Franz Grillparzer
Medea
Franz Grillparzer

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König.
Ist drin das Vlies?

Medea.
    Es ist.

König.
        So gib's!

Medea.
            Ich geb es!

König.
Fast reut das Mitleid mich, das ich dir schenkte,
Da hinterlistig du uns täuschen wolltest.

Medea.
Sei sicher, du erhältst, was dir gebührt.
Medea bin ich wieder, Dank euch Götter!

König.
Schließ auf und gib!

Medea.
    Jetzt nicht.

König.
        Wann sonst?

Medea.
            Gar bald;
Zu bald!

König.
    So send es zu Kreusen hin.

Medea.
Hin zu Kreusen! Zu Kreusa? – Ja!

König.
Enthält die Kiste andres noch?

Medea.
    Gar manches!

König.
Dein Eigentum?

Medea.
    Doch schenk ich auch davon!

König.
Dein Gut verlang ich nicht; behalt was dein!

Medea.
Nicht doch! ein klein Geschenk erlaubst du mir!
Die Tochter dein war mir so mild und hold,
Sie wird die Mutter meiner Kinder sein,
Gern möcht' ich ihre Liebe mir gewinnen!
Das Vlies lockt euch, vielleicht gefällt ihr Schmuck.

König.
Tu wie du willst, allein bedenk dich selbst.
Kreusa ist dir hold gesinnt, das glaube.
Nur erst bat sie, die Kinder dir zu senden,
Daß du sie sähest noch bevor du gehst
Und Abschied nähmest für die lange Fahrt.
Ich schlug es ab, weil ich dich tobend glaubte,
Doch da du ruhig bist, sei dir's gewährt.

Medea.
O tausend Dank, du güt'ger, frommer Fürst!

König.
Bleib hier, die Kinder send ich dir heraus!
(König ab.)

Medea.
Er geht! Er geht dahin in sein Verderben!
Verruchte, bebtet ihr denn schaudernd nicht
Als ihr das Letzte nahmt der frech Beraubten?
Doch Dank euch! Dank! Ihr gabt mir auch mich selbst.
Schließ auf die Kiste!

Gora.
    Ich vermag es nicht.

Medea.
Vergaß ich doch, womit ich sie verschloß!
Den Schlüssel halten Freunde, die ich kenne.
(Gegen die Kiste gewendet.)
        Untres herauf
        Obres hinab
        Öffne dich bergendes
        Hüllendes Grab!

(Die Kiste springt auf.)
Der Deckel springt. Noch bin ich machtlos nicht!
Da liegt's! Der Stab! Der Schleier! Mein! Ah, mein!
(Es herausnehmend.)
Ich fasse dich, Vermächtnis meiner Mutter,
Und Kraft durchströmt mein Herz und meinen Arm!
Ich werfe dich ums Haupt, geliebter Schleier!
(Sich einhüllend.)
Wie warm, wie weich! wie neu belebend!
Nun kommt, nun kommt, ihr Feindesscharen alle
Vereint gen mich! Vereint in eurem Falle!

Gora.
Da unten blinkt es noch!

Medea.
    Laß blinken, blinken!
Bald lischt der Glanz in Blut!
Hier sind sie, die Geschenke, die ich bringe.
Du aber sei die Botin meiner Huld!

Gora.
Ich?

Medea.
    Du. Du geh zur Königstochter hin
Sprich sie mit holden Schmeichelworten an
Bring ihr Medeens Gruß und was ich sende.
(Die Sachen aus der Kiste nehmend.)
Erst dies Gefäß; es birgt gar teure Salben,
Erglänzen wird die Braut, eröffnet sie's!
Allein sei sorgsam, schüttl' es nicht!

Gora.
    Weh mir!

(Sie hat das Gefäß mit der Linken schief gefaßt. Da sie mit der Rechten unterstützend den Deckel faßt, wird dieser etwas gehoben und eine helle Flamme schlägt heraus.)

Medea.
Sagt' ich dir nicht, du sollst nicht schütteln!
        Kehr in dein Haus
        Züngelnde Schlange
        Bleibst nicht lange
        Harre noch aus.

Nun halt es und mit Vorsicht sag ich dir!

Gora.
Mir ahnet Entsetzliches!

Medea.
Fängst an zu merken? Ei was bist du klug!

Gora.
Und ich soll's tragen?

Medea.
    Ja! Gehorche Sklavin!
Wagst du zu widerreden? Schweig! Du sollst. Du mußt.
Hier auf die Schale weit gewölbt von Gold,
Setz ich das zierlich reiche Prachtgefäß.
Und drüber deck ich, was so sehr sie lockt,
Das Vlies –
(Indem sie es darüber wirft.)
    Geh hin und tu was deines Amts!
Darüber aber schlinge sich dies Tuch,
Mit reichem Saum, ein Mantel, königlich,
Geheimnisvoll umhüllend das Geheime.

Nun geh und tu wie ich es dir befahl,
Bring das Geschenk, das Feind dem Feinde sendet.

(Eine Sklavin kommt mit den Kindern.)

Sklavin.
Die Kinder schickt mein königlicher Herr,
Nach einer Stunde hol ich sie zurück.

Medea.
Sie kehren früh genug zum Hochzeitschmaus!
Geleite diese hier zu deiner Fürstin,
Mit Botschaft geht sie, mit Geschenk von mir.

Du aber denke was ich dir befahl!
Sprich nicht! Ich will's! – Geleite sie zur Herrin.

(Gora und die Sklavin ab.)

Medea.
Begonnen ist's, doch noch vollendet nicht.
Leicht ist mir, seit mir deutlich, was ich will.

(Die Kinder, Hand in Hand, wollen der Sklavin folgen.)

Medea.
Wohin?

Knabe.
    Ins Haus!

Medea.
        Was sucht ihr drin im Haus?

Knabe.
Der Vater hieß uns folgen jener dort.

Medea.
Die Mutter aber heißt euch bleiben. Bleibt!
Wenn ich bedenk, daß es mein eigen Blut,
Das Kind, das ich im eignen Schoß getragen,
Das ich genährt an dieser meiner Brust,
Daß es mein Selbst, das sich gen mich empört,
So zieht der Grimm mir schneidend durch das Innre,
Und Blutgedanken bäumen sich empor. –

Was hat denn eure Mutter euch getan,
Daß ihr sie flieht, euch Fremden wendet zu?

Knabe.
Du willst uns wieder führen auf dein Schiff
Wo's schwindlicht ist und schwül. Wir bleiben da.
Gelt Bruder?

Kleine.
    Ja.

Medea.
        Auch du Absyrtus, du?
Allein es ist so besser, besser – ganz!
Kommt her zu mir!

Knabe.
    Ich fürchte mich.

Medea.
        Komm her!

Knabe.
Tust du mir nichts?

Medea.
    Glaubst? hättest du's verdient?

Knabe.
Einst warfst mich auf den Boden, weil dem Vater
Ich ähnlich bin, allein er liebt mich drum.
Ich bleib bei ihm und bei der guten Frau!

Medea.
Du sollst zu ihr, zu deiner guten Frau! –
Wie er ihm ähnlich sieht, ihm, dem Verräter
Wie er ihm ähnlich spricht. Geduld! Geduld!

Kleinere.
Mich schläfert.

Ältere.
    Laß uns schlafen gehn 's ist spät.

Medea.
Ihr werdet schlafen noch euch zu Genügen.
Geht hin dort an die Stufen, lagert euch,
Indes ich mich berate mit mir selbst. –
– Wie er den Bruder sorgsam hingeleitet,
Das Oberkleid sich abzieht und dem Kleinen
Es warm umhüllend um die Schulter legt,
Und nun, die kleinen Arme dicht verschlungen,
Sich hinlegt neben ihm. – Schlimm war er nie! –
– O Kinder! Kinder!

Knabe (sich emporrichtend).
    Willst du etwas?

Medea.
        Schlaf nur!
Was gäb' ich, könnt' ich schlafen so wie du.
(Der Knabe legt sich hin und schläft. Medea setzt sich gegenüber auf eine Ruhebank. Es ist nach und nach finster geworden.)
Die Nacht bricht ein, die Sterne steigen auf,
Mit mildem, sanftem Licht herunterscheinend;
Dieselben heute, die sie gestern waren
Als wäre alles heut, wie's gestern war;
Indes dazwischen doch so weite Kluft
Als zwischen Glück befestigt und Verderben:
So wandellos, sich gleich, ist die Natur
So wandelbar der Mensch und sein Geschick.

Wenn ich das Märchen meines Lebens mir erzähle,
Dünkt mir, ein andrer spräch', ich hörte zu,
Ihn unterbrechend: Freund, das kann nicht sein!
Dieselbe, der du Mordgedanken leihst,
Läßt du sie wandeln in dem Land der Väter,
Von ebendieser Sterne Schein beleuchtet,
So rein, so mild, so aller Schuld entblößt
Als nur ein Kind am Busen seiner Mutter?
Wo geht sie hin? Sie sucht des Armen Hütte,
Dem ihres Vaters Jagd die Saat zerstampft
Und bringt ihm Gold und tröstet den Betrübten.
Was sucht sie Waldespfade? Ei sie eilt
Dem Bruder nach, der ihrer harrt im Forst,
Und nun, gefunden, wie zwei Zwillingssterne
Durchziehn sie strahlend die gewohnte Bahn.
Ein andrer naht, die Stirn mit Gold gekrönt;
Es ist ihr Vater, ist des Landes König.
Er legt die Hand ihr auf, ihr und dem Bruder
Und segnet sie, nennt sie sein Heil und Glück.
Willkommen holde, freundliche Gestalten
Sucht ihr mich heim in meiner Einsamkeit?
Kommt näher laßt mich euch ins Antlitz sehn!
Du guter Bruder, lächelst du mir zu?
Wie bist du schön, du meiner Seele Glück.
Dein Vater zwar ist ernst, doch liebt er mich
Liebt seine gute Tochter! Gut? Ha gut!
(Aufspringend.)
's ist Lüge! Sie wird dich verraten Greis!
Hat dich verraten, dich und sich.
Du aber fluchtest ihr.
Ausgestoßen sollst du sein,
Wie das Tier der Wildnis, sagtest du,
Kein Freund sei dir, keine Stätte
Wo du hinlegest dein Haupt.
Er aber, um den du mich verrätst,
Er selber wird mein Rächer sein,
Wird dich verlassen, verstoßen
Töten dich.
Und sieh! Dein Wort ist erfüllt:
Ausgestoßen steh ich da,
Gemieden wie das Tier der Wildnis,
Verlassen von ihm, um den ich dich verließ,
Ohne Ruhstatt, leider nicht tot,
Mordgedanken im düstern Sinn.
Freust du dich der Rache?
Nahst du mir? – Kinder! Kinder!
(Hineilend und sie rüttelnd.)
Kinder hört ihr nicht? Steht auf.

Knabe (aufwachend).
Was willst du?

Medea (zu ihnen hingeschmiegt).
    Schlingt die Arme um mich her!

Knabe.
Ich schlief so sanft!

Medea.
    Wie könnt ihr schlafen? schlafen?
Glaubt ihr weil eure Mutter wacht bei euch?
In schlimmern Feindes Hand wart ihr noch nie!
Wie könnt ihr schlafen hier in meiner Nähe?
Geht da hinein, da drinnen mögt ihr ruhn!
(Die Kinder gehen in den Säulengang.)
So, sie sind fort! Nun ist mir wieder wohl! –

Und weil sie fort; was ist wohl besser drum?
Muß ich drum minder fliehn, noch heute fliehn?
Sie hier zurück bei meinen Feinden lassend?
Ist minder drum ihr Vater ein Verräter?
Hält minder Hochzeit drum die neue Braut?

Morgen wenn die Sonne aufgeht,
Steh ich schon allein,
Die Welt eine leere Wüste,
Ohne Kinder, ohne Gemahl
Auf blutig geritzten Füßen
Wandernd ins Elend. – Wohin?
Sie aber freuen sich hier und lachen mein!
Meine Kinder am Halse der Fremden
Mir entfremdet, auf ewig fern.
Duldest du das?
Ist's nicht schon zu spät?
Zu spät zum Verzeihn?
Hat sie nicht schon, Kreusa, das Kleid,
Und den Becher, den flammenden Becher?
– Horch! – Noch nicht! – Aber bald wird's erschallen
Von Jammergeschrei in der Königsburg.
Sie kommen, sie töten mich!
Schonen auch der Kleinen nicht.
Horch! jetzt rief's! – Helle zuckt empor!
Es ist geschehn!
Kein Rücktritt mehr!
Ganz sei es vollbracht! Fort!

(Gora stürzt aus dem Palaste.)

Gora.
O Greu'l! Entsetzen!

Medea (ihr entgegen).
    Ist's geschehen?

Gora.
Weh! Kreusa tot! Flammend der Palast.

Medea.
Bist du dahin, weiße Braut?
Verlockst du mir noch meine Kinder?
Lockst du sie? lockst du sie?
Willst du sie haben auch dort?
Nicht dir, den Göttern send ich sie!

Gora.
Was hast du getan? Man kommt!

Medea.
Kommt man? Zu spät!
(Sie eilt in den Säulengang.)

Gora.
Weh mir! Noch in meines Alters Tagen
Mußt' ich unbewußt dienen, so schwarzem Werk!
Rache riet ich selbst; doch solche Rache!
Aber wo sind die Kinder? hier ließ ich sie!
Medea, wo bist du? Deine Kinder, wo?
(Eilt in den Säulengang.)

(Der Palast im Hintergrunde fängt an sich von einer innen aufsteigenden Flamme zu erleuchten.)

Jasons Stimme.
Kreusa! Kreusa!

König (von innen).
    Meine Tochter!

Gora (stürzt außer sich aus dem Säulengange heraus und fällt in der Mitte des Theaters auf die Knie, sich das Gesicht mit den Händen verhüllend).
Was hab ich gesehn? – Entsetzen!

(Medea tritt aus dem Säulengange, in der Linken einen Dolch, mit der rechten, hocherhobenen Hand Stillschweigen gebietend.)

(Der Vorhang fällt.)


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