Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen
Verkehrte Welt
Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen

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ALs ich nechstverwichenen Aprilis an das Gebürg gangen war / mich in dem ersten Grünen zuergetzen und zugleich allerhand neugeborne Kreuter in meine Haus-Apoteck zusamlen; Erhub sich ohnversehns ein solcher Platzregen / daß ich gezwungen wurde / mich irgenshin ins Druckene zu salviren / wie ich dann dem nechsten Wald zuflohe und mich unter einen Baum stellete; Aber dieser konde mich vor der Nässe nicht vollkömmentlich beschützen / sahe mich derowegen nach einer bequemern Gelegenheit umb / und wurde eines alten holen Baums gewar / der mir zu meiner damahligen Nothturfft nicht erwünschter hätte vorkommen mögen; Jch war aber kaum hineingeschloffen und meiner commoditet nach recht nider gesessen / da gieng demselbigen sein mürber mülbichter Boden aus / wie einem alten versporten Faß; Also daß ich anfing hinnunder zurumpeln / und nicht wider auff hörete / biß ich gar in die Höll kahm.

Jch fülete die Hitz der höllischen Flammen nicht (ohne Zweiffel darumb dieweil ich noch nicht gestorben / und GOtt Lob auch nicht verdambt gewest) wie wol es allenthalben glüte wie in einem offen darinnen man das Glaß macht oder Metal schmelzet / die Seelen der armen Verdambten stoben mit und in den Flammen in die höhe wie die Feuerfuncken in deß Vulcani Werckstatt / und fielen iedesmahl mit einem erbärmlichen Geheul und Jammer-Geschrey wider herunter in die Tieffe ihrer bestimbten Hitz und allergrösten Qual / wie die Schneeflocken / doch nicht so weiß sondern gantz glühent / diß waren lauter Heiden auß allerhand nationen und Völckern / die GOtt nicht erkant noch ihm gedienet: Sondern ihren viehischen Anmuthungen und Begierden in ihrer Blindheit gefolgt / und zum Theil in ihrem Leben den Teuffel angebetet hatten / durch welcher assingnirten Ort ich wohl anderthalbe Tag zufallen hatte / ehe ich das Quartier der Mahumetaner erreichte / als die zunegst unter ihnen ihr Loge haben / in welcher Zeit ich mich dann mehr als genugsam umbsehen / und von einem und anderm den Augenschein einnemen kante / unter diesen letztern / welche zum Theil in Türcken / Persern / Tarttarn / Arabern / Jndianer / Assianer und Affricaner bestunden / gab ich genaue Achtung / ob ich kein Musselmaner oder Mamelucken unter ihnen sahe / und als mir kein einziger zu Gesicht kam / vermeinte ich sie wehren villeicht nach Crafft des heiligen Taufs an einen andern leidentlichen Ort als die geborne Mahumetisten / vornemlich und weilen ich sonst auch noch keine verdambte Christen gesehen; Welche Meinung schier bey mir gestärckt wurde / weil ich gleich unter diesen nichts als lauder Juden und dergleichen Völcker antraff / die auff Erden gewürdigt worden / des ersten heiligen Bunds / den GOtt mit den Menschen durch die Beschneidung gemacht / theilhaftig zu seyn; Als ich aber auch durch diese passirt war / traff ich ersten die Kinder der Schismaticorum und Ketzer an / die auff Erden in einer zwar Christlichen doch irrigen Religion gelebt: Und dann nach diesen die jenige so zwar den rechten allein seeligmachenten Glauben gehabt / demselben aber nicht gemäß gelebt hatten; Allwo es unterschiedliche Peinen und Marter abgab; Weiters unter ihnen befanden sich die jenige so aus lauter Boßheit und Hoffart Ketzerische Religionen angefangen und unter diesen; Allerdings in untersten Abgrund der Höllen waren die / so von dem Christenthum gar abgefallen / GOtt und ihren Glauben verlaugnet / und sich entweder zu den Unglaubigen des Christlichen Glaubens Feinden / oder gar in Bündnis und Dienste der bösen Geister begeben hatten / und Dergestalt bin ich von der Erden biß in den untersten Abgrund der Höllen hinunter gefahren / allwo ich bey des Käysers Juliani apostatæ Trohn mich gleichsam wie ein Katz die von oben herab geworffen worden / mit allen vieren auff dem Boden erhielte / ohne daß mir im geringsten etwas Leids oder Wehe geschehen were.

Dieses Käysers nechste Räth / Uffwarter und Trabanten waren die Jenige die er in seinem Lebzeiten durch Schmeicheley / Käyserliche Gnaden und Befürderungen von dem Christenthum abzufallen bewegt; Er hatte zwar einen Habit an wie er auff Erden getragen / aber alles von eitel Feuer und unglaubiger Hitz; Er und sein Thron gläntzte zwar von Purpur / Gold und Edelgestein / aber so Majestätisch als es alles aussahe / umb so viel desto grössere Qual litte er von solcher seiner höllischen Zierde; und anstat daß ihm diese seine favoriten / die ihn etwan in ihrer Zeitlichkeit als einen irrdischen GOtt angebettet hatten / anjetzo auch Schmeichlen und wie bey den Hoffhaltungen auff Erden üblich ihn ehren solten / stiesen sie ihm ihre glühende Waffen mit grimmiger Wuth nacheinander durchs Hertz / schlugens ihm umb den Kopff und zerzauseten ihn bey den Bart und Haaren / daß die Feuerfuncken darvon stoben; Und solches so ohnauffhörlich und mit solchen erschrecklichen verfluchungen / daß ich / wie ichs anfänglich sahe / mir nicht einbilden konde / daß ein grausammere Pein in der gantzen höllischen Ewigkeit zufinden sey; Das schrecklichste war / daß keiner unter ihnen allen / wie auch allen andern Verdambten noch so gut im Angesicht aussahe / als etwan der Heßlichste und Elendeste Mensch auf Erden sehen möchte / sondern sie erschienen so wohl von selbst leidender Qual und Marter als rachgierigen Zorn so verstellt / daß die jenige so auf Erden mit der schweren Noth oder Unsinnigkeit beladen oder mit dem bösen Geist besessen / in ihrem paroxismo gegen ihnen wie schöne Dames und junge Cavallier zuschetzen; Solches ihr entsetzlichs und abscheulichs Aussehen / und die Werck die sie gegen ihrem Käyser zuverüben durch immerwerende Qual und Höllenschmertzen genötigt wurden / machten daß ich sie anfänglich vor böse Geister hielte; Jch hatte ihnen aber nur ein wenig zugehöret / da vernahm ich und merckte aus ihren erschrecklichen Vermaledeyungen / daß das gemeine Sprichwort auf Erden nit durchaus erlogen / wann man nemlich spricht: Es seye je ein Mensch des andern Teuffel / massen Julianus diese mit sich in die Hölle gezogen und sie verführet wie der Teuffel selbst zuthun sich befleist / sie aber ihn aniezo in der Hölle ewiglich peinigen / welches neben ihnen auch die Teuffel zuverrichten pflegen.

Ein jeder / der sein Lebtag nur ein einzigmahl ein Gespenst oder nur ein feurigen Mann oder Jrrwisch / wie mans theils Orthen zunennen beliebt / so nahe bey sich gesehen / kann sich leicht einbilden / wie mir damals zumuth gewesen? So weit kahms in selbigen Augenblick mit mir / daß ich vermeinte vor Forcht / Schrecken und Entsetzung zusterben; Jch sahe mich auch schon nach dem Platz umb / auf welchen ich zuligen kommen würde / wann ich solcher Gestalt todt nider sincken solte / aber in dem ich mich in selbigen Todts-Aengsten dermassen umbsahe / erplickte ich meinen Genium zunechst bey mir / welcher mich in dieser meiner Trostbedürfftigkeit erinnerte / ich sollte ein besser Hertz fassen und gedencken / daß ich in der Höll zu sterben nicht prædestiniret sey.

Ach wie wurde ich so fro / da ich in diesem erschrecklichen Ort mir jemand einen Trost zusprechen hörete! Und eben deßwegen erholete ich mich stracks widerumb / und sahe daß sich Julianus wider auffrichtete / und die jenige die ihn so übel tractirt gehabt / dermassen angriffe / daß er sie alle so viel umb ihn wahren / mit seinen glühenden Schwerd in kurtzer Zeit so klein zerhackte wie ein Lungen-Muß / oder wie ein Füllsel in der Leberwurst / in welcher Gestalt sie zu siden / brodlen und braden anfingen / biß sie endlich gantz glühend wurden wie das Eisen in einem Schmeltz-Ofen / daraus man Stangen / Stäb und Platten giesen will.

Da er nun mit dieser Niderseblung fertig war / sahe er auch mich mit einem solchen Angesicht an / wie ich droben gemeldet das die Verdambte haben; Er fragte wer ich wehre und was ich da zuschaffen hätte? Und solches thät er mit dermassen grausamen Minen und entsetzlicher Gestalt / daß ich vor Forcht verstumbte / aber mein Genius antwortet ihm / er ist ein noch lebender Mensch / der / wie etwan andere vor ihm gethan von Erdboden herunter in diese höllische Wohnung spazirt / sich der Verdambten Zustand und Beschaffenheit zuerkundigen; ô mirum! brülte Julianus auff / was vor ein beginnen ist diß? Könte ich einen Augenblick widerum droben seyn / ich getrauete mir ihn anzulegen / daß ich in Ewigkeit nicht hiher kommen dörffte; Wie stehets und gehets aber dorten? floriret deß Nazareners Ehr und Lob noch / oder haben die Hebreer Jerusalem und ihren Tempel wider gebauet? Und wie lebt der Römische Käyser zu Constantinopel? Hat selbiger mein Nachfahr die Parthier überwunden / oder gleich wie ich die Zähn an ihnen ausgebissen? Mein Fremdling theile mir doch solche Zeitung mit / sintemahl uns die Gebühr nicht gönnet / etwas dergleichen von andern neuen Ankömlingen / die zu uns in ebenmässige Verdamnus (darin wir sind) gerathen / zu unserm Trost oder Ergezung zu erfahren.

Diß waren wohl freundlich bittende Wort / sie flossen aber auß einem solchen grißgrammenden Maul und Angesicht / daß mich an statt einer bewöglichen Anmuthung und Lieblichkeit anzannet! Gestaltsamb ich darüber also aus mir selbsten kam / daß ich so lang dort stunde wie ein Bildstock / biß mich mein Genius in ein Seite stieß / und vermahnete ich solte Antwort geben; kecklich (sprach er zu mir) sage ihm unter Augen was du wilst / und wisse / daß du nicht hier bist / diese Elende zutrösten / als die in Ewigkeit keines Trosts fähig seyn; Darauff fasste ich ein Hertz wie Dametas in Philipen Sideney Arcadiam gethan / da er den Cliniam mit fechtender Faust überwünden wolte; Jch wurde gehling so kühn zu antworten / ich hätte doch ihn umb seiner Beschaffenheit und wie er hieher kommen / noch nicht gefragt; Er solte mich zuvor ein wenig erschnauben lassen / ehe er mich dergestalt anfahre / ja ich war so ungehalten zusagen: Daß es nicht mehr umb die Zeit sey / darinnen er als ein Mächtiger Potentat mit zornigen Plicken oder mit wincken zubefehlen hätte / wie etwan auff Erden sein Gewonheit gewesen.

Julianus antwortet / närrisch würdest du fragen / wie und warumb ich hieher kommen? Sintemahl aller Welt mehr als genugsam bekant / daß mich mein Abfall vom Christenthumb / und mein geführtes Gottlosses Leben in diese Verdamnus gestürtzet; Jch sagte / warum bist du dann O Käyser abgefallen? Da doch zu deiner Zeit und etwaß vor dir / die Christliche Religion zum schönsten zu grüenen und zu floriren angefangen.

Das ist war / antwortet Julianus / die Christliche Kirch fieng zwar damahls recht an offentlich aufzugehen und sich herrlich sehen zu lassen / gleichwie aber keine Rosen ohne Dörner wachsen / also hatte sie auch neben ihrer Glückseeligkeit ihre Anstösse und solche Trübsal / die aus Verhängnis und Zulasung deß Höchsten genugsam waren / daß sich so beschaffne Menschen wie ich von Natur einer war / leichtlich daran ärgern: Und also die Prob ihrer Bestäntigkeit nicht erharren noch beweisen mögen / daß sie warhaffte Christen gewesen; Und dieses war ein Art des Unkrauts / welches nach Vorsag und Warnung des Haupts der Christen der Feind des Menschlichen Geschlechts in den Acker des Höchsten Numen unter den guten Saamen zuwerfen pflegt / dann siehe bey Regierung meines Vattern Brüdern des Römischen Käysers Constantini Magni welcher die Kirch durch seine Gewalt herrlich gemacht und mit Reichthum zum Unterhalt der Geistlichen genugsam versehen / thät sich Arrius ein Christlicher Priester hervor / eben in dem Jahr darin ich den ersten Athen in der Welt geschöpffet / dieser zerspielte durch seine irrige Einfäll oder vielmehr durch des Satani Eingeben die Christliche Einigkeit in zwey theil / und erregte zwischen demselbigen nicht allein Neid und Haß sondern auch grausame Verfolgung und Blut vergiesungen; Da verdamte je ein Theil das ander in den höllischen Abgrund herunder! Es mangelte da nicht an allerhand spöttischen Nachnahmen / Verleumtungen und Bezüchtigungen damit sie ein Theil das ander belegte / beschimpffte und verkleinerte nicht allein zu grossen Aergernuß der Christen selbst / sonder auch der Juden und Haiden / die jezo zum theil resolvirt waren / gewisser die Tauff zuempfangen / nun mehr aber wider zuruck giengen und sich einbildeten es wer an keinen Theil kein gut Haar; Hierzu kam ferners / daß die Jenige deren Vorfahren etwan kurtz zuvor in aller Demuth / den evangelischen Thugenden ergeben / gantz vollkommen und heilig gelebt hatten / allbereit anfiengen sich auffzubürsten / und weil sie mit Römischen Reichthumben überschüttet worden / sich wie die Weltliche herfür zuthun / auch des weltlichen Gewalts und deren Aempter und was mehr ist / einer sondern Botmässigkeit über die Jenige so solchen Gewalt von Altersher getragen sich anzumassen / welches bey mir und meines Gleichen gebornen Printzen kein gut Geblüt setzte; Geschweige jetzt hier des einen und des andern absonderlicher Laster / dardurch so wohl ich als das Volck geärgert wurde; Daß war nun die Wirckung des empfangenen Gifft-Truncks der Christlichen Kirchen / davon drey Jahr vor meiner Geburt und des Arrij Abfall zu Rom im Lateranischen Pallast durch ein grosses Wunder anregung gethan worden / damals wurde ich beydes in Kriegswaffen und den Studiis auferzogen / ich sahe der abscheulichen Verwirrung die sich zwischen den Rechtglaubigen und Arrianern enthilte von fernen zu / und weil ich mir einen treflichen Verstand einbildete / der dann auch so viel das Politische Weltwesen anbelangt / nicht höltzern war / sihe so erkühnte ich beyder widerwertigen Theil Thun und Lassen Handel und Wandel / und endlich auch die gantze Christliche Religion nach dem verjungten Masstab solcher meiner blinden Vernunft in meinem Sinn zuvertheilen / und begunte also an der Reinlichkeit meines einfältig-Christlichen Glaubens die erste Anstöß und Gefahr / und endlich auch weil ich mir selbst zuviel zutraute / gar Schiffbruch daran zuleyden / vornemlich / alß ich beydes mit rechten Christen und Arrianern / mit Juden und abgöttischen Heiden / mit Gottseeligen Leuten und auch mit Zauberern umgieng; Und als ich den Betrug und den Untergang der alten heidnischen Götter sahe / die doch ehe mahlen von aller Welt so hoch geehret und angebettet worden; So hielte ich auch bey nahe was Christen und Juden von dem wahren GOtt glaubten / vor Gedicht / Mährlein und ein lauters Spiegelfechten der Jenigen / die wegen ihres interesse die Welt mit solchen Fabulen erfülten und unterhilten / insonderheit der Ursachen halber weil ich sahe / daß selbige selbst nicht vollkommen hielten was sie andern lehrten noch am wenigsten schienen / daß sie begehrten zuhalten und zuthun / waß sie ihre Vorgänger und deren hinderlassene Wort und Schrifften geheisen.

Weil nun Satanas seinen Zutrit bey mir sahe / wolte er ihme solchen zu nutz machen / derowegen bliese er ohnfeyerlich zu / und ruhete nicht bis er mich zu etlicher seiner Zauberer / und endlich auch in seine eigne Kundschafft brachte / da erfuhre und wuste ich aber viel zuspath / zwar eigentlich daß ein einiger ewiger warer GOtt war / als dem ich in der Bündnis so ich mit den höllischen Geistern getroffen / absagen müssen; Hatte aber die Gnad verschertzt / solches einfältiglich zuglauben / welche Gnad und hohe Gabe Gottes der einige Weg zur ewigen Seeligkeit ist; Dann mit solcher gewissen Wissenschafft die mich des Glaubens ohnbedürfftig machte / gerithe ich gleichwohl hie her als die Atheisten / welche nicht glauben wollen / was ich eigentlich wuste.

Jn dem ich nun so dahin lebte / also daß ich handgreifflich merckte / daß die Seeligkeit meines künfftigen Lebens in der andern Welt verschertzt were / derowegen so gedachte ich mir das Gegenwertige desto besser zunutz zumachen; Jch erlangte beydes meines Herkommens / als meiner glücklichen und sieghafften Kriegs-Waffen wegen / allein das Käyserthum; Und als ich anfieng als ein Käyser zu herrschen / so unterliese ich auch mitnichten / die ohne das wohlgeplagte und in Uneinigkeit zerspaltene Christen zu tyrannisiren und sie so heimlich als offentlich aufs eyferigst zuverfolgen; Jch schrieb und disputirt wider sie und ihre Religion / ich unterstund sie mit List / mit Freundlichkeit / mit Verheissungen / mit Betrohungen / und wann diß alles nichts helffen wolte / mit Gewalt von Christo abzuziehen und zu Verehrung meiner Abgötter zubringen / und das Christenthum nach meiner Möglichkeit zuschwächen / weil mir von denen die ich anbettete / ein Oracul worden war / daß mir durch einen getreuen Diener des Nazareners der Rest meines zeitlichen Lebens abgekürtzt werden solte; Aber waß thät ich armer Mensch? Der da wegen habenden Gewalts auffgeblasen / aus seinen glücklichen successen hoffärtig / und wegen eingebilden Witz / die ich zuhaben vermeinte / stockblind war / waß thät ich? Sag ich abermal: Daß ich mich wider den Allmächtigen GOtt setzte / und die Ehr seines allerheiligsten Nahmens untertrücken wolte? Waß richtet ich damit auß? Diß daß ich mitten in meiner eben so närrischen und unsinnigen / als ohnmächtigen Wuth in einer Schlacht wider die Parthier da ich mich versichert hilte / es könte mich kein irrdischer Gewalt überwinden / durch himmlische Waffen meines unseeligen Cörpers entladen / und in diese jämmerliche Wohnung gefüret wurde / also daß ich noch in meinen letzten Aden dem Nazarener öffentlich vor aller Welt bekennen muste / er hätte überwunden; Und gleich wie ich / wann ich recht gelebet / recht geglaubet und recht gethan hätte auf Erden noch lenger leben mögen (dann ich starb in der besten Blüth im 31.Jahr meines Alters) also hatte ich auch vermittelst der Gnad und Barmhertzigkeit GOttes in meinen übrigen Lebens-Rest anstatt der Verdamnus darinn ich jetzunder bin / ein seeligere Ewigkeit erlangen können.

Hiemit hastu nun vernommen / warum und welcher Gestalt ich abgefallen / und derowegen so verhalte mir auch nicht wie es jetzunder auf den Erdboden stehet? Und was ich dich gefragt habe; Nicht daß ich einigen Trost daraus zuschöpfen bequem were / sintemahl an diesem Ort meine immerwehrende Qual weder gemindert noch vermehrt werden mag / sondern damit du die Zeit passirest / biß du sehest was ich weiters vor Pein außstehe.

Jch antwortet / was das Reich Christi auf Erden anbelangt / so hat sich dasselbige und also auch des Salvatoris Lob und Ehr gleichsam durch die gantze Welt ausgebreitet / und so grosse zu deiner Zeit gantz onbekante Länder erleuchtet / daß man selbige / gleich wie man sie die neue Welt nennet / mit bessern fug der neuen andächtigen Christen Welt nennen mag; Auff der andern halben Erdkugel / das ist in Europa / Asia / Aphrica / Jndia / ist allbereit kein Winckel / darinnen nicht Christen wohnen / die GOTT dienen und ihn nicht offentlich loben und ehren dörfften; Die Juden / ob sie gleich das erste auß allen menschlichen Geschlechten gewesen so GOtt erkant und sein Gesetz gehabt haben; Diese Juden / sage ich: Denen du zu deiner Zeit mit Käyserlichen Gnaden so wohl gewogen und so geneigt gewest bist / daß du auch ihnen zwar den Christen zu Trutz / ihren Tempel wider zubauen gegönnet / seind jezunder das verachteste und verworffneste Volck ja die ärmste Schelmen auff Erden als von einem Potentaten zum andern / von einen Land ins ander / von einer Stat in die ander gejagt werden / und villeicht deswegen überal so ohnwerth sein / wie etwan hiebevor die Schwein in ihren Häusern / weil sie entweder nicht so viel erschachern / daß sie Spentiren können / oder weil sie als abgesagte Feinde deß Christlichen Glaubens denselbigen sambt Christo selbsten alle Tag in ihren Sinagogen verfluchen; Die alte Abgötter der Heiden / auß denen etwan der Teuffel selbst geredet / seind wie du weist / bereits vor deiner Zeit verstumt / und nach deinen Todt sogar außgereutet worden / daß man auch nichts mehr von ihnen weiß / als was man etwan in den Büchern findet / welche man auffhebt / sich über eure Blindheit zuverwundern und Ursach habe / desto mehr GOtt zudancken / daß er uns daraus geführet und mit seiner Erkantnis erleuchtet.

Wie stehet es aber an grosser Herren Höffe? Fragte Julianus / seind ihre Personen auch der Christlichen Religion bey gethan? Floriret das Orientalisch Käyserthum noch / hat derselbige Käyser mein Nachfahr die Parthier noch nicht unters Joch gebracht? Und gibt es nicht noch wie zu meiner Zeit Streittigkeit und Spaltungen zwischen den Geistlichen in Glaubens-Sachen?

Jch antwortet / an grosser Herren Höffen bin ich zwar sonderlich nicht bekant / weiß aber von Hörsagen / daß es unterschiedlich dabey stehet und hergehet / weil die Potentaten selbst auch unterschiedlicher Religion nachleben / nemlich der Christlichen / der Mahumetanischen Ketzerey / und der Häyden Abgötterey / Paganismo und unwissenheit / der Christlichen Religion seind zugethan der Römische Käyser / der Abysiner oder Moren Käyser im innersten Africa / der Mosowitter oder Ressische Käyser / der König der Gallier / der König der Hispanier / der König der Polen / der König der Schweden und Gothen / der König der Britanier / Schotten und Hybernier / der König der Cimbrier und Nordwegier / der Ungaren und Böhmen / und sonsten viel andere grosse Fürsten und Herrn mehr / durch alle 4. Theil der Welt / dem Mahomet seine zu der Türckische Käyser zu Constantinopel / der König in Persien / etliche Sciten oder Tartaren und etliche Jndiander; Der Heidnischen Unwissenheit seind beygethan der Mogul in Ostindien / etliche Sciten oder Tartarn / und dann einige König in den neuerfundenen Ländern / von denen doch ie mehr und mehr zu der Christlichen Religion bekehrt werden. Was nun vor Potentaten dem Christlichen Glauben beygethan sein / bey deren Hoffhaltungen lebet man auch Christlich; Bey den Mahumetanern aber tyrannisch und ohne sonderbare Tugenden / bey den Häyden aber gantz wilt verworren und ohn alle Gerechtigkeit.

Waß underscheits ists / zwischen Christlichen und Tyrannischen / zwischen wilten und tugendlichem Leben? antwortet Julianus: Obengemelter meines Vattern Bruder der grosse Constantinus hatte den Nahmen eines guten Christen und erwise es auch in vielen Stücken mit der Taht; Es wurde aber drum nicht bey seiner Hoffhaltung desto Tugentlicher gelebt; Er selbst liese Licinium / den er in Bithynia bey der Statt Nicomedia zur Gefängnus aufgenommen / über alle Zusagung mit Martiniano tödten / Commodum seiner Schwester Sohn umbringen / Crispum seinen eignen Sohn erwürgen und Faustam seine eigne Gemahlin hat er in einem heisen Bad verbrent; Und gleich wie hieraus an dem Haubt selbsten ein schlechte Pietet erscheinet / also gingen auch unter seinen Gliedern / unter seinen Officianten und bedienten beydes zu Hoff und sonsten aller hand Laster im schwang / der Neid und Haß sambt der Verleumdung regirten / Mißgunst florirte / Ehrgeitz und Hoffart war gemeine / man konte simuliren und dissimuliren / List / Lugen / Betrug und Falschheit schwebte oben / dem Geitz war man ergeben / die Füllerey wurde gleichsam täglich getrieben allem Wollust lag man ob / so gar das auch ein Sprichwort davon entstunde / daß man sagte / lang zu Hoff lang zu Höll / und was das allerschlimste gewesen / so war die Warheit so düne gesäet / daß dem Käyser selbst nicht mehr darvor zutheil werden konte / als waß ihm die seinige wolten gönnen / es hätte ihm dann ein unbesonnener Narr etwas mehrers aus Unverstand darvon zukommen lassen; Wann nun diß Christlich bey Hoff gelebt ist / so wüste ich nicht / wie dann die Unchristen / wiltverworne / tyrannisch und ohndugentliche leben könden.


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