Johann Wolfgang von Goethe
Mahomet. Trauerspiel in fünf Aufzügen, nach Voltaire
Johann Wolfgang von Goethe

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Zweiter Aufzug

Erster Auftritt

Seide. Palmire.

Palmire
Führt dich ein Gott in mein Gefängnis? soll
Mein Jammer enden? seh' ich dich, Seide!

Seide
O süßer Anblick! Freude meines Lebens!
Palmire, meiner Schmerzen einz'ger Trost!
Wie viele Tränen hast du mich gekostet,
Seit jenem Tag des Schreckens, da der Feind
Dich meinem blutgefärbten Arm entriß.
Vergebens widerstand ich seiner Macht,
Die in das Heiligste des Lagers drang;
Vergebens stürzt' ich mich den Räubern nach;
Nur einen Augenblick errang ich dich.
Bald lag ich unter Toten hingestreckt
Am Saibar, verzweifelnd; mein Geschrei,
Das dich nicht mehr erreichte, rief den Tod.
Er hörte nicht. In welchen Abgrund stürzte,
Geliebteste Palmire, dein Verlust
Mein armes Herz. Mit jammervollen Sorgen
Bedacht' ich die Gefahren um dich her.
Entbrannt von Wut irrt' ich und schalt, verwegen,
Der Rache Zaudern, stürzte mich im Geist
Auf diese Mauern. Ich beschleunigte
Den Tag des Bluts, des Mordes, und schon flammte,
Von meinen Händen angezündet, der Bezirk,
Der deinen Jammer eingekerkert hält.
Vergebens! Meine rege Phantasie
Verschwand in Finsternis. Ich war allein.
Nun aber handelt Mahomet. Wer darf
In seiner Plane Göttertiefe spähen?
Er sendet Omar fort, nach Mekka, hör' ich,
Um einen heil'gen Stillstand einzugehen;
Ich eil' ihm nach, am Tor erreich' ich ihn,
Man fordert Geiseln, und ich bin bereit.
Man nimmt mich an, man läßt mich ein, und hier
Bleib' ich bei dir, gefangen oder tot.

Palmire
Du kommst mich von Verzweiflung zu erretten!
In dieser Stunde warf ich mich, bewegt,
Zu meines Räubers Füßen flehend hin.
O kenne, rief ich aus, mein ganzes Herz!
Mein Leben ist im Lager. Wie du mich von dort
Entführtest, sende mich zurück und gib
Das einz'ge Gut, das du geraubt, mir wieder!
Vergebens flossen meine Tränen, hart
Versagt' er meine Bitten, mir verschwand
Des Tages Licht; mein Herz, beklemmt und kalt,
Von keiner Hoffnung mehr belebt, es schien
Auf ewig nun zu stocken; alles war
Für mich verloren, und Seide kommt.

Seide
Und wer kann deinen Tränen widerstehn?

Palmire
Sopir. Er schien gerührt von meinem Jammer;
Doch bald, verhärtet und verstockt, erklärt er,
Es sei umsonst, er gebe mich nicht los.

Seide
Du irrst, Barbar! dir drohet Mahomet
Und Omar; auch Seide darf sich nennen
Nach diesen großen Namen. Liebe,
Vertrauen, Hoffnung, Glaube, Mut befeuern
Den Jüngling, der nach Heldenruhm sich sehnte,
Und dem nun hier die schönste Palme winkt.
Wir brechen deine Ketten, trocknen deine Tränen!
Gott Mahomets! Beschützer unsrer Waffen!
Du, dessen heiliges Panier ich trug,
Der du Medinens Mauern niederrissest;
Auch Mekka stürze nieder, uns zu Füßen!
Omar ist in der Stadt. Geruhig sieht
Das Volk ihn an, nicht mit Entsetzen,
Wie Feinde feindlich den Besieger sehn.
Ihn sendet Mahomet zu großen Zwecken.

Palmire
Uns liebet Mahomet, befreiet mich,
Verbindet uns, zwei Herzen, die ihm ganz
Gehören; aber ach! er ist entfernt,
Wir sind in Ketten.

 

Zweiter Auftritt

Die Vorigen. Omar.

Omar
Nur getrost, es springen
Die Ketten bald entzwei. Der Himmel ist
Euch günstig. Mahomet ist nah.

Seide
Wer?

Palmire
Unser hoher Vater?

Omar
Zu dem Rat
Von Mekkas Ältesten sprach, eben jetzt,
Sein Geist durch meinen Mund.
»Der Freund des Gottes der die Schlachten lenkt,
Der große Mann, der, einst bei euch geboren,
Nun Könige beherrschet und beschützt,
Den wollt ihr nicht als Bürger anerkennen?
Kommt er um euch zu fesseln? zu verderben?
Er kommt euch zu beschützen! und noch mehr,
Er kommt euch zu belehren, und sein Reich
Allein in euren Herzen aufzurichten.«
So sprach ich; mancher Richter war bewegt,
Die Geister schwankten. Doch Sopir steht auf,
Er, der sich vor dem Himmelslichte fürchtet.
Das allen alten Wahn zerstreuen soll,
Beruft das Volk, für sich es zu bestimmen;
Es läuft zusammen, und ich dringe zu.
Nun red' ich auch und weiß die Bürger bald
Zu schrecken, bald zu überreden. Endlich
Erhalt' ich einen Stillstand und das Tor
Für Mahomet ist offen, endlich naht er,
Nach funfzehnjähriger Verbannung, seinem Herde.
Die Tapfersten umgeben ihn, er kommt
Mit Ali, Pharan, Ammon; alles Volk
Stürzt, ihn zu sehn, an seinen Weg. Die Blicke
Sind, wie der Bürger Sinn, verschieden. Dieser sieht
In ihm den Helden, dieser den Tyrannen.
Der eine flucht und droht, der and're stürzt
Zu seinen Füßen, küßt sie, betet an.
Wir rufen dem bewegten Volk entgegen
Die heil'gen Namen: Friede! Freiheit! Gott!
Und die Partei Sopirs, verzweifelnd, haucht
Der Raserei ohnmächt'ge Flammen aus.
Durch den Tumult, mit ruhig freier Stirn,
Tritt Mahomet heran, als Herrscher; doch er führt
Den Ölzweig, und der Stillstand ist geschlossen.
Groß ist der Augenblick. Hier kommt er selbst.

 

Dritter Auftritt

Mahomet. Omar. Gefolge. Seide. Palmire.

Mahomet
Unüberwindliche Gefährten meiner Macht,
Mein edler Ali, Morat, Pharan, Ammon,
Begebt euch zu dem Volk zurück, belehrt's
In meinem Namen, droh't, versprecht. Die Wahrheit
Allein soll sie regieren, wie mein Gott.
Anbeten soll man ihn, man soll ihn fürchten.
Wie? Auch Seide hier?

Seide
Mein Vater! mein Gebieter!
Der Gott, der dich begeistert, trieb mich an.
Bereit für dich Unmögliches zu wagen,
Zu sterben, eilt' ich vor, eh' du befahlst.

Mahomet
Du hättest warten sollen! Mir zu dienen
Versteht nur der, der meinen Wink befolgt.
Gehorch' ich meinem Gott, gehorchet mir!

Palmire
O Herr! vergib ihm, seiner Ungeduld!
Du ließest uns zusammen auferziehn;
Ein Geist belebt uns, Ein Gefühl durchdringt uns.
Ach! meine Tage waren trüb genug.
Entfernt von dir, von ihm, gefangen, schmachtend,
Eröffnet sich mein mattes Aug' dem Licht,
Nach langer Zeit, zum Erstenmale wieder.
Ach! diesen Augenblick vergäll' ihn nicht.

Mahomet
Genug, Palmire! Deines Herzens Tiefen
Durchschau' ich. Bleibe still und unbesorgt.
Leb wohl! die Sorge für Altar und Thron
Hält mich nicht ab, dein Schicksal zu bedenken.
Ich bin für dich besorgt, wie für die Welt;
Drum warn' ich dich vor einem Manne, vor
Sopiren.
    Zu Seiden.
Du suchst meine Krieger auf.

 

Vierter Auftritt

Mahomet. Omar.

Mahomet
Du, wackrer Omar, bleibest und vernimmst,
Was ich in meinem Sinn und Herzen wälze.
Soll ich die Stadt belagern? die vielleicht
Hartnäckig widersteht, und meinen Sieg
Im raschen Laufe hemmet, ja wohl gar
Die Bahn begrenzt die ich durchlaufen kann.
Die Völker müssen keine Zeit gewinnen,
Von meiner Taten Glanz sich zu erholen.
Das Vorurteil beherrscht den Pöbel. Alt
Ist das Orakel, die gemeine Sage,
Die einen gottgesandten Mann der Welt
Versprechen. Überall soll ihn der Sieg
Erst krönen, und er soll nach Mekka dann
Mit einem Ölzweig kommen, wohlempfangen,
Den Krieg von dieser heil'gen Stätte wenden.
Laß uns der Erde Wahn getrost benutzen;
Ich fühle mich zu ihrem Herrn bestimmt.
Die Meinen dringen schon mit neuem Eifer
Und Geisteskraft aufs unbeständ'ge Volk.
Du aber sage mir wie fandest du
Palmiren und Seiden?

Omar
Immer gleich.
Von allen Kindern, welche Hammon dir
Erzogen, sie zu deinem Dienst, zu deinem
Gesetz genähret und gebildet, die
Vor deinem Gott sich beugen, dich als Vater
Verehren, keins von allen hat ein Herz
So bildsam, keins von allen einen Geist
Zum Glauben so geneigt als dieses Paar,
Ergeben sind sie dir wie keine sind.

Mahomet
Und dennoch sind sie meine größten Feinde.
Sie lieben sich! Das ist genug.

Omar
Und schiltst
Du ihre Zärtlichkeit?

Mahomet
O lerne mich,
Und meine Wut und meine Schwachheit kennen!

Omar
Was sagst du?

Mahomet
Omar, dir ist nicht verborgen,
Wie Eine Leidenschaft die übrigen,
Die in mir glühen, mit Gewalt beherrscht.
Von Sorge für die Welt belastet, rings umgeben
Vom Sturm des Krieges, der Parteien Woge,
Schwing' ich das Rauchfaß, führ' ich Szepter, Waffen;
Mein Leben ist ein Streit, und mäßig, nüchtern,
Bezwing' ich die Natur mit Ernst und Strenge.
Verbannt ist der verräterische Trank,
Der Sterbliche zu heben scheint und schwächt.
Im glüh'nden Sand, auf rauhen Felsenflächen,
Trag' ich, mit dir, der strengen Lüfte Pein,
Und keiner unsrer Krieger duldet besser
Der Heereszüge tausendfält'ge Not.
Für alles tröstet mich die Liebe. Sie allein,
Sie ist mein Lohn, der Arbeit einz'ger Zweck,
Der Götze dem ich räuchre, ja! mein Gott!
Und diese Leidenschaft sie gleicht der Raserei
Der Ehrsucht, die mich über alles hebt.
Gesteh' ich's! Heimlich glüh' ich für Palmiren! sie
Ist mir vor allen meinen Frauen wert.
Begreifst du nun die höchste Raserei
Der Eifersucht, wenn sich Palmire mir
Zu Füßen wirft, ihr ganzes Herz mir zeigt,
Das einem andern schon gehört? Entrüstet
Steh' ich vor ihr und fühle mich beschämt.

Omar
Und du bist nicht gerochen?

Mahomet
Hör' erst alles,
Und lern' ihn kennen, um ihn zu verwünschen.
Die beiden, meine Feinde, die Verbrecher, sind –
Sind Kinder des Tyrannen, den ich hasse!

Omar Sopir?

Mahomet
Ist Vater dieser beiden! Hammon brachte
Vor fünfzehn Jahren sie in meine Hand.
An meinem Busen nährt' ich diese Schlangen,
Und ihre Triebe feindeten mich an.
Sie glühten für einander, und ich fachte
Selbst Odem ihren Leidenschaften zu.
Vielleicht versammelt hier der Himmel alle
Verbrechen! Ja ich will – er kommt, er blickt
Uns grimmig hassend an, und seinen Zorn
Verbirgt er nicht. Du gehst, bemerkest alles.
Mit meinen Tapfern soll sich Ali fest
Am Tore halten! Bringe mir Bericht,
Zu überlegen, ob mit meinen Streichen
Auf ihn ich zaudern oder eilen soll.

 

Fünfter Auftritt

Mahomet. Sopir.

Sopir
O welche Last zu meinen tiefen Schmerzen!
Empfangen soll ich hier den Feind der Welt.

Mahomet
Da uns der Himmel hier zusammen bringt, so komm!
Sieh ohne Furcht mich an und ohn' Erröten.

Sopir
Erröten sollt' ich nur für dich, der nicht
Geruht, bis mit Gewalt und List er endlich
Sein Vaterland dem Abgrund zugeführt;
Für dich, der hier nur Missetaten sät,
Und mitten in dem Frieden Krieg erzeugt.
Dein Name schon zerrüttet uns're Häuser,
Und Gatten, Eltern, Mütter, Kinder feinden
Sich, Weltverwirrer, deinetwegen an.
Der Stillstand ist für dich nur Mittel uns
Zu untergraben; wo du schreitest drängt
Der Bürgerkrieg sich deinem Pfade nach.
Du Inbegriff von Lügen und von Kühnheit!
Tyrann der Deinen! und du wolltest hier
Mir Friede geben und mir Gott verkünden?

Mahomet
Spräch' ich mit einem andern als mit dir,
So sollte nur der Gott der mich begeistert reden.
Das Schwert, der Koran, in der blut'gen Hand,
Sollt einem jeden Schweigen auferlegen.
Wie Donnerschläge wirkte meine Stimme,
Und ihre Stirnen säh' ich tief im Staub.
Doch dich behandl' ich anders, und mit dir
Sprech' ich als Mensch und ohne Hinterhalt.
Ich fühle mich so groß, daß ich dir nicht
Zu heucheln brauche. Wir sind hier allein!
Du sollst mich kennen lernen; höre mich.
Mich treibt die Ehrsucht; jeden Menschen treibt sie;
Doch niemals hat ein König, nie ein Priester,
Ein Feldherr, oder Bürger solchen Plan
Wie ich empfangen, oder ausgebildet.
Von mir geht eine rasche Wirkung aus,
Die auch den Meinen hohes Glück verspricht.
Wie manches Volk hat auf der Erde schon
Geglänzt an seiner Stelle, durch Gesetz,
Durch Künste, doch besonders durch den Krieg.
Nun endlich tritt Arabien hervor.
Ein edles Volk, in Wüsten, unbekannt,
Vergräbt es lange seinen hohen Wert.
Blick auf und sieh die neuen Siegestage
Herannahn! Sieh von Norden gegen Süden
Die Welt versunken, Persien in Blut,
Schwach Indien, in Sklaverei Ägypten
Erniedrigt, und den Glanz der Mauern Constantins
Verfinstert; sieh das Reich, dem Rom gebot,
Nach allen Seiten aus einander brechen,
Zerstückt den großen Körper, seine Glieder,
Zerstreut und ohne Hoffnung, traurig zucken.
Auf diese Trümmer einer Welt laß uns
Arabien erheben. Neuen Gottesdienst
Bedürfen sie, bedürfen neue Hülfe,
Die Tiefgesunknen, einen neuen Gott.
Einst gab Osiris den Ägyptern, einst
Den Asiaten Zoroaster, Moses
Den Juden, in Italien gab Numa
Halbwilden Völkern unzulängliche
Gesetze; nun, nach tausend Jahren, komm' ich,
Die gröberen Gebote zu verändern.
Ein edler Joch biet' ich den Völkern an.
Die falschen Götter stürz' ich; neuer Gottesdienst,
Die erste Stufe meiner Größe, lockt
Die Herzen an. Mein Unrecht tadelst du,
Daß ich mein Vaterland betrüge. Nein,
Ich raub' ihm seines Götzendienstes Schwäche,
Und unter Einem König, Einem Gott,
Vereint es mein Gesetz. Wie es mir dient;
So soll es herrlich werden auf der Erde.

Sopir
Das sind nun deine Plane! Kühn gedenkest du
In andere Gestalt, nach deinem Willen,
Die Welt zu modeln, willst, mit Mord und Schrecken,
Dem Menschen deine Denkart anbefehlen;
Und du, Verheerer, sprichst von Unterricht!
Ach! wenn ein Irrtum uns verführte, wenn
Ein Lügengeist im Dunkeln uns bezwang,
Mit welcher Schreckensfackel dringst du ein,
Uns zu erleuchten! Wer erteilte dir
Das Recht zu lehren, uns die Zukunft zu
Verkündigen, das Rauchfaß zu ergreifen und
Das Reich dir anzumaßen?

Mahomet
Dieses Recht
Gibt sich der hohe Geist, der große Plane
Zu fassen und beharrlich zu verfolgen
Verstehet, selbst, und fühlet sich geboren,
Das dunkle, das gemeine Menschenvolk zu leiten.

Sopir
Und jeder mutige Betrüger dürfte
Den Menschen eine Kette geben? Er
Hat zu betrügen Recht, wenn er mit Größe
Betrügt?

Mahomet
Wer sie und ihr Bedürfnis kennt
Und dies befriedigt, er betrügt sie nicht.
Sie sehnen sich nach neuem Gottesdienst;
Der meine wird ihr Herz erheben. Das
Bedürfen sie. Was brachten deine Götter
Hervor? wann haben sie wohltätig sich gezeigt?
Entspringt der Lorbeer zu den Füßen ihres
Altares? Nein! dein niedrig dunkler Sinn
Entwürdiget die Menschen und entnervt sie,
Macht sie beschränkt und stumpf. Doch meine Lehre
Erhebt den Geist, entwickelt Kraft und Mut,
Macht unerschütterlich, und mein Gesetz
Erschafft sich Helden!

Sopir
Räuber magst du sagen!
Bei mir kann deine Lehre nicht gedeihn.
Rühm in Medina deines Truges dich,
Wo deine Meister unter deinen Fahnen,
Verführt, sich sammeln, wo sich deines Gleichen
Zu deinen Füßen werfen.

Mahomet
Seines Gleichen
Hat Mahomet schon lange nicht gesehen.
Bezwungen ist Medina, Mekka zittert;
Dein Sturz ist unvermeidlich. Nimm den Frieden an!

Sopir
Auf deinen Lippen schallt der Friede, doch
Dein Herz weiß nichts davon. Mich wirst du nicht
Betrügen.

Mahomet
Brauch' ich das? Der Schwache nur
Bedarf des Trugs, der Mächtige befiehlt.
Befehlen werd' ich morgen das, warum
Ich heute dich ersuche. Morgen kann ich
Mein Joch auf deinem Nacken sehen; heute
Will Mahomet dein Freund sein.

Sopir
Freunde? Wir?
Auf welch ein neues Blendwerk rechnest du?
Wo ist der Gott, der solch ein Wunder leistet?

Mahomet
Er ist nicht fern, ist mächtig! sein Gebot
Wird stets befolgt, er spricht zu dir, durch mich.

Sopir
Wer?

Mahomet
Die Notwendigkeit, dein Vorteil!

Sopir
Nein!
Eh' uns ein solches Band vereinen soll,
Eh' mag die Hölle sich dem Himmel paaren.
Der Vorteil ist dein Gott, der meine bleibt
Gerechtigkeit, und solche Feinde schließen
Kein sicher Bündnis. Welch ein Pfand vermagst du
Zur Sicherheit der unnatürlichen
Verbindung vorzuschlagen? Ist's vielleicht
Dein Sohn, den dir mein Arm geraubt? Vielleicht
Willst du das Blut mir zeigen meiner Kinder,
Das du vergossest?

Mahomet
Deine Kinder! ja!
Vernimm denn ein Geheimnis, das allein
Ich auf der Welt bewahre! Du beweinest
So lange deine Kinder, und sie leben.

Sopir
Sie leben! sagst du? Himmel! Tag des Glücks!
Sie leben! und durch dich soll ich's erfahren?

Mahomet
In meinem Lager, unter meinen Sklaven.

Sopir
Sie dienen dir? sie, meine Kinder, dir?

Mahomet
Wohltätig nährt' ich sie und zog sie auf.

Sopir
Und du erstrecktest nicht den Haß auf sie?

Mahomet
An Kindern straf' ich nicht der Väter Schuld.

Sopir
Vollende! sprich! enthüll ihr ganz Geschick!

Mahomet
Ihr Leben ist, ihr Tod in meiner Hand.
Du sprichst ein einzig Wort, und sie sind dein.

Sopir
Ich kann sie retten! Nenne mir den Preis!
O laß die Bande mich mit ihnen tauschen!
Willst du mein Blut, es fließet gern für sie.

Mahomet
Nein! Komm vielmehr und tritt auf meine Seite!
Durch dein Gewicht befestige dein Reich.
Verlasse deinen Tempel, übergib
Mir Mekka, sei gerührt von meinem Glauben,
Den Koran kündige den Völkern an,
Dien als Prophet, als treuer Eif'rer mir;
Frei ist dein Sohn, ich bin dein Eidam.

Sopir
Götter!
Zu welcher Prüfung habt ihr mich gespart?
Ja, ich bin Vater, Mahomet! ich fühle,
Nach fünfzehn Schmerzensjahren, ganz das Glück,
Das mich erwartete, wenn ich sie wieder
Vor mir erblickte, sie an dieses Herz
Noch einmal schlösse. Gerne wollt' ich sterben,
Von ihren Armen noch einmal umfangen;
Doch wenn du forderst daß ich meinen Gott,
Mein Vaterland an dich verrate, mich
In schnöder Heuchelei vor dir erniedrige;
So fordre lieber daß ich die Geliebten
Mit eignen Händen opfre; meine Wahl
Wird keinen Augenblick im Zweifel schweben.

    Sopir gebt ab.

Mahomet
Geh, stolzer Bürger, eigensinn'ger Greis!
Du forderst selbst zur Grausamkeit mich auf,
Zur unbezwungnen Härte.

 

Sechster Auftritt

Mahomet. Omar.

Omar
Zeige sie,
Wenn wir nicht fallen sollen. Deiner Feinde
Geheimnisse sind mir verkauft, es steht
Die Hälfte des Senates gegen dich. Sie haben
Dich heimlich angeklagt und dich verdammt,
Und des Gerichtes heil'ge Scheu verbirgt
Den Meuchelmord, auf den man sinnet. Morgen,
Gleich wenn der Stillstand endet, soll Sopir
Und seine blut'ge Rache triumphieren.

Mahomet
Ereilen soll sie meine Rache! Fühlen
Soll dieses widerspenst'ge Volk die Wut
Des Manns der zu verfolgen weiß. Sopir
Soll untergehn.

Omar
Wenn dieses starre Haupt
Zu deinen Füßen liegt, ist alles dein,
Die andern beugen sich; doch säume nicht!

Mahomet
Ich muß den Zorn in meiner Brust verhalten,
Die Hand verbergen, die den Streich vollbringt,
Von mir des Pöbels Auge klug hinweg
Nach einem andern lenken.

Omar
Achtest du
Den Pöbel?

Mahomet
Nein, doch muß er uns verehren.
Drum brauch' ich einen Arm, der mir gehorcht;
Die Frucht sei unser und er trag' die Schuld.

Omar
Der Arm ist schon gefunden! Niemand ist
Zu solcher Tat geschickter als Seide.

Mahomet
Du glaubst?

Omar
Er wohnt als Geisel bei Sopiren;
Er nahet sich ihm frei und findet leicht
Den Augenblick die Rache zu vollbringen,
Und sein beschränkter Sinn macht ihn geschickt.
Die andern, die sich deiner Gunst erfreun,
Sind eifrig, aber klug. Erfahrung lehrte
Sie deinen Vorteil und den eignen kennen;
Auf bloßen Glauben wagte keiner leicht
Die Schreckenstat, die ihn verderben kann.
Ein einfaches Gemüt bedarf's, das mutig blind
In seine Sklaverei verliebt sei. Nur
Die Jugend ist die Zeit der vollen Täuschung.
Seide hegt die Glut des Aberglaubens
In seinem Busen; anzufachen ist
Sie leicht.

Mahomet
Seiden wählst du?

Omar
Ja, den schlag' ich vor,
Des kühnen Feindes unbezähmten Sohn,
Der mit verbotnen Flammen dich verletzt.

Mahomet
Er sei verwünscht! Nenn' ihn vor mir nicht mehr!
Die Asche meines Sohnes ruft um Rache.
Gefahr häuft auf Gefahr sich jede Stunde,
Und Leidenschaften wüten in der Brust;
Mich ziehet eine holde Schönheit an,
Ihr Vater ist mein unversöhnter Feind.
Abgründe liegen um mich her, ich schreite
Hindurch nach einem Thron! und ein Altar,
Dem neuen Gott errichtet, soll sogleich
Von unerhörten Opfern gräßlich bluten.
Sopir muß untergehn, so auch sein Sohn!
Mein Vorteil will's, mein Haß und meine Liebe.
Sie reißen mich gewaltig mit sich hin.
Die Religion verlangt es die wir bringen,
Und die Notwendigkeit, sie fordert's mit Gewalt.

 


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