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Ein Garten, mit einer Aussicht auf Land- und Lusthäuser.
Erster Auftritt
Rosa und Valerio kommen mit einander singend aus der Ferne.
Rosa Wie schön und wie herrlich, nun sicher einmal
Im Herzen des Liebsten regieren!
Valerio Wie schön und wie fröhlich, durch Feld und durch Tal
Sein Liebchen am Arme zu führen!
Rosa Man siehet mit Freude die Wolken nun ziehn,
Die Bäche mit Ruhe nun fließen!
Valerio Die Bäume nun grünen, die Blumen nun blühn,
Kann alles gedoppelt genießen!
Beide Die Tage der Jugend sie glänzen und blühn;
O laß uns der Jugend genießen!
Rosa Ich drücke meine Freude dir, Geliebter,
Mit keinen holden, süßen Worten aus.
Ja, du bist mein! Ja, ich erkenne nun
Dein treues, einzig-treues Herz! Verzeih',
Wenn ich mit Eifersucht dich jemals quälte.
Daß du mir wert bist, zeigt dir meine Sorge.
Valerio Ja, ich bin dein, und nichts soll mich von dir,
So lang' mein Atem wechselt, je entfernen.
Vergib, wenn ich aus angeborner Neigung,
Mit einem jeden gut und froh zu sein,
Mich dir verdächtig machte. Sieh mir nach;
Denn du allein besitzest dieses Herz.
Rosa So sei es! Deine Hand! Vergiß, und ich
Will auch vergessen.
Valerio O bekämpfe ja
Das Übel, das in deinen Busen sich
Auch wider deinen eignen Willen schleicht.
Jung sind wir, glücklich, und die nahe Hoffnung,
Auf immer uns verbunden bald zu freuen,
Macht diese Gegend einem Paradiese
Mit allen seinen Seligkeiten gleich.
Gewiß, gewiß! Ich fühl' es ganz; und schweben
Wohltät'ge Geister um uns her, die uns
Dies Glück bereitet, so erfreuen sie
Sich ihres Werkes. Laß uns ungekränkt
Vor ihren Augen der gegönnten Lust
Mit stets entzückter Dankbarkeit genießen.
Ein Schauspiel für Götter,
Zwei Liebende zu sehn!
Das schönste Frühlingswetter
Ist nicht so warm, so schön.
Wie sie stehn! nach einander sehn!
In vollen Blicken
Ihre ganze Seele strebt!
In schwebendem Entzücken
Zieht sich Hand nach Hand,
Und ein schaudervolles Drücken
Knüpft ein dauernd Seelenband.
Valerio, der die Pantomime zu dieser Arie gegen seine Geliebte ausgedrückt hat, faßt sie zuletzt in den Arm, und sie umschließt ihn mit dem ihrigen.
Wie um uns ein Frühlingswetter
Aus der vollen Seele quillt!
Das ist euer Bild, ihr Götter!
Götter, das ist euer Bild.
Zu zwei.
Das ist euer Bild, ihr Götter!
Sehet, Götter, euer Bild!
Sie gehen nach dem Grunde des Theaters, als wenn sie abtreten wollten, und machen eine Pause. Dann scheinen sie sich zu besinnen, und kommen, gleichsam spazierengehend, wieder hervor.
Rosa Doch laß uns auch an unsre Freundin denken.
Ich sehe sie am Fenster nicht, auch nicht
Auf der Terrasse. Bleibt die Arme wohl
An diesem schönen Tage still bei sich
Verschlossen? oder wandelt sie im Walde
Gedankenvoll, betrübt, allein?
Valerio Sie ist
Wohl zu beklagen. Seit der gute Jüngling,
Der sie so sehr geliebt, und dem sie selbst
Sich heimlich widmete,
Durch Kälte, scheinende Verachtung viel
Gequält, zuletzt es nicht mehr trug und fort
In alle Welt, Gott weiß wohin, entfloh;
Seitdem verfolgt und foltert der Gedanke
Ihr Innerstes, welch eine Seele sie
Gequält, und welche Liebe sie verscherzt.
Rosa Sie kommt. O laß uns mit ihr gehen! sie
Mit fröhlichen Gesprächen unterhalten.
Es ziemt uns wohl, da wir so glücklich sind,
Den Schmerzen andrer lindernd beizustehn.
Zweiter Auftritt
Elmire. Die Vorigen.
Rosa und Valerio ihr entgegen gehend, zu zwei.
Liebes Kind, du siehst uns wieder!
Komm, begleite diese Lieder!
Diesen Tag, so schön, so schön,
Laß im Garten uns begehn.
Elmire
Liebe Freunde, kommt ihr wieder?
Ach mich hält der Kummer nieder.
Sei der Tag auch noch so schön,
Kann ihn nicht mit euch begehn.
Rosa und Valerio
Und das Verlangen,
Und das Erwarten:
»Blühten die Blumen!
Grünte mein Garten!«
Kaum erst erfüllt
Ist schon gestillt?
Elmire
Und das Verlangen
Und das Erwarten:
»Säh' ich den Liebsten
Wieder im Garten!«
Ist nicht erfüllt,
Wird nicht gestillt.
Rosa und Valerio
Soll umsonst die Sonne scheinen?
Elmire
Laßt, o Liebe, laßt mich weinen!
Rosa und Valerio
Sieh', die Blumen blühen all!
Hör', es schlägt die Nachtigall!
Elmire
Leider, sie verblühen all!
Traurig schlägt die Nachtigall!
Zu drei.
Töne, töne, Nachtigall!
Zugleich:
Elmire Meiner Klagen Wiederhall
Rosa u. Valerio Neuer Freuden Wiederhall
Rosa O süße Freundin! Will denn keine Lust
Mit diesem Frühlingstage dich besuchen?
Valerio Ist dieser Schmerz so eingewohnt zu Haus,
Daß er auf keine Stunde sich entfernet?
Elmire Ach leider, ach! bestürmen dieses Herz
Der Liebe Schmerzen, das Gefühl der Reue,
Verlaßt mich, meine Freunde; denn was hilft's?
Die liebe Gegenwart, die tröstliche,
Bringt keine Freude, keinen Trost zu mir.
Bin ich allein; so darf ich wiederholen,
Ins tausendfache wiederholen, was
Euch nur verdrießlich oft zu hören wäre.
Valerio Im Busen eines Freundes wiederhallend
Verliert sich nach und nach des Schmerzens Ton.
Elmire Ich lausche gern dem schmerzlichen Gesang,
Der wie ein Geisterlied das Ohr umschwebt.
Rosa Die Freuden andrer locken nach und nach
Uns aus uns selbst zu neuen Freuden hin.
Elmire Wenn andre sich ihr Glück verdienen, hab'
Ich meine Schmerzen mir gar wohl verdient.
Nein, nein! Verlaßt mich, daß im stillen Hain
Mir die Gestalt begegne, die Gestalt
Des Jünglings, den ich mir so gern entgegen
Mit seiner stillen Miene kommen sah.
Er blickt mich traurig an, er naht sich nicht,
Er bleibt von fern an einem Seitenwege
Wie unentschlossen stehn. So kam er sonst,
Und drang sich nicht wie jeder andre mir
Mit ungestümen Wesen auf. Ich sah
Gar oft nach ihm, wenn ich nach einem andern
Zu sehen schien; er merkt' es nicht, er sollt'
Es auch nicht merken. Scheltet mich, und scheltet
Mich nicht. Ein tief Gefühl der Jugendfreuden,
Der Jugendfreiheit, die wir nur zu bald
Verscherzen, um die lange, lange Wandrung
Auf gutes Glück, mit einem Unbekannten
Verbunden, anzutreten; dies Gefühl
Hielt mich zurück, zu sagen wie ich liebte.
Und doch auch so! Ich hätte können zarter
Mit dieser guten Seele handeln. Nur
Zu nah liegt eine freche Kälte neben
Der heißesten Empfindung unsrer Brust.
Rosa Wenn du es willst; so gehn wir nach den Buchen,
Wo heute die Gesellschaft sich versammelt.
Elmire Ich halt' euch nicht, gewiß nicht ab. Ihr geht,
Ich bleibe hier, ich mag mich nicht zerstreuen.
Valerio So werden wir gewiß dich nicht allein
Mit deinem Kummer im Gespräche lassen.
Elmire Wenn ihr mich liebt und mit mir bleiben wollt;
So schmeichelt meiner Trauer, stört sie nicht.
Rosa Beliebt es dir zu singen?
Valerio Wenn du magst –?
Elmire Recht gern! Ich bitte lass't uns jenes Lied
Zusammen singen, das Erwin so oft
Des Abends sang, wenn unter meinem Fenster
Er seine Zither rührte, hoch und höher
Die Nacht sich über seinen Klagen wölbte.
Rosa Verzeih!
Valerio Es gibt so viele, viele Lieder!
Elmire Das eine wünsch' ich, ihr versagt mir's nicht.
Rosa
Ein Veilchen auf der Wiese stand
Gebückt in sich und unbekannt,
Es war ein herzigs Veilchen.
Valerio
Da kam eine junge Schäferin
Mit leichtem Schritt und munterm Sinn
Daher! daher!
Die Wiese her und sang.
Elmire
Ach, denkt das Veilchen, wär' ich nur
Die schönste Blume der Natur,
Ach nur ein kleines Weilchen;
Bis mich das Liebchen abgepflückt
Und an dem Busen matt gedrückt!
Ach nur! Ach nur
Ein Viertelstündchen lang!
Rosa
Ach aber ach! das Mädchen kam
Und nicht in Acht das Veilchen nahm,
Ertrat das arme Veilchen.
Valerio
Und sank und starb und freut' sich noch:
»Und sterb' ich denn, so sterb' ich doch
Durch sie, durch sie,
Zu ihren Füßen doch!«
Zu drei.
»Und sterb' ich denn; so sterb' ich doch
Durch sie, durch sie,
Zu ihren Füßen doch!«
Elmire Und dieses Mädchen, das auf seinem Wege
Unwissend eine Blume niedertritt,
Sie hat nicht Schuld; ich aber, ich bin schuldig.
Oft hab' ich ihn, ich muß es doch gestehn,
Oft hab' ich ihn gereizt, sein Lied gelobt,
Ihn wiederholen lassen, was er mir
Ins Herz zu singen wünschte; dann auch wohl
Ein andermal getan, als wenn ich ihn
Nicht hörte. Mehr noch, mehr hab' ich verbrochen.
Valerio Du klagst dich streng', geliebte Freundin, an.
Elmire Weit strenger klagt mich an des Treuen Flucht.
Rosa Die Liebe bringt ihn dir vielleicht zurück.
Elmire Sie hat vielleicht ihn anderwärts entschädigt.
Ich bin nicht bös geboren; doch erst jetzt
Erstaun' ich, wie ich lieblos ihn gemartert.
Man schonet einen Freund, ja man ist höflich
Und sorgsam, keinen Fremden zu beleid'gen;
Doch den Geliebten, der sich einzig mir
Auf ewig gab, den schont' ich nicht, und konnte
Mit schadenfroher Kälte den betrüben.
Valerio Ich kenne dich in deiner Schildrung nicht.
Elmire Und eben da lernt' ich mich selbst erst kennen.
Was war es anders, als er einst zwei Pfirschen
Von einem selbstgepfropften Bäumchen frisch
Gebrochen brachte, da wir eben spielten.
Die stille Freude seiner Augen, nun
Dies erste Paar der lang' erwarteten,
Gepflegten Frucht, gleich einer Gottheit mir
Zu überreichen, sah ich nicht; ich sah
Sie damals nicht, – doch hab' ich sie gesehn;
Wie könnt' ich sonst des Ausdrucks mich erinnern?
Ich dankt' ihm leicht und nahm sie an, und gleich
Bot ich sie der Gesellschaft freundlich hin,
Er trat zurück, erblaßte; seinem Herzen
War es ein Todesstoß. Es sind die Pfirschen,
Die Früchte sind es nicht. Ach, daß mein Herz
So stolz und kalt und übermütig war!
Valerio Wenn es auch edel ist, sich seiner Fehler
Erinnern, sie erkennen, und sich selbst
Verbessern; o so kann es keine Tugend,
Nicht lobenswürdig sein, mit der Erinn'rung
Die Kraft des Herzens tief zu untergraben.
Elmire Befreie mich von allen diesen Bildern,
Vom Bilde jeder Blume, die er mir
Aus seinem Garten brachte, von dem Blick
Mit dem er noch mich ansah, als er schon
Beschlossen hatte, sich von mir zu reißen.
Erwin! o schau, du wirst gerochen;
Kein Gott erhöret meine Not.
Mein Stolz hat ihm das Herz gebrochen,
O Liebe! gib mir den Tod.
So jung, so sittsam zum Entzücken!
Die Wangen, welches frische Blut!
Und ach! in seinen nassen Blicken,
Ihr Götter, welche Liebesglut!
Erwin! o schau, du wirst gerochen;
Kein Gott erhöret meine Not.
Mein Stolz hat ihm das Herz gebrochen,
O Liebe! gib mir den Tod.
Rosa und Valerio bemühen sich während dieses Gesanges sie zu trösten, besonders Valerio. Gegen das Ende der Arie wird Rosa still, tritt an die Seite, sieht sich manchmal nach den beiden unruhig und verdrießlich um.
Rosa für sich
Ich komme hier mir überflüssig vor;
Der Freund scheint auf die Freundin mehr zu wirken,
Als eine Freundin. Gut, ich kann ja wohl
Allein durch diese Gänge wandeln, finde
Auch einen Freund, die Zeit mir zu verkürzen.
Sie geht ab, sich noch einigemal umsehend. Elmire und Valerio, welche mit einander fortsprechen, bemerken nicht, daß sie sich entfernt.
Valerio Ich lasse dich nicht mehr, und leide nicht,
Daß diese Schmerzen ewig wiederkehren.
Es fehlt der Mensch; und darum hat er Freunde.
Es haben gute, weise Menschen sich
Dazu gebildet, daß sie den Gefallnen
Mit leichter Hand erheben, Irrende
Dem rechten Wege leitend näher bringen.
Ich habe selbst auch viele Schmerzenszeiten
Erleben müssen, wer erlebt sie nicht?
Die angeborne Heftigkeit und Hast,
Die ich nun eher bändigend beherrsche,
Ergriff mich oft, und trieb mich ab vom Ziel.
Da führte mich zu einem alten, edeln
Und klugen Manne mein Geschick. Er hörte
Mich liebreich an; und die verworrnen Knoten
Des wild verknüpften Sinnes lös't' er leicht
Und bald, mit wohlerfahrner treuer Hand.
Ja, lebt er noch, denn lange hab' ich ihn
Nicht mehr gesehn, so sollst du zu ihm hin,
Ich führe dich, und Rosa geht mit uns.
Elmire Wo ist sie hin?
Valerio Ich sehe sie dort unten
Im Schatten gehn.
Elmire Wo wohnt der teure Mann?
Valerio Nicht allzu weit von hier, in dem Gebirge.
Du weißt, wir gingen neulich durch den Wald,
Und an dem Berge weg, bis zu dem Orte,
Wo eine Felsenwand am Flusse still
Uns stehen hieß. Der kleine Steg, der sonst
Hinüberführt, war von dem Strom vor kurzem
Hinweg gerissen; doch wir finden ihn
Jetzt wieder hergestellt. Dies ist der Weg,
Wir folgen einem Pfade durchs Gebüsch;
Und auf der Wiese kennen wir gar leicht
Den Fußsteg linker Hand, und dieser führt
Uns stets am Flusse hin, um Wald und Fels,
Durch Busch und Tal; man kann nicht weiter irren.
Zuletzt wirst du die Hütte meines Freundes
Auf einem Felsen sehn; es wird dir wohl
Auf diesem Wege werden, wohler noch,
Wenn du dies Heiligtum erreichst.
Elmire O bring' mich hin! Der Tag ist lang, ich sehne
Mich nach dem stillen Gange, nach den Worten
Des guten Greises, dem ich meine Schuld
Und meine Not gar gern bekennen werde.
Valerio Und trügt mich nicht, was ich an ihm bemerkt;
So weiß er mehr, als andre Menschen wissen.
Sein ungetrübtes freies Auge schaut
Die Ferne klar, die uns im Nebel liegt.
Die Melodie des Schicksals, die um uns
In tausend Kreisen klingend sich bewegt,
Vernimmt sein Ohr; und wir erhaschen kaum
Nur abgebrochne Töne hier und da.
Betrüg' ich mich nicht sehr, so wird der Mann
Dir mit dem Trost zugleich auch Hülfe reichen.
Elmire O laß uns fort! Wie oft sind wir um nichts
Berg-auf, Berg-ab gestiegen, sind gegangen
Nur um zu gehen. Laß uns dieses Ziel,
So bald als möglich ist, erreichen. Rosa! Wo
Ist unsre Freundin?
Valerio Gleich! Ich hole sie.
Auch wünsch' ich sehr, daß sie ihn einmal sehe,
Aus seinem Mund ein heilsam Wort vernehme.
Sie bleibt mir ewig wert; doch fürcht' ich stets,
Sie macht mich elend: denn die Eifersucht
Nagt ihre Brust wie eine Krankheit, die
Wir nicht vermögen auszutreiben, nicht
Ihr zu entfliehen. Oft, wenn sie die Freuden,
Die reinsten mir vergällt, verzweifl' ich fast,
Und der Entschluß sie zu verlassen, steigt
Wie ein Gespenst in meinem Busen auf.
Elmire Geschwind, geschwind, daß uns der weise Mann
Zusammen rate, Trost und Hülfe gebe,
Wenn ihm die Kraft vom Himmel zugeteilt ist.
Indem sie dringend Valerios Hände nimmt.
Ich muß, ich muß ihn sehen,
Den göttergleichen Mann.
Valerio der ihre Hände festhält und ihre Freundlichkeit erwiedert.
Ich will mit Freude sehen,
Wie schön er trösten kann.
Rosa die ungesehen herbeikommt und sie beobachtet, für sich.
Was muß, was muß ich sehen!
Du böser, falscher Mann!
Elmire wie oben
Der Trost aus seinem Munde
Wird Nahrung meinem Schmerz.
Valerio wie oben
Er heilet deine Wunde,
Beseliget dein Herz.
Rosa wie oben
O welche tiefe Wunde!
Es bricht, es bricht mein Herz!
Elmire wird sie gewahr
Komm mit, Geliebte! Laß uns eilend gehen
Und unsre Sonnenhüte nehmen. Du
Bist doch zufrieden, daß wir neue Wege,
Geleitet von Valerio, betreten?
Rosa Ich dächte fast, ihr gingt allein, vermiedet
Der Freundin unbequeme Gegenwart.
Elmire Wie, Rosa? Mich?
Valerio Mein Kind, bedenke doch,
Mit wem du redest, was du mir so heilig
Vor wenig Augenblicken noch versprachst.
Rosa Bedenk' es selbst, Verräter! Nein, ich habe
Mit diesen meinen Augen nichts gesehn.
Valerio Das ist zu viel, zu viel! Du siehst mich hier
Mit warmem Herzen einer edeln Freundin
In trüber Stunde beizustehn bemüht.
Ist dies Verrat?
Rosa Und sie scheint sehr getröstet.
Elmire Kann deine Leidenschaft mich auch verkennen?
Valerio Beleid'ge, Rosa, nicht das schöne Herz.
Geh' in dich selbst, und höre was dein Freund,
Was dein Geliebter sagt, und was dir schon
Dein eigen Herz statt meiner sagen sollte.
Rosa weinend und schluchzend, indem Valerio sich um sie bemüht
Nein, nein, ich glaube nicht,
Nein, nicht den Worten.
Worte, ja Worte habt ihr genug.
Liebe und lieble dorten nur, dorten!
Alles erlogen, alles ist Trug.
Sie wendet sich von ihm ab; und da sie sich auf die andere Seite kehrt, kommt ihr Elmire entgegen, sie zu besänftigen.
Freundin, du Falsche,
Solltest dich schämen!
Laßt mich! Ich will nicht,
Will nichts vernehmen.
Doppelte Falschheit,
Doppelter Trug.
Valerio So ist es denn nicht möglich, daß du dich
Bemeistern kannst? Doch ach, was red' ich viel!
Wenn dieser falsche Ton in einem Herzen
Nun einmal klingt, und immer wieder klingt;
Wo ist der Künstler, der es stimmen könnte?
In diesem Augenblick verwundest du
Mich viel zu tief, als daß es heilen sollte.
Wie? diese redliche Bemühung eines Freundes,
Der Freundin beizustehen, die Erfüllung
Der schönsten Pflicht, du wagst sie mißzudeuten?
Was ist mein Leben, wenn ich andern nicht
Mehr nutzen soll? Und welches Wirken ist
Wohl besser angewandt, als einen Geist,
Der, leidenschaftlich sich bewegend, gern
Sein eignes Haus zerstörte, zu besänft'gen?
Nein! Nein, ich folge jenem Trieb', der mir
Schon lang' den Weg zur Flucht gezeigt, schon lange
Mich deiner Tyrannei auf ewig zu
Entziehen hieß. Leb' wohl. Es ist geschehn!
Zerschlagen ist die Urne, die so lang'
Der Liebe Freuden und der Liebe Schmerzen
In ihrem Busen willig faßte; rasch
Entstürzet das Gefühl sich der Verwahrung,
Und fließt, am Boden rieselnd und verbreitet,
Zu deinen Füßen nun versiegend hin.
Höret alle mich, ihr Götter,
Die ihr auf Verliebte schauet:
Dieses Glück, so schön gebauet,
Reiß' ich voll Verzweiflung ein.
Ach, ich hab' in deinen Armen,
Mehr gelitten als genossen!
Nun es sei! Es ist beschlossen!
Ende, Glück, und ende Pein! ab.
Elmire
Hörst du, er hat geschworen;
Ich fürcht', er macht es wahr.
Rosa
Sie sind nicht alle Toren,
Wie dein Geliebter war.
Elmire
Gewiß, er muß dich hassen;
Kannst du so grausam sein?
Rosa
Und kann er mich verlassen,
So war er niemals mein.
Es kommt ein Knabe, der ein versiegeltes Blättchen an Rosa bringt.
Elmire
Welch ein Blättchen bringt der Knabe?
Knabe, sage mir, wer gab dir's?
Doch er schweigt und eilet fort.
Rosa Elmire das Blatt gebend
Ach, an mich ist's überschrieben!
Liebe Freundin, lies, o lies es,
Und verschweige mir kein Wort.
Elmire liest
»Ich flieh', ich fliehe,
Dich zu vermeiden,
Und mit den Schmerzen
Und mit den Freuden
Nicht mehr zu kämpfen.
Siehst mich nicht wieder;
Schon bin ich fort!«
Rosa auf das Blatt sehend
O weh' o wehe!
Was muß ich hören!
Was muß ich leiden!
Aus meinem Herzen
Entfliehn die Freuden;
Es flieht das Leben
Mit ihnen fort.
Elmire
Komm, ermanne dich, Geliebte!
Noch ist alles nicht verloren,
Nein, du wirst ihn wiedersehn.
Rosa
Laß, o laß die tief Betrübte;
Nein, er hat, er hat geschworen,
Ach, es ist um mich geschehn.
Elmire
Ich weiß ein Plätzchen
Und eine Wohnung;
Ich wett', er eilet,
Ich wett', er fliehet
An diesen Ort.
Rosa
O was versprech' ich
Dir für Belohnung!
O eil' o eile!
Er flieht, er fliehet
Wohl weiter fort.
Elmire
Bin bereit mit dir zu eilen;
Dort, den eignen Schmerz zu heilen,
Find' ich einen heilgen Mann.
Rosa
O Geliebte, laß uns eilen,
Diese Schmerzen bald zu heilen,
Die ich nicht ertragen kann.
Elmire
Zwei Mädchen suchen
Mit Angst und Sorgen,
Die Vielgeliebten
Zurück zu finden;
Es fühlet jede
Was sie verlor.
Rosa
O laß die Buchen
Am stillen Morgen,
O laß die Eichen
Den Weg uns zeigen!
Es finde jede
Den sie erkor.
Beide
Und zwischen Felsen
Und zwischen Sträuchen,
O trag', o Liebe,
Die Fackel vor!