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(Halle des Schlosses; nach hinten durch weite Bogen Blick in Garten- und Berglandschaft und Treppe nach jenem hinunter; links Treppe nach oben, vorn eine Pfeilerstellung, jenseits derer die Halle sich fortzusetzen scheint, hinten ein zweiter Abgang; rechts Pforte in die Gemächer der Herrin; daneben nach hinten eine Athene, dahinter Pflanzengruppe; nach vorn eine Wandbank und ein paar Sessel.)
(Auf der Bank in abgewendeter Haltung Herlinde, vor ihr der Fürst)
Herlinde. Nein Fürst! ich glaub, ich muß mein Ohr verweigern –
Es sträubt sich zu verstehn, was es vernimmt!
Fürst. Nicht doch! ich bitte um ein feines Ohr,
Das mich, wenn nicht erhört, so doch entsühnt!
Herlinde. Bedarf es des? So wäre Schweigen besser –
Das sagt mein widerstrebendes Gefühl!
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Fürst. Verzärteln Sie das nicht – es tut ihm gut,
Auch dann und wann ins Feuer zu geraten!
Doch sah ein Freier schlechtere Auspizien!
Schon wirbt er nur noch um Verstandenwerden –
Und Frauen wollen
lieben, nicht verstehn!
Herlinde
(lächelnd). Das dürft es sein! Doch für den werten Freund
Kann ich auch einmal andern Göttern opfern!
Fürst
(seufzend). Ein wenig blutleer freilich ist mein Werben –
Wie spür ich es vor dieses Lebens Fülle!
Und doch: die Summe muß gezogen sein! –
Ich bin nicht alt und kalt und tot genug,
Um nicht an Ihrem Reize zu erglühn –
Doch wirkt des Haares Bleiche tief hinein,
Und Lebensweisheit hält dem späten Sturm
Mit ihrem lähmenden Gewissen stand,
Und sichrer gibt der unbestochnen Wage
Das Goldkorn sich nicht hin, als meinem Takte
Das blühende Bedürfnis Ihrer Jugend!
Nur deren erster Ritter wollt ich sein
Mit all den guten Waffen meines Rangs –
Und nicht der winterliche Kerkermeister,
Der Büttel grau und greis, dem Ersten gleich,
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Den Sie mit Lust begruben! Nein, Frau Gräfin:
Die Eitelkeit auf meinen Ruf als Geist,
Den mir der Menge Unverstand verleiht,
Bewahrt mich vor der letzten Abgeschmacktheit,
Aus der so mancher Narr zur Grube fährt.
So bot ich Ihnen meinen Hag zum blühn,
Wie einer edeln Blume meinen Garten –
Sie lächeln, Gnädigste! – Wie darf ich's deuten?
Herlinde. Ich muß die Kunst doch immerzu bewundern,
Mit der des Worts unübertroffner Meister
Die schwärzeste der Sachen schneeweiß färbt!
Und doch: nicht an den Kleidsaum soll mir rühren
Die Armut solchen überprunkten Glücks!
Nein, Fürst – nicht doch – mein
väterlicher Freund,
Der meiner Jugend herbes Schicksal kennt –
Nicht noch einmal, nicht noch einmal vermählt!
Wenn ich – ich denke nicht daran, doch setz es –
Wenn ich dies Leben, das nach langer Haft
Nun dreier Jahre freie Kraft genossen,
Aus Müdigkeit, aus Sättigung am Glück,
Oder auch aus einem Reste Ungenügens
Zum zweitenmal – doch nun aus freier Wahl
In eines andern Willen geben sollte,
So –
(Verstummt)
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Fürst. So?
Herlinde. So muß ich ihm noch Atem leihn?
Kann es ein andrer sein als nur der eine,
Mit dem ich restlos ganz zu
einem Leben
In ungeteiltem Doppelsein verschmölze –
Vor Gott und Mensch und uns – zusammen eins?
Fürst. Ich fühle meinen Schmerz dem Staunen weichen
Vor dieser Glut der – hm – Tugend – unerhört!
Doch wenn mir eine Frage noch vergönnt –
Denkt meine –
töchterliche Freundin sich –
(Zögernd)
Den einen an
Geburt auch ebenschultrig – –?
Herlinde
(sich aufrichtend, über die Schulter).
Oder?
Fürst
(vorsichtig).
Es hat schon Göttinnen gegeben,
Die vom Olymp zur Erde niederstiegen,
Wo Menschensöhne göttlicher sie dünkten –
Herlinde
(noch höher).
Hat diese Frage ein bestimmtes Ziel?
Fürst. Mit nichten, liebe – Tochter! Eine Sorge,
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Nein eher eine Hoffnung löst sie aus:
Daß Ihre stolze Hand nicht
nieder greift!
Herlinde
(hoch und kühl).
Des darf der Fürst gewiß sein.
(Wendet sich)
Ah der Vetter!
(Für sich) Ein neuer Sturm! Der Tag ist heiß – o Hetze!
Der gräfliche
Vetter
(heraufkommend).
Er ist's, Herlinde – grüß dich Gott, da bin ich!
(Will sie umarmen, sie hält ihn zurück, auf den Fürsten weisend; er steif zu diesem)
Servus! – Warum so kalt? Ich hab dir auch
Was Rechtes mitgebracht, wie ich versprochen:
Die ganze Strecke dieses Tags ist dein –
(Sie nach der Treppe führend)
Da guck sie dir mal an – Lux aus dem Weg! –
Zwei kapitale Hirsche, sieben Rehe,
Ein Stücker dreißig Hasen, zehn Fasanen –
Dazu ein Fuchs –
Herlinde (verzweifelt). Mein Gott, das viele Wildbret!
Lukas (heraufkommend). Ein stolzer Sechzehnender wär noch dabei, Euer 10 Gnaden, aber dieser Simpel von Heiner; ich steh da, und dort der Eichbusch, und von da überfällt der Hirsch die Lichtung –
Herlinde
(lächelnd).
Schon gut, mein lieber Lux, ein andermal! –
Was bringst du sonst, mein Vetter?
(Lukas zieht sich unzufrieden zurück)
Vetter. Was ich sonst –?
(Sieht den Fürsten an, der ihn unterdessen mit dem Lorgnon gemustert hat)
Fürst
(lächelnd).
Ich will nicht stören, liebe Gräfin!
Herlinde
(um ihn zurückzuhalten).
Oh –
Der Vetter wird doch kein Geheimnis haben?
Fürst
(amüsiert).
Es scheint mir doch!
Vetter. Nun ja, ich muß gestehn –
Ich hab vom Papa was Besondres –
Herlinde. Ah –!
(Zum auftretenden Hausverwalter)
Wann speisen wir?
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Hausverwalter. In einer Stunde, Herrin!
Herlinde
(zum Fürsten).
Bis dahin also!
(Er küßt ihr zierlich die Hand und umgeht den Grafen, der unterdessen mit dem Hausverwalter Blick und Geste wechselt, worauf sich auch dieser zurückzieht)
Und, mein lieber Vetter? (Setzt sich)
Vetter. Kannst du noch fragen, was ich von dir will?
Herlinde
(seufzend).
Ihr wollt so viel von mir! Rührt nicht dein Vater
Den alten Grenzstreit, den wir kaum geschlichtet,
Aus nichtigen Gründen eben wieder auf!
Vetter. Es kostet dich ein Wort nur und so klein!
Und aller Hader legt sich! Mein und Dein
Verschmelzen sich und nehmen ihm den Grund –
(Lebhaft) Doch nur dem Papa ist's darum zu tun –
Mir nicht! Du darfst es glauben! Ich will dich,
Und wollte dich, wärst du das ärmste Fräulein
Aus einem Bettelstift, mein Wort darauf!
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Herlinde. Wie oft hab ich gezeigt dir, was uns trennt –
Vetter
(einfallend).
Ach was, 's ist dummes Zeug! Ich bin wohl rauh
Und ungeleckt, und schwer ist meine Zunge,
Doch stell ich meinen Mann in jedem Stück,
Wo Männerwerk nach einem Mann verlangt:
Ich fall den Bären mit dem Messer an,
Zermürb den wildesten Hengst mit meinen Knochen,
(Hält ihr den gebeugten Oberarm hin)
Und – da greif her! – und such dann einen Gecken,
Der eine Nuß im Ellenbogen knackt
Wie ich!
Herlinde
(lächelnd).
Sei unbesorgt, mein lieber Vetter,
Ich kenne deine Stärke! Aber sag:
Wie du mich kennst, glaubst du, mir sei's genug?
Vetter. So schlag dazu noch, wie ich gut dir bin!
Und glaub, wir passen nicht so schlecht zusammen:
Ein rechter Pelz besteht aus Woll und Granne!
Herlinde
(lachend, aufstehend und ihm die Hände auf die Schulter legend).
Wie bist du drollig und ein guter Kerl!
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Doch quäl mich heut nicht länger! Komm zum Essen!
Dann schläft ein jeder eine Nacht darüber,
Und morgen, guter Junge –
Vetter
(eine ihrer Hände küssend). Hab ich Antwort?
Und gute? Laß mich hoffen –
Herlinde. Besser nicht –
Das Hoffen ist ein ungesundes Ding.
Vetter
(ungestüm).
Und wenn! ich hoffe doch!
Herlinde (im Abgehen). Der arme Junge!
Vetter. Nur eins, Herlinde, sag mir noch –
Herlinde Was ist's?
Vetter. Sei mir nicht bös darum!
Herlinde. Wir wollen sehn! 14
Vetter. Du hast den Schreiber immer noch bei dir?
Herlinde. Den Schreiber? Ah – du meinst – nun ja, noch immer!
Vetter. Verflucht!
Herlinde. Was hast du?
Vetter. Ist es zu ertragen!
Herlinde. Bist du bei dir?
Vetter. Der Kerl bringt mich zum bersten!
Du tust so dick mit ihm, geht das Gered –
Herlinde. Wer wagt –? Wer darf –? Wer kann –? Gemeine Welt!
(Abrauschend) Vor der ein
Stirnenbündnis nicht besteht!
Vetter. Nun Gott sei Dank, wenn du es so verschwörst:
Ich trüg's nicht, wär der Windhund mir im Weg!
(Ab nach der Gegenseite)
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Verwandlung.
(Es ist Abend geworden, die Lichter brennen auf den Trägern. Herlinde und Tante kommen aus dem Garten herauf)
Tante. Du bist in einer wunderlichen Stimmung!
Herlinde. Das stimmt!
Tante. Dein Auge funkelt –
Herlinde. Tut es das?
Tante. Doch hinter seinem Zorne blitzt die Träne!
Herlinde.
(Heftig umkehrend)
Was blitzt? Gib acht, wo's blitzt, da donnert's bald!
Tante. Da grollt es schon! Nun ja, die Luft ist schwül!
(Pause)
Du hast die Gäste früh sich überlassen!
Herlinde. Ich bin so müde – so entsetzlich müde! 16
Tante. Ja so ein Tag muß auf die Nerven schlagen:
Zwei Freier auf einmal, die
(Seufzt) nicht behagen!
Wann kommt der Prinz doch aus dem Märchenland,
Der deiner hohen Träumerei genügt?
Herlinde
(sich setzend).
Wie bin ich dieses ewigen Zerrens laß
Und sehne mich nach Ruhe, Frieden, Stille –
Wie ich die Männer hasse –
Tante. Alle?
Herlinde
(leidenschaftlich). Alle!
(Tante seufzt)
Ah, diese Hände all, die mich betasten!
Die einen plump, die andern frech, die besten
Noch lüstern –
(Zur Seite, flüsternd)
Und nur einer hält an sich!
(Versinkt in Brüten)
Tante. Dürft ich – mit aller Vorsicht – etwas sagen?
Du selbst wie auch dein Gut bedarf des Schirms,
Und die erwünschte Ruhe fändest du
Am ehsten bei dem Fürsten –
Herlinde
(auffahrend). Wie? auch du?
Da ich noch zittre von der lästigen Wehr?
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Tante. Was heißt das: lästig! Wirbt ein Mensch diskreter?
Vom Vetter sag ich nichts – der arme Junge:
Die Mutter kannt er nie! Vom rauhen Vater
Den Mägden und den Knechten üherlassen,
Wuchs er im Stall heran, auf Feld und Weide
Und mehr im Bergwald noch auf Pirsch und Hatz –
Er wäre eine allzu derbe Schale
Für so ein lichtes Perlchen! Doch der Fürst,
Der erste Kavalier im weiten Land,
Ein Mann von Welt, erlesner Geistesbildung,
Als Kenner aller Künste unerreicht,
Freigebiger Gönner jeder Wissenschaft,
Im Staatsdienst wohl erprobt, des Kaisers Rechte,
Erlauchtesten Geblütes, reich und mächtig –
Herlinde. Genug! Ich weiß das alles! Aber doch
Will meine Hand sich mehr denn je besinnen,
In seine sich zu fügen! –
(Mehr für sich) Glanz des Namens:
Läßt er den Gatten mir zur Seite blühn?
Macht – gibt sie Glück? Geist – weiht er auch das Leben?
Oft fürcht ich seinen Geist und hass' ihn fast:
Er raubt den Dingen ihren heiligen Schleier
Und mit ihm viele Schönheit! Welt und Leben
Verlieren Grund und Ziel, selbst Wirklichkeit –
Und von dem ganzen Wunder dieser Schöpfung
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Bleibt nur ein fader Traum in der Retorte!
Nein, nein, mich schauert! Nicht in diese Welt!
Tante. Ja, ja, ich weiß, in welche dir gefiele –
Du bist verwöhnt durch deinen Abgott Roland!
Der ist dein Fall –
(Herlinde zuckt unwillig auf)
Ich sag es ohne Spott –
Auch ohne Vorwurf – denn er ist scharmant!
Wie schad, daß er von niedriger Geburt!
Es ist vom Schöpfer mir nicht recht verständlich,
Daß er dem Pöbel solche Kinder gibt!
Mir bangt, du denkst dich nicht mehr ohne ihn!
Herlinde. Sag so: Ich
bin mein Leben nicht mehr ohne ihn!
(Mehr für sich)
Wie lebt er hier in tausend feinen Spuren
Und starken Zügen, die nicht sterben werden!
Sein Wesen hat das meine ganz durchwirkt.
Was diese leere Brust in ihrem Dürsten
Von Gott und Welt und Mensch zu wissen drang,
Er hat's in vollen Zügen ihr gewährt!
Mit seinem Aug und Ohr muß ich nun lauschen
Hinaus ins ewig dämmernde Geheimnis –
(Tritt an die Brüstung und spricht hinaus)
O Gott! Wie groß ist deine Welt geworden
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Seit er das niedrige Gewölbe sprengte
Und im Urabgrund des unendlich Einen,
Von Welten wimmelnd ohne Maß und Zahl,
Vernichtigt meinen Blick versinken ließ!
Tante. Ja, ja – ich kenne eure Andachtsstunden!
Sie haben dich der Kirche ganz entfremdet –
Man spricht im ganzen Gau davon – zuck nur!
Herlinde. Ihr könnt nicht Ungewöhnliches ertragen!
Tante. Tauf es recht schön! Doch sollt es mich nicht wundern
Käm noch ein recht Gewöhnliches heraus!
Auch Ungewöhnlichkeit schützt nicht vor dem!
Ja, diese Männer! – Haß ist just nicht nötig –
Doch Vorsicht – Vorsicht! liebe Nichte, rat ich! –
Wir wollen jetzt hinein –
(Ihr Tuch fester ziehend) es kühlt bedenklich!
Herlinde. Laß mich ein wenig hier, der Abendstille
Und meiner Einsamkeit die Brust zu bieten.
Tante
(unschlüssig).
Wenn es dein Ernst ist –
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Herlinde. Bitte!
(Jene geht hinein; Herlinde wirft sich in die Ecke einer Ruhebank und schlägt eine Hand vors Auge)
Ah – ich bin
Von mehr als dem zerrissen und zerspellt!
(Springt auf, zischend)
Ich muß ihn sehn! Noch heut und jetzt! Wie kalt
Hielt er am Tische zwischen meinen Gästen
Und konnte geistreich sein!
(Knirschend) Ich muß ihn sehn,
Und muß erforschen, was sein Herz bewegt,
Da er mich wanken sieht und schwanken und –
Vielleicht in eine Ehe gleiten! – Gut!
(Geht hastig hinein)
(Nach einer kleinen Weile kommt der Verwalter von links, bleibt stehen, gähnt, sieht auf die große Taschenuhr, die er umständlich herauszieht; dann lauscht er auf und wird lebendig; die Pforte öffnet sich und Maria springt über die Bühne zur Treppe, vor der er ihr den Weg vertritt.)
Hausverwalter. Ein Wort, Maria!
Maria. Bitte, gebt mir frei!
Hab eine dringende Bestellung oben –
Die Herrin wartet –
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Hausverwalter. Nur ein einzig Wörtchen.
Maria. Ihr habt schon stark ein Dutzend, laßt mich durch!
(Bricht sich Bahn und betritt die Treppe)
Hausverwalter. Gezählte, liebes Kind! will ich gezählte?
Ein einziges
gewognes –
Maria. So? Nun denn:
Ich lad Euch ein – gewogen mir zu bleiben!
Hausverwalter. Ei sieh, wie bissig! Und das mir! und heut!
Ich hab unendlich Wichtiges für dich:
Die Kämmerei ist mir so gut wie sicher!
Maria. Was liegt mir dran?
Hausverwalter. Bedenk: das wärmste Nest,
Das sich ein junges Weibchen träumen kann!
Maria. Bin für kein warmes Nest – mit Euch darin!
Hausverwalter. Empörend! – Lauf nur deinem Windhund nach! 22
Maria. Wem lauf ich nach?
Hausverwalter. Ja, tu nur so unschuldig!
Und renn ins Unglück! Ist's nicht wie man sagt:
Der Mensch liebt was ihn
reizt, nicht was ihn
liebt!
Maria. Das scheint bei Uns zu stimmen:
lieb ich Euch?
Auch geb ich ohne Hehlen gerne zu,
Daß Ihr mich herzlich wenig – reizt. Gut Nacht!
(Hinauf)
Hausverwalter. Wie wird – wie ist mir? – ha, es ist empörend!
Nenn einer doch die Frauen zart! Wie grob
Weiß so ein Patschchen seinen Korb zu flechten!
Und ich! Reiß ich mich los von ihrem Füßchen?
Wie sie es setzt und löst und wieder setzt
Und leicht und süß hinauf schwebt – ach! ich spür's:
Ich komm nicht los von ihr! Der süße Fratz:
Je grausamer er ist, je stärker haft ich!
Bella
(vom Garten heraufkommend).
Ein wundervoller Abend, Herr Verwalter!
(Er fährt zusammen)
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Es war zu schön für mich allein! Der Himmel
Hat mich hereingeführt!
Hausverwalter. Der Himmel? Jesus!
Mir wird so schwül!
(Ab zur Seitentüre)
Bella. Was ist, seid Ihr verstimmt?
Nicht einen Gruß?
Hausverwalter. Wie – sagt ich nicht gut Nacht?
So hab's denn, liebe Jungfer: süße Ruhe!
Bella. Ihr weicht mir aus? Hab ich's um Euch verdient?
Hausverwalter. Ausweichen, liebe Jungfer? Keine Rede!
Ich hab nur noch unendlich viel zu tun!
Schlußrechnung, weißt du! oh die Bücher – Bücher!
Sie sprengen mir den Kopf! Gut Nacht, mein Holdchen!
(Ab)
Bella. Was hat der Alte? Meint er zu entschlüpfen?
Er stellt dem Grasaff nach, ich weiß es wohl –
Doch eh er dieses Gickack setzt ins Nest,
Will ich gehörig meine Fänge rühren –
(Es schellt drinnen)
Was hat sie wieder?
(Ab nach innen)
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(Die Treppe herunter kommen Roland und Maria in verliebter Verschlungenheit, er drängend, sie schmachtend wehrend.)^
Maria
(sich windend).
Ich bitte dich, nicht weiter so!
Roland. Dein Ja!
Maria. Bedenke, wenn uns jemand sähe – hörte!
Roland. Es hört und sieht uns niemand, sag: du kommst?
Maria. Wenn du nicht mein Verderben willst, so laß mich –
Man kommt –
(Reißt sich erschrocken los, sie stehen einen Augenblick lauschend)
Roland. Du siehst, es war ein blinder Lärm –
(Sucht sie wieder zu fassen)
Maria (ausweichend). Doch jeden Augenblick kann jemand kommen!
Roland. Ein Kerl um ihm den Schädel einzuschlagen!
Er stiehlt mir diese köstliche Minute,
Noch eh er da ist, der verfluchte Jemand!
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Maria. Auch wird die Frau schon ungeduldig sein –
Sie hieß mich eilen, und wie lange säum ich! –
Geh mach nur schnell!
(Sucht ihn zu beschleunigen).
Roland
(erhascht sie). Nicht ohne dein Versprechen –
Du kommst hernach?
Maria. Es kann, es darf nicht sein –
Du machst unglücklich mich!
Roland. Ans Fenster nur!
Nur einen süß gewürzten Augenblick
Im Arm dich halten –
Maria. Dem ich kaum entrann!
Du Unersättlicher! Geht doch, ihr Männer!
Da seid ihr alle gleich: man läßt ein Fleckchen,
So groß kaum, daß der Ziege Huf es faßt –
Gleich grabt ihr euch mit beiden Füßen ein,
Erbarmungslos, wie nur der Feind am Wall –
Wir hätten Grund, ein Berg von Glas zu sein,
So hart und glatt, daß euch kein Eisen hülfe!
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Roland. Törichtes Hoffen, euch vor uns zu schützen!
Wir stürmten dann im Fluge durch die Luft
Und kämen heiß und schwer als Feuerwolken
Und raubten euch den Atem! Siehst du: so!
(Überwältigt ihren schwachen Widerstand, küßt sie)
Maria
(sich windend).
Laß! Laß!
Roland. Weißt du, wie süß du bist?
Maria
(ihm den Mund schließend). O geh!
Du bist so wild, und ich so schwach, so schwach!
Und du wirst sein, wie alle Männer sind:
Du wirst mich küssen – und des Weges gehn!
So viele schöne Worte kannst du machen –
Doch nie sprachst du von –
(Verstummt)
Roland. Von?
Maria. Kannst du noch fragen?
Was erst die Echtheit einer Glut bezeugt,
Weil Dauer sie und Weihe heischt –
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Roland
(unruhig). Ah so!
Lieb Kind – Lieb Kind!
Maria. Sprich doch!
Roland. Wie soll ich sagen –
Maria
(die Hand ans Herz legend).
So hast du nie daran gedacht? O Gott!
Roland. Es wäre mir so leicht, dich zu belügen,
Doch bist du mir zu gut! – Ich
durft es nie –:
Unstet bin ich! Nicht Amt, noch Heim, noch Ziel
Setzt meinem Schweifen einen festen Pol.
Hier hab ich ausgedauert, es ist wahr –
Doch sitz ich wie der Vogel auf dem Zweig:
Ein Zug und Trieb – ein Husch und ich bin weg!
Und innen? Schließ dein Aug! Ein Felsenmeer
Liegt wüster nicht als meines Wesens Blöcke,
Und kein Gewissen weiß mich zu versichern,
Ob es Bausteine sind des Werdenden –
Ob Trümmer des Verkommnen! –
Maria
(an seinem Halse). Sprich nicht so!
Du machst dich schlechter vor mir, als du bist –
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Das mag ich nicht – und diese böse Falte!
Auch sollst du wissen: ich bin
nicht so arm!
Der Pate hat sein Häuschen mir vermacht,
Neun Tagwerk Feld und Weinberg sind dabei –
(Roland lacht herzlich)
Du lachst? Und auch die Herrin ist uns gut –
(Er lacht weiter)
Und hilft uns gern – warum nur lachst du so?
Roland. Lieb goldig Kind, dein Häuschen rührt mich so!
Wie weiß und niedlich hängt's an seinem Berg –
Und eben seh ich dick und friedlich mich
Aus seinem rebumlaubten Fenster gucken
Die Troddelmütze überm linken Ohr –
Unschuld!
Der Taubenschlag wär meine Welt?
Maria. Geh, spott nicht so! Wir können's ja verkaufen –
Herlinde
(langsam aus der Pforte).
Man unterhält sich hier so ausgezeichnet,
Daß ich die halbe Nacht wohl warten könnte –
Roland. Wir waren im Begriffe einzutreten –
Bitt um Vergebung –
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Herlinde
(sich fächelnd und die Luft genießend).
Laßt uns hier verweilen –
Es ist so schwül in den Gemächern –
(Zu Maria) Du?
Maria
(verwirrt). Ich sehne mich ein wenig in den Garten –
(Auf einen Wink ab)
Herlinde
(auf und ab).
Ich hab Ihn nochmals zu mir herbemüht
Um – eh
(Verstummt)
Roland. Ich steh der Herrin zu Befehl!
Herlinde. Der Tag entläßt mich in Verworrenheit
Und ich entbehre Seiner guten Stimme!
Roland. Die Herrin weiß, daß mir ein Wink genügt –
Herlinde. Fast war die Hand zu schwer zu diesem Winke –
(Tritt an die Brüstung und schaut eine Weile hinaus)
Das ist der Jupiter?
Roland
(nach einem Schritt und Blick).
Ja Herrin.
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Herlinde. Herrlich!
Er steht auf jenem Gipfel wie ein Feuer –
Nur ruhig, milden Scheins und ohne Flecken –
Ob wohl auch Wesen sich auf ihm zerfleischen! –
Ich bin unglücklich, Roland!
Roland. Teure Frau!
Das ist ein Unrecht oder eine Schwäche!
Auch weiß ich, nur Besinnung tut hier not –
Herlinde. Besinnung – ja Besinnung! Doch im Schwanken
Und in des Auges Trübe wird sie teuer.
Roland. Nur nichts in sich versinken lassen, Herrin –
Ein Ruck der stolzen Schulter – und Ihr wacht!
Herlinde. Er weiß sehr wohl, daß mich kein Traum bedrückt –
Roland. Herrin, dem Wachenden ist alles Traum
Was ihn bedrückt: – Ist er nicht frei geboren?
Herlinde
(fast heftig).
So weck Er mich! – Verzeiht, ich bin gereizt!
(Zieht ihr Tuch und bemeistert einen Weinanfall, dann springt sie auf)
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Ergeben? Nein! Nicht noch einmal – ergeben!
(Tritt an die Brüstung und spricht herb hinaus)
O meine Jugend! deren Traum und Spiel
Und Blüt und Duft ein unbarmherzig Schicksal
Mich einem Greisen aufzuopfern zwang!
O Glück – entweihtes! Schmach – nicht auszudenken!
Gram – untilgbarer – nein! dem Herrn sei Dank,
Der endlich – nein! ich schuld ihm keinen Dank:
Es kam zu spät, daß er den bleichen Engel
Den bleichen Alp von mir zu nehmen sandte,
Mich wieder mir, des Lebens lichtem Tag
Und seinen zarten Festen wiedergab –
Nicht noch einmal – nicht noch einmal vermählt –
Vermählt!
Zermählt! – Verzeiht – Ich ließ mich gehn!
Roland. Herrin! Es ist für mich ein schmerzlich Glück,
Der Zeuge solchen Sturmes sein zu dürfen
Und – ihn an mir verbrausen lassen müssen.
Reglos – zu Stein gebannt – als eine Säule,
Um die ein Leben loht – kann ich denn helfen?
Ich bitt es selbst zu sagen: kann ich helfen?
(Nach einigen schwachen Versuchen zu sprechen, wendet sie sich ab; kleine Pause)
Ich sehe meine Frau in einer Lage
Die sie noch jüngst mit Epiktet belächelt:
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Sie will das Glück der Frau, die Macht der Fürstin,
Die Ware
und den Preis – das gibt es nicht!
Herlinde. Ist diese Weisheit Seine ganze Hilfe?
Sie ist so kalt wie Spott!
Roland. Dem Fiebernden
Wird leicht die Hand des Arztes eisig dünken!
Herlinde. Auch lieblos!
Roland. Lieblos?
Herlinde. Ja! nicht eine Spur
Von Mitbewegung zeigt er –
Roland. Wie der Arzt:
Nur Sorgfalt!
Herlinde. Sorgfalt?
Roland. Ja! wie durft ich auch
Nur eine
Spur von mehr als Sorgfalt zeigen?
Ich, meiner Herrin Diener!
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Herlinde. Nur ihr Diener?
Der Freundschaft tausend Zeichen denkt Er nicht?
Roland
(mit stürmischem Akzent).
Mit Innigkeit und wärmstem Glücksgefühl –
Doch wie es schmerzhaft an dem Kranz von Eis,
Der Eure Höhe von der Niedrung scheidet,
Zurückzuckt, meßt Ihr nicht? Wo stünd ich heut,
Wenn diese Glut je diesen Wall beleckte!
(Sie tut einige unsichere Schritte, dann läßt sie sich wieder abgewendet auf die Bank nieder)
Herlinde. Ich habe das Gefühl, mich klein zu machen,
Täuscht Er der Lage jeden Ernst hinweg!
Roland. Den Ernst nicht, nur die Furcht vor – zu viel Ernst!
Und nicht durch Täuschung! Sag mir doch die Herrin:
Was in der Welt, welch ehernes Gebot
Zwingt Euch, nach zwanzig abgeschlagnen Andern,
Des Fürsten oder Eures Vetters Werbung
Als Fessel um den Nacken Euch zu schlingen,
Minervens und Dianens keusche Freiheit,
Der Amazone Willen aufzugeben?
Doch nur die Furcht! Vor was? Vor Sorgen, Kämpfen,
Die vorerst Einbildung nur schreckhaft malt!
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Nun wohl: der Kampf schafft Arbeit, raubt die Ruhe,
Schlägt Wunden, bringt Verluste – aber Herrin,
Ist denn die Kraft nichts, die wir so gewinnen?
Und, brächen wir im Kampfe, nichts die Ehre?
Herlinde
(aufstehend).
Ich dank ihm! Alles ist so übereinfach –
Und doch, da bleibt ein unerklärter Rest
Der mir die Brust beklemmt! Er hat so recht –
Und es erquickt mich nicht, es macht mich bitter,
Und das befreite Auge bleibt umflort.
Roland. Es ist der Ungenuß der Überzeugung,
Daß sich im Kreise unsrer Hochgebornen
Der Mann nicht findet, der Euch voll ergänzt!
Wär mir denn fremd das höhere Bedürfnis
Der reichbegabt- und hochgespannten Seele?
Mir, den sie mit dem hohen Glück beehrt,
Den edelsten der Dürste zu geleiten
Auf seiner raschen, nimmersatten Suche
Nach Wissen von der Welt und ihrem Schönen?
Nach oben weiß ich diesen Blick geschlagen,
Verehren müßt Ihr können um zu lieben,
Und nur dem Höheren paart sich dieses Leben!
Herlinde
(leise, das verhaltene Spiel einer mächtige Bewegung schließend).
Und dieser Höhere – wenn Er so meint –
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Ich dank ihm drum, daß Er so hoch mich stellt,
Selbst wenn er sich verschätzt – wo find ich ihn?
Roland
(schwer atmend, zögernd).
In unsres Landes engerer Begrenzung –?
Nachdem der Einzige, in dessen Hut
Ich meine Herrin mir noch denken könnte,
Zu tief im Winter steht – und Euer Leben
Um seinen Lenz, um
einen seiner Lenze
Im bösen Schach der Politik betrogen,
Muß, wenn es drängt, nach seinem Frühling drängen –
So weiß ich in der weiten Runde Keinen!
Wir trauern lang schon über dies Geschlecht,
Rückständig ist des Menschen Höherzug,
Voran nur im Verfall! Verdummt, entnervt,
Roh oder faul! Noch mehr der edeln Frauen
Darben nach Leben, das sie aufwärts führt –
So meine Herrin:
einsam fühlt sie sich.
Herlinde. Wie Er das Alles weiß! Da ich nicht leugne,
Muß ich an Stolz verloren haben, wie?
Recht hat Er: ich bin einsam! Jeder Werber
Läßt mich die Tiefe dieser Armut fühlen,
Und Er auch weiß nicht Einen in der Runde,
Nicht Einen, der auf einen Punkt vereinte
Hirn, Herz und Kraft, in würdiger Gestalt?
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Ein Licht, das wärmt, ein Feuer, das erhellt
Und unsre Fülle nicht zu nichts verzehrt!
So wär der Ganze also nicht geboren,
Der Beste noch ein Halbes, eine Hülle
Zu einem prahlenden Phantom gebauscht,
In dem ein Stückwerk klappert? Laß Er mich!
Wenn Er mir diesen Stern vom Himmel reißt,
So soll mein Sehnen zu sich selbst verkriechen
(Wendet sich zum Gehen)
Und dieses Zwitterlicht des Tages scheun!
Gute Nacht!
(Umkehrend) oder nein doch, prüf er noch einmal:
Nicht
Einen weiß er,
Einen in der Runde?
Ist selbst ein Mann, und weiß doch Keinen – Keinen!
Roland
(düster beginnend, zum Schluß kühl und fest).
Vielliebe Frau! Tief gräbt sich Euer Zahn
In das, was ich von Mannheit in mir spüre –
Ich muß ihn nagen lassen – kann ich dienen?
Wenn sich der Kerl mal fände, der zur Not
Natur und Bildung wünschenswert vereint –
So ist er wieder durch Geburt ein Lump!
(Herlinde sieht ihn an, ringt danach noch etwas zu sagen, dann wendet sie sich und schreitet grußlos hinaus; er verbeugt sich, dann richtet er sich auf und blickt ihr mit wildem Ausdruck nach)
Roland
(heiser). Was ist das? treibt zur Frucht ein langes Warten?
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Die unterm Schmelze des bewegten Lebens
Sonst ruhte als ein marmorn Götterbild,
Bekommt sie Blut? Steigt sie herab vom Sockel?
So wär es denkbar doch! – Hinweg, mir schwindelt!
Maria
(kommt aus dem Garten herauf und wirft sich an seine Brust).
Geliebter!
Roland (verwirrt). Du?! noch auf? –
Maria. Mein süßes Unglück!
In rasender Zerstörung lag ich draußen
Und hielt die Füße des Apoll umschlungen
Und küßte sie, als wären es die deinen –
Warum bist du so kalt? Sie waren wärmer!
Roland
(zerstreut).
Die Herrin war so wunderlich –
Maria. Laß sie:
Der Augenblick ist mein! Sag, bist du bös,
Daß ich so sehr an mich gedacht, und dich
Für dieses Glück, in deinem Arm zu ruhn,
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In meine kleine Welt hereingezogen?
Nichts will ich, nichts, als lieb dich haben dürfen –
Doch komme nicht – nachher – ich bitte dich!
Roland (hastig). Gut – wenn du meinst –
Maria. Wie läßt du mich so leicht!
Wie kalt bist du geworden, da ich glühe –
Komm – ich beschwöre dich!
(An ihm hängend)
Roland. Seltsames Kind!
Maria. Ich muß so viel noch fragen – viel noch wissen
Vor allem: liebst du sie?
Roland. Wen sie?
Maria. Die Herrin!
Roland (schroff). Wie kommt dir das?
Maria. Sie liebt doch dich! 39
Roland. Sie mich?
Bist du verrückt – sie mich?
Maria. Siehst du es nicht?
Mein eifersüchtig Herz hat bessre Augen!
Roland. So höre denn mein Wort: ich hasse sie!
Maria
(erschrocken).
O Gott, das ist zu viel – Haß ist zu viel:
Wenn du sie hassest, ist's, weil du sie liebst!
(Es schellt drinnen)
Ich muß hinein! – Kommst du? Ich bitt dich, komm –
Ich muß so viel noch wissen!
(Ab)
Roland
(ihr nachsehend). Gut – ich komme!
Doch kann's nur sein, das Steuer umzulegen –
Ich muß zurück von ihr! – Verdammte Wut,
Die mich gelüsten ließ in diese Schulter
Den Fang zu schlagen, da die andre ragt
In Alabasterreine, Firnschnees Kälte!
Mich schaudert nun vor der, die sich mir beut,
Und brennend Schmachten hebt sich nach der Stolzen –
Die sich – Triumph! – nun schmelzend neigt zu mir!
Doch still –!
(Ein Diener kommt, die Lichter zu löschen)
Und kaltes Blut wie immer! – Lösch nur!
(Er geht hinauf, der Diener löscht und geht; nach einer Weile:) 40
Herlinde
(heraustretend).
Undenkbar ist heut Schlaf – die Schläfen hämmern –
Das Herz springt an die Rippen, wie der Tiger
An seines Käfigs Stangen – Kühlung – Kühlung!
Was wolltest du? Bist du von Sinnen, sag,
Daß du dich so entblößt – nein, nein, unmöglich!
Du hast nicht deinen Wahnsinn ihm verraten:
Zu deinen Füßen trieb's dich,
ihn zu sehn,
Vor dir im Staube sollt er zuckend liegen,
Sein schmerzentstelltes Antlitz – süßes Labsal
Dem wunden Stolze – rauchend zu dir kehren,
Und überströmen sollte seine Lippe
Von all der heißen Qual, die ich ihm schaffe –
Und er blieb aufrecht, fest, und ich zerging!
O welche Schmach! Wie ich ihn hasse! hasse!
(Wild) Weh ihm, wenn er's erriet!
(Kleine Pause, in der ihr Auge böse funkelt, dann sich fassend)
Doch, Törin, sag:
Wenn so geschehn, wenn sich sein Kelch ergossen
Und seiner Leiden Weihrauch dir geduftet? – –
Unselige Höhe, die, dem Tal verwiesen,
Dem Glück der Liebe keine Hütte mehr
An ihre kahlen Wände kleben läßt! –
Einsamer Stolz wärmt nicht die frostige Schulter?
Mich schaudert hier – zu Bett – nein in den Garten:
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Die weiche Luft und dort die klaren Sterne,
Die einsam ihren Weg ziehn wie ich selbst,
Sie sollen helfen wieder mich zu fassen!
(Sie geht hinunter)
(Nach einer Weile kommen Tristan und Roland die Treppe herab; Tristan stolpert)
Roland (flüsternd). Mach keinen Lärm, Tölpel!
Tristan. Halten zu Gnaden, es ist so dunkel, daß ein Fuß über den andern fällt!
Roland. Halt dein Maul, verdammter Kerl! Wenn ich nur deinen Rücken nicht brauchte!
Tristan. Da sieht man wieder, wozu ein Rücken gut ist!
Roland (packt und schüttelt ihn). Muß ich dich umbringen, damit du still bist!
Tristan (geschüttelt). Eure Lei–ter! Ihr bringt Eure Leiter um! (Roland läßt ihn los) Um ein Haar hätte ein Mädel seine Unschuld behalten – für heute!
Roland (mutlos sich zur Gartentreppe wendend). Ich sage gar nichts mehr! 42
Tristan (trällernd hinter ihm drein). Auf zur Tat! Auf zur Tat!
Roland (innehaltend). Ich hätte meinen Mantel droben lassen können! Blödsinn! da!
Tristan. Her damit, ich will ihm Sinn geben: er soll meine Schulter wattieren!
Roland. Schlingel! Du machst mich noch toll!
Tristan. Ich? Bewahre! Dafür ist mein Haar nicht lang genug!
Roland (hilflos). Komm jetzt!
Tristan. Ich komme!
Roland (wütend umkehrend). Aber das letzte Wort mußt du doch immer haben!
Tristan. Geizkragen! Wollt ihr das auch noch! Bedenkt doch, welchen Erstlingen Ihr entgegen geht!
(Roland mit verzweifelter Geste schnell ab; Tristan parodiert ihn und folgt)
Der Vorhang fällt. 43