von ferne zugeschaut, nicht ganz auszuschließen, habe das Bingener Comité für heute Abend einen Ball arrangirt, wo Fröhlichkeit ohne Zwang und strenge Formen herrschen sollte.« Diese Eröffnung wurde mit außerordentlichem Jubel entgegengenommen, und als sich bald darauf nach beendigter Tafel die ganze Künstlerschaft in geordneter Reihe, Fahne und Musik voran, durch die Straßen der Stadt nach der Rochuskapelle begab, wurde der Dank für den freundlichen Entschluß der Bingener Damen manch schöner Repräsentantin derselben, die sich am Fenster sehen ließ, durch lautes Hurrah dargebracht.
In einem einsam stehenden Hause auf der Höhe der Rochuskapelle mit Gärtchen und Veranda wurde Halt gemacht und Kaffee genommen. Wer an die Geschirre selbst keine übermäßigen hier gewiß ungerechtfertigten Ansprüche stellte, konnte schon zufrieden sein; für die Löffel sah man sehr idyllische Surrogate, dafür herrschte aber eine Unmasse von Lust und Heiterkeit, und bei den Klängen der rauschenden Militärmusik verflossen die Stunden wie Minuten. Bald setzte man sich wieder in Bewegung und zog hinüber zur Rochuskapelle, wo sich die ganze Versammlung am Abhange eines Berges in einer muldenförmigen Vertiefung lagerte. Das war ein prächtiger Anblick, die kräftigen Gestalten in allen Stellungen hier ruhen zu sehen, begeistert von dem Feste überhaupt und hier noch besonders durch den schönen Abend und die weite, wunderbare Aussicht von der Bergeshöhe, auf der wir uns befanden. Schimmernd und glänzend in Duft und Abendsonnenglut lag das Rheinthal vor uns, und während der majestätische Fluß selbst oberhalb noch hell bestrahlt war, waren die Felsen um Bingen mit dem Mäusethurm schon in tiefe Schatten gehüllt, und aus dem eingeschlossenen Kessel dort schienen schwarze Dämpfe aufzusteigen, die als nächtlich dunkle Wolken mit der glühenden Sonne um die Herrschaft rangen.
Einen solch schönen Abend auf den Bergeshöhen am Rhein zu genießen, ist an sich schon etwas werth; daß er aber tausendfach schöner ist, wenn der letzte Strahl der Sonne den funkelnden Wein im Glase vergoldet, hatte unser freundlicher Wirth, Baron von Landy, dessen Villa sich am Fuße des Berges, auf dem wir lagerten, befindet, tief empfunden. – Und auf einmal erklommen zwei kräftige Gestalten die Anhöhe, an einer Stange ein mächtiges Faß Wein tragend, das mit Blumen bekränzt war – es war das wie ein verkörperter Klang aus dem Nibelungenlied. Auf dem noch hellen Abendhimmel zeichneten sich die Conturen der Träger scharf ab, und sie und ihre Last wurden mit lautem Jubel begrüßt. Dem ersten Faß folgte bald ein zweites, Gläser waren zahlreich vorhanden, man trank den funkelnden Wein, man bekränzte ihn mit Farrenkräutern und wilden Eriken, lustige, sehr improvisirte Toaste folgten einander, man stieß an auf das Wohlsein der Lieben zu Hause, sowie der Freunde in der Ferne, und die Musik, welche auch ihr reichlich Theil bekam, spielte: Heil dir im Siegeskranz und: Gott erhalte unsern Kaiser.
Nachdem sich der Himmel gänzlich verdunkelt, trotzdem aber mancher Auge heller sah, zog man von der Rochuskapelle hinab nach dem Parke der Villa Landy und durch denselben an das Wohnhaus, wo man durch die Vorsorge des Bingener Comités Fackeln fand, welche nun angezündet wurden, und nachdem sich die ganze Versammlung in wohlgeordneten Reihen vor die Haupttreppe der Villa begeben, brachte man dem freundlichen gastfreien Besitzer, sowie der liebenswürdigen Hausfrau ein dreifaches donnerndes Lebehoch. Fackellicht hat einen eigenen Reiz, wenn man die rothen Flammen auflodern sieht, hoch hinauf sendend Qualm und Dunst, der die Gegenstände, welche die Glut unten hell und deutlich sehen lassen, oben nur in Ungewissen phantastischen Umrissen durchschimmern läßt, hier aber machte sich der Anblick des wohl geordneten Fackelzuges, wie er durch die Schlangenpfade des Parkes sich abwärts dem Rheine zu bewegte, außerordentlich malerisch und schön. Durch die verschiedenartigen Biegungen der Wege schienen jetzt die Fackellichter ohne Ordnung durcheinander zu tanzen, um sich gleich darauf, wo der Weg grade lief, wieder als langer, glühender Streifen zu zeigen. So ging es hinab zum Rheine, wo an zwanzig Boote bereit lagen, um die Gesellschaft nach Bingen zurück zu bringen; laut hallten die Klänge der Musik von dem stillen Wasser und den aufhorchenden Bergen zurück, und von Flammen umspült, magisch rothe Glut ausstrahlend, die das Wasser spiegelnd zurückwarf, glitten die Fahrzeuge hinab. Wirklich prachtvoll sah es aus, als sich zahllose Pechkränze entzündeten, die unabhängig von den Schiffen auf dem Wasser schwammen, nun vor, hinter und neben den Nachen durch einander loderten. Der heutige Abend war eine würdige Beschließung des dreitägigen Festes. Eigentlich müßte man den Ball im Badehause als Schluß erwähnen, doch wenn man auch dort schöne Frauen und Mädchen in hübschen Toiletten sah, so war es doch eben nur ein Ball, wie ein anderer auch. Das Fest der Künstler hatte mit dem Fackelzug geendet, der sich nach der Ankunft in Bingen noch vor das Rathhaus begab, wo dem Gemeinderathe von Bingen nochmals der beste Dank der anwesenden Fremden in herzlichen Worten dargebracht wurde. Abends drückte man den Freunden, die sich am andern Morgen nach verschiedenen Richtungen hin zerstreuen würden, zum Abschiede nochmals die Hand und gestand sich dabei, daß das Fest ein wohlgelungenes gewesen sei und aus dem ersten glänzenden Anfange auch herrliche Früchte für das allgemeine Beste deutscher bildender Künstler tragen werde.
Wir, die Gäste der Villa Landy, hatten noch eine kleine Nachfeier, für die ich dem freundlichen Wirthe, sowie der liebenswürdigen Wirthin noch ein paar Worte des Dankes sagen muß. Eine Anzahl der Bekannten, welche am frühen Morgen noch nicht abgereist waren, fanden sich in dem uns so wohl bekannten Glashause zu einem gemeinschaftlichen Frühstücke zusammen; wir gedachten nochmals der vergangenen Tage, und in den ausgesprochenen herzlichen Dank mischte sich ein kleiner Ton der Wehmuth. Die Stunden der Freude ziehen so schnell vorüber und das Leben ist so kurz. Um zu guter letzt auch die tiefuntersten Räume des gastlichen Hauses, die uns so viel schönes geliefert, persönlich kennen zu lernen, zogen wir, vom Hausherrn geführt, in die Keller, die von einer Sauberkeit und Ordnung waren, wie ich nie etwas gesehen; dabei waren sie heute festlich geschmückt, jedes Faß mit einem Lichte besteckt, und so bildeten die langen Reihen derselben eine überraschende Illumination. Ueberdem waren die edlen Sorten und guten Jahrgänge noch mit Blumengewinden geziert, und in ihrer Nähe hielt sich der Kellermeister mit Gläsern und Heber bereit, um die Proben abzugeben. Es waren köstliche, rein gehaltene Tropfen, die wir hier in dem Keller der Villa Landy tranken; ich sage der Wahrheit gemäß Tropfen, denn wer einen rheinischen Keller kennt, wird sich wohl hüten, die Scharlachberger, die Aßmannshauser und die Rüdesheimer Hinterhäuser hier unten glasweise zu versuchen. Was wir denn so auch mäßig genoßen, erhöhte die angemessene Heiterkeit, und so schieden wir denn eine Stunde später froh, heiter, dankbar gestimmt von dem gastlichen Dache.
Als wir auf dem Rheine gegen Rüdesheim fuhren, blickten wir noch lange zurück nach der Villa Landy; sie war uns und den Genossen, eingedenk des gestrigen Tages, zu einem Glanzpunkt des Festes geworden, und ich glaube, jeder von uns, wenn er später einmal wieder den Rhein hinabfährt, wird die weißen Gebäude und zackigen Mauern aufs freundlichste grüßen, wenn er sich Bingen nähert, der lieben Stadt am Rhein, die ihre Thore so herzlich geöffnet der ersten Versammlung deutscher bildender Künstler.