Friedrich Schiller
Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe - Erster Band
Friedrich Schiller

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1795.

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37. An Goethe.

Jena den 2. Januar 1795.

Meine besten Wünsche zu dem neuen Jahre, und noch einen herzlichen Dank für das verflossene, das mir durch Ihre Freundschaft vor allen übrigen ausgezeichnet und unvergeßlich ist.

Ich habe es mit vielem Fleiße beschlossen, und um etwas vollendet zu haben, wenn Sie kommen, habe ich mir in diesen letzten Tagen etwas zugemuthet. Nun bin ich mit dieser Arbeit zu Ende, und sie kann Ihnen, wenn Sie kommen, vorgelegt werden.

Die Epistel, für die ich Ihnen bestens danke, liegt noch bei mir; denn da das andre, was zunächst darauf folgen sollte, noch nicht fertig war, so konnte ich sie allein nicht abschicken. Auch pressirte es weniger, weil mir noch mehr Manuscript zum ersten Stück der Horen abgefordert wurde, da selbst die Fichte'sche Abhandlung nicht reichte, und also die Erscheinung dieses Stücks um vierzehn Tage verzögert wird.

Herr Professor Meyer wird mich entschuldigen, daß ich einen Theil seines Aufsatzes ohne seine specielle Erlaubniß noch für dieses erste Stück abgeschickt habe. Es war nicht möglich, ihm solchen nach meiner Bearbeitung wieder vorzulegen, weil ich ihn noch an demselben Posttag mußte abgehn lassen. Indessen glaube ich ihn im Voraus versichern zu können, daß er damit zufrieden sein werde, weil meine Aenderungen sich schlechterdings nur auf das Aeußere beschränkten. Dieser Aufsatz hat mir sehr viel Freude gemacht, und er wird ein sehr schätzbares Stück für die Horen sein. Es ist etwas so äußerst seltenes, daß ein Mann wie Meyer Gelegenheit hat, die Kunst in Italien zu studiren, oder daß einer, der diese Gelegenheit hat, gerade ein Meyer ist.

Die Klopstockische Ode, von der Sie schreiben, habe ich nicht gelesen, und wenn Sie solche noch haben, bitte ich sie mitzubringen. Der Titel läßt schon eine solche Geburt erwarten.

Auf die Fortsetzung Meisters, die Sie doch auch mitbringen werden, freue ich mich gar sehr, und ich kann sie jetzt recht genießen, da ich nach einer individuellen Darstellung ordentlich lechze.

Möchten Sie uns doch einige Scenen aus dem Faust noch zu hören geben. Frau von Kalb, die etwas davon wußte, hat mich neuerdings äußerst begierig darnach gemacht, und ich wüßte nicht, was mir in der ganzen dichterischen Welt jetzt mehr Freude machen könnte.

Ihre Aufträge wegen Obereit werden besorgt. Gegenwärtig hat er noch zu leben, weil ihm von Meiningen Geld geschickt worden ist. Etwas von den vier Louisdor wird man nothwendig auf seine Bekleidung wenden müssen, besonders, da man ihm dadurch die Möglichkeit verschafft, fremde Tische zu besuchen, von denen ihn bis jetzt sein philosophischer Cynismus ausgeschlossen hat.

Ich hoffe in wenigen Tagen entweder Sie selbst zu sehen, oder doch von der Zeit Ihrer Ankunft Nachricht zu erhalten.

Alles empfiehlt sich Ihnen aufs beste.

Schiller.

38. An Schiller.

Viel Glück zum neuen Jahre! Lassen Sie uns dieses zubringen, wie wir das vorige geendigt haben, mit wechselseitiger Theilnahme an dem was wir lieben und treiben. Wenn sich die Gleichgesinnten nicht anfassen, was soll aus der Gesellschaft und der Geselligkeit werden! Ich freue mich, in der Hoffnung, daß Einwirkung und Vertrauen sich zwischen uns immer vermehren werden.

Hier der erste Band des Romans. Das zweite Exemplar für Humboldts. Möge das zweite Buch Ihnen wie das erste Freude machen. Das dritte bringe ich im Manuscript mit.

Die Gespenstergeschichten denke ich zur rechten Zeit zu liefern.

Auf Ihre Arbeit bin ich voller Verlangen. Meyer grüßt. Wir kommen wahrscheinlich Sonntags den 11. In der Zwischenzeit hören Sie noch von mir. Leben Sie recht wohl.

Weimar den 3. Januar 1795.

G.


39. An Schiller.

Hier erscheint auch das dritte Buch, dem ich eine gute Aufnahme wünsche.

Sonnabends erhalten Sie mein Mährchen für die Horen; ich wünsche daß ich meines großen Vorfahren in Beschreibung der Ahnungen und Visionen nicht ganz unwürdig möge geblieben sein.

Sonntag Nachmittags sehe ich Sie. Abends habe ich mich mit Hofr. Loder in den Clubb engagirt.

Meyer kommt mit und grüßt Sie bestens. Ich freue mich sehr auf Ihre neue Arbeit und habe mir schon manchmal gedacht, welchen Weg Sie wohl möchten genommen haben? werde mir's aber wohl nicht erdenken.

Leben Sie recht wohl und empfehlen mich den Ihrigen.

Weimar den 7. Januar 1795.

G.


40. An Goethe.

Jena den 7. Januar 1795.

Für das überschickte Exemplar des Romans empfangen Sie meinen besten Dank. Ich kann das Gefühl, das mich beim Lesen dieser Schrift, und zwar in zunehmendem Grade, je weiter ich darin komme, durchdringt und besitzt, nicht besser als durch eine süße und innige Behaglichkeit, durch ein Gefühl geistiger und leiblicher Gesundheit ausdrücken, und ich wollte dafür bürgen, daß es dasselbe bei allen Lesern im Ganzen sein muß.

Ich erkläre mir dieses Wohlsein von der durchgängig darin herrschenden ruhigen Klarheit, Glätte und Durchsichtigkeit, die auch nicht das geringste zurückläßt, was das Gemüth unbefriedigt und unruhig läßt, und die Bewegung desselben nicht weiter treibt als nöthig ist, um ein fröhliches Leben in dem Menschen anzufachen und zu erhalten. Ueber das einzelne sage ich Ihnen nichts, bis ich das dritte Buch gelesen habe, dem ich mit Sehnsucht entgegen sehe.

Ich kann Ihnen nicht ausdrücken, wie peinlich mir das Gefühl oft ist, von einem Product dieser Art in das philosophische Wesen hineinzusehen. Dort ist alles so heiter, so lebendig, so harmonisch aufgelöst und so menschlich wahr, hier alles so strenge, so rigid und abstract, und so höchst unnatürlich, weil alle Natur nur Synthesis und alle Philosophie Antithesis ist. Zwar darf ich mir das Zeugniß geben, in meinen Speculationen der Natur so treu geblieben zu sein, als sich mit dem Begriff der Analysis verträgt; ja vielleicht bin ich ihr treuer geblieben, als unsre Kantianer für erlaubt und für möglich hielten. Aber dennoch fühle ich nicht weniger lebhaft den unendlichen Abstand zwischen dem Leben und dem Raisonnement – und kann mich nicht enthalten in einem solchen melancholischen Augenblick für einen Mangel in meiner Natur auszulegen, was ich in einer heitern Stunde bloß für eine natürliche Eigenschaft der Sache ansehen muß. So viel ist indeß gewiß, der Dichter ist der einzige wahre Mensch, und der beste Philosoph ist nur eine Caricatur gegen ihn.

Daß ich voll Erwartung bin, zu wissen, was Sie zu meiner Metaphysik des Schönen sagen, darf ich Ihnen nicht erst versichern. Wie das Schöne selbst aus dem ganzen Menschen genommen ist, so ist diese meine Analysis desselben aus meiner ganzen Menschheit heraus genommen, und es muß mir allzuviel daran liegen, zu wissen, wie diese mit der Ihrigen zusammen stimmt.

Ihr Hiersein wird eine Quelle von Geistes- und Herzensnahrung für mich sein. Besonders sehne ich mich auch darnach, gewisse Dichterwerke in Gemeinschaft mit Ihnen zu genießen.

Sie versprachen mir, mich bei Gelegenheit Ihre Epigramme hören zu lassen. Es wäre eine große Freude mehr für mich, wenn dieses bei Ihrem jetzigen Aufenthalt in Jena anginge, da es doch problematisch ist, wie bald ich nach W. kommen kann.

Meyern bitte ich mich recht freundschaftlich zu empfehlen. Alles bei uns freut sich auf Ihre beiderseitige Ankunft herzlich und niemand mehr als Ihr

aufrichtigster Verehrer und Freund

Schiller.

Eben da ich schließen will, erhalte ich die willkommene Fortsetzung Meisters. Tausend Dank dafür!

G.

41. An Schiller.

Dem Vorsatze, Sie morgen zu sehen und einige Zeit in Ihrer Nähe zu bleiben, hat sich nichts entgegengestellt; ich wünsche Sie wohl und munter anzutreffen.

Beikommendes Manuscript habe ich nach der Abschrift nicht wieder durchsehen können. Es sollte mir lieb sein, wenn Ihnen meine Bemühung mit dem großen Hennings zu wetteifern nicht mißfiele.

Leben Sie recht wohl und grüßen Frau und Freunde.

Weimar den 10. Januar 1795.

G.


42. An Goethe.

Jena den 25. Januar 1795.

Wären Sie einen Tag länger bei uns geblieben, so hätten wir den Advent der Horen zusammen feiern können. Gestern kamen sie, und hier übersende ich Ihnen die gebührenden Exemplare nebst einem für unsern Freund Meyer. Es stehen Ihnen mehrere zu Dienst, sobald Sie deren benöthigt sein sollten. Ich wünschte nur, daß die äußere Gestalt Ihrer beider Beifall haben möchte.

Cotta schreibt sehr zufrieden. Es sind bereits so viele Bestellungen gemacht worden, daß er sich einen recht großen Absatz verspricht; welches im Mund eines Verlegers eine glaubwürdige Versicherung ist.

Da ich diese Tage ein Paket an Jacobi zu schicken habe, so bitte ich Sie, mir den bewußten Brief an ihn zum Einschluß zu senden, weil ich Sie mit meinem Paket nicht belästigen mag. Auch wünschte ich zu wissen, ob Sie etwa schon eins von Ihren Exemplarien dem Herzog zugedacht haben, in welchem Fall ich es unterlassen würde, ihm eins zu präsentiren.

Aus den überschickten Göttinnen habe ich mit Vergnügen ersehen, daß sie und unser großer Ofenfreund die kalte Region glücklich passirt sind. Die colossalische Frau freut mich sehr, und ich werde ihr oft gegenüber stehen, und auch der göttlichen Jungfrau, welche, den Kummer über die Sterblichkeit abgerechnet, ganz vortrefflich ist.

Alles empfiehlt sich Ihrem Andenken bestens. Ganz der Ihrige

Sch.


43. An Schiller.

Für die übersendeten Exemplare Horen danke ich; sie nehmen sich noch ganz artig aus. Eins der kleinen Exemplare hab' ich in Ihrem Namen dem Herzog überreicht und wünschte daß Sie ihm bei dieser Gelegenheit ein Wort schrieben.

Ich zweifle nicht daß das Journal gut gehen wird.

Mein drittes Buch ist fort; ich habe es nochmals durchgesehen und Ihre Bemerkungen dabei vor Augen gehabt.

Diese Woche vergeht unter anhaltender Theaterqual; dann soll es wieder frisch an die vorgesetzten Arbeiten gehen. Ich wünsche Gesundheit und Lust zu den Ihrigen.

Meyer grüßt. Nehmen Sie wiederholten Dank für alles Gute das Sie uns in Jena gegönnt.

Weimar den 27. Januar 1795.

G.

Noch etwas: da ich wünschte daß der Aufsatz des Herrn v. Humboldt, wie alle andern, im Zweifel wegen des Verfassers ließe, so wäre vielleicht gut, das Citat wo der Bruder angeführt ist wegzulassen, besonders da es fast das einzige ist und Muthmaßungen erregen und bestärken könnte. Zwar weiß ich wohl, daß wir sehr offenbar Versteckens spielen, doch halte ich es für sehr ersprießlich, daß der Leser wenigstens erst urtheilen muß, ehe er erfährt wer sein Autor sei.

G.

Bitte um das Paket an Jakobi das ich sogleich absenden werde.

G.


44. An Goethe

Jena den 28. Januar 1795.

Ich danke Ihnen sehr dafür, daß Sie so gütig waren, dem Herzog in meinem Namen ein Exemplar der Horen zu überreichen. Es folgt solches hier zurück, und da ich auf den nächsten Sonnabend noch einige neue Exemplare von Cotta zu erwarten habe, so lege ich zu Ihrem Gebrauche noch einige, nebst dem Paket an Jacobi, bei.

An den Herzog habe ich heute geschrieben. Was er zu unsern Horen sagt, werde ich wohl einmal von Ihnen hören.

Endlich habe ich die merkwürdige Recension der Horen von Schütz in Manuscript gelesen. Für unsern Zweck ist sie ganz gut, und um vieles besser als für unsern Geschmack. Die Bilder aus Utopien mochten seine Imagination noch nicht ganz verlassen haben, als er sie niederschrieb; denn vom Essen ist reichlich die Rede darin.

Es ist zu loben, daß er aus der Epistel viele Stellen angeführt hat. Gegen mich hat er einiges auf dem Herzen, was er mir aber nicht zeigen wollte, um keiner Collusion sich schuldig zu machen. Es soll mir lieb sein, wenn er dadurch auf eine geschickte Art den Ruf der Unparteilichkeit behauptet.

An Herdern schrieb ich dieser Tage, und bitte Sie sehr, wenn Sie Gelegenheit finden, mein Gesuch bei ihm zu unterstützen.

Mich haben seit Ihrer Abreise von hier die Musen nicht viel besuchen wollen, und es muß besser gehen, wenn ich dem Centaur des vierten Stücks Ehre machen soll.

Die Kinder haben die Blattern bekommen und auf eine sehr glückliche Art, ohne alle übeln Zufälle. Alles empfiehlt sich Ihnen aufs beste.

Sch.


45. An Schiller

Wie sehr wünsche ich, daß Sie mein viertes Buch bei guter Gesundheit und Stimmung antreffen und Sie einige Stunden unterhalten möge. Darf ich bitten anzustreichen was Ihnen bedenklich vorkommt. Herrn v. Humboldt und den Damen empfehle ich gleichfalls meinen Helden und seine Gesellschaft.

Komme ich Sonnabend nicht, wie ich doch hoffen kann, so hören Sie mehr von mir. Meyer grüßt vielmals.

Weimar den 11. Februar 1795.

G.


46. An Schiller.

Sie sagten mir neulich, daß Sie bald zu uns herüber zu kommen gedächten. Ob nun schon, wie ich fürchte, das abermals eingefallene kalte Wetter Sie abhalten wird, so wollte ich doch auf jeden Fall einen Vorschlag thun.

Sie könnten beide bei mir einkehren, oder wenn auch das Frauchen sich lieber wo anders einquartirte, so wünschte ich doch, daß Sie wieder das alte Quartier bezögen. Machen Sie es ganz nach Ihrem Sinne; Sie sind mir beide herzlich willkommen.

Durch den guten Muth, den mir die neuliche Unterredung eingeflößt, belebt, habe ich schon das Schema zum fünften und sechsten Buche ausgearbeitet. Wie viel vortheilhafter ist es, sich in andern als in sich selbst zu bespiegeln.

Kennen Sie die Kantischen Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen von 1771? Es wäre eine recht artige Schrift, wenn die Worte schön und erhaben auf dem Titel gar nicht stünden und im Büchelchen selbst seltner vorkämen. Es ist voll allerliebster Bemerkungen über die Menschen, und man sieht seine Grundsätze schon keimen. Gewiß kennen Sie es schon.

Ist denn von dem abwesenden Herrn v. Humboldt noch keine Nachricht eingegangen? Empfehlen Sie mich in Ihrem Kreise, und fahren Sie fort mich durch Ihre Liebe und Ihr Vertrauen zu erquicken und zu erheben.

Weimar den 18. Februar 1795.

G.


47. An Goethe.

Jena den 19. Februar 1795.

Das elende Wetter hat wieder allen meinen Muth mit fortgenommen, und meine Thürschwelle ist wieder die alte Grenze meiner Wünsche und meiner Wanderschaft. Wie gern will ich von Ihrer Einladung Gebrauch machen, sobald ich meiner Gesundheit ein wenig trauen kann, sollte ich Sie auch nur auf etliche Stunden sehen. Mich verlangt herzlich darnach, und meine Frau, die sich sehr auf diesen Besuch bei Ihnen freut, wird mir keine Ruhe lassen, ihn auszuführen.

Ich gab Ihnen neulich treu den Eindruck zurück, den Wilhelm Meister auf mich machte, und es ist also, wie billig, Ihr eigenes Feuer, an dem Sie sich wärmen. Körner schrieb mir vor einigen Tagen mit unendlicher Zufriedenheit davon, und auf sein Urtheil ist zu bauen. Nie habe ich einen Kunstrichter gefunden, der sich durch die Nebenwerke an einem poetischen Product so wenig von dem Hauptwerke abziehen ließe. Er findet in W. Meister alle Kraft aus Werthers Leiden, nur gebändigt durch einen männlichen Geist, und zu der ruhigen Anmuth eines vollendeten Kunstwerks geläutert.

Was Sie von der kleinen Schrift Kants schreiben, erinnere ich mich bei Lesung derselben auch empfunden zu haben. Die Ausführung ist bloß anthropologisch, und über die letzten Gründe des Schönen lernt man darin nichts. Aber als Physik und Naturgeschichte des Erhabenen und Schönen enthält es manchen fruchtbaren Stoff. Für die ernsthafte Materie schien mir der Styl etwas zu spielend und blumenreich; ein sonderbarer Fehler an einem Kant, der aber wieder sehr begreiflich ist.

Herder hat uns mit einem gar glücklich gewählten und ausgeführten Aufsatz beschenkt, worin der so gangbare Begriff vom eigenen Schicksal beleuchtet wird. Materien dieser Art sind für unsern Gebrauch vorzüglich passend, weil sie etwas mystisches an sich haben, und durch die Behandlung doch an irgend eine allgemeine Wahrheit angeknüpft werden.

Weil doch eben vom Schicksal die Rede ist, so muß ich Ihnen sagen, daß ich dieser Tage auch über mein Schicksal etwas entschieden habe. Meine Landsleute haben mir die Ehre angethan, mich nach Tübingen zu vociren, wo man sich jetzt sehr mit Reformen zu beschäftigen scheint. Aber da ich doch einmal zum akademischen Lehrer unbrauchbar gemacht bin, so will ich lieber hier in Jena, wo ich gern bin und wo möglich leben und sterben will, als irgend anderswo müßig gehen. Ich hab' es also ausgeschlagen, und mache mir daraus kein Verdienst; denn meine Neigung entschied schon allein die ganze Sache, so daß ich gar nicht nöthig hatte, mich der Verbindlichkeiten zu erinnern, die ich unserm guten Herzog schuldig bin, und die ich ihm am liebsten vor allen andern schuldig sein mag. Für meine Existenz glaube ich nichts besorgen zu dürfen, so lange ich noch einigermaßen die Feder führen kann, und so lasse ich den Himmel walten, der mich noch nie verlassen hat.

Herr v. Humboldt aus Bayreuth ist noch nicht hier, und hat über seine Ankunft auch noch nichts bestimmtes geschrieben.

Hier folgen auch die Weißhuhnischen Blätter, von denen ich Ihnen neulich sagte. Ich bitte mir sie bald zurück.

Herzlich empfehlen wir uns alle Ihrem Andenken.

Sch.


48. An Schiller.

Wie sehr freue ich mich daß Sie in Jena bleiben mögen, und daß Ihr Vaterland Sie nicht hat wieder anziehen können. Ich hoffe wir wollen noch manches zusammen treiben und ausarbeiten.

Ich bitte um das Manuscript des vierten Buches und werde die Synonymen balde zurückschicken. So wird ja der Stundentanz immer reger werden.

Leben Sie recht wohl. Nächstens mehr.

Weimar den 21. Februar 1795.

G.


49. An Goethe.

Jena den 22. Februar 1795.

Ihrem Verlangen gemäß folgt hier das vierte Buch des W. Meister. Wo ich einigen Anstoß fand, habe ich einen Strich am Rande gemacht, dessen Bedeutung Sie bald finden werden. Wo Sie sie nicht finden, da wird auch nichts verloren sein.

Eine etwas wichtigere Bemerkung muß ich bei Gelegenheit des Geldgeschenkes machen, das Wilhelm von der Gräfin durch die Hände des Barons erhält und annimmt. Mir däucht – und so schien es auch Humboldten – daß nach dem zarten Verhältnisse zwischen ihm und der Gräfin, diese ihm ein solches Geschenk und durch eine fremde Hand nicht anbieten, und er nicht annehmen dürfe. Ich suchte im Context nach etwas, was ihre und seine Delicatesse retten könnte, und glaube, daß diese dadurch geschont werden würde, wenn ihm dieses Geschenk als Remboursement für gehabte Unkosten gegeben und unter diesem Titel von ihm angenommen würde. Entscheiden Sie nun selbst. So wie es dasteht, stutzt der Leser und wird verlegen, wie er das Zartgefühl des Helden retten soll.

Uebrigens habe ich beim zweiten Durchlesen wieder neues Vergnügen über die unendliche Wahrheit der Schilderungen und über die treffliche Entwicklung des Hamlet empfunden. Was die letztere betrifft, so wünschte ich, bloß in Rücksicht auf die Verkettung des ganzen und der Mannigfaltigkeit wegen, die sonst in einem so hohen Grade behauptet worden ist, daß diese Materie nicht so unmittelbar hinter einander vorgetragen, sondern, wenn es anginge, durch einige bedeutende Zwischenumstände hätte unterbrochen werden können. Bei der ersten Zusammenkunft mit Serlo kommt sie zu schnell wieder aufs Tapet, und nachher im Zimmer Aureliens gleich wieder. Indeß sind dieß Kleinigkeiten, die dem Leser gar nicht auffallen würden, wenn Sie ihm nicht selbst durch alles Vorhergehende die Erwartung der höchsten Varietät beigebracht hätten.

Körner, der mir gestern schrieb, hat mir ausdrücklich anbefohlen, Ihnen für das hohe Vergnügen zu danken, das ihm Wilh. Meister verschafft. Er hat sich nicht versagen können etwas daraus in Musik zu setzen, welches er Ihnen durch mich vorlegt. Eins ist auf die Mandoline und das andre auf das Clavier. Die erstere findet sich wohl irgendwo in Weimar.

Noch muß ich Sie ernstlich bitten, sich unsers dritten Stücks der Horen zu erinnern. Cotta bittet mich dringend ihm die Manuscripte früher zu schicken, und meint, daß der zehnte des Monats der späteste Termin sein müsse, an welchem er das Manuscript beisammen haben müsse. Es müsse also am dritten von hier abgehen können. Glauben Sie wohl, um diese Zeit mit dem Procurator fertig zu sein? Meine Mahnung darf Sie aber keineswegs belästigen, denn Sie haben völlig freie Wahl, ihn entweder für das dritte oder vierte Stück zu bestimmen, weil doch eines von diesen beiden Stücken von Ihnen übergangen werden soll.

Herzlich empfehlen wir uns Ihnen alle, und Meyern bitte ich von meiner Seite bestens zu grüßen.

Schiller.


50. An Schiller.

Ihre gütige kritische Sorgfalt für mein Werk hat mir aufs neue Lust und Muth gemacht das vierte Buch nochmals durchzugehen. Ihre Obelos habe ich wohl verstanden und die Winke benutzt, auch den übrigen Desideriis hoffe ich abhelfen zu können und bei dieser Gelegenheit noch manches Gute im Ganzen zu wirken. Da ich aber gleich daran gehen muß, so werden Sie mich vom dritten Stück entschuldigen, dagegen soll der Procurator, in völliger Zierlichkeit, zum vierten aufwarten.

Die Synonymen die hier zurückkommen haben sehr meinen Beifall; die Ausarbeitung ist sehr geistreich und an manchen Stellen überraschend artig. Der Eingang dagegen scheint mir weniger lesbar, obgleich gut gedacht und zweckmäßig.

Des Verfassers Grille, nicht unter der Akademie stehen zu wollen, ist nun mit Bericht herüber gekommen. Die Akademie verlangt Satisfaction, weil er den Prorector unverschämt gescholten hat u. s. w. – Da Sie sich seiner annehmen, so sagen Sie mir nur was man einigermaßen plausibles für ihn anführen kann. Denn ein Forum privilegiatum gegen ein gemeines zu vertauschen ist doch gar zu transcendent. Der Stadtrath kann ihn nicht einmal aufnehmen, ohne daß er sich den gewöhnlichen Conditionen unterwirft. Man kann von ihm Beweis verlangen, daß er zweihundert Thaler einbringt, er muß Bürger werden und was des Zeugs mehr ist. Wäre es möglich ihn zu disponiren, daß er mit der Akademie Friede machte, so ließe sich durch Voigt der jetzt Prorector ist wohl alles in Güte abthun.

Ich hoffe Sie bald wieder, und wär' es nur auf einige Stunden, zu besuchen. Lassen Sie mich auch abwesend nicht ferne sein.

Körnern versichern Sie, daß mich seine Theilnahme unendlich freut. Die Romanze denke ich bald auf dem Theater zu hören.

Leben Sie recht wohl.

Weimar den 25. Februar 1795.

G.


51. An Goethe.

Jena den 27. Februar 1795.

Wenn die freundlichen Tage, die wir hier haben, auch von Ihnen genossen werden, so wünsche ich dem vierten Buch von W. Meister dazu Glück. Mich hat diese Ankündigung des Frühlings recht erquickt und über mein Geschäft, das dessen sehr bedurfte, ein neues Leben ausgegossen. Wie sind wir doch mit aller unsrer geprahlten Selbstständigkeit an die Kräfte der Natur angebunden, und was ist unser Wille, wenn die Natur versagt! Worüber ich schon fünf Wochen fruchtlos brütete, das hat ein milder Sonnenblick binnen drei Tagen in mir gelöst; freilich mag meine bisherige Beharrlichkeit diese Entwicklung vorbereitet haben, aber die Entwicklung selbst brachte mir doch die erwärmende Sonne mit.

Ich bemächtige mich meines Stoffes immer mehr und entdecke mit jedem Schritt, den ich vorwärts thue, wie fest und sicher der Grund ist, auf welchem ich baute. Einen Einwurf, der das Ganze umstürzen könnte, habe ich von nun an nicht mehr zu fürchten, und gegen einzelne Irrthümer in der Anwendung wird die strenge Verbindung des Ganzen selbst mich sicher stellen, wie den Mathematiker die Rechnung selbst vor jedem Rechnungsfehler warnt.

Mit unserm Transcendental-Philosophen, der die akademische Freiheit so wenig zu schätzen weiß, habe ich – da er selbst nicht sichtbar ist – durch Niethammers Mediation es dahin geleitet, daß er sich mit dem zeitigen Prorector friedlich setzen will, und also wahrscheinlich auch wird in Frieden gelassen werden. Ich habe keine Ursache zu glauben, daß er Facta verdreht hat; wenn er aber die Wahrheit sagt, so hat sich Hr. Prof. Schmidt das Prädicat, das er ihm gegeben, selbst zuzuschreiben; denn, wie Weißhuhn versichert, so hat ihm derselbe mit ausdrücklichen Worten versichert, daß er bis auf Ostern in Ruhe gelassen und ihm keine Erklärung, seines Hierbleibens wegen, abgefordert werden solle; nachher aber hat er sein gegebenes Wort abgeläugnet u. dgl. Da Weißhuhn meinte, daß ein solches Betragen nicht von dem Prorector Schmidt, sondern von dem Prof. Schmidt herrühren könne, so hat er, bei allem Respect gegen den ersten, den andern impertinent gefunden.

Die neuen Horen sind fertig, und ein Exemplar davon ist mir schon mit der Briefpost zugeschickt worden. Morgen erwarte ich das Paket. Wir haben in dem zweiten Heft die Schuld völlig getilgt, die wir in dem ersten machten, denn es enthält anstatt 7 Bogen 8 und ¼ Bogen.

Ihrem Versprechen gemäß können wir mit jedem Tag einen Besuch von Ihnen erwarten, worauf ich mich herzlich freue. Alles ist wohl und empfiehlt sich Ihnen aufs beste.

Schiller.

N.S. Die Synonymen haben Sie letzthin beizulegen vergessen.


52. An Schiller.

Hierbei die vergeßnen Synonymen. Ich las ein Stückchen davon in meiner gestrigen Gesellschaft vor, ohne zu sagen woher es komme noch wohin es gehe. Man gab ihm vielen Beifall.

Ueberhaupt wird es nicht übel sein, wenn ich manchmal etwas von unsern Manuscripten voraus lese. Es sind doch immer wieder ein Dutzend Menschen die dem Product dadurch geneigter und aufs nächste Stück aufmerksam werden.

Die Weißh. Sache will ich aufhalten, bis ich von Ihnen Nachricht einer amicalen Beendigung habe.

Zu der glücklichen Annäherung an Ihren Zweck geb' ich meinen Segen. Wir können nichts thun als den Holzstoß erbauen und recht trocknen; er fangt alsdann Feuer zur rechten Zeit und wir verwundern uns selbst darüber.

Hierbei auch ein Brief von Jakobi. Sie werden sehen daß es ihm ganz gut geht. Sein Antheil an Ihren Briefen ist mir sehr lieb. Sein Urtheil über meinen ersten Band sei Ihnen zur Revision übergeben.

Leben Sie recht wohl, ich sehe Sie baldmöglichst.

Weimar den 28. Februar 1795.

G.


53. An Goethe.

Jena den 1. März 1795.

Hier übersende ich Ihnen einstweilen vier Exemplarien der Horen, wovon ich eins an den Herzog zu überreichen bitte. Die übrigen werden nachfolgen.

Die Jacobische Kritik hat mich nicht im geringsten gewundert; denn ein Individuum wie Er muß eben so nothwendig durch die schonungslose Wahrheit Ihrer Naturgemälde beleidigt werden, als Ihr Individuum ihm dazu Anlaß geben muß. Jacobi ist einer von denen, die in den Darstellungen des Dichters nur ihre Ideen suchen, und das was sein soll höher halten als das was ist; der Grund des Streits liegt also hier schon in den ersten Principien, und es ist völlig unmöglich, daß man einander versteht.

Sobald mir einer merken läßt, daß ihm in poetischen Darstellungen irgend etwas näher anliegt als die innre Nothwendigkeit und Wahrheit, so gebe ich ihn auf. Könnte er Ihnen zeigen, daß die Unsittlichkeit Ihrer Gemälde nicht aus der Natur des Objects fließt und daß die Art, wie Sie dasselbe behandeln, nur von Ihrem Subject sich herschreibt, so würden Sie allerdings dafür verantwortlich sein, aber nicht deßwegen weil Sievor dem moralischen, sondern weil Sie vor dem ästhetischen Forum fehlten. Aber ich möchte sehen, wie er das zeigen wollte.

Ein Besuch stört mich, und ich will das Paket nicht aufhalten.

Weißhuhn war eben bei mir. Er will sich morgen inscribiren lassen. Leben Sie recht wohl.

Sch.


54. An Goethe.

Jena den 8. März 1795.

Meine Hoffnung, Sie diese Woche hier zu sehen, war vergebens: doch hoffe ich, daß sie mir bloß durch Ihren Eifer zu arbeiten vereitelt worden ist. Aber weder von Ihnen zu hören noch zu sehen, ist etwas, wozu ich mich kaum mehr gewöhnen kann.

Ich bin sehr erwartend, von Ihrer gegenwärtigen Beschäftigung zu hören. Mir ist gesagt worden, daß Sie den dritten Band von Meister schon auf Johannis würden drucken lassen. Das ginge schneller als ich dachte; aber so sehr es mich für den Meister freut, so leid sollte es mir thun, daß Sie dadurch auf eine so lange Zeit den Horen entführt werden.

Ueber das Schicksal des zweiten Stücks habe ich noch kein Urtheil einziehen können; vielleicht haben Sie in Weimar etwas lustiges gehört.

Ist unser Freund Meyer mit seinem Aufsatze zufrieden? Ich wünschte, er wäre es. Dieser Aufsatz, schreibt mir Cotta, hat vielen sehr gefallen, und ich zweifle gar nicht, daß wir Ehre damit einlegen.

Hier sende ich Ihnen noch vier Horenstücke, worunter eins für Hrn. Meyer ist. Sollten Sie, anstatt der Schreibpapier-Exemplare, noch eins oder zwei auf Postpapier brauchen, so sind Sie so gütig es zu bemerken und mir die auf Schreibpapier zurückzusenden. Alles empfiehlt sich Ihnen bestens.

Sch.


55. An Schiller.

Ohngeachtet einer lebhaften Sehnsucht Sie wiederzusehen und zu sprechen, konnte ich diese Woche doch nicht vom Platze kommen. Einige Schauspieler die ich in Gastrollen beurtheilen wollte, das üble Wetter und ein Rheumatism, den ich mir durch Verkältung zugezogen hatte, haben mich stufenweise gehindert und noch seh' ich nicht, wann und wie ich abkommen werde.

Lassen Sie mich indessen sagen daß ich fleißig war, daß der größte Theil des vierten Buchs abgegangen ist und daß der Procurator auch durchgearbeitet ist. Ich wünsche daß die Art, wie ich die Geschichte gefaßt und ausgeführt, Ihnen nicht mißfallen möge.

Wenn mein Roman in seinen bestimmten Epochen erscheinen kann, will ich zufrieden sein; an eine Beschleunigung ist nicht zu denken. An den Horen den Theil zu nehmen den Sie wünschen, wird mich nichts abhalten. Wenn ich Zeit und Stunde zusammennehme und abtheile, so kann ich dies Jahr vieles bei Seite bringen.

Vom zweiten Stücke der Horen habe noch nichts gehört, das erste spukt aber schon genug in Deutschland.

Meyer dankt für die Redaction seiner Ideen; es ist nur weniges was anders gestellt sein könnte, doch das wird uns niemand herausfinden. Er arbeitet jetzt an einer Darstellung Perugins, Bellins und Mantegnas.

Aus der Beilage sehen Sie welche Monatsschriften künftig in unser Haus kommen. Ich lasse die Inhaltstafel jedes Stücks abschreiben und füge eine kleine Recension dazu. Wenn wir's nur einmal ein halb Jahr haben, so können wir unsre Collegen schon übersehen.

Wenn wir uns streng und mannigfaltig erhalten, so stehen wir bald oben an, denn alle übrigen Journale tragen mehr Ballast als Waare; und da uns daran gelegen ist unsre Arbeit zu weiterer eigner Ausbildung zu benutzen, so kann nur gutes dadurch entstehen und gewirkt werden.

Für die übersendeten Horen-Exemplare danke ich vielmals. Die zweite Sendung ist mit der ersten übereinstimmend; vier auf Schreibpapier und eben so viel auf Postpapier.

Jakobi entschuldigt sich daß er noch nichts geschickt hat.

Ich wünsche daß gutes Wetter mir einen schnellen Ritt zu Ihnen erlauben möge, denn ich verlange sehr nach einer Unterredung und nach Ihren bisherigen Arbeiten. Empfehlen Sie mich den Ihrigen.

Weimar den 11. März 1795.

G.


56. An Schiller.

Vorige Woche bin ich von einem sonderbaren Instincte befallen worden, der glücklicherweise noch fortdauert. Ich bekam Lust das religiöse Buch meines Romans auszuarbeiten, und da das Ganze auf den edelsten Täuschungen und auf der zartesten Verwechslung des subjectiven und objectiven beruht, so gehörte mehr Stimmung und Sammlung dazu als vielleicht zu einem andern Theile. Und doch wäre, wie Sie seiner Zeit sehen werden, eine solche Darstellung unmöglich gewesen, wenn ich nicht früher die Studien nach der Natur dazu gesammelt hätte. Durch dieses Buch, das ich vor Palmarum zu endigen denke, bin ich ganz unvermuthet in meiner Arbeit sehr gefördert, indem es vor- und rückwärts weist und indem es begränzt, zugleich leitet und führt. Der Procurator ist auch geschrieben und darf nur durchgesehen werden. Sie können ihn also zur rechten Zeit haben.

Ich hoffe es soll mich nichts abhalten Palmarum zu Ihnen zu kommen und einige Wochen bei Ihnen zu bleiben; da wollen wir uns einmal wieder etwas zu Gute thun.

Mich verlangt nach Ihren letzten Arbeiten; Ihre ersten haben wir gedruckt mit Vergnügen wiedergelesen.

Im Weimarischen Publico rumoren die Horen gewaltig, mir ist aber weder ein reines pro noch contra vorgekommen; man ist eigentlich nur dahinter her, man reißt sich die Stücke aus den Händen, und mehr wollen wir nicht für den Anfang.

Herr v. Humboldt wird recht fleißig gewesen sein; ich hoffe auch mit ihm mich über anatomica wieder zu unterhalten. Ich habe ihm einige, zwar sehr natürliche, doch interessante Präparate zurecht gelegt. Grüßen Sie ihn herzlich und die Damen. Der Procurator ist vor der Thüre. Leben Sie wohl und lieben mich, es ist nicht einseitig.

Weimar den 18. März 1795.

G.


57. An Schiller.

Dem Procurator, der hier erscheint, wünsche ich gute Aufnahme.

Haben Sie die Güte mir ihn bald zurückzuschicken, weil ich ihn des Styls wegen gern noch einigemal durchgehen möchte.

Ich arbeite alles weg, was mich hindern könnte, mich bald in Ihrer Nähe zu freuen und zu erbauen.

Weimar den 19. März 1795.

G.


58. An Goethe.

Jena den 19. März 1795.

Auf das Gemälde, das Sie jetzt entworfen haben, bin ich nicht wenig neugierig. Es kann weniger als irgend ein andres aus Ihrer Individualität fließen, denn gerade dieß scheint mir eine Saite zu sein, die bei Ihnen, und schwerlich zu Ihrem Unglück, am seltensten anschlägt. Um so erwartender bin ich wie Sie das heterogene Ding mit Ihrem Wesen gemischt haben werden. Religiöse Schwärmerei ist und kann nur Gemüthern eigen sein, die beschauend und müßig in sich selbst versinken, und nichts scheint mir weniger Ihr Casus zu sein als dieses. Ich zweifle keinen Augenblick, daß Ihre Darstellung wahr sein wird – aber das ist sie alsdann lediglich durch die Macht Ihres Genies und nicht durch die Hülfe Ihres Subjects.

Ich bin seit einiger Zeit meinen philosophischen Arbeiten untreu geworden, um in der Geschwindigkeit etwas für das vierte Stück der Horen zu schaffen. Das Loos traf die bewußte Belagerung von Antwerpen, welche auch schon ganz erträglich vorwärts gerückt ist. Die Stadt soll übergegangen sein, wenn Sie kommen. Erst an dieser Arbeit sehe ich, wie anstrengend meine vorige gewesen; denn ohne mich gerade zu vernachlässigen, kommt sie mir bloß wie ein Spiel vor, und nur die Menge elenden Zeugs, die ich nachlesen muß, und die mein Gedächtniß anstrengt, erinnert mich, daß ich arbeite. Freilich giebt sie mir auch nur einen magern Genuß; ich hoffe aber, es geht mir wie den Köchen, die selbst wenig Appetit haben, aber ihn bei andern erregen.

Sie würden mir einen großen Dienst erweisen, wenn Sie mir den sehnlich erwarteten Procurator bis Montag gewiß schicken könnten. Ich würde alsdann nicht genöthigt sein, den Anfang meiner Geschichte in den Druck zu geben, ehe das Ende fertig ist. Sollten Sie aber verhindert sein, so bitte ich mir es noch Sonnabends zu wissen zu thun. Doch hoffe ich das Beste.

Mich freut herzlich, daß Sie die Ostern mit uns zubringen wollen, und ich bedarf auch wieder einer lebhaften Anregung von außen von einer freundschaftlichen Hand.

Meyern bitte ich herzlich zu grüßen. Ich wünschte, daß er uns bald wieder etwas liefern möchte. Das Siegel für die Horen habe ich noch nicht erhalten.

Alles empfiehlt sich Ihnen und erwartet Sie mit Verlangen.

Sch.

Den 20. Diesen Morgen erhalte ich Ihr Paket, welches mich in jeder Rücksicht froh überraschte. Die Erzählung liest sich mit ungemeinem Interesse; was mich besonders erfreute, war die Entwicklung. Ich gestehe, daß ich diese erwartete, und ich hätte mich nicht zufrieden geben können, wenn Sie hier das Original nicht verlassen hätten. Wenn ich mich nämlich anders recht erinnere, so entscheidet beim Boccaz bloß die zeitig erfolgte Rückkehr des Alten das Glück der Kur.

Könnten Sie das Manuscript mir Montags früh zurücksenden, so geschähe mir dadurch eine große Gefälligkeit. Sie werden wenig mehr dabei zu thun finden.


59. An Schiller.

Das Manuscript schicke ich morgen Abend mit der reitenden Post an Sie ab.

Montags geht der Schluß des vierten Buches an Unger.

Nächste Woche hoffe ich alles was mir noch obliegt abzuthun und recht frei zu Ihnen zu kommen.

Zur Eroberung von Antwerpen wünsche ich Glück; sie wird in den Horen guten Effect machen.

Empfehlen Sie mich Ihren Nächsten. Meyer grüßt; er ist auf alle Weise fleißig. Ich wünsche Ihnen die beste Wirkung des langsam eintretenden Frühjahres und hoffe daß wir bis zur Jahresfeier unserer Bekanntschaft noch manches zusammen werden gearbeitet haben.

Weimar den 21. März 1795.

G.


60. An Goethe.

Jena den 25. März 1795.

Ich erhielt heute wieder einen Brief, worin mir der alte Antrag von Tübingen mit dem Zusatz erneuert wurde, daß ich von allen öffentlichen Functionen dispensirt sein und völlige Freiheit haben solle, ganz nach meinem Sinn auf die Studirenden zu wirken u. s. f. Ob ich nun gleich meine erste Entschließung nicht geändert habe und auch nicht leicht ändern werde, so haben sich mir doch bei dieser Gelegenheit einige ernsthafte Ueberlegungen in Rücksicht auf die Zukunft aufgedrungen, welche mich von der Nothwendigkeit überzeugen, mir einige Sicherheit auf den Fall zu verschaffen, daß zunehmende Kränklichkeit an schriftstellerischen Arbeiten mich verhindern sollte. Ich schrieb deßhalb an den Herrn G. R. Voigt, und bat ihn, mir von unserm Herrn eine Versicherung auszuwirken, daß mir in jenem äußersten Fall mein Gehalt verdoppelt werden solle. Wird mir dieses zugesichert, so hoffe ich es so spät als möglich oder nie zu gebrauchen; ich bin aber doch wegen der Zukunft beruhigt, und das ist alles was ich vor der Hand verlangen kann.

Da Sie vielleicht davon sprechen hören und sich nicht gleich darein zu finden gewußt haben möchten, so wollte ich Ihnen in zwei Worten davon Nachricht geben.

Nächsten Sonntag erwarten wir Sie mit Verlangen. Alles begrüßt Sie.

Sch.


61. An Schiller.

Gestern konnte ich mich, ohngeachtet einiger sehr leeren Stunden, nicht überwinden nochmals zu Ihnen zu gehen und förmlich Abschied zu nehmen; ich verließ Jena sehr ungern und danke Ihnen nochmals herzlich für Ihre Theilnehmung und Mittheilung. Hier vor allen Dingen die Elegien, die ich mir bald möglichst zurück erbitte; sie sollen dann, auf die gehörige Seitenzahl eingetheilt, abgeschrieben erscheinen.

Für den Kalender habe ich einiges, besonders für die Herrn X. Y. Z. gefunden, das nächstens mit dem übrigen folgt. Erinnern Sie mich manchmal an die Desiderata, damit mein guter Wille zur That werde.

Leben Sie recht wohl und grüßen die Ihrigen und die Freunde.

Weimar den 3. Mai 1795.

G.


62. An Goethe.

Jena den 4. Mai 1795.

Eben erhalte ich die Elegien mit Ihren freundschaftlichen Zeilen. Ich habe Sie seit Ihrer Abreise jeden Abend vermißt; man gewöhnt sich so gern an das Gute. Mit meiner Gesundheit geht es langsam besser, und in einigen Tagen hoffe ich wieder im Gange zu sein.

Mit rechter Ungeduld erwarte ich, was Sie mir für den Almanach schicken wollen. Eher kann ich meine poetische Baarschaft zu diesem Werkchen nicht übersehen.

Die Elegien werde ich gleich vor die Hand nehmen, und hoffe Ihnen solche Freitags zurück zu schicken.

Huber schreibt mir, daß er Ihren Meister ins Französische zu übersetzen Lust habe. Soll ich ihn aufmuntern oder davon abzurathen suchen?

Verlassen Sie sich darauf, daß ich Ihrem Gedächtniß zu Hülfe kommen werde. Ich schenke Ihnen kein Versprechen. Der Chronologie der Horen nach würden Sie jetzt bald wieder auf die Unterhaltungen zu denken haben. Vielleicht schlägt auch unterdessen eine gute Stunde für die Epistel.

Meine Frau empfiehlt sich Ihnen recht freundlich. An Meyern bitte meinen herzlichen Gruß zu machen.

Schiller.


63. An Schiller.

Weimar den 12. Mai 1795.

Die Sendung der Elegien hat mich in elegischen Umständen nach dem gewöhnlichen Sinne, das heißt in erbärmlichen angetroffen. Nach dem guten Leben in Jena, wo ich nebst so mancher Seelenspeise auch der warmen freien Luft genoß, hat mich hier die kalte Witterung sehr unfreundlich empfangen, und einige Stunden, in denen ich dem Zug ausgesetzt war, brachten mir ein Flußfieber zu Wege, das mir die rechte Hälfte des Kopfs sehr schmerzlich angriff und zugleich die linke unbrauchbar machte. Nun bin ich so weit wieder hergestellt, daß ich ohne Schmerzen ziemlich zufrieden in meiner Stube an die rückständigen Arbeiten gehen kann.

Mit den Elegien wird nicht viel zu thun sein, als daß man die zweite und die sechzehnte wegläßt: denn ihr zerstümmeltes Ansehn wird auffallend sein, wenn man statt der anstößigen Stellen nicht etwas currenteres hinein restaurirte, wozu ich mich aber ganz und gar ungeschickt fühle. Auch wird man sie hinter einander wegdrucken müssen, wie es eben trifft: denn jede auf einer andern Seite anzufangen scheint, ich mag auch zählen und rechnen wie ich will, nicht thunlich. Bei der Menge Zeilen unsrer Seite würden mehr als einmal unschickliche Räume übrig bleiben. Doch überlasse ich Ihnen das, und schicke nächstens das Manuscript. Der zweite Band des Romans stockt irgend bei einem Spediteur; ich sollte ihn schon lange haben, und wünschte ihn mitschicken zu können. Ich bin nun am fünften Buch und hoffe vor Pfingsten nicht viel mehr übrig zu lassen.

Meyer ist sehr fleißig. Er hat bisher vortreffliche Sachen gemacht; mir ist, als wenn ihm mit jedem Tage Gedanke und Ausführung besser gelängen.

Haben Sie die Güte mir bald Nachricht von Ihrem Befinden zu geben, und ob nichts Neues eingelaufen ist. Jacobi hat abermals durch Fritz von Stein sein Versprechen prorogirt.

Den 14. Mai 1795.

Dieses Blatt, das einige Tage liegen geblieben, will ich wenigstens der heutigen Post nicht vorenthalten.

Haben Sie die Abhandlung über den Styl in den bildenden Künsten im Aprilmonat des Merkurs gesehen? Das, worüber wir alle einig sind, ist recht gut und brav gesagt; aber daß doch der Genius, der dem Philosophen vor aller Erfahrung beiwohnt, ihn nicht auch zupft und warnt, wenn er sich bei unvollständiger Erfahrung zu prostituiren Anstalt macht. Wahrlich in diesem Aufsatz sind Stellen, die des Herrn von Rochows nicht unwürdig wären.

Lassen Sie mich bald hören, wie Sie sich befinden.

G.


64. An Goethe.

Jena den 15. Mai 1795.

Daß Sie sich nicht wohl befanden, erfuhr ich erst vorgestern, und beklagte Sie aufrichtig. Wer so wenig gewohnt ist, krank zu sein, wie Sie, dem muß es gar unleidlich vorkommen. Daß die jetzige Witterung auf mich keinen guten Einfluß hatte, ist etwas so gewöhnliches, daß ich nicht davon reden mag.

Freilich verliere ich die ganze zweite Elegie sehr ungern. Ich hätte geglaubt, daß selbst die sichtbare Unvollständigkeit derselben keinen Schaden bei dem Leser thun würde, weil man leicht darauf verfallen kann, eine absichtliche Reticenz darunter zu muthmaßen. Uebrigens kann man ja der Schamhaftigkeit, die von einem Journal gefordert wird, dieses Opfer bringen, da Sie in einigen Jahren, wenn Sie die Elegien besonders sammeln, alles was jetzt gestrichen wird, wieder herstellen können. Gern wünschte ich Montag früh die Elegien oder doch einen Bogen derselben zu haben, um sie abschicken zu können. Mit meinem Aufsatz hoffe ich endlich noch fertig zu werden, wenn kein besonderer Unfall dazwischen kommt.

An andern Beiträgen ist nichts eingelaufen, und das siebente Stück steht noch ganz in Gottes allmächtiger Hand.

Cotta ist mit der Messe ziemlich zufrieden. Es sind ihm zwar von den Exemplarien die er in Commission gegeben, manche remittirt, aber auch eben so viele wieder neu bestellt worden, so daß der Calcul im Ganzen dadurch nichts gelitten hat. Nur bittet er sehr um größere Mannigfaltigkeit der Aufsätze. Viele klagen über die abstracten Materien, viele sind auch an Ihren Unterhaltungen irre, weil sie, wie sie sich ausdrücken, noch nicht absehen können, was damit werden soll. Sie sehen, unsre deutschen Gäste verläugnen sich nicht; sie müssen immer wissen, was sie essen, wenn es ihnen recht schmecken soll. Sie müssen einen Begriff davon haben.

Ich sprach noch kürzlich mit Humboldt darüber; es ist jetzt platterdings unmöglich mit irgend einer Schrift, sie mag noch so gut oder noch so schlecht sein, in Deutschland ein allgemeines Glück zu machen. Das Publicum hat nicht mehr die Einheit des Kindergeschmacks, und noch weniger die Einheit einer vollendeten Bildung. Es ist in der Mitte zwischen beiden, und das ist für schlechte Autoren eine herrliche Zeit, aber für solche, die nicht bloß Geld verdienen wollen, desto schlechter. Ich bin jetzt sehr neugierig zu hören, wie von Ihrem Meister wird geurtheilt werden, was nämlich die öffentlichen Sprecher sagen; denn daß das Publicum darüber getheilt ist, versteht sich ja von selbst.

Von hiesigen Novitäten weiß ich Ihnen nichts zu melden; denn mit Freund Fichte ist die reichste Quelle von Absurditäten versiegt. Freund Woltmann hat wieder eine sehr unglückliche Geburt und in einem sehr anmaßenden Ton von sich ausgehen lassen. Es ist ein gedruckter Plan zu seinen historischen Vorlesungen: ein warnender Küchenzettel, der auch den hungrigsten Gast verscheuchen müßte.

Daß Schütz wieder sehr krank war, sich aber wieder besser befindet, wissen Sie ohne Zweifel.

Ihre Beiträge zu dem Musen-Almanach erwarte ich mit rechter Begierde; Herder wird auch etwas dafür thun.

Reichardt hat sich durch Hufeland zu einem Mitarbeiter an den Horen anbieten lassen.

Haben Sie die Luise von Voß schon gelesen, die jetzt heraus ist? Ich kann Sie Ihnen schicken. Den Aufsatz im Deutschen Merkur werde ich mir geben lassen.

Meyern wünsche viel Glück zu seiner Arbeit. Grüßen Sie ihn herzlich von mir. Alles empfiehlt sich Ihnen herzlich.

Sch.

N. S.

Cotta schickte mir nicht mehr als diese zwei Horen. Ich glaube, daß ich Ihnen deren drei zu schicken hatte.


65. An Schiller.

Ehe mein Paket abgeht erhalt' ich das Ihrige, und nun noch einige Worte.

Von den Elegien soll morgen Abend mit der reitenden Post etwas abgehen: ich wünsche, daß ja kein Unfall Ihren Aufsatz unterbrechen möge. Zum siebenten Stück kann ich Ihnen nahe an zwei Bogen versprechen.

Lassen Sie uns nur unsern Gang unverrückt fortgehen; wir wissen was wir geben können und wen wir vor uns haben. Ich kenne das Possenspiel des deutschen Autorwesens schon zwanzig Jahre in- und auswendig; es muß nur fortgespielt werden, weiter ist dabei nichts zu sagen.

R. ist nicht abzuweisen, aber seine Zudringlichkeit werden Sie sehr in Schranken halten müssen.

Luise habe ich noch nicht gesehen; Sie werden mir eine Gefälligkeit erzeigen sie zu schicken. Ich lege Ihnen einen Band von Herders Terpsichore bei, den ich mir bald zurück erbitte und der Ihnen viel Freude machen wird.

Mein Uebel ist wieder ziemlich vorüber. Ich hatte mich schon eingerichtet, Sie wenigstens auf einen halben Tag zu besuchen; nun muß ich es bis auf Trinitatis anstehen lassen. Die nächsten vierzehn Tage halten mich die Proben von Claudine fest.

Leben Sie recht wohl und grüßen Sie unsre Freunde.

Im Moniteur steht, daß Deutschland hauptsächlich wegen der Philosophie berühmt sei, und daß ein Mr. Kant und sein Schüler Mr. Fichte den Deutschen eigentlich die Lichter aufsteckten.

Weimar den 16. Mai 1795.

G.

Mit den Exemplaren der Horen sind wir nicht ganz in Ordnung. Es hat indeß so viel nicht zu sagen; Herr Cotta ist ja wohl so artig, am Ende des halben Jahres zu completiren.


66. An Schiller.

Hier erhalten Sie, mein Werthester, endlich den zweiten Band Wilhelms. Ich wünsche ihm auch bei seiner öffentlichen Erscheinung die Fortdauer Ihrer Neigung. Ich suche nun das fünfte Buch in Ordnung zu bringen, und da das sechste schon fertig ist, so hoffe ich vor Ende dieses Monats mich für diesen Sommer frei gearbeitet zu haben. Ich wünsche bald zu hören wie es Ihnen gelingt.

Beiliegende Exemplare bitte ich nach der Aufschrift gefällig zu vertheilen.

Leben Sie recht wohl.

Weimar den 16. Mai 1795.

G.


67. An Schiller.

Hier, mein Werthester, die Elegien. Die zwei sind ausgelassen. Die angezeichnete Stelle in der sechsten habe ich stehen lassen. Man versteht sie nicht, das ist wohl wahr; aber man braucht ja auch Noten, zu einem alten nicht allein, sondern auch zu einem benachbarten Schriftsteller.

Wolfs Vorrede zur Ilias habe ich gelesen, sie ist interessant genug, hat mich aber schlecht erbaut. Die Idee mag gut sein und die Bemühung ist respektabel, wenn nur nicht diese Herrn, um ihre schwachen Flanken zu decken, gelegentlich die fruchtbarsten Gärten des ästhetischen Reichs verwüsten und in leidige Verschanzungen verwandeln müßten. Und am Ende ist mehr subjektives als man denkt in diesem ganzen Krame. Ich freue mich bald mit Ihnen darüber zu sprechen. Eine tüchtige Epistel habe ich diesen Freunden dereinst zugedacht.

Herr v. Humboldt hat uns durch seinen Besuch gestern aufs angenehmste überrascht. Grüßen Sie ihn aufs beste.

Leben Sie recht wohl. Die übrigen Elegien folgen, und ich, will's Gott, bald auch.

Weimar den 17. Mai 1795.

G.

Die Einrichtung des Drucks überlasse ich Ihnen ganz. Vielleicht lassen sie sich noch schicklich rücken.


68. An Goethe.

Jena den 18. Mai 1795.

Nur zwei Worte, um Ihnen den Empfang der Elegien zu melden, und für den zweiten Theil Meisters meinen und meiner Frau herzlichen Dank zu sagen. Was ich in der Geschwindigkeit (denn ich wollte ihn gleich binden lassen) von Serlos Geschichte las, ist äußerst unterhaltend, und ich freue mich nun schon auf den Eindruck, den dieser Theil im Zusammenhang auf mich machen wird.

Zu den Elegien wollten Sie Anmerkungen geben, welches gewiß nicht überflüssig wäre. Da solche am Ende derselben, wie man es jetzt gewöhnlich zu halten pflegt, folgen könnten, so wäre dazu noch bis Montag Zeit. Das Publicum läßt sich gern alles erklären.

Daß Sie wieder besser sind, hat mir Herr v. Humboldt zu meiner herzlichen Freude versichert. Ich habe ihm auf Ihre Erlaubniß die Terpsichore gegeben, die mir Herder unterdessen geschickt hat. So weit ich darin las, ist es eine sehr glückliche Arbeit, und ein solcher Dichter war es in jedem Betrachte werth, in einer so schönen Form aus der Vergessenheit aufzustehen.

Wenn wir zu den Überschriften der einzelnen Elegien recht viel Raum übrig lassen, so können wir jede auf einer eigenen Seite anfangen, ohne daß sie zu hoch oben aufhört. Ich werde denselben Druck wie bei den Episteln dazu nehmen lassen. Und so wandre denn der Centaur in einer guten Stunde in die Welt!

Mich erfreut sehr, Sie in einigen Wochen zu sehen. Wenn ich darauf rechnen kann, daß Sie am letzten des Monats gewiß hier sind, so hoffe ich Ihnen meine Briefe noch vorher lesen zu können, ehe sie abgehen, welches mir sehr lieb sein sollte.

Daß Sie für das siebente Stück so freundlich sorgen, dafür sei Ihnen tausend Dank gesagt. Unterdessen haben sich wieder drei Mitarbeiter gemeldet, deren Arbeiten ich alle nicht brauchen kann.

Leben Sie recht wohl.

Sch.


69. An Schiller.

Die letzten Elegien folgen denn auch und mögen mit gutem Omen abgehen.

Nun sollen Liedchen folgen und was dem Almanach frommen könnte.

Ich bin fleißig und nachdenklich und möchte Sie über Vieles sprechen. Vielleicht komm' ich bald.

Leben Sie recht wohl und grüßen die liebe Frau.

Weimar den 18. Mai 1795.

G.


70. An Goethe.

Jena den 21. Mai 1795.

Der Ueberbringer dieses, Herr Michaelis aus Strelitz, ist der Verleger meines Musen-Almanachs. Wenn Sie ihm einige Augenblicke widmen wollten, so würde ich Sie bitten, mit ihm und unserm Freund Meyer zu deliberiren, ob aus den Beiträgen, die Sie zu dem Almanach bestimmt haben (die Epigramme mit eingeschlossen), nicht einige Stoff zu Vignetten geben>, die vielleicht Meyer skizziren würde. Die Gewohnheit fordert dergleichen Verzierungen, und hier weiß ich noch keinen Stoff dazu. Hätten Sie unter Ihren kleinen Gedichten einige Romanzen oder dergleichen, so würde sich daraus am besten etwas machen lassen. Der Almanach wird bei Hrn. Unger gedruckt und soll elegant werden.

Ich ließ Sie durch Herrn Gerning bitten, mich den Tag wissen zu lassen, wo Claudine gespielt wird, um, wenn es mir etwa möglich wäre, die Vorstellung mit anzusehen oder doch meiner Frau das Vergnügen zu machen. Aber diese wird wahrscheinlich die Masern bekommen, und so hebt sich denn das ganze Plänchen.

Herzlich verlangt mich, Sie bald wieder hier zu sehen.

Michaelis wird Ihnen auch sagen, daß in seinen Gegenden starke Nachfrage nach Ihrem Meister ist.

Dieser Brief möge Sie bei der besten Gesundheit finden.

Sch.


71. An Schiller.

Ich danke Ihnen recht sehr, daß Sie mir die Sorge über Ihren Fieberanfall durch die liebe Frau, die ich bestens grüße, so bald benommen haben; möge doch Karl auch die Masern glücklich überstehen.

Mir ist es gleich bei meiner Rückkunft übel ergangen; ein Recidiv des Backengeschwulstes überfiel mich und da ich die Sache leicht nahm, ward sie stufenweise so arg, daß ich von Humboldt nicht einmal Abschied nehmen konnte. Jetzt ist das Uebel im Fallen. Ich habe indessen am Roman abschreiben lassen und schicke vielleicht die erste Hälfte des fünften Buches, die auch Epoche macht, nächsten Sonnabend.

Die Horen habe erhalten.

Hierbei ein Tragelaph von der ersten Sorte.

Meyer grüßt und ist sehr fleißig.

Leben Sie wohl und lassen mich bald wissen wie es Ihnen und den Ihrigen geht und was Sie arbeiten.

Weimar den 10. Juni 1795.

G.


72. An Schiller.

Hier die Hälfte des fünften Buches; sie macht Epoche, drum durft' ich sie senden. Ich wünsche ihr gute Aufnahme. Mein Uebel hat meine Plane geändert, so mußt' ich mit dieser Arbeit vorrücken. Verzeihen Sie die Schreibfehler und vergessen des Bleistifts nicht. Wenn Sie und Humboldt es gelesen haben, bitte ich es bald zurück. Da ich ungeduldig bin körperlich zu leiden, werde ich wohl nach Carlsbad gehen, das mich ehemals auf lange Zeit von gleichen Uebeln befreite. Leben Sie wohl. Für den Kalender nächstens etwas, auch für die Horen. Ich bin erwartend wie Ihnen ein Einfall gefällt, den ich habe, die Jurisdiction der Horen und der Journale überhaupt zu erweitern. Sie erhalten einen Brief eines Mitarbeiters.

Mögen Sie doch recht wohl sein und in Ihren Arbeiten nicht gehindert.

Weimar den 11. Juni 1795.

G.

Was macht Carl?


73. An Goethe.

Jena den 12. Juni 1795.

Daß Sie aufs neue krank geworden, habe ich von Herrn v. Humboldt mit herzlichem Bedauern gehört, und daß Sie uns, einer solchen Ursache wegen, auf eine Zeit lang verlassen, beklage ich noch mehr. Sie waren in einer so frischen und heitern Thätigkeit, und der Sprudel ist eine schlechte Hippokrene, wenigstens so lang er getrunken wird. Möchten Sie indeß nur bald im Stande sein, abzureisen, um desto zeitiger wieder bei uns zu sein.

Mein Fieber hat mich seit vier oder fünf Tagen verlassen, und ich bin gegenwärtig mit meinem Befinden ganz wohl zufrieden. Könnte ich es ebenso mit meiner Thätigkeit sein! Aber der Uebergang von einem Geschäft zum andern war mir von jeher ein harter Stand, und jetzt vollends, wo ich von Metaphysik zu Gedichten hinüber springen soll. Indessen habe ich mir so gut es angeht eine Brücke gebaut, und mache den Anfang mit einer gereimten Epistel, welche Poesie des Lebens überschrieben ist, und also, wie Sie sehen, an die Materie, die ich verlassen habe, grenzt. Könnten Sie kommen, und Ihren Geist auch nur sechs Wochen lang und nur so viel ich davon in mich aufnehmen kann, in mich hauchen, so würde mir geholfen sein.

Der Centaur ist nun glücklich ausgerüstet und mit ihm die erste Semestre der Horen. Für die andern ist mir ein klein wenig bang, wenn ich an den kleinen Vorrath gedenke. Sind Sie indessen nur gesund und frei und geht es mir selbst nicht schlechter als es in diesem Jahre gegangen ist, so ist nicht zu verzagen. Sehr neugierig bin ich auf den versprochenen Brief. Kann ich aber auch noch auf die Fortsetzung der Unterhaltungen für das siebente Stück zählen?

Das fünfte Buch Meisters, das ich vor einigen Augenblicken erhielt, wird in instanti vorgenommen. Ich freue mich nicht wenig darauf, und wünschte nur gleich auch den Rest des Buchs zu haben.

Das ist ein prächtiger Patron, der Hesperus, den Sie mir neulich schickten. Er gehört ganz zum Tragelaphen-Geschlecht, ist aber dabei gar nicht ohne Imagination und Laune, und hat manchmal einen recht tollen Einfall, so daß er eine lustige Lectüre für die langen Nächte ist. Er gefällt mir noch besser als die Lebensläufe.

Meine Frau ist wieder besser und mit Karin geht es recht gut. Wenn Sie durchreisen, welches wohl bald sein wird, finden Sie uns wie ich hoffe auf besserem Weg.

Meyern bitte recht schön zu grüßen. Leben Sie recht wohl, und werden Sie baldmöglichst gesund.

Sch.


74. An Schiller.

Hierbei die Concepte von den bewußten Briefen, an denen sich noch manches wird retouchiren lassen, wenn Sie mit den Hauptideen zufrieden sind. Dergleichen Aufsätze sind wie Würfel im Brettspiele; es entsteht meist etwas daraus was man nicht denkt, aber es muß doch etwas daraus entstehen. Vor Ende dieses Monats geh' ich von hier nicht weg, und lasse Ihnen noch für das siebente Stück eine gewöhnliche Portion Unterhaltungen zurück. Bis dahin ist auch die zweite Hälfte des fünften Buchs abgeschrieben, und so hätten wir uns der Widerwärtigkeit so gut als möglich zu unsern Arbeiten bedient. Leben Sie recht wohl, thun Sie desgleichen; möge Ihnen die Epistel recht gut gerathen.

Weimar den 13. Juni 1795.

Goethe.


75. An Goethe.

Jena den 15. Juni 1795.

Dieses fünfte Buch Meisters habe ich mit einer ordentlichen Trunkenheit, und mit einer einzigen ungetheilten Empfindung durchlesen. Selbst im Meister ist nichts, was mich so Schlag auf Schlag ergriffen und in seinem Wirbel unfreiwillig mit fortgenommen hätte. Erst am Ende kam ich zu einer ruhigen Besinnung. Wenn ich bedenke, durch wie einfache Mittel Sie ein so hinreißendes Interesse zu bewirken wußten, so muß ich mich noch mehr verwundern. Auch was das Einzelne betrifft, so fand ich darin treffliche Stellen. Meisters Rechtfertigung gegen Werner seines Uebertritts zum Theater wegen, dieser Uebertritt selbst, Serlo, der Souffleur, Philine, die wilde Nacht auf dem Theater u. dgl. sind ausnehmend glücklich behandelt. Aus der Erscheinung des anonymen Geistes haben Sie so viel Parthie zu ziehen gewußt, daß ich darüber nichts mehr zu sagen weiß. Die ganze Idee gehört zu den glücklichsten die ich kenne, und Sie wußten das Interesse, das darin lag, bis auf den letzten Tropfen auszuschöpfen. Am Ende freilich erwartet jedermann den Geist bei der Tafel zu sehen, aber da Sie selbst an diesen Umstand erinnern, so begreift man wohl, daß die Nichterscheinung ihre guten Ursachen haben müsse. Ueber die Person des Gespenstes werden so viele Hypothesen gemacht werden, als mögliche Subjecte dazu in dem Romane vorhanden sind. Die Majorität bei uns will schlechterdings, daß Mariane der Geist sei, oder doch damit in Verbindung stehe. Auch sind wir geneigt, den weiblichen Kobold, der Meistern in seinem Schlafzimmer in die Arme zu packen kriegt, für Eine Person mit dem Geist zu halten. Bei der letztern Erscheinung habe ich aber doch auch an Mignon gedacht, die an dem heutigen Abend sehr viele Offenbarungen über ihr Geschlecht scheint erhalten zu haben. Sie sehen aus dieser kleinen hermeneutischen Probe, wie gut Sie Ihr Geheimniß zu bewahren gewußt.

Das Einzige, was ich gegen dieses fünfte Buch zu erinnern habe, ist, daß es mir zuweilen vorkam, als ob Sie demjenigen Theile, der das Schauspielwesen ausschließend angeht, mehr Raum gegeben hätten, als sich mit der freien und weiten Idee des Ganzen verträgt. Es sieht zuweilen aus, als schrieben Sie für den Schauspieler, da Sie doch nur von dem Schauspieler schreiben wollen. Die Sorgfalt, welche Sie gewissen kleinen Details in dieser Gattung widmen, und die Aufmerksamkeit auf einzelne kleine Kunstvortheile, die zwar dem Schauspieler und Director, aber nicht dem Publicum wichtig sind, bringen den falschen Schein eines besondern Zweckes in die Darstellung, und wer einen solchen Zweck auch nicht vermuthet, der möchte Ihnen gar Schuld geben, daß eine Privatvorliebe für diese Gegenstände Ihnen zu mächtig geworden sei. Könnten Sie diesen Theil des Werks füglich in engere Grenzen einschließen, so würde dieß gewiß gut für das Ganze sein.

Jetzt noch ein Wort über Ihre Briefe an den Redacteur der Horen. Ich habe schon ehemals daran gedacht, daß wir wohl daran thun würden, einen kritischen Fechtplatz in den Horen zu eröffnen. Aufsätze dieses Inhalts bringen ein augenblickliches Leben in das Journal, und erregen ein sicheres Interesse beim Publicum. Nur dürften wir, glaube ich, das Heft nicht aus den Händen geben, welches geschehen würde, wenn wir dem Publicum und den Autoren ein gewisses Recht durch unsre förmliche Einladung einräumten. Von dem Publicum hätten wir sicherlich nur die elendesten Stimmen zu erwarten, und die Autoren würden sich, wie man Beispiele hat, sehr beschwerlich machen. Mein Vorschlag wäre, daß wir die Angriffe aus unserm eigenen Mittel machen müßten; wollten dann die Autoren sich in den Horen vertheidigen, so müßten sie sich den Bedingungen unterwerfen, die wir ihnen vorschreiben wollen. Auch wäre deßhalb mein Rath, sogleich mit der That und nicht mit der Proposition anzufangen. Es schadet uns nichts, wenn man uns für unbändig und ungezogen hält.

Was würden Sie dazu sagen, wenn ich mich, im Namen eines Herrn von X., gegen den Verfasser von Wilhelm Meister beschwerte, daß er sich so gern bei dem Schauspieler-Volk aufhält, und die gute Societät in seinem Roman vermeidet? (Sicherlich ist dieß der allgemeine Stein des Anstoßes, den die feine Welt an dem Meister nimmt, und es wäre nicht überflüssig, auch nicht uninteressant, die Köpfe darüber zurecht zu stellen.) Wenn Sie antworten wollen, so will ich Ihnen einen solchen Brief fabriciren.

Ich hoffe, daß es mit Ihrer Gesundheit jetzt wieder besser geht. Der Himmel segne Ihre Geschäfte und hebe Ihnen noch recht viele so schöne Stunden auf, wie die waren, in denen Sie den Meister schrieben.

Auf die Beiträge zu dem Almanach und auf die Unterhaltungen, wozu Sie mir Hoffnung gemacht haben, harre ich mit großem Verlangen. In meinem Haus geht es besser. Alles grüßt Sie.

Sch.


76. An Schiller.

Ihre Zufriedenheit mit dem fünften Buche des Romans war mir höchst erfreulich und hat mich zur Arbeit, die mir noch bevorsteht, gestärkt. Es ist mir sehr angenehm, daß die wunderlichen und spaßhaften Geheimnisse ihre Wirkung thun und daß mir, nach Ihrem Zeugnisse, die Ausführung der angelegten Situationen geglückt ist. Um so lieber habe ich Ihre Erinnerungen, wegen des theoretisch-praktischen Gewäsches, genutzt und bei einigen Stellen die Scheere wirken lassen. Dergleichen Reste der frühern Behandlung wird man nie ganz los, ob ich gleich das erste Manuscript fast um ein Drittel verkürzt habe.

Ueber das was mit dem Briefe an den Herausgeber, oder bei Gelegenheit desselben anzufangen ist, werden wir bei einer Unterredung leicht einig werden. Ich werde etwa zu Ende der andern Woche bei Ihnen sein und wo möglich die versprochene Erzählung mitbringen.

Auf den Sonnabend schicke ich Meyers Aufsatz über Johann Bellin; er ist sehr schön, nur leider zu kurz. Haben Sie die Güte uns die Einleitung, die Sie schon in Händen haben, wieder zurückzuschicken, weil noch einiges darin zu suppliren ist. Wenn er den Mantegna noch dazu fügen könnte, so wär' es ein Gewinn für das siebente Stück.

Es ist mir angenehm, daß Ihnen der neue Tragelaph nicht ganz zuwider ist; es ist wirklich Schade für den Menschen, er scheint sehr isolirt zu leben und kann deßwegen bei manchen guten Parthien seiner Individualität nicht zu Reinigung seines Geschmacks kommen. Es scheint leider, daß er selbst die beste Gesellschaft ist, mit der er umgeht. Sie erhalten noch zwei Bände dieses wunderlichen Werks.

Die vier Wochen in Carlsbad denke ich einer Revision meiner naturwissenschaftlichen Bemühungen zu widmen; ich will sehen, daß ich ein Schema dessen was ich schon gethan habe und wohin ich mich zunächst wenden muß, aufsetze, um nur erst ein Fachwelt für die vielen zerstreuten Erfahrungen und Betrachtungen bereit zu haben.

Was sagen Sie zu einer Schrift, aus der ich Ihnen beiliegende Stelle abschreiben lasse?

Leben Sie recht wohl mit den Ihrigen und grüßen Humboldts.

Weimar den 18. Juni 1795.

Goethe.


77. An Goethe.

Jena den 19. Juni 1795.

Hier folgt das Manuscript von Meyern, nebst meinem besten Gruß. Daß ich sobald etwas von ihm zu erwarten habe, ist mir sehr tröstlich. Wenn es ihm indessen bloß an Zeit fehlt, um noch den Mantegna folgen zu lassen, so kann ich ihm diese vielleicht geben, da ich von Freund Fichte einen Aufsatz erwarte, und nun auf die Unterhaltungen sicher rechnen darf. Nächsten Montag kann ich bestimmter wissen, wie ich daran bin.

Daß Sie meine Erinnerungen das fünfte Buch des Romans betreffend Ihrer Aufmerksamkeit werth achten, freut mich und giebt mir neuen Muth. Ich fühle indessen mit der Liebe, die ich für dieses Werk Ihres Geistes hege, auch alle Eifersucht wegen des Eindrucks, den es auf andere macht, und ich möchte mit dem nicht gut Freund sein, der es nicht zu schätzen wüßte.

Aus welchem Tollhause Sie das vortreffliche Fragment mögen aufgegriffen haben, weiß ich nicht, aber nur ein Verrückter kann so schreiben. Freund Obereit könnte es wohl geschrieben haben, doch zweifle ich daran. Es hat mir vielen Spaß gemacht.

Gleich geht die Post. Ich freue mich sehr darauf, Sie bald wieder zu sehen.

Sch.


78. An Schiller.

Eine Erzählung für die Horen und ein Blättchen für den Almanach mögen meine Vorläufer sein. Montags bin ich bei Ihnen und es wird sich manches bereden lassen. Voß grüßt und bietet eine antiquarische Abhandlung über die Hähne der Götter und allenfalls ein Stück alte Geographie an.

Herder verspricht baldigst etwas über den Homer. Wenn noch was von Jakobi käme, so wäre es recht gut.

Ich verlange zu sehen was Sie gearbeitet haben.

Empfehlen Sie mich Ihrer lieben Frauen und Humboldts; ich freue mich Sie wieder zu sehen.

Weimar den 27. Juni 1795.

Goethe.


79. An Goethe.

Jena den 6. Juli 1795.

Eine große Expedition der Horen, die ich heute habe, läßt mir nur einige Augenblicke frei, um Sie zu Ihrer Ankunft im Karlsbad, welche wie ich hoffe glücklich gewesen ist, zu begrüßen. Ich freue mich, daß ich von den dreißig Tagen Ihrer Abwesenheit viere wegstreichen darf.

Von Fichte habe ich einen Brief erhalten, worin er mir zwar das Unrecht, das ich ihm gethan, sehr lebhaft demonstrirt, dabei aber sehr bemüht ist, nicht mit mir zu brechen. Bei aller nicht unterdrückten Empfindlichkeit hat er sich sehr zu mäßigen gewußt, und ist bemüht den raisonnablen zu spielen. Daß er mir Schuld giebt, seine Schrift ganz mißverstanden zu haben, ist eine Sache die sich von selbst versteht. Daß ich ihm aber Verworrenheit der Begriffe über seinen Gegenstand Schuld gab, das hat er mir kaum verzeihen können. Er will mir seinen Aufsatz, wenn er ganz fertig ist, zum Lesen schicken und erwartet, daß ich alsdann mein übereiltes Urtheil widerrufen werde. So stehen die Sachen, und ich muß ihm das Zeugniß geben, daß er sich in dieser kritischen Situation noch ganz gut benommen hat. Sie sollen seine Epistel lesen, wenn Sie zurück kommen.

Von hiesigen Novitäten weiß ich Ihnen nichts zu schreiben, als daß die Tochter vom Hofr. Schütz wirklich gestorben ist, er selbst aber sich erträglich befindet.

Woltmann, der mich vor einigen Tagen besuchte, versicherte mir, daß nicht Fichte, sondern ein gewisser Fernow (ein junger Maler, der hier studirte, auch Gedichte macht und mit Baggesen eine Zeit lang reiste) Verfasser des Aufsatzes im Merkur über den Styl in den bildenden Künsten sei. Baggesen selbst erzählte dieses, und erklärte dabei, daß jener Aufsatz das sublimste sei, was je über diesen Gegenstand geschrieben worden. Ich hoffe also Sie werden dem großen Ich in Osmannstädt im Herzen Abbitte thun, und wenigstens diese Sünde von seinem schuldigen Haupte nehmen.

Woltmann sagt mir, daß er angefangen habe, an einem Roman zu arbeiten, welches ich freilich mit seiner übrigen historischen Activität nicht recht reimen kann.

Von Humboldt habe noch keine Nachricht. Daß Ihr Aufenthalt im Karlsbad recht fruchtbar für Ihre Gesundheit und für die mitgenommenen Beschäftigungen sein möchte, wünsche ich von Herzen. Sollte sich eine Gelegenheit finden, mir den Rest des fünften Buchs zu schicken, so würden Sie mir eine große Freude damit machen.

Von den Horen habe ich zwei Exemplarien nach Ihrer Vorschrift verschickt.

Meine Frau empfiehlt sich Ihnen bestens. Leben Sie recht wohl und behalten uns in freundschaftlichem Angedenken.

Sch.


80. An Schiller.

Die Gelegenheit Ihnen durch Fräulein von Göchhausen diesen Brief zu übersenden versäume ich nicht. Nach überstandenen leidlichen und bösen Wegen bin ich am vierten Abends angelangt; das Wetter war bis heute äußerst schlecht, und der erste Sonnenblick scheint nur vorübergehend zu sein. Die Gesellschaft ist zahlreich und gut; man beklagt sich, wie immer, über den Mangel an Harmonie, und jeder lebt auf seine Weise. Ich habe nur gesehen und geschwätzt; was sonst werden und gedeihen wird muß abgewartet werden. Auf alle Fälle habe ich gleich einen kleinen Roman aus dem Stegreife angeknüpft, der höchst nöthig ist um einen Morgens um fünf Uhr aus dem Bette zu locken. Hoffentlich werden wir die Gesinnungen dergestalt mäßigen und die Begebenheiten so zu leiten wissen, daß er vierzehn Tage aushalten kann.

Als berühmter Schriftsteller bin ich übrigens recht gut aufgenommen worden, wobei es doch nicht an Demüthigungen gefehlt hat. Z. B. sagte mir ein allerliebstes Weibchen: sie habe meine letzten Schriften mit dem größten Vergnügen gelesen, besonders habe sie Giaffar der Barmecide über alle Maßen interessirt. Sie können denken, daß ich mit der größten Bescheidenheit mich in Freund Klingers hinterlaßne arabische Garderobe einhüllte und so meiner Gönnerin in dem vortheilhaftesten Lichte erschien. Und ich darf nicht fürchten daß sie in diesen drei Wochen aus ihrem Irrthume gerissen wird.

Die vielen Menschen, unter denen sehr interessante sind, lerne ich nach und nach kennen und werde Ihnen manches zu erzählen haben.

Indem ich auf meiner Herreise einige alte Mährchen durchdachte, ist mir verschiednes über die Behandlungsart derselben durch den Kopf gegangen. Ich will ehstens eins schreiben, damit wir einen Text vor uns haben. Leben Sie recht wohl mit den Ihrigen und denken mein.

Carlsbad, den 8. Juli 1795.

G.


81. An Schiller.

Carlsbad den 19. Juli 1795.

Ihren lieben Brief vom 6ten habe ich erst den 17ten erhalten; wie danke ich Ihnen, daß Sie mir in den Strudel einer ganz fremden Welt eine freundliche Stimme erschallen lassen. Gegenwärtiges nimmt Frl. von Beulwitz mit, ich hoffe es soll bald bei Ihnen anlangen.

Die Cur schlägt sehr gut an, ich halte mich aber auch wie ein ächter Curgast und bringe meine Tage in einem absoluten Nichtsthun zu, bin beständig unter den Menschen, da es denn nicht an Unterhaltung und an kleinen Abenteuern fehlt. Ich werde mancherlei zu erzählen haben.

Dagegen ist aber auch weder das fünfte Buch des Romans abgeschrieben, noch irgend ein Epigramm gelungen, und wenn die andre Hälfte meines hiesigen Aufenthaltes der ersten gleich ist, so werde ich an guten Werken arm zurückkehren.

Mir war sehr lieb zu hören, daß das Oßmannstädter Ich sich zusammengenommen hat, und daß auf Ihre Erklärung kein Bruch erfolgt ist; vielleicht lernt er nach und nach Widerspruch ertragen.

Auch mir ist durch Madame Brun die sublime Abhandlung Fernows im Merkur angepriesen und also der Name des Autors entdeckt worden. Leider spukt also dieser Geist anmaßlicher Halbheit auch in Rom, und unsre Freundin wird wahrscheinlicher Weise dort mit den drei Stylen näher bekannt werden. Welch eine sonderbare Mischung von Selbstbetrug und Klarheit diese Frau zu ihrer Existenz braucht, ist kaum denkbar, und was sie und ihr Cirkel sich für eine Terminologie gemacht haben, um das zu beseitigen was ihnen nicht ansteht, und das was sie besitzen als die Schlange Mosis aufzustellen, ist höchst merkwürdig.

Doch ausführlich von allem diesem und anderm wenn ich zurückkomme. Die Finger erstarren mir vor Kälte: das Wetter ist entsetzlich und die Unbehaglichkeit allgemein.

Leben Sie desto wohler und wärmer und gedenken mein.

G.


82. An Goethe

Jena den 20. Juli 1795.

Daß ich seit den letzten zwölf Tagen mich schlimm befunden, und dadurch abgehalten worden, Ihnen Nachricht von mir zu geben, hat meine Frau Ihnen geschrieben. Hoffentlich haben Sie diesen und einen Brief von mir, der vier Tage nach Ihnen von hier abging, richtig erhalten.

Der Ihrige hat mich sehr erfreut, und ich wünsche herzlich, daß Ihnen die Klingerische Maske recht viele freundliche Abenteuer zuwenden möge. Ich halte es für gar nichts schlechtes, sich unter einem solchen Namen bei Damen wohl aufgenommen zu sehen, denn das schwierigste ist alsdann schon abgethan.

Ich bin gleich ungeduldig zu hören, wie Sie mit Ihrer Gesundheit und mit Ihren Beschäftigungen vorwärts gerückt sind. Auf den Rest des fünften Buchs freue ich mich sehr. Was ich unterdessen von dem Centaur erfahren, klang noch ganz gut. Ueber die Elegien freut sich alles und niemand denkt daran, sich daran zu skandalisiren. Die eigentlich gefürchteten Gerichtshöfe haben freilich noch nicht gesprochen. Auch ich habe über meinen Antheil an dem Centaur mein Theil Lob weg, ja ich bin noch glücklicher sogar als Sie; denn kaum acht Tage nach Erscheinung dieses Stücks erhielt ich von einem Leipziger Schriftsteller ein förmliches Gedicht zu meinem Lobe.

Es sind unterdessen zwei neue Aufsätze von Orten, wo ich nichts erwartete, für die Horen eingelaufen. Der eine darunter handelt von griechischer und gothischer Baukunst und enthält, in einem ziemlich vernachlässigten Styl und bei vielem unbedeutenden, manchen sinnreichen Einfall. Nach langen Deliberationen, ob ich ihn aufnehmen solle, bestimmte mich die Zweckmäßigkeit und Neuheit des Gegenstandes für die Horen, besonders da er nicht groß ist, ihn aufzunehmen. Der zweite, auch nicht einmal einen Bogen stark, untersucht die Ideen der Alten vom Schicksal. Er ist von einem vortrefflichen Kopf und scharfen Denker, und ich werde ihn daher ohne Anstand brauchen können. Erst vor einer Stunde erhielt ich ihn.

Jacobi hat nun seine Abhandlung geschickt. Sie enthält viel Vortreffliches besonders über die Billigkeit in Beurtheilung fremder Vorstellungsarten, und athmet durchaus eine liberale Philosophie. Den Gegenstand kann ich Ihnen nicht wohl bestimmen. Unter der Aufschrift: Zufällige Ergießungen eines einsamen Denkers (in Briefen an Ernestine) wird von mancherlei Dingen gehandelt.

Von Herdern habe ich weder Manuscript noch Nachricht seit vielen Wochen. Humboldt ist glücklich angelangt, hat aber seine Mutter sehr krank angetroffen.

Meine Poesien rücken sehr langsam vorwärts, da ich ganze Wochen lang zu jeder Arbeit untüchtig war. Etwas sollen Sie aber doch finden, wenn Sie kommen. Von hiesigen Novitäten weiß ich Ihnen gar nichts zu schreiben.

Leben Sie recht wohl, und der Himmel bringe Sie gesund und heiter zurück.

Sch.


83. An Schiller

Ein Brief kann doch noch früher als ich selbst ankommen, darum will ich Ihnen für Ihr letztes danken. Ihr erster Brief war eilf Tage unterwegs, der zweite fünf und der letzte sieben. So ungleich gehen die Posten hierher.

Es thut mir leid, daß Sie inzwischen aus Noth gefeiert haben, indeß meine Tagedieberei willkürlich genug war. Ich habe mein einmal angefangnes Leben fortgesetzt, nur mit der Gesellschaft existirt und mich dabei ganz wohl befunden. Man könnte hundert Meilen reisen und würde nicht so viel Menschen und so nah sehn. Niemand ist zu Hause, deswegen ist jeder zugänglicher und zeigt sich doch auch eher von seiner günstigen Seite. Das fünfte Buch ist abgeschrieben, und das sechste kann in einigen Tagen fertig sein. An den Epigrammen ist wenig geschehen und sonst gar nichts.

Ich wünsche Glück zu den neuen Beiträgen und bin neugierig sie zu lesen.

Nach Ihnen ist viel Nachfrage und ich antworte je nachdem die Menschen sind. Ueberhaupt hat das Publicum nur den dunkelsten Begriff vom Schriftsteller. Man hört nur uralte Reminiscenzen; von seinem Gange und Fortschritte nehmen die wenigsten Notiz. Doch muß ich billig sein und sagen, daß ich einige gefunden habe, die hierin eine merkwürdige Ausnahme machen.

Das sechste Stück der Horen ist noch nicht in diese Gebirge gedrungen; ich habe bei Calve von Prag schon Beschlag darauf gelegt.

Leben Sie wohl, grüßen Sie die liebe Frau.

Carlsbad den 29. Juli 1795.

G.


84. An Goethe

[Jena den 11. August 1795.]

Die Erwartung steigt noch immer, aber man sieht doch schon von ferne, daß der Wald anfängt lichter zu werden. Die Erinnerung an Marianen thut viel Wirkung und Mignon wächst mit jedem Buch mehr heran. Der düstre Harfenspieler wird immer düsterer und geisterhafter und Philine gefällt mir noch immer trefflich wohl. Man freut sich, wie Sie in diesem Buch vorhergegangene Personen und Scenen wieder ins Gedächtniß bringen.

Der vielen Schreibfehler wegen, auch wegen einiger Ungleichheiten in der Schreibart (bald des Publicums, bald des Publici u.s.w.) ist noch viel Aufmerksamkeit zu empfehlen. In dem Gedicht am Schluß haben Sie ein Wort lang gebraucht, das durch die Stellung nothwendig kurz wird, und ein Zeitwort kurz, das lang bleiben muß.

Verzeihen Sie mein Geschmiere. Ich muß eilen, um das Manuscript nicht länger aufzuhalten.

Bald hoffe ich wieder von Ihnen zu hören und wünsche Glück zur Ankunft in Weimar. Meyern meinen freundlichen Gruß.

Sch.


85. An Schiller

Hier schicke ich Ihnen endlich die Sammlung Epigramme, auf einzelnen Blättern, numerirt, und der bessern Ordnung willen noch ein Register dabei; meinen Namen wünschte ich aus mehreren Ursachen nicht auf dem Titel. Mit den Motto's halte ich für rathsam auf die Antiquität hinzudeuten.

Bei der Zusammenstellung habe ich zwar die zusammengehörigen hintereinander rangirt, auch eine gewisse Gradation und Mannigfaltigkeit zu bewirken gesucht, dabei aber, um alle Steifheit zu vermeiden, vorn herein unter das venetianische Local Vorläufer der übrigen Arten gemischt. Einige die Sie durchstrichen hatten, habe ich durch Modifikation annehmlich zu machen gesucht. Nr. 78 wünsche ich, so unbedeutend es ist, an diesem Platze, um die Schule zu reizen und zu ärgern, die, wie ich höre, über mein Stillschweigen triumphirt und ausstreut: ich würde die Sache fallen lassen. Haben Sie sonst noch ein Bedenken, so theilen Sie mir es mit, wenn es die Zeit erlaubt, wo nicht, so helfen Sie ihm selbst ohne Anstand ab.

Ich wünschte einige Exemplare von diesem Büchlein besonders zu erhalten, um sie zum Gebrauch bei einer künftigen neuen Ausgabe bei Seite zu legen.

Wollten Sie wegen der Druckfehler noch besondere Warnung ergehen lassen; in den Elegien sind einige sehr unangenehme eingeschlichen.

Sobald der Almanach heraus ist, könnte man zu den Elegien und Epigrammen kurze Noten machen, dabei der Druckfehler erwähnen und den Aufsatz in die Horen einrücken, welches von mancherlei Nutzen sein würde; wie leicht könnte man dieser wirklich unentbehrlichen Noten am Ende des Büchleins mit einigen Worten gedenken.

Ich schicke dieses Paket durch einen Boten, damit es Ihnen so früh als möglich zukomme, und damit ich den Roman wieder zurück erhalte, mit welchem ich auch nicht länger zaudern darf.

Ich sehe voraus, daß ich Anfangs September nach Ilmenau muß und daß ich unter zehn bis vierzehn Tagen dort nicht loskomme; bis dahin liegt noch vielerlei auf mir und ich wünschte noch von Ihnen zu wissen, was Sie zu den Horen bedürfen. Soviel ich übersehe, könnte ich folgendes leisten:

August. Unterhaltungen, Schluß der letzten Geschichte. Hymnus, den ich mir zu diesem Ende zurück erbitte.
September. Drama und Roman. Das Mährchen. Ich würde die Unterhaltungen damit schließen, und es würde vielleicht nicht übel sein, wenn sie durch ein Product der Einbildungskraft gleichsam ins Unendliche ausliefen.
October. Fortsetzung des Mährchens. Noten zu den Elegien und Epigrammen.
November und
December.
Ankündigung von Cellini, und wenn es möglich wäre, etwas von Faust.

Mit diesem letzten geht mir's wie mit einem Pulver, das sich aus seiner Auflösung nun einmal niedergesetzt hat; so lange Sie dran rütteln, scheint es sich wieder zu vereinigen, sobald ich wieder für mich bin, setzt es sich nach und nach zu Boden.

Schreiben Sie mir vor allem wie Sie sich befinden und wie Ihre Arbeiten gehn, und leben recht wohl.

Weimar den 17. August 1795.

G.


86. An Goethe.

Jena den 17. August 1795.

Ich nahm Ihre neuliche Zusage nach dem Buchstaben und rechnete darauf, Sie morgen, als den Dienstag, gewiß hier zu sehen: dieß ist Ursache, daß ich den Meister so lange behielt und Ihnen auch nichts darüber schrieb. Sehr hätte ich gewünscht, mit Ihnen über dieses sechste Buch mündlich zu sprechen, weil man sich in einem Brief nicht auf alles besinnt und zu solchen Sachen der Dialog unentbehrlich ist. Mir däucht, daß Sie den Gegenstand von keiner glücklichern Seite hätte fassen können, als die Art ist wie Sie den stillen Verkehr der Person mit dem heiligen in sich eröffnen. Dieses Verhältniß ist zart und fein, und der Gang, den Sie es nehmen lassen, äußerst übereinstimmend mit der Natur.

Der Uebergang von der Religion überhaupt zu der christlichen durch die Erfahrung der Sünde ist meisterhaft gedacht. Ueberhaupt sind die leitenden Ideen des Ganzen trefflich, nur, fürchte ich, etwas zu leise angedeutet. Auch will ich Ihnen nicht dafür stehen, daß nicht manchen Lesern vorkommen wird, als wenn die Geschichte stille stände. Hätte sich manches näher zusammenrücken, anderes kürzer fassen, hingegen einige Hauptideen mehr ausbreiten lassen, so würde es vielleicht nicht übel gewesen sein. Ihr Bestreben, durch Vermeidung der trivialen Terminologie der Andacht ihren Gegenstand zu purificiren und gleichsam wieder ehrlich zu machen, ist mir nicht entgangen: aber einige Stellen habe ich doch angestrichen, an denen, wie ich fürchte, ein christliches Gemüth eine zu »leichtsinnige« Behandlung tadeln könnte.

Dieß wenige über das, was Sie gesagt und angedeutet. Dieser Gegenstand ist aber von einer solchen Art, daß man auch über das, was nicht gesagt ist, zu sprechen versucht wird. Zwar ist dieses Buch noch nicht geschlossen, und ich weiß also nicht, was etwa noch nachkommen kann, aber die Erscheinung des Oheims und seiner gesunden Vernunft scheint mir doch eine Krise herbeizuführen. Ist dieses, so scheint mir die Materie doch zu schnell abgethan: denn mir däucht, daß über das Eigenthümliche christlicher Religion und christlicher Religionsschwärmerei noch zu wenig gesagt sei; daß dasjenige, was diese Religion einer schönen Seele sein kann, oder vielmehr was eine schöne Seele daraus machen kann, noch nicht genug angedeutet sei. Ich finde in der christlichen Religion virtualiter die Anlage zu dem höchsten und edelsten, und die verschiedenen Erscheinungen derselben im Leben scheinen mir bloß deßwegen so widrig und abgeschmackt, weil sie verfehlte Darstellungen dieses höchsten sind. Hält man sich an den eigenthümlichen Charakterzug des Christenthums, der es von allen monotheistischen Religionen unterscheidet, so liegt er in nichts anderm als in der Aufhebung des Gesetzes oder des Kantischen Imperativs, an dessen Stelle das Christenthum eine freie Neigung gesetzt haben will. Es ist also in seiner reinen Form Darstellung schöner Sittlichkeit oder der Menschwerdung des heiligen, und in diesem Sinn die einzige ästhetische Religion; daher ich es mir auch erkläre, warum diese Religion bei der weiblichen Natur so viel Glück gemacht, und nur in Weibern noch in einer gewissen erträglichen Form angetroffen wird. Doch ich mag in einem Brief über diese kitzlichte Materie nichts weiter vorbringen, und bemerke bloß noch, daß ich diese Saite ein wenig hätte mögen klingen hören.

Ihre Wünsche, die Epigramme betreffend, sollen pünktlich erfüllet werden. Die Druckfehler in den Elegien haben mich auch sehr verdrossen, und ich habe den wichtigsten im Intelligenzblatt der Lit. Z. sogleich anzeigen lassen; es sind aber Fehler des Copisten, nicht des Setzers, und lassen sich also künftig um so eher verhüten.

Mit der Ausführung dessen, was Sie für die restirenden Monate in die Horen versprechen, werden Sie mir große Freude machen, und noch einmal wiederhole ich meine Fürbitte wegen Faust. Lassen Sie es auch nur eine Scene von zwei oder drei Seiten sein. Das Mährchen wird mich recht herzlich erfreuen und die Unterhaltungen für dieses Jahr schön schließen.

Ich habe in dieser Woche mich zwar körperlich nicht besser befunden, aber doch Lust und Laune zu einigen Gedichten gehabt, die meine Sammlung vermehren werden.

Meine Frau wünscht zu erfahren, ob die Nadeln, in welche Sie das sechste Buch neulich gepackt haben, Symbole von Gewissensbissen vorstellen sollen.

Leben Sie recht wohl. Ich sehne mich Sie bald zu sehen und unsern Freund Meyer.

Schiller.


87. An Schiller.

Hierbei überschicke ich einige Stücke Horen, die ich überflüssig habe. Können Sie mir dagegen gelegentlich Nr. I und II auf Schreibpapier und Nr. IV auf holländisch Papier verschaffen, so wären meine übrigen Exemplare complet.

Da Meyer nun sich zur Abreise anschickt, werden wir Sie bald möglichst besuchen um uns Ihren Rath und Segen zu erbitten.

Grüßen Sie die liebe Frau und leben recht wohl.

Den 17. August 1795.

G.


88. An Schiller.

An dem Hymnus, der hierbei folgt, habe ich soviel gethan als die Kürze der Zeit und die Zerstreuung, in der ich mich befinde, erlauben wollen. Den Beschluß der Geschichte und den Uebergang zum Mährchen übersende ich baldmöglichst, ich glaube aber nicht, daß es einen gedruckten Bogen ausfüllen wird. Zu dem Mährchen selbst habe ich guten Muth; es unterhält mich und wird also doch wohl auch einigermaßen für andere unterhaltend sein.

Ihr Zeugniß, daß ich mit meinem sechsten Buche wenigstens glücklich vor der Klippe vorbeigeschifft bin, ist mir von großem Werthe, und Ihre weitern Bemerkungen über diese Materie haben mich sehr erfreut und ermuntert. Da die Freundin des sechsten Buchs aus der Erscheinung des Oheims sich nur so viel zueignet, als in ihren Kram taugt, und ich die christliche Religion in ihrem reinsten Sinne erst im achten Buche in einer folgenden Generation erscheinen lasse, auch ganz mit dem was Sie darüber schreiben einverstanden bin, so werden Sie wohl am Ende nichts Wesentliches vermissen, besonders wenn wir die Materie noch einmal durchsprechen.

Freilich bin ich sehr leise aufgetreten und habe vielleicht dadurch, daß ich jede Art von Dogmatismen vermeiden und meine Absichten völlig verbergen wollte, den Effect aufs große Publicum etwas geschwächt; es ist schwer in solchen Fällen den Mittelweg zu halten.

Leben Sie recht wohl; Meyer grüßt vielmals. Sagen Sie der lieben Frau, daß sie meine symbolischen Nadeln gesund brauchen und verlieren möge. Nächstens mehr.

Weimar den 18. August 1795.

G.


89. An Schiller.

Mehr ein Uebersprung als ein Uebergang vom bürgerlichen Leben zum Mährchen ist mein diesmaliger Beitrag geworden. Nehmen Sie damit vorlieb.

Herders Homer, den ich so eben mit Meyern gelesen, ist fürtrefflich gerathen und wird den Horen zu großem Schmucke gereichen; ich will treiben daß Sie den Aufsatz morgen mit den Botenweibern erhalten. Die erste Portion des Mährchens erhalten Sie vor Ende des Monats. Leben Sie recht wohl.

Weimar den 21. August 1795.

G.


90. An Goethe.

Freitag Abends 21. August.

Ich erinnre mich, wie ich einmal vor sieben Jahren in Weimar saß und mir alles Geld bis etwa auf zwei Groschen Porto ausgegangen war, ohne daß ich wußte woher neues zu bekommen. In dieser Extremität denken Sie sich meine angenehme Bestürzung, als mir eine längst vergessene Schuld der Literatur-Zeitung an demselben Tage übersendet wurde. Das war in der That Gottes Finger, und das ist auch Ihre heutige Mission. Ich wußte in der That nicht, was ich Cottaen, der Manuscript für das neunte Stück nöthig hat, heute senden sollte; und Sie als ein wahrer Himmelsbote senden mir zwar nur etwa einen halben Bogen, aber doch genug um mit dem Apollo einen ganzen auszumachen.

Ich werde kaum Zeit haben dieses Manuscript noch zu lesen, ob ich es gleich in orthographischer Rücksicht sorgfältig durchlaufen will.

Auf Ihr Mährchen freue ich mich sehr, denn es scheint unter sehr guten Auspicien zur Welt zu kommen.

Herders Abhandlung soll mir auch eine recht angenehme Apparition sein.

Humboldt begrüßt Sie. Ich werde Ihnen allerlei Curiosa, die Horen und auch etwas den Meister betreffend, zu erzählen haben, wenn Sie hieher kommen, welches ich bald zu thun herzlich bitte.

Leben Sie recht wohl.

Sch.


91. An Schiller.

Es freut mich daß meine kleine Gabe zur rechten Zeit kam. Die erste Hälfte des Mährchens sollte nach meiner Rechnung auch ins neunte Stück kommen; in wiefern es nöthig oder thunlich sei, wollen wir Montags bereden, da ich Sie mit Meyern zu besuchen gedenke. Abends gehe ich zurück, denn Mittwochs muß ich endlich nach Ilmenau, von da ich etwa in acht Tagen zurückkomme.

Nur soviel zur Nachricht. Die Botenweiber packen ein.

Weimar den 22. August 1795.

G.


92. An Schiller.

Morgen frühe gehe ich mit Geh. Rath Voigt nach Ilmenau und würde bei meinen Streifereien noch heitrer sein, wenn ich Sie zu Hause wohl und nicht so oft durch Krankheit an so manchem Guten gehindert wüßte. Meyer grüßt. Ich wünsche zu vernehmen, daß der gute Effect des Mährchens nachgekommen ist und die Folge den anfänglichen bösen Eindruck wieder ausgelöscht hat. Wenn ich Ihnen Lebewohl sage, so heißt das immer: gebrauchen Sie wie bisher der guten Stunden zu unsrer Freude.

Weimar den 25. August 1795.

G.


93. An Schiller.

Aus dem gesellig müßigen Carlsbad hätte ich in keine entgegengesetztere Existenz kommen können als in das einsam thätige Ilmenau. Die wenigen Tage die ich hier bin sind mir sehr schnell verstrichen, und ich muß noch acht Tage hier bleiben, wenn ich in den Geschäften nach Wunsch klar werden will. Ich war immer gerne hier und bin es noch: ich glaube, es kommt von der Harmonie in der hier alles steht: Gegend, Menschen, Klima, Thun und Lassen. Ein stilles, mäßiges, ökonomisches Streben, und überall den Uebergang vom Handwerk zum Maschinenwerk, und bei der Abgeschnittenheit einen größern Verkehr mit der Welt als manches Städtchen im flachen zugänglichen Lande. Noch habe ich auch keine Idee gehabt als die hierher paßte, es war aber sehr nothwendig daß ich das Pensum vor Winters absolvirte. Leben Sie recht wohl in andern Regionen und gedenken mein mit den Ihrigen.

Ilmenau den 29. August 1795.

G.


94. An Goethe

Jena den 29. August 1795.

Das Mährchen ist bunt und lustig genug, und ich finde die Idee, deren Sie einmal erwähnten, »das gegenseitige Hülfleisten der Kräfte und das Zurückweisen auf einander,« recht artig ausgeführt. Meiner Frau hat es viel Vergnügen gemacht; sie findet es im Voltairischen Geschmack, und ich muß ihr Recht geben. Uebrigens haben Sie durch diese Behandlungsweise sich die Verbindlichkeit aufgelegt, daß alles Symbol sei. Man kann sich nicht enthalten, in allem eine Bedeutung zu suchen. Die vier Könige präsentiren sich gar prächtig, und die Schlange als Brücke ist eine charmante Figur. Sehr charakteristisch ist die schöne Lilie mit ihrem Mops. Das Ganze zeigt sich überhaupt als die Production einer sehr fröhlichen Stimmung. Doch hätte ich gewünscht, das Ende wäre nicht vom Anfang getrennt, weil doch beide Hälften einander zu sehr bedürfen, und der Leser nicht immer behält, was er gelesen. Liegt Ihnen also nichts daran, ob es getrennt oder ganz erscheint, so will ich das nächste Stück damit anfangen; ich weiß zum Glück für das neunte Rath, und kommt dann das Mährchen im zehnten Stück auf einmal ganz, so ist es um so willkommener.

An dem Epigramm, das ich beilege, fehlt der Schluß. Seien Sie so gütig, es mir mit ehester Gelegenheit zurückzuschicken.

Mit meiner Gesundheit geht es noch nicht viel besser. Ich fürchte, ich muß die lebhaften Bewegungen büßen, in die mein Poetisiren mich versetzte. Zum Philosophiren ist schon der halbe Mensch genug und die andere Hälfte kann ausruhen; aber die Musen saugen einen aus.

Seien Sie herzlich gegrüßt zu Ihrem Geburtstag.

Sch.

N. S.

An den Herzog habe ich noch kein Exemplar des achten Stücks gesendet. Sie sind wohl so gütig es zu besorgen.

Wenn Sie Herrn v. Humboldt zu schreiben haben, so kann ich den Brief einschließen.


95. An Goethe

Jena den 31. August 1795.

Nur zwei Worte heute, Ihnen für Ihr Andenken aus Ilmenau zu danken. Es ist heute der Expeditionstag der Horen, wo ich immer viel zu schreiben habe, da ich die Pakete benutze, um Briefe einzuschließen.

Zu einem kleinen »prosaischen« Amüsement lege ich Ihnen den Extract der Subscriptionsliste für die Horen bei, den mir Cotta heute gesendet hat.

Meinen und Herrn von Humboldts Brief, den ich Ihnen nebst den Horen-Paketen vorgestern nach Weimar gesendet, haben Sie, weil es ein großes Paket ist, wohl nicht erhalten. Es ist mir aber daran gelegen, auf einige Punkte daraus schnell Ihre Resolution zu erfahren.

1) Schlug ich Ihnen vor, ob wir das Mährchen nicht lieber auf einmal im zehnten Stück geben wollen. Das Publicum ist immer mit dem Abbrechen unzufrieden, und jetzt müssen wir es bei guter Laune erhalten. Für das neunte Stück weiß ich Rath; dieß darf Sie also nicht bestimmen, wenn Sie sonst nicht wünschen, daß es getrennt erscheint.

2) Fehlt zu dem 101. Epigramme der letzte halbe Pentameter

– – – Es deutet die fallende Blüthe dem Gärtner,
Daß die liebliche Frucht

Wollen Sie mir diese zwei Punkte mit dem schnellsten beantworten?

Mögen Sie in dem stillen geschäftigen Kreis, wo Sie jetzt sind, recht zufrieden sein und sich unserer mit Liebe erinnern. Frau von Kalb ist seit einigen Tagen hier und bleibt noch einige Tage. Meine Frau grüßt Sie schönstens.

Sch.

N. S.

In Nr. 29 steht unterständig, wovon ich nicht weiß, ob es Schreibfehler ist. Es geradezu dafür zu nehmen und unverständig dafür zu setzen, wäre in dem Contexte, worin es steht, eine zu große Commentators-Freiheit. Uebrigens kenne ich kein solches Wort, wenn es wirklich unterständig heißen soll. Resolviren Sie baldmöglichst darauf.


96. An Schiller.

Eben da ich Ihren Brief erhalte, geht eine Gelegenheit nach Weimar. Also einen schönen Gruß aus diesen stillen Gebirgen, in denen ich das schönste Wetter erlebt habe.

Das Epigramm kommt zurück und ter ist in be verwandelt, so mag's wohl noch hingehen.

Der letzte Pentameter des 101. Epigramms mag heißen:

Daß die liebliche Frucht schwellend im Herbste gedeiht.

Das Mährchen wünschte ich getrennt, weil eben bei so einer Production eine Hauptabsicht ist die Neugierde zu erregen. Es wird zwar immer auch am Ende noch Räthsel genug bleiben.

Zu dem Zug der Horen wünsche ich Glück; möge sich die Lust und Liebe des Publicums verdoppeln.

Frau von Kalb und Ihrer lieben Frauen empfehlen Sie mich.

Sonntag Abend bin ich in Weimar und hoffe Sie bald zu sehen. Leben Sie recht wohl.

Ilmenau den 3. September 1795.

G.


97. An Schiller.

Das Paket der Horen mit Ihrem und Hrn. v. Humboldts Brief hat mich freundlich empfangen, als ich von Ilmenau zurückkam, und ich schreibe zum ersten Gruße nur einige Worte.

Hier das Epigramm, weil Sie wohl keine Abschrift davon haben.

Jakobis Aufsatz ist wunderlich genug. Seinem Ludwig, Lear und Oedipus habe ich, als ein Profaner, nichts abgewinnen können; das zweite aber hat sehr viel Gutes, und wenn man von seiner Erklärung über Vorstellungsarten nun auch seine Vorstellungsart abzieht, so wird man sie sich leicht übersetzen können.

Die gute Aufnahme meines Mährchens erfreut mich und muntert mich auf. Wenn nur Einer von den hundert Kobolden des Alten von Ferney drinne spukt, so bin ich schon zufrieden. Wenn es zusammen ist, wünsche ich über die Intention und das Gelingen Ihre Gedanken zu hören.

Die zweite Hälfte des Mährchens und der Schluß des sechsten Buches des Romans sind nun meine nächsten Arbeiten. Wann müssen Sie das Mährchen haben?

Möchte Ihnen doch Ihr erster Ausritt ins Gebiet der Dichtkunst nach einer so langen Pause besser bekommen sein. Könnten Sie doch einige Zeit sich Ruhe lassen!

Grüßen Sie die liebe Frau und behalten mich lieb.

Weimar den 7. September 1795.

G.

98. An Goethe.

Jena den 9. September 1795.

Zur Zurückkunft nach W. wünschen wir Ihnen Glück. Warum kann ich nicht diese kleinen Veränderungen mit Ihnen theilen, die Leib und Seele stärken!

Das Mährchen kann nun erst im zehnten Stück der Horen erscheinen, da ich in der Zeit, daß ich Ihre Resolution erwartete, das nächste beste aus meinen Abhandlungen zum neunten Stück habe absenden müssen. Auch ist es im zehnten Stück noch nöthiger, weil ich zu diesem sonst noch keine glänzende Aussichten habe. Wollen Sie es alsdann noch getrennt, so kann der Schluß im eilften Stücke nachfolgen. Ich bin aber nie für das Trennen, wo dieses irgend zu verhindern ist, weil man das Publicum nicht genug dazu anhalten kann, das Ganze an einer Sache zu übersehen und darnach zu urtheilen.

Wenn das sechste Buch des Meisters fertig ist, so denken Sie doch wohl noch auf etwas zu den Horen, was in eins der letzten Stücke kann eingerückt werden. Wir müssen jetzt mit allen Segeln zu fahren suchen, denn ich weiß von mehrern Orten, auch aus Cottas Briefen, daß wir gar nicht sicher sind, unsere dermaligen Subscribenten auch fürs nächste Jahr zu behalten.

Für das neunte Stück habe ich noch redlich gethan, was ich konnte. Ich habe alle die größeren und kleineren Gedichte von mir, welche für den Almanach nicht schlechterdings nöthig waren, darin eingerückt, so daß dieses Stück nun siebzehn Artikel enthält, worüber man gewaltige Augen machen wird. Das Inhaltsverzeichniß will ich Ihnen beilegen.

Diese Zeit über, daß Sie weg sind, habe ich zwischen prosaischen und poetischen Arbeiten abgewechselt. Eine über das Naive angefangene Abhandlung scheint gelingen zu wollen, die Materie wenigstens entwickelt sich, und ich sehe mich auf einigen sehr glücklichen Spuren.

Ich hoffe wir sehen Sie bald wieder. Meine Frau begrüßt Sie.

Sch.


99. An Goethe.

Jena den 13. September 1795.

Nur ein kleines Lebenszeichen. Ich kann mich gar nicht daran gewöhnen, Ihnen acht Tage nichts zu sagen und nichts von Ihnen zu hören.

Sonst ist hier bei mir alles in altem guten und schlechten Stand. Aus dem Zimmer kann ich noch immer nicht, aber die Arbeiten gehen darum doch ihren Gang. Sie denke ich mir jetzt sehr mit Meyers Instruction beschäftigt, der wahrscheinlich bald abreist. Grüßen Sie ihn aufs beste von mir.

Ich wünschte zu wissen, ob es bei Vicenza ist, wo die schöne Brücke mit Einem Bogen (über die Etsch, wie ich denke) geführt ist. Schreiben Sie mir doch ein Wort darüber. Ich brauche diese Brücke zu einem Hexameter.

Wenn Sie sich nur entschließen wollten, für die drei letzten Horenstücke noch ein Almosen von einem Dutzend Epigramme oder ähnlicher poetischen kleinen Sachen beizusteuern. Ich will auch Herdern darum ersuchen, und selbst einige Gedanken dafür zu ertappen suchen. Solche kleine Sachen vermehren auf eine wohlfeile Art die Zahl, erfreuen dabei jeden Leser, und prangen auf dem Inhaltsverzeichniß der Stücke so gut als die größten Sachen. Dadurch habe ich es gezwungen, daß das neunte Stück siebzehn Artikel enthält.

In dem neuesten Stück des Archivs der Zeit findet sich eine Replik auf Ihren Aufsatz: Litterarischer Sanscülottism. Ich habe sie aber noch nicht gelesen, nur bloß die Anzeige davon in der Hamburger Zeitung. Sollten Sie das Stück in Weimar bald erhalten, so seien Sie doch so gütig es mir mitzutheilen.

Der Almanach kommt noch zu Stande, und wird gerade jetzt unter dem Druck sein. Humboldt wird nun in drei Wochen wieder hier sein, wenn nichts dazwischen kommt.

Mein Frau grüßt Sie bestens. Seien Sie nicht zu fleißig, und bleiben Sie auch nicht zu lang von Jena weg.

Sch.

Neuntes Stück

  1. Reich der Schatten.
  2. Beiträge zur Geschichte der neuern bildenden Kunst.
  3. Unterhaltungen. Fortsetzung.
  4. Hymne auf Apollo.
  5. Schwarzburg. Gedicht von Madame Mereau.
  6. Herders Homer.
  7. Natur und Schule, von mir.
  8. Verschleiertes Bild, item.
  9. Ueber die nothwendigen Grenzen des Schönen, besonders im Vortrag philosophischer Wahrheiten. Abhandlung von mir.

Gedichte von mir:

  1. Deutsche Treue.
  2. An einen Weltverbesserer.
  3. Antike an einen Wanderer.
  4. Der philosophische Egoist.
  5. Das Höchste.
  6. Weisheit und Klugheit.
  7. Ilias.
  8. Unsterblichkeit.

100. An Schiller.

Diese Tage habe ich Ihnen nicht geschrieben, weil ich einen Besuch zu Ihnen vorhatte, der mir aber nicht gelungen ist. Meyer bereitet sich zur Abreise und arbeitet noch eine colorirte Zeichnung von den drei Parzen aus, die Sie sehen sollen. Ich wünsche ihm nur Gesundheit, sonst geht er ausgestattet mit allen guten Gaben. Es ist ein herrlicher Mensch. Was mich betrifft so habe ich, wie Sie wohl fühlen, auch nur diese Zeit auf Einem Fuß gestanden und mit dem andern mich schon nach den Alpen bewegt. Die Mineralogie und geologische Base, die anfängliche und fortschreitende und gestörte Cultur des Landes habe ich von unten herauf theils zu gründen, theils zu überblicken gesucht und mich auch von oben herein, von der Kunstseite, noch mit Meyern auf alle Weise verständiget. Und doch sind das alles nur Schulvorübungen. Ein guter Geist helfe uns zum Schauen, zum rechten Begriff und zum fröhlichen Wiedersehen.

An die Horen denke ich täglich und hoffe auch noch etwas zu leisten. Möchten Sie doch des schönen Wetters unter freiem Himmel genossen haben!

Der gezüchtigte Thersit krümmt sich, wie ich höre, erbärmlich, bittet ab und fleht nur, daß man ihn leben lasse. Noch hab' ich das Stück nicht gesehen.

Leben Sie recht wohl und glauben Sie meiner Weissagung, daß mit dem neuen Jahre die Subscribenten der Horen sich eher vermehren als vermindern werden.

Weimar den 14. September 1795.

G.


101. An Schiller.

Ueber Ihre Anfrage wegen der Brücke habe ich etwas zu sagen unterlassen, das ich jetzt nachhole. Bei Vicenz ist keine merkwürdige einbogigte Brücke. Die zwei daselbst, von Palladio erbaut, sind dreibogigt. Auch ist mir außer dem Rialto zu Venedig keine der Art in jenen Gegenden erinnerlich.

Außer dem Pater peccavi des literarischen Sanskulotten ist noch für die Horen ein günstiger Stern erschienen, indem Genz vor den Briefen über ästhetische Erziehung große Reverenzen in seiner Monatschrift macht. Das kommt alles zur rechten Zeit und zu überlegen wäre es, ob man nicht vor Ende des Jahrs sich über einiges erklärte und unter die Autoren und Recensenten Hoffnung und Furcht verbreitete?

Nächstens besuchen wir Sie. Haben Sie die Güte mir das Mährchen zurück zu schicken, es soll vollendet zurückkehren. Leben Sie recht wohl.

Weimar den 16. September 1795.

G.


102. An Goethe.

Jena den 18. September 1795.

Nach Verlangen folgt hier das Mährchen. Wenn ich es nur in acht Tagen zurück erhalte, so kommt es noch recht zum Druck.

Für die tröstlichen Nachrichten, die Sie mir von den Horen geben, danke ich herzlich. Auch ich hoffe, daß uns die letzten Stücke wieder Glück bringen sollen. Sie enthalten gerade von demjenigen, was man an den vorhergehenden vermißte, viel: nämlich Poesie und Erzählung. Vor einigen Tagen schickte mir auch Engel wieder einen, über drei gedruckte Bogen starken, Aufsatz von einem für das Publicum sehr passenden Inhalt, theils Dialog, theils Erzählung; kein Wunderwerk des Genies freilich, aber gerade so, wie unsre werthen Leser es lieben. Daß aber auch diejenigen etwas erhalten, welche für dergleichen Oblationen zu gut sind, werden Sie noch sorgen, wie ich fröhlich und festiglich glaube.

Für das zehnte Stück wäre durch das Mährchen gesorgt. Es ist also nur noch das eilfte, worauf es ankommt, und worin wir unsre Stärke concentriren müssen. Besonders ist es auch um Mannigfaltigkeit zu thun.

Wenn Sie doch auch Herdern bewegen wollten, kleine Sachen, wie Epigramme im Geschmack der Anthologie &c. in die letzten Stücke zu stiften.

Humboldt schreibt mir aus Berlin, daß man von den drei letztherausgekommenen Horenstücken sehr gut spreche.

Wenn Sie das Archiv der Zeit und die Genzische Monatschrift früher als ich erhalten, so sind Sie wohl so gütig, mir die prächtigen Sachen auch mitzutheilen.

Ich freue mich Sie bald hier zu sehen. Wir beide grüßen Sie bestens.

Sch.


103. An Schiller.

Das Mährchen ist fertig und wird in neuer Abschrift Sonnabends aufwarten. Es war recht gut daß Sie es zurückhielten, theils weil noch manches zurecht gerückt werden konnte, theils weil es doch nicht übermäßig groß geworden ist. Ich bitte besonders die liebe Frau es nochmals von vorne zu lesen.

In der Mitte der andern Woche hoffe ich zu kommen mit Meyern; seine Abwesenheit wird mir sehr fühlbar werden. Wenn ich nur im Winter einige Zeit bei Ihnen sein kann!

Ich habe viel zu sagen und zu fragen und hoffe Sie wohl zu finden und manches gearbeitete. Grüßen Sie doch Humboldts vielmals.

Weimar den 23. September 1795.

G.


104. An Schiller.

Wie ich in dieser letzten unruhigen Zeit meine Tonne gewälzt habe, wird Ihnen, werther Mann, aus beiliegendem bekannt werden. Selig sind die da Mährchen schreiben; denn Mährchen sind à l'ordre du jour. Der Landgraf von Darmstadt ist mit 200 Pferden in Eisenach angelangt und die dortigen Emigrirten drohen sich auf uns zu repliiren. Der Churfürst von Aschaffenburg wird in Erfurt erwartet.

Ach! warum steht der Tempel nicht am Flusse!
Ach! warum ist die Brücke nicht gebaut!

Ich wünsche indessen, weil wir doch immer Menschen und Autoren bleiben, daß Ihnen meine Production nicht mißfallen möge. Wie ernsthaft jede Kleinigkeit wird, sobald man sie kunstmäßig behandelt, hab' ich auch diesmal wieder erfahren. Ich hoffe die achtzehn Figuren dieses Dramatis sollen, als so viel Räthsel, dem Räthselliebenden willkommen sein.

Meyer packt und wir erscheinen bald; hoffentlich haben Sie uns mit mancherlei zu regaliren. Leben Sie recht wohl.

Weimar den 26. September 1795.

G.


105. An Goethe.

Ich höre von unserm Freunde, der sich Ihnen noch bestens empfiehlt, daß Sie sich ganz in Ihr Zimmer vergraben hätten, um Ihren Roman zu expediren, weil Unger pressirt. Meine besten Wünsche zu diesem Geschäft. Ich bin voll Erwartung, diesen dritten Theil beisammen zu sehen.

Uebermorgen werden wir Sie also wieder sehen, worauf ich mich herzlich freue und lange gehofft habe.

Humboldt kommt diesen Winter nicht mehr hieher, welches mir sehr unangenehm ist.

Seien Sie doch so gütig, mir das Archiv der Zeit, welches die berühmte Antwort auf Ihren Angriff enthält, so wie auch das Stück der neuen Monatsschrift, worin mein Lob stehen soll, mitzubringen. Ich kann beides hier nicht zu Gesicht bekommen.

Ein Rudel Gedichte erwartet Sie hier.

Ich höre mit Vergnügen, daß Sie damit umgehen, uns eine neue Acquisition für die Horen zu verschaffen, von der ich im Voraus eine sehr gute Meinung habe.

Das Mährchen hat uns recht unterhalten, und es gefällt gewiß allgemein. Mündlich ein Mehreres.

Jena den 2. October 1795.

Leben Sie recht wohl.

Sch.


106. An Schiller.

Der Wunsch Sie wieder zu sehen ist mir diese Zeit her immer vereitelt worden. Morgen hoffe ich bei Ihnen zu sein und zu vernehmen was Sie in dem Zwischenraume gearbeitet haben.

Daß mir, nach Ihrem Urtheil, das Mährchen geglückt ist, macht mir viel Freude, und ich wünsche über das ganze Genre nunmehr mit Ihnen zu sprechen und noch einige Versuche zu machen.

Der Schluß des sechsten Buches meines Romans geht Montags ab und dieser Band wird gedruckt bald aufwarten. Im folgenden rollt der Stein den Berg hinab und das meiste ist schon geschrieben und fertig.

Die verlangten Monatschriften lasse ich aufsuchen, sie wo möglich mitzubringen.

Die Knebelischen Elegien sind recht gefunden und in mehr als Einem Sinne gut und heilsam. Vielleicht bringe ich einige mit. Vielmals Adieu.

Den 3. October 1795.

G.


107. An Schiller.

[Weimar den 6. October 1795.]

Anstatt gestern von Ihnen fortzueilen, wäre ich lieber geblieben, und die Unbehaglichkeit eines unbefriedigten Zustandes hat mich auf dem ganzen Wege begleitet. In so kurzer Zeit giebt man vielerlei Themata an und führt keins aus, und so vielerlei man auch rege macht, kommt doch wenig zur Runde und Reife.

Ihren Gedichten hab' ich auf meiner Rückkehr hauptsächlich nachgedacht; sie haben besondere Vorzüge, und ich möchte sagen, sie sind nun wie ich sie vormals von Ihnen hoffte. Diese sonderbare Mischung von Anschauen und Abstraction, die in Ihrer Natur ist, zeigt sich nun in vollkommenem Gleichgewicht, und alle übrigen poetischen Tugenden treten in schöner Ordnung auf. Mit Vergnügen werde ich sie gedruckt wiederfinden, sie selbst wiederholt genießen und den Genuß mit andern theilen. Das kleine Gedicht in Stanzen an das Publicum würde den diesjährigen Jahrgang der Horen sehr schicklich und anmuthig schließen.

Ich habe mich sogleich mit der Frau von Stael beschäftigt und finde mehr Arbeit dabei als ich dachte; indessen will ich sie durchsetzen, denn es ist nicht viel; das Ganze giebt höchstens fünf und fünfzig Blätter meines Manuscripts. Die erste Abtheilung von ein und zwanzig Blättern sollen Sie bald haben. Ich werde mich in einer kleinen Vorrede an den Herausgeber über die Art erklären, wie ich bei der Uebersetzung verfahren bin. Um Ihnen kleine Zurechtweisungen zu ersparen, hab' ich ihre Worte unserm Sinne genähert, und zugleich die französische Unbestimmtheit nach unserer deutschen Art etwas genauer zu deuten gesucht. Im einzelnen werden Sie sehr viel Gutes finden, da sie aber einseitig und doch wieder gescheut und ehrlich ist, so kann sie mit sich selbst auf keine Weise einig werden; als Text aber können Sie es gewiß fürtrefflich brauchen. Ich wünschte, daß Sie sich die Mühe gäben, in Ihrer Arbeit so klar und galant als möglich zu sein, damit man es ihr in der Folge zuschicken und dadurch einen Anfang machen könnte, den Tanz der Horen auch in das umgeschaffne Frankreich hinüber zu leiten.

Weimar den 10. October 1795.

So weit hatte ich vor einigen Tagen dictirt, nun sage ich Ihnen nochmals Adieu, ich gehe erst morgen frühe weg. Das Staelische Werk erhalten Sie bald, halb oder ganz. Was die gute Frau mit sich selbst eins und uneins ist!

Von Frankfurt schreibe ich bald. Leben Sie recht wohl mit den Ihrigen. Grüßen Sie Humboldt; von Frankfurt schreibe ich auch ihm. Wenn mein Roman ankommt erhalten Sie vier Exemplare, wovon Humboldt, Loder, Prof. Hufeland die drei erhalten. Wenn Humboldt nicht, wie ich hoffe, das seinige schon in Berlin weggenommen hat.

G.

»Welch ein erhabner Gedanke! uns lehrt der unsterbliche Meister
Künstlich zu spalten den Strahl, den wir nur einfach gekannt.«
Das ist ein pfäffischer Einfall! denn lange spaltet die Kirche
Ihren Gott sich in drei, wie ihr in sieben das Licht.


108. An Schiller.

Bald werde ich Sie wieder sehen, denn meine Reise nach Frankfurt hat nicht statt. Die Frau von Stael wird wohl noch vor mir aufwarten; die Abschrift ist bald fertig. Haben Sie denn etwa Humboldt ein Wort wegen des Quartiers gesagt? Es wäre gar artig wenn ich sein Stübchen beziehen könnte, da im Schlosse die Fußtapfen des Militairs sobald nicht auszulöschen sind. Ich bin mit Herz, Sinn und Gedanken nur an dem Roman und will nicht wanken bis ich ihn überwunden habe. Leben Sie recht wohl und denken mein bei Ihren Arbeiten und grüßen die liebe Frau.

Eisenach den 16. October 1795.

G.


109. An Goethe.

Jena den 16. October 1795.

Hätte ich vermuthen können, daß Sie länger in Eisenach bleiben würden, so würde ich es nicht so lange haben anstehen lassen, Ihnen zu schreiben. Es ist mir in der That lieb, Sie noch ferne von den Händeln am Main zu wissen. Der Schatten des Riesen könnte Sie leicht etwas unsanft anfassen. Es kommt mir oft wunderlich vor, mir Sie so in die Welt hinein geworfen zu denken, indem ich zwischen meinen papiernen Fensterscheiben sitze, und auch nur Papier vor mir habe, und daß wir uns doch nahe sein und einander verstehen können.

Ihr Brief von Weimar hat mir große Freude gemacht. Es giebt gegen Eine Stunde des Muths und Vertrauens immer zehen, wo ich kleinmüthig bin und nicht weiß, was ich von mir denken soll. Da kommt mir eine solche Anschauung meiner selbst außer mir recht zum Troste. Auch Herder hat mir über meine Gedichte kürzlich viel erfreuendes geschrieben.

Soviel habe ich nun aus gewisser Erfahrung, daß nur strenge Bestimmtheit der Gedanken zu einer Leichtigkeit verhilft. Sonst glaubte ich das Gegentheil und fürchtete Härte und Steifigkeit. Ich bin jetzt in der That froh, daß ich mir es nicht habe verdrießen lassen, einen sauren Weg einzuschlagen, den ich oft für die poetisirende Einbildungskraft verderblich hielt. Aber freilich spannt diese Thätigkeit sehr an, denn wenn der Philosoph seine Einbildungskraft und der Dichter seine Abstractionskraft ruhen lassen darf, so muß ich, bei dieser Art von Productionen, diese beiden Kräfte immer in gleicher Anspannung erhalten, und nur durch eine ewige Bewegung in mir kann ich die zwei heterogenen Elemente in einer Art von Solution erhalten.

Den Staelischen Bogen sehe ich mit vieler Erwartung entgegen. Wenn es irgend der Raum erlaubt, so bin ich auch dafür, sogleich das Ganze in Ein Stück zu setzen. Meine Bemerkungen bringe ich alsdann in dem nächsten Stücke nach. Der Leser hat unterdessen die seinigen darüber angestellt, und hört mir mit mehr Interesse zu. Auch würde ich schwerlich in der kurzen Frist, die zu dem eilften Stücke noch übrig ist, damit fertig werden können, wenn ich auch die Uebersetzung auf den nächsten Montag erhalte. Herder hat für das eilfte Stück auch einen Aufsatz über die Grazien geschickt, in welchem er diese misbrauchten Gestalten in ihre alten Rechte zu restituiren sucht. Er verspricht noch einen Aufsatz für das zwölfte Stück. Ich hoffe mit der Abhandlung über das Naive, die nur etliche Bogen stark wird, und wie ich denke sehr populär geschrieben ist, noch für das eilfte Stück fertig zu werden. An kleinen poetischen Zugaben fehlt es auch nicht. Hier erhalten Sie einige Schnurren von mir. Die Theilung der Erde hätten Sie billig in Frankfurt auf der Zeile vom Fenster aus lesen sollen, wo eigentlich das Terrain dazu ist. Wenn sie Ihnen Spaß macht, so lesen Sie sie dem Herzog vor.

Bei dem andern Stück habe ich mich über den Satz des Widerspruchs lustig gemacht; die Philosophie erscheint immer lächerlich, wenn sie aus eigenem Mittel, ohne ihre Abhängigkeit von der Erfahrung zu gestehen, das Wissen erweitern und der Welt Gesetze geben will.

Daß Sie den Meister bald vornehmen wollen, ist mir sehr lieb. Ich werde dann nicht säumen, mich des Ganzen zu bemächtigen, und wenn es mir möglich ist, so will ich eine neue Art von Kritik, nach einer genetischen Methode, dabei versuchen, wenn diese anders, wie ich jetzt noch nicht präcis zu sagen weiß, etwas Mögliches ist.

Meine Frau und meine Schwiegermutter, die gegenwärtig hier ist, empfehlen sich Ihnen aufs beste. Es ist hier bei mir angefragt worden, wo Sie gegenwärtig wären, ich habe aber unnöthig gefunden, es zu sagen. Erhalten Sie Nachrichten von unserem italienischen Wanderer, so bitte ich, sie mir auch mitzutheilen.

Leben Sie recht wohl.

Sch.


110. An Schiller.

Ob ich gleich schon Mittwoch wieder hoffe in Weimar zu sein, so schicke Ihnen doch die Abhandlung voraus; ich habe sie nicht einmal in der Abschrift durchsehen können. Hie und da läßt sich noch einiges retouchiren. Vielleicht besuche ich Sie zu Ende der Woche und wir sehen uns früher wieder als ich dachte. Wie ist das zerstreute Leben doch ein leeres Leben; man erfährt nur gerade das was man nicht wissen mag. Ich freue mich recht Sie wieder zu sehen.

Eisenach den 17. October 1795.

G.


111. An Goethe.

Jena den 19. October 1795.

Seien Sie mir willkommen in Weimar! Ich bin recht froh Sie wieder in der Nähe zu wissen. Daß Sie die letzten acht Tage nicht haben hier sein können, that mir sehr leid. Ich befand mich bei dem schönen Wetter merklich leichter und bin auch heute wieder spazieren gefahren, welches mir ganz wohl bekam. Freilich ist auch dafür mehrere Tage nichts gearbeitet worden.

Die Frau Stael erwarte mit Begierde.

Meinen Brief, den ich Ihnen vorigen Freitag nach Eisenach schrieb, haben Sie vermuthlich noch nicht erhalten, und waren abgereist, eh er dort ankam.

Von Humboldt erwarte ich des Quartiers wegen Antwort. Ich habe es, weil ich noch nicht weiß, ob sein Logis in abtretbarem Stande ist, nur so sachte berührt, daß er nicht genirt ist, es auch mit Stillschweigen zu übergehen. Es wäre mir gar lieb, wenn Ihnen eine rechte Bequemlichkeit hier könnte verschafft werden.

Zu dem Roman wünsche ich alles Glück und Segen. Ich zweifle gar nicht, daß es jetzt das vortheilhafteste für das ganze ist, wenn Sie ununterbrochen darin leben. Dann halte ich es für keinen unbedeutenden Gewinn, wenn Sie den letzten Band einige Monate früher fertig haben, als er in Druck gegeben werden muß. Sie haben eine große Rechnung abzuschließen. Wie leicht vergißt sich da eine Kleinigkeit.

Finden Sie unter Ihren Papieren den Brief, den ich Ihnen im vorigen Jahre nach meiner Zurückkunft von Jena zur Eröffnung einer ästhetischen Correspondenz schrieb, so haben Sie die Güte ihn mir zu schicken. Ich denke jetzt etwas daraus zu machen. Meine Frau und Schwiegermutter, die auf einige Wochen hier ist, empfehlen sich.

Sch.


112. An Goethe.

Jena den 24. October 1795.

Ich habe mit dem Expressen, der Ihnen diesen Brief bringt, ein Intelligenzblatt der Lit. Zeitung in Correctur an Herdern geschickt, worin ein höchst grober und beleidigender Ausfall Wolfs in Halle auf den Herderischen Aufsatz im neunten Horenstück abgedruckt ist. Ich finde es schlechterdings nöthig, wie Sie gewiß auch finden werden, daß Herder irgendwo darauf replicirt. Sie werden aber finden, daß nicht wohl etwas anders geschehen kann, als den Philister zu persifliren.

Mir wäre es sehr lieb, wenn Sie den Ausfall lesen, und mit Herdern darüber communiciren könnten, ehe Sie hieher kommen, so könnten wir vielleicht gemeinschaftlich etwas beschließen.

Vielleicht sehe ich Sie morgen, welches mir recht angenehm sein würde, denn wir haben uns wieder vielerlei zu sagen.

Ich habe meine Abhandlung über das Naive einen Posttag zurückbehalten, um sie Ihnen, wenn Sie morgen oder übermorgen kämen, noch vorlesen zu können.

Meine Frau und Schwiegermutter empfehlen sich.

Sch.


113. An Schiller.

Ich bin neugierig zu vernehmen was uns das Intelligenzblatt bringt; schon gestern in der Comödie hört' ich davon summen.

Heute komme ich nicht, mein Lieber, aber ich hoffe bald. Jeden Tag erwarte ich einen neuen Weltbürger in meinem Hause, den ich doch gern freundlich empfangen möchte. Indessen ist das Schloß von den militairischen Effluvien gereinigt und ich kann einige Tage bei Ihnen bleiben.

Leben Sie recht wohl, empfehlen mich den Damen und behalten mich lieb.

In diesen letzten zerstreuten Tagen habe ich meine Italiänischen Collectaneen vorgenommen und zu ordnen angefangen und mit viel Freude gesehen: daß, mit einiger Beharrlichkeit, ein wundersames Werk wird zusammengestellt werden können.

Haben Sie keine Abschrift vom Aufsatz übers Naive?

Weimar den 25. October 1795.

G.

Jene Blätter nach denen Sie fragten habe ich noch nicht gefunden, sie liegen aber gewiß nicht weit.


114. An Goethe.

Jena den 26. October 1795.

Zu dem neuen Hausgenossen gratulire ich im Voraus. Lassen Sie ihn immer ein Mädchen sein, so können wir uns noch am Ende mit einander verschwägern.

Ich habe Ihnen vorgestern von der Mad. Stael zu schreiben vergessen. Das Produkt ist mit vielem Geiste geschrieben, und da es darin mehr wetterleuchtet als ordentlicher Tag ist, so qualificirt es sich gar nicht übel zum Commentiren. Eine eigentliche Harmonie hineinzubringen möchte schwer sein und auch die Mühe nicht genug lohnen. Im einzelnen aber läßt es sich versuchen, auch habe ich mir schon etliche Materien daraus gewählt, die auch sonst nicht außer der Zeit sein werden.

Sie haben einigemal den Ausdruck: verführen von der Poesie gebraucht. Ich wünschte zu wissen, wie dieß im Original heißt, ob es bloß täuschen überhaupt bedeutet, weil verführen auch in ästhetischer Bedeutung einen Nebenbegriff hat.

Es freut mich, daß Sie in Ihren italienischen Papieren so viel Ausbeute finden. Ich war immer auf diese Papiere sehr begierig, nach dem wenigen zu urtheilen, was Sie davon haben laut werden lassen. Erinnern Sie sich bei diesen Nachforschungen auch der Horen und leiten Sie einen Arm dieses Paktolus hinein.

Ich bin begierig, was Sie zu dem Wolfischen Ausfall sagen werden, wenn Sie ihn gelesen. Herder wünscht, daß ich bloß als Redacteur etwas darüber sagen möchte, insofern auch die Horen mit getroffen werden sollten; und da ich es nicht für rathsam halte, ganz zu schweigen und dem Philister gleich anfangs das letzte Wort zu lassen, so will ich es lieber thun, als daß ganz geschwiegen wird.

Ich habe die zwei neuen Musenalmanache gelesen, die über die Maßen dürftig und elend sind. Voß hat 29 Stücke in den seinigen geliefert, worunter Sie vergeblich ein einziges gutes suchen, und die meisten abominabel sind. Ich habe sie Herdern mitgegeben.

Leben Sie recht wohl. Ich hoffe bald wieder von Ihnen zu hören.

Die Meinigen grüßen.

Sch.


115. An Schiller.

Seit meiner Rückkunft habe ich mich noch nicht wiederfinden können, hier also nur indessen das verlangte Manuscript.

Ich habe, glaub' ich, auch noch nichts über die Gedichte gesagt die Sie mir nach Eisenach schickten; sie sind sehr artig, besonders das Theil des Dichters ganz allerliebst, wahr, treffend und tröstlich.

Sollten Sie sich nicht nunmehr überall umsehn und sammeln, was gegen die Horen im allgemeinen und besondern gesagt ist, und hielten am Schluß des Jahrs darüber ein kurzes Gericht, bei welcher Gelegenheit der Günstling der Zeit auch vorkommen könnte? Das hallische philosophische Journal soll sich auch ungebührlich betragen haben. Wenn man dergleichen Dinge in Bündlein bindet, brennen sie besser.

Leben Sie recht wohl. Lieben Sie mich. Empfehlen Sie mich der lieben Frauen und Ihrer Frau Mutter. Das Schwiegertöchterchen säumt noch.

Weimar den 28. October 1795.

Goethe.


116. An Goethe.

Sonntag Abends. [1. Nov.]

Ich bin ungeduldig wieder ein Lebenszeichen von Ihnen zu erhalten. Mir ist als wenn ich gar lange nichts von Ihnen erfahren hätte. Das Evenement im Hause ist, wie ich hoffe, glücklich vorbeigegangen.

Wir leben jetzt recht in den Zeiten der Fehde. Es ist eine wahre Ecclesia militans – die Horen meine ich. Außer den Völkern, die Herr Jacob in Halle commandirt und die Herr Manso in der Bibliothek d. S. W. hat ausrücken lassen, und außer Wolfs schwerer Cavallerie haben wir auch nächstens vom Berliner Nicolai einen derben Angriff zu erwarten. Im zehnten Theil seiner Reisen soll er fast von nichts als von den Horen handeln und über die Anwendungen Kantischer Philosophie herfallen, wobei er alles unbesehen, das Gute wie das Horrible, was diese Philosophie ausgeheckt, in einen Topf werfen soll. Es läßt sich wohl noch davon reden, ob man überall nur auf diese Plattituden antworten soll. Ich möchte noch lieber etwas ausdenken, wie man seine Gleichgültigkeit dagegen recht anschaulich zu erkennen geben kann. Nicolain sollten wir aber doch von nun an in Text und Noten, und wo Gelegenheit sich zeigt, mit einer recht insignen Geringschätzung behandeln.

Haben Sie die neuen Musenalmanache gesehen? Sie sind horribel.

Leben Sie recht wohl.

Sch.


117. An Schiller.

Statt eines artigen Mädchens ist endlich ein zarter Knabe angekommen und so läge denn eine von meinen Sorgen in der Wiege. Nun wäre es an Ihnen, zu Bildung der Schwägerschaft und zu Vermehrung der dichtrischen Familie für ein Mädchen zu sorgen. Ich komme nun bald und bedarf wirklich eines Gesprächs wie ich es mit Ihnen führen kann; ich habe Ihnen viel zu sagen. Noch immer bin ich nicht auf den Pfaden der Dichtung. Durch äußre Veranlassung habe ich in der Baukunst mich wieder umgesehen und habe einiges bei dieser Gelegenheit zusammengestellt, das Urtheil über solche Kunstwerke zu erleichtern und zu fixiren.

Von Meyern habe ich einen Brief von München mit sehr schönen Nachrichten von diesem Orte, auch von Nürnberg. Ich bringe sie mit. Sagen Sie mir wie Sie sich befinden und gedenken mein.

Weimar den 1. November 1795.

G.


118. An Goethe.

Jena den 4. Novbr. 1795.

Zum neuen Ankömmling meinen herzlichen Glückwunsch. Ich hätte Ihnen wohl ein Pärchen gönnen mögen, aber dazu kann ja Rath werden. Nunmehr hoffe ich auch, Sie bald hier zu sehen, und freue mich recht darauf. Humboldten ist es sehr angenehm, wenn Sie sein Logis ganz als das Ihrige ansehen wollen. Das einzige Bedenken dabei war, daß Hellfeld, der sich im Contract ausbedungen daß keine Aftermiethe stattfinden dürfte, vielleicht eine Einwendung machen möchte. Weil aber hier ja von keiner Miethe die Rede ist, so wird er nicht so albern sein, sich auf den Contract zu berufen. Ich habe zum Ueberfluß einen Brief von Humboldt an ihn in Händen, den ich, sobald Sie ihn bloß mit einem kleinen Billet an Hellfeld begleiten wollen, worin Sie um Uebergabe des Schlüssels bitten, an ihn abliefern will. Er wird, wenn Sie ihm diese Ehre anthun sehr bereitwillig sein. Sie werden sich gewiß in dieser Wohnung besser als im Schlosse gefallen.

Ihre Elegien haben, wie Ihnen der eingeschlossene Brief des D. Gros an Hrn. v. Humboldt zeigen wird, auch in der lateinischen Welt einen großen und gar keinen unwichtigen Bewunderer gefunden. Ich lege den Brief in Natura bei; vielleicht gefällt es Ihnen zu Realisirung des Wunsches, den der Verfasser desselben äußert, etwas beizutragen. Mir däucht, daß ich Ihnen schon von demselben etwas erzählt habe; so viel kann ich mit Gewißheit versichern, daß unsere Akademie an diesem Manne keine unwichtige Requisition machen würde. Ich kenne wenige aus der neuen Generation, die einen so gesunden Kopf, so viel gründlichen Verstand und eine so solide Beurtheilungskraft haben. Im juristischen Fach hat man ihn in Göttingen sehr geachtet.

Auf den Meister warte ich mit rechter Ungeduld. Eilfertigkeit ist, wie es scheint, Ungers Sache nicht.

Leben Sie recht wohl. Meine Frau empfiehlt sich aufs beste.

Sch.

Die Horen sind Ihnen doch letzten Montag richtig zugekommen? Das achte Exemplar für Meyer habe ich an Fräulein von Imhof abgeben lassen, wie unser Freund verordnet hat. Die Exemplare sind schlecht conditionirt, und ich habe die Ihrigen noch dazu ausgesucht. Cotta entschuldigt sich mit dem Krieg, der die Papierlieferung gestört habe.


119. An Goethe.

Jena den 20. November 1795.

Den Verlust, den Sie erlitten, haben wir herzlich beklagt. Sie können sich aber damit trösten, daß er so früh erfolgt ist, und mehr Ihre Hoffnung trifft. Ich könnte mich schwer darein finden, wenn mir mit meinem Kleinen jetzt noch ein Unglück begegnete.

Seit etwa sechs Tagen habe ich mich ganz leidlich befunden, und die gute Zeit auch brav benutzt, um in meiner Abhandlung vorzurücken.

Schlegel schrieb mir kürzlich und schickte etwas für die Horen. Er ist sehr entzückt über das Mährchen; auch Humboldts haben große Freude daran. Werden Sie vielleicht Muße finden das neue noch für den Januar fertig zu bringen? Wenn ich es in den ersten Tagen des Januars spätestens hätte, so könnte es noch in das erste Stück kommen. Mir wäre dieß ungemein lieb, da wir doch gut anfangen müssen, und ich noch nichts im Fach der Darstellung habe.

Ueber den neuen Theil des Meisters, wofür wir Ihnen schönstens danken, habe ich schon allerlei Urtheil eingezogen. Jedermann findet das sechste Buch an sich selbst sehr interessant, wahr und schön, aber man fühlt sich dadurch im Fortschritt aufgehalten. Freilich ist dieses Urtheil kein ästhetisches, denn beim ersten Lesen, besonders einer Erzählung, dringt mehr die Neugierde auf den Erfolg und das Ende, als der Geschmack auf das Ganze.

Sind Sie noch Willens den letzten Theil ein Jahr lang zurückzuhalten?

Herr v. Soden schickt mir heute eine schreckliche Production: Aurora oder das Kind der Hölle, die eine elende Nachahmung der Biondetta ist. Prächtig ist der Gedanke, daß er die ganze Zauberei als eine bloße Maschinerie einer Liebhaberin des Helden entwickelt, die ihn dadurch erobern will. So verpufft endlich das ganze Pathos. Auch das übrige ist dieses weisen Einfalls würdig.

Leben Sie recht wohl und alle Musen seien mit Ihnen. Meine Frau grüßt.

Sch.


120. An Schiller.

Heute habe ich 21 properzische Elegien von Knebeln erhalten, ich werde sie sorgfältig durchgehen und was ich dabei bemerke dem Uebersetzer mittheilen, denn da er sich so viel Mühe gegeben, so möchte wohl ohne seine Beistimmung nichts zu verändern sein.

Ich wünschte daß Sie Cottaen ansönnen, dieses Manuskript, dessen künftiger Bogenbetrag sich leicht ausrechnen läßt, sogleich zu bezahlen. Ich habe zwar hierzu keinen unmittelbaren Anlaß, aber es sieht doch gleich viel artiger aus, muntert zu fleißiger Mitarbeit auf und dient zur Verbreitung des guten Rufs der Horen. Da ein Buchhändler so oft Vorschüsse geben muß, so kann er auch wohl einmal ein Manuscript beim Empfang bezahlen. Knebel wünscht, daß sie auf dreimal gedruckt werden, ich glaube auch, daß das die rechte Proportion ist, und so würden dadurch die drei ersten Horenstücke des künftigen Jahrs decorirt. Ich will sorgen daß sie zur rechten Zeit in Ihren Händen sind.

Haben Sie schon die abscheuliche Vorrede Stolbergs zu seinen platonischen Gesprächen gelesen? Die Blößen die er darin giebt sind so abgeschmackt und unleidlich, daß ich große Lust habe drein zu fahren und ihn zu züchtigen. Es ist sehr leicht die unsinnige Unbilligkeit dieses bornirten Volks anschaulich zu machen, man hat dabei das vernünftige Publicum auf seiner Seite und es giebt eine Art Kriegserklärung gegen die Halbheit, die wir nun in allen Fächern beunruhigen müssen. Durch die geheime Fehde des Verschweigens, Verruckens und Verdruckens, die sie gegen uns führt, hat sie lange verdient daß ihrer nun auch in Ehren und zwar in der Continuation gedacht werde.

Bei meinen wissenschaftlichen Arbeiten die ich nach und nach zusammenstelle, finde ich es doppelt nöthig, und nicht zu umgehen. Ich denke gegen Recensenten, Journalisten, Magazinsammler und Compendienschreiber sehr frank zu Werke zu gehen und mich darüber, in einer Vor- oder Nachrede, gegen das Publicum unbewunden zu erklären und besonders in diesem Falle keinem seine Renitenz und Reticenz passiren zu lassen.

Was sagen Sie z. B. dazu, daß Lichtenberg, mit dem ich in Briefwechsel über die bekannten optischen Dinge, und übrigens in einem ganz leidlichen Verhältniß stehe, in seiner neuen Ausgabe von Erxlebens Compendio, meiner Versuche auch nicht einmal erwähnt, da man doch gerade nur um des neuesten willen ein Compendium wieder auflegt und die Herren in ihre durchschoßnen Bücher sich sonst alles geschwind genug zu notiren pflegen. Wie viel Arten giebt es nicht so eine Schrift auch nur im Vorbeigehen abzufertigen, aber auf keine derselben konnte sich der witzige Kopf in diesem Augenblicke besinnen.

Die ästhetische und sentimentale Stimmung ist in diesem Augenblick ferne von mir, was denken Sie wie es dem armen Roman gehen werde? Ich brauche die Zeit indessen wie ich kann und es ist bei der Ebbe zu hoffen, daß die Fluth wiederkehren werde.

Ich erhalte Ihren lieben Brief und danke für den Antheil dessen ich schon versichert war. Man weiß in solchen Fällen nicht ob man besser thut sich dem Schmerz natürlich zu überlassen, oder sich durch die Beihülfen die uns die Cultur anbietet zusammen zu nehmen. Entschließt man sich zu dem letzten, wie ich es immer thue, so ist man dadurch nur für einen Augenblick gebessert und ich habe bemerkt, daß die Natur durch andere Krisen immer wieder ihr Recht behauptet.

Das sechste Buch meines Romans hat auch hier guten Effect gemacht; freilich weiß der arme Leser bei solchen Productionen niemals wie er dran ist, denn er bedenkt nicht, daß er diese Bücher gar nicht in die Hand nehmen würde, wenn man nicht verstünde seine Denkkraft, seine Empfindung und seine Wißbegierde zum besten zu haben.

Die Zeugnisse für mein Mährchen sind mir sehr viel werth, und ich werde künftig auch in dieser Gattung mit mehr Zuversicht zu Werke gehen.

Der letzte Band des Romans kann auf alle Fälle vor Michaeli nicht erscheinen; es wäre sehr artig wenn wir die Plane, von denen Sie neulich sprachen, darauf richteten.

Das neue Mährchen kann wohl schwerlich im December fertig werden; selbst darf ich nicht wohl ohne etwas auf eine oder andere Weise über die Auslegung des ersten gesagt zu haben, zu jenem übergehen. Kann ich etwas zierliches dieser Art noch im December leisten, so soll es mir lieb sein auch auf diese Weise an dem ersten Eintritt ins Jahr Theil zu nehmen.

Leben Sie recht wohl! Mögen wir recht lange uns der unsrigen und unserer Freundschaft erfreuen. Zum neuen Jahre hoffe ich Sie wieder auf einige Zeit zu besuchen.

Weimar den 21. November 1795.

G.


121. An Goethe.

Jena den 23. November 1795.

Auf die Knebelsche Arbeit bin ich sehr neugierig, und zweifle nicht, daß die beßre Gattung unsrer Leser uns dafür danken wird. Dem größern Theil freilich werden wir nicht damit gefallen, das weiß ich vorher: den kann man nur durch Aufsätze von dem Schlage, wie Lorenz Stark ist, gewinnen. Sie glauben nicht, wie allgemein man sich an diesem Aufsatz erlustigt. Noch von keinem ist so viel Redens gewesen.

Was den Vorschuß für die Knebelschen Elegien betrifft, so glaube ich nur, wir werden Cottaen gerade jetzt, wo sein Muth in Ansehung der Horen durch das häufige Aufkündigen der Subscription etwas Ebbe ist, nicht sehr damit erbauen. Indeß, bezahlen wird er gewiß, wenn darauf bestanden wird; aber ich möchte es ihm gerne jetzt ersparen. Ich weiß nicht, wie hoch die Summe sich etwa belaufen wird; ist sie mäßig, so will ich als Redacteur statt Cotta sie bezahlen. Vielleicht wird der Zweck auch schon erreicht, wenn man etwa sogleich die Hälfte abträgt, und den Rest in der Messe. Die Bezahlung würde dann immer noch vor dem Abdruck des ganzen Manuscripts erfolgen, denn ich wäre nicht dafür, die drei Lieferungen ununterbrochen in den drei ersten Monaten zu machen, sondern immer einen Monat ausfallen zu lassen. Sechs oder acht Bogen von Einerlei Autor, unter Einerlei Titel und noch außerdem Uebersetzung würden, zu schnell hintereinander, zu einförmig gefunden werden.

Wenn Sie also glauben daß ein Vorschuß von etwa 20 Louisdor jetzt gleich bezahlt von Wirkung sein würde, so liegt die Summe parat, und wir brauchen Cotta gar nicht dazu. Ich weiß er steht schon mit 60 Louisdor bei Fichte im Vorschuß, und Gott weiß! – wann er da zu seinem Geld kommen wird. Mehrere kleine Aufsätze wie z. B. Weißhuhns &c. sind auch schon von ihm bezahlt.

Doch genug von diesem Artikel. Ihr Unwille über die Stolberge, Lichtenberge und Consorten hat sich auch mir mitgetheilt, und ich bin's herzlich zufrieden, wenn Sie ihnen eins anhängen wollen. Indeß, das ist die histoire du jour. Es war nie anders und wird nie anders werden. Seien Sie versichert, wenn Sie einen Roman, eine Comödie geschrieben haben, so müssen Sie ewig einen Roman, eine Comödie schreiben. Weiter wird von Ihnen nichts erwartet, nichts anerkannt – und hätte der berühmte Hr. Newton mit einer Comödie debütirt, so würde man ihm nicht nur seine Optik, sondern seine Astronomie selbst lange verkümmert haben. Hätten Sie den Spaß sich gemacht, Ihre optischen Entdeckungen unter dem Namen unsers Professor Voigts oder eines ähnlichen Cathederhelden in die Welt zu bringen, Sie würden Wunder daran erlebt haben. Es liegt gewiß weniger an der Neuerung selbst, als an der Person, von der sie herrührt, daß diese Philister sich so dagegen verhärten.

Stolbergs Delictum wünschte ich in Augenschein nehmen zu können. Können Sie mir's auf einen Posttag verschaffen, so wird es mir sehr lieb sein. Bei diesem Menschen ist Dünkel mit Unvermögen in so hohem Grade gepaart, daß ich kein Mitleid mit ihm haben kann. Der närrische Mensch, der Jenisch in Berlin, der sich in alles mischen muß, hat auch die Recensionen der Horen gelesen, und in dem ersten Feuer einen Aufsatz über mich und meinen schriftstellerischen Charakter geschrieben, der eine Apologie gegen jene Anklagen vorstellen soll. Humboldt hat ihn zum Glück von Genz, in dessen Monatschrift derselbe bestimmt war, in Manuscript erhalten, und den Abdruck noch hintertrieben. Doch bin ich nicht davor sicher, daß er ihn nicht anderswo drucken laßt. Es ist ein ganz eigenes Unglück, daß ich, bei so heftigen und zahlreichen Feinden, doch noch am meisten von dem Unverstand eines Freundes zu fürchten habe, und die wenigen Stimmen, die für mich sprechen wollen, über Hals und Kopf zum Schweigen bringen muß.

Eine Beurtheilung Ihres Meisters werde ich im August oder September künftigen Jahrs sehr ausführlich liefern können, und dann soll es, denke ich, recht à propos sein, der letzte Theil mag nun auf Michaelis 96 oder Ostern 97 herauskommen. Vielleicht findet sich ein Morceau im vierten Theil, das Sie auf Ostern 96, wo das Publicum das ganze erwartet, ihm zur einstweiligen Befriedigung hingeben können.

Von Achenholz habe ich endlich gestern einen braven historischen Aufsatz, betitelt: Sobiesky, erhalten, der noch im letzten Stücke der Horen erscheinen muß. Freilich hätte ich viel darum gegeben, wenn Sie für das erste Stück im zweiten Jahrgang etwas hätten thun können. Vielleicht haben Sie auch Lust, in diesem Stück den Krieg zu eröffnen?

Sie werden von Herdern meine Abhandlung über die Sentimentalischen Dichter erhalten, davon Sie bis jetzt noch den wenigsten Theil gehört, und die ich noch einmal ganz durchzulesen bitte. Ich hoffe, Sie sollen damit zufrieden sein; es ist mir in dieser Art nicht leicht etwas besser gelungen. Ich glaube, dieses jüngste Gericht über den größten Theil der deutschen Dichter wird am Schluß des Jahrgangs eine gute Wirkung thun, und unsern Herren Kritikern besonders viel zu denken geben. Mein Ton ist freimüthig und fest, obgleich wie ich hoffe überall mit der gehörigen Schonung. Unterwegs habe ich freilich so viel als möglich effleurirt, und es sind wenige, die unverwundet aus dem Treffen kommen.

Auch über die Naturalität und ihre Rechte (in Rücksicht auf die Elegien) habe ich mich weitläuftig herausgelassen, bei welcher Gelegenheit Wieland einen kleinen Streifschuß bekommt. Aber ich kann nicht dafür, und da man sich nie bedacht hat (auch Wieland nicht), die Meinung über meine Fehler zu unterdrücken, im Gegentheil sie mich öfters derb genug hören ließ, so habe ich jetzt, da ich zufälliger Weise das gute Spiel in die Hände bekam, auch meine Meinung nicht verschwiegen.

Leben Sie recht wohl. Ich freue mich wenn wir nach Neujahr wieder eine Strecke lang miteinander leben können.

Sch.


122. An Schiller.

Hier schicke ich Ihnen sogleich die neueste Sudelei des gräflichen Saalbaders. Die angestrichene Stelle der Vorrede ist's eigentlich worauf man einmal, wenn man nichts bessers zu thun hat, losschlagen muß. Wie unwissend überhaupt diese Menschen sind ist unglaublich; denn wem ist unbekannt, daß die Christen von jeher alles was vernünftig und gut war sich dadurch zueigneten, daß sie es dem λογος zuschrieben? und meine liebe Christin thut pag. 304 eben das und man wird dem guten Wesen darüber nicht feind werden.

Ein Brief von Prinz August, den ich Ihnen beilege, wird Ihnen Vergnügen machen; es ist keine der schlimmsten Productionen seiner ganz eignen Laune.

Das Exemplar von Humboldt erbitte ich mir wieder zurück; er hat das seine schon in Berlin weggenommen.

Hederichs Lexikon wünschte ich auch wieder und das siebente Stück der Horen im kleinen Format.

Auf Ihren Aufsatz verlange ich sehr. Das was ich von Ihren Ideen kenne hat mir in dieser letzten Zeit im praktischen manchen Vortheil gebracht; so wenig man mit Bewußtsein erfindet, so sehr bedarf man des Bewußtseins besonders bei längern Arbeiten. Uebrigens kann ich niemand übel nehmen, wenn er lange gepaßt hat und nun einmal Trümpfe in die Hände kriegt, daß er sie auch ausspielt.

Wegen des Honorars der neuen Elegien läßt sich's noch überlegen. Der Vorschlag 20 Louisdor zu zahlen und das übrige alsdann bis zum Abdruck bewenden zu lassen, hat meinen Beifall. Es ist doch so etwas zum Anbiß und wird guten Effect thun, auf alle Falle hat es Zeit bis auf Neujahr.

Der Weißhuhnische Aufsatz im sechsten Hefte des Niethammerischen Journals hat mir sehr wohl gefallen. Diese Art zu philosophiren liegt mir viel näher als die Fichtische; wir wollen den Aufsatz doch einmal mit einander lesen, ich wünschte über einiges Ihre Gedanken zu hören. Bei Zusammenstellung meiner physikalischen Erfahrungen ist es mir schon, wie ich finde, von großem Nutzen daß ich etwas mehr als sonst in den philosophischen Kampfplatz hinunter sehe. Eben erhalte ich Ihren Aufsatz und freue mich ihn in der nächsten ruhigen Stunde zu lesen. Sobald Sie etwas gewisseres wegen der Subscription der Horen erfahren, so schreiben Sie mir es doch.

Leben Sie recht wohl.

Weimar den 25. November 1795.

G.


123. An Schiller.

Ihre Abhandlung schicke ich hier mit vielem Danke zurück. Da diese Theorie mich selbst so gut behandelt, so ist nichts natürlicher als daß ich den Principien Beifall gebe und daß mir die Folgerungen richtig erscheinen. Ich würde aber mehr Mißtrauen darein setzen, wenn ich mich nicht anfangs selbst in einem polemischen Zustand gegen Ihre Meinung befunden hätte. Denn es ist Ihnen nicht unbekannt daß ich, aus einer allzu großen Vorliebe für die alte Dichtung, gegen die neuere oft ungerecht war. Nach Ihrer Lehre kann ich erst selbst mit mir einig werden, da ich das nicht mehr zu schelten brauche, was ein unwiderstehlicher Trieb mich doch, unter gewissen Bedingungen, hervorzubringen nöthigte, und es ist eine sehr angenehme Empfindung mit sich selbst und seinen Zeitgenossen nicht ganz unzufrieden zu sein.

Ich bin diese Tage wieder an den Roman gegangen und habe alle Ursache mich daran zu halten. Die Forderungen wozu der Leser durch die ersten Theile berechtigt wird, sind wirklich, der Materie und Form nach, ungeheuer. Man sieht selten eher wie viel man schuldig ist, als bis man wirklich einmal reine Wirthschaft machen und bezahlen will. Doch habe ich guten Muth. Es kommt alles darauf an, daß man die Zeit wohl braucht und keine Stimmung versäumt. Leben Sie recht wohl.

Weimar den 29. November 1795.

G.


124. An Goethe.

Jena den 29. November 1795.

Der Brief des Prinzen August hat mich unterhalten. Er hat, für einen Prinzen besonders, viel guten Humor.

Könnten wir nicht durch diesen Prinzen Vergünstigung erhalten, die Diderotische Erzählung La Religieuse, die sich in dem geschriebenen Journale befindet und, so viel ich weiß, noch nicht übersetzt ist, für die Horen zu übersetzen? Aus demselben ist auch Jaques le Fataliste gezogen und in Berlin bei Unger übersetzt herausgekommen. Ich kann's nicht lassen: bei einem Prinzen fällt mir immer zuerst ein, ob er nicht zu etwas gut sei?

Hier das verlangte siebente Stück.

Ich erwarte in dieser Woche Exemplarien von dem Musen-Almanach.

Wenn es angeht, so will auch ich zu der Weimarischen Journal-Gesellschaft förmlich treten, und kann drei Journale dazu stiften, entweder
        Clio, oder
        Posselts Europäische Annalen, oder
        Flora.
Hätte man diese Journale schon und wollte sie nicht abbestellen, so will ich den gewöhnlichen Antheil an Geld bezahlen.

Bei dieser Gelegenheit fällt mir ein, daß ich an den Herrn –us (ich weiß die Anfangssilben nicht), der mir das Siegel zu den Horen gestochen, noch eine halbe Carolin zu bezahlen habe. Mögen Sie wohl so gütig sein und diese Zahlung einstweilen an ihn leisten?

Die Stolbergische Vorrede ist wieder etwas horribles. So eine vornehme Seichtigkeit, eine anmaßungsvolle Impotenz, und die gesuchte, offenbar nur gesuchte Frömmelei – auch in einer Vorrede zum Plato Jesum Christum zu loben!

Von Jacobi hab' ich eine Ewigkeit lang nichts gehört, da er mir doch, Höflichkeits halber, über einige Gedichte die ich ihm geschickt, und auf Verlangen geschickt, etwas hätte sagen sollen.

Wenn Sie meinen Aufsatz etwa mit der heutigen Post nicht hätten abgehen lassen, so sind Sie wohl so gütig ihn Dienstags auf die Post zu geben, es sei denn daß Sie ihn länger brauchen könnten. Ich wollte ihn Humboldten senden. Sehr erwartend bin ich auf Ihre Meinung darüber. Wenn ich jetzt zurücksehe, wie weit ich mich hier, ohne Führer, bloß mit Hülfe der Principien, die aus dem Ganzen meines Systems fließen, gewagt, so freut mich die Fruchtbarkeit dieser Principien gar sehr, und ich verspreche mir noch mehr davon für die Zukunft.

Der Rest des Aufsatzes, der jetzt erst fertig geworden, und die Idylle abhandelt, ist noch nicht copirt. Sie erhalten ihn morgen oder übermorgen. Ein Nachtrag zu dem Aufsatz kommt unter der Aufschrift: Ueber Platitude und Ueberspannung (die zwei Klippen des Naiven und Sentimentalen) im Januar. Hier habe ich Lust, eine kleine Hasenjagd in unserer Literatur anzustellen und besonders etliche gute Freunde, wie Nicolai und Consorten, zu regaliren.

Leben Sie recht herzlich wohl.

Sch.


125. An Goethe.

Die Horen, die mir dießmal die Zeit sehr lang gemacht haben, erfolgen hier. Zwei Exemplare haben Sie von diesem Stücke noch gut. Cotta, dem der Kopf etwas unrecht stehen muß, hat mir nicht weniger als sieben Exemplare weniger eingepackt, und die er schickt, die auf Postpapier nämlich, sind alle schlecht conditionirt. Es ist mein Trost, daß mit dem neuen Jahrgang auch besser Papier genommen wird.

Ich hörte lange nichts von Ihnen, und habe auch selbst lange geschwiegen. Das üble Wetter hat mich sehr gedrückt, so daß ich aus Nacht Tag und aus Tag Nacht machen mußte. Es ist auch jetzt noch nicht besser und die Arbeit geht langsam. Aber sie ist mir unter den Händen wichtiger geworden, und ich hoffe das neue Jahr meinerseits mit einem ziemlich interessanten Aufsatz zu eröffnen, wenn ich ihn bis dahin vollenden kann.

Möchten Sie doch auch Einen Ihrer Geister in dem neuen Jahrstück erscheinen lassen. Den Staelischen Aufsatz muß ich, der Varietät wegen, zum zweiten Stück liegen lassen, da alles von Dichtern und Dichtungstheorien handelt.

Hier sendet der Musen-Almanach ein kleines epigrammatisches Honorar. Es wird nicht hinreichen die Zecchinen zu ersetzen, die über den Epigrammen darauf gegangen sind. Aber das übrige rechnen Sie auf die schönen Bettinen und Lacerten! Exemplarien hat mir der dumme Mensch, der Michaelis, noch keine gesendet.

Man sagt hier, daß Iffland nächste Woche in Weimar sein werde. Da wird ja Thalia und Melpomene recht frohlocken. Vielleicht bringen Sie ihn einmal auch hieher. Es würde mich freuen, einen alten Bekannten wieder zu sehen.

Meine Frau grüßt aufs beste. Leben Sie heiter und thätig.

Den 8. December 1795.

Sch.

Nur zwei Worte erbitte mir auf einem besondern Blatt über den Empfang, für Michaelis.

Die reitende Post sendet mir mein Paket zurück, und will es, des Geldes wegen, nicht nehmen. Weil die fahrende Post erst Montags abgeht, so sende ich einstweilen die Horen. Was für klägliche Postanstalten!


126. An Schiller.

Auf beiliegendem Blättchen erhalten Sie Nachricht wegen der Journale; wollten Sie nun deßfalls das nöthige mit den Botenweibern arrangiren, so könnten Sie die Stücke ordentlich erhalten.

Hier kommen auch meine Elegien; ich wünsche daß Sie damit zufrieden sein mögen, es ist noch zuletzt allerlei daran gethan worden; doch wie man mit eigenen Sachen selten fertig wird, so wird man es mit Übersetzungen niemals. Haben Sie noch etwas zu erinnern, so theilen Sie es mir gefällig mit. Es wäre gut, wenn diese neuen Stücke zusammen erscheinen könnten. Sie machen zusammen nicht über anderthalb Bogen; die übrigen sollen nach und nach eintreffen.

Wie sieht es übrigens mit dem Vorrath aufs nächste Vierteljahr aus, und was hören Sie von der neuen Subscription?

Wenn Sie die Abhandlung über die sentimentalischen Dichter wieder zurück haben, wünschte ich sie noch einmal zu lesen; wegen des Schlusses habe ich noch einige Scrupel, und wenn einen der Geist warnt, so soll man es wenigstens nicht verschweigen. Da das Ganze so weit und breit ist, so scheint es mir bei näherer Ueberlegung zu enge und zu spitz auszulaufen, und da diese Spitze grade zwischen mir und einem alten Freunde hineinfällt, so macht's mir wirklich ein wenig bange. Doch davon mündlich. Heute nur ein Lebewohl.

Weimar den 9. December 1795.

G.


127. An Goethe.

Jena den 13. December 1795.

Mein Aufsatz über die Sentimentalischen Dichter, den ich doppelt copiren ließ, ist schon seit drei Wochen zum Druck abgeschickt, aber Sie können des Schlusses wegen außer Sorgen sein. Sie haben nur gelesen, was damals fertig war; zu diesem aber sind noch acht Seiten, die Idylle betreffend, gekommen, womit der Aufsatz für das zwölfte Horenstück schließt. Der eigentliche Schluß aber erfolgt erst im ersten Stück des neuen Jahrs. Sie und W. fallen also noch in die Breite, und ich denke wenn der Aufsatz ordentlich geendigt sein wird, soll der Totaleindruck und das Sachinteresse jeder Privatbeziehung vorbeugen.

Die Elegien sende ich hier nebst meinen Anmerkungen darüber zurück. Ich habe es mit diesen mit Fleiß etwas genau genommen, weil man bei einer Uebersetzung, und zwar nicht mit Unrecht, eine größere Strenge in Kleinigkeiten fordert, als bei einem Originalwerk, und wir auch die Voßischen – Rigoristen auf dem Nacken haben. Da ich diese Lieferung erst in acht Tagen abzuschicken brauche, so ist noch Zeit, jenen Kleinigkeiten abzuhelfen, wenn Sie von meinen Anmerkungen Gebrauch machen wollen.

Sonst bin ich mit der Übersetzung in hohem Grade zufrieden. Sie ist ganz in den Geist des Autors eingegangen, und jene kleinen Härten abgerechnet, ungemein fließend und ungezwungen.

Hier das Geld, so ich neulich nicht habe mitschicken können. Auf Neujahr werde ich 20 Louisdor für den Properz senden.

Leben Sie recht wohl.

Sch.


128. An Schiller.

Für das übersendete, über welches hier eine Quittung beiliegt, danke ich zum schönsten. Es scheint, da wir Dichter bei der Theilung der Erde zu kurz gekommen sind, uns ein wichtiges Privilegium geschenkt zu sein, daß uns nämlich unsere Thorheiten bezahlt werden.

Das Gedicht, worauf ich hier anspiele, findet großen Beifall, und die Leute sind höchst neugierig wer es wohl gemacht habe?

Uebrigens sind gegenwärtig die Hundsposttage das Werk, worauf unser feineres Publicum seinen Ueberfluß von Beifall ergießt; ich wünschte daß der arme Teufel in Hof bei diesen traurigen Wintertagen etwas angenehmes davon empfände.

Wenn jener Aufsatz sich nicht gerade mit der bedenklichen Note schließt, so wird dadurch ihre Wirkung geringer werden, und wir müssen abwarten was daraus erfolgt.

Haben Sie beiliegenden Hymnus schon gesehen, mit dem man Sie beehrt hat? Ich habe ihn auf alle Fälle abschreiben lassen. Man sieht auch hieraus, daß man im literarischen jenen Sämann, der nur säete ohne viel zu fragen wo es hinfiel, nachahmen soll.

Von den Anmerkungen zu den Elegien wollen wir, so viel die Zeit erlaubt, Gebrauch machen. In so einer wunderlichen Sprache wie die deutsche ist, bleibt freilich immer etwas zu wünschen übrig.

Zum Jennerstücke arbeitete ich gerne etwas, aber der Roman nimmt mir jetzt, zu meinem Glücke, alle Zeit weg. Dieser letzte Band mußte sich nothwendig selbst machen oder er konnte gar nicht fertig werden, und die Ausarbeitung drängt sich mir jetzt recht auf, und der lange zusammengetragene und gestellte Holzstoß fängt endlich an zu brennen.

Länger als Februar rath' ich den Staelischen Aufsatz nicht zurück zu schieben, weil Ostern derselbe nebst den Erzählungen wahrscheinlich übersetzt erscheinen wird. Die französischen Exemplare fangen an sich in Deutschland auszubreiten.

Vielleicht kann ich zum März jenes zweite Mährchen, von dem ich eine Skizze vorgetragen, fertig schreiben und dabei mit einem kleinen Eingang über die Auslegung des ersten wegschlüpfen. Daß dieses seine Wirkung nicht verfehlt, sehen Sie aus beiliegendem Briefe des Prinzen.

Es wäre sehr gut, wenn man von der Religieuse für die Horen Gebrauch machen könnte. Sie könnten dazu die Erlaubniß durch Herdern am besten erhalten; ich mag nicht gerne darüber anfragen, weil mir bei dieser Gelegenheit die Travestirung der Clairon'schen Geschichte könnte zu Gemüthe geführt werden.

Iffland kommt sobald nicht; sie sind von den Ueberwindern in Mannheim zu spielen gezwungen. Gegen Ostern oder nach Ostern hofft er zu kommen.

Ich bereite mich Sie aufs Neuejahr besuchen zu können, denn mich verlangt sehr den ganzen Kreis Ihrer theoretischen Arbeiten nun einmal mit Ihnen zu durchlaufen und mich dadurch zu den Arbeiten, die vor mir liegen, zu stärken. Ich habe Ihre Principien und Deductionen desto lieber, da sie mir unser Verhältniß sichern und mir eine wachsende Uebereinstimmung versprechen; denn leider sind es öfter die Meinungen über die Dinge als die Dinge selbst wodurch die Menschen getrennt werden, wovon wir in Weimar die betrübtesten Beispiele täglich erfahren.

Leben Sie recht wohl und grüßen die liebe Frau. Wird denn ein wenig gezeichnet?

Weimar den 15. December 1795.

G.


129. An Goethe.

Jena den 17. December 1795.

Wie beneide ich Sie um Ihre jetzige poetische Stimmung, die Ihnen erlaubt recht in Ihrem Roman zu leben. Ich habe mich lange nicht so prosaisch gefühlt, als in diesen Tagen und es ist hohe Zeit, daß ich für eine Weile die philosophische Bude schließe. Das Herz schmachtet nach einem betastlichen Object.

Es ist prächtig, daß der scharfsinnige Prinz sich in den mystischen Sinn des Mährchens so recht verbissen hat. Hoffentlich lassen Sie ihn eine Weile zappeln; ja wenn Sie es auch nicht thäten, er glaubte Ihnen auf Ihr eigenes Wort nicht, daß er keine gute Nase gehabt habe.

Daß in Weimar jetzt die Hundsposttage grassiren, ist mir ordentlich psychologisch merkwürdig; denn man sollte sich nicht träumen lassen, daß derselbe Geschmack so ganz heterogene Massen vertragen könnte, als diese Production und Clara du Plessis ist. Nicht leicht ist mir ein solches Beispiel von Charakterlosigkeit bei einer ganzen Societät vorgekommen.

Das Gedicht, welches Sie mir so gütig waren copiren zu lassen, hat der Verfasser vorigen Sommer in Manuscript an mich gesendet. Es freut mich, daß man doch hie und da etwas wachsen und blühen sieht, und lieb ist mir die öffentliche Erscheinung gerade jetzt, da es die Widersacher gewaltig verdrießen wird.

Cotta, der mir vor einigen Tagen schrieb, weiß von der neuen Subscription noch nichts zu sagen. Daraus, daß jetzt noch nicht schon abbestellt wird, schließe ich doch etwas gutes.

Herdern will ich zu disponiren suchen, daß er die Religieuse übersetzt. Den Staelischen Aufsatz bringe ich nicht später als im Februar. Eine Uebersetzung gleich im ersten Stück, wo schon eine poetische sich findet, würden uns die Herren auch aufgemutzt haben.

Leben Sie recht wohl. Meine Frau dankt schönstens für Ihr Andenken. Gezeichnet ist nicht viel worden.

Sch.


130. An Schiller.

Von Ihren gütigen und gegründeten Anmerkungen haben wir bei den Elegien, die hier zurückkommen, so viel als möglich Gebrauch gemacht; es ist freilich möglich auf einem solchen Wege diese Art Arbeiten immer der Vollkommenheit näher zu bringen.

Ich habe diese Tage, in Hoffnung von meinem Herrn Collegen was zu lernen, den vortrefflichen Herrn Stark gelesen und studirt. Ich könnte nicht sagen daß ich sehr auferbauet worden wäre. Vorn herein hat es wirklich einigen Schein der uns bestechen kann, in der Folge aber leistet es doch gar zu wenig.

Dagegen habe ich an den Novellen des Cervantes einen wahren Schatz gefunden, sowohl der Unterhaltung als der Belehrung. Wie sehr freut man sich, wenn man das anerkannte Gute auch anerkennen kann, und wie sehr wird man auf seinem Wege gefördert, wenn man Arbeiten sieht die nach eben den Grundsätzen gebildet sind, nach denen wir nach unserm Maße und in unserm Kreise selbst verfahren.

Leben Sie recht wohl. Bald mehr.

Weimar den 17. December 1795.

G.


131. An Goethe.

Jena den 23. December 1795.

Für die Elegien danke ich schönstens. Ich denke nicht, daß jetzt noch etwas darin sein sollte, was den Krittlern Gelegenheit geben könnte, über kleinen Versehen gegen den schönen Geist des Ganzen sich zu verhärten.

Lorenz Stark ist, wie mir Humboldt schrieb, ehmals zu einer Comödie bestimmt gewesen, und nun zufälliger Weise in die erzählende Form gegossen worden. Ein ziemlich leichter Ton empfiehlt es, aber es ist mehr die Leichtigkeit des Leeren als die Leichtigkeit des Schönen. Solchen Geistern wie Herrn E. ist das Platte so gefährlich, wenn sie wahr und naiv sein wollen. Aber die göttliche Platitude: das ist eben der Empfehlungsbrief.

Haben Sie denn auch die schönen Abbildungen vom Seifersdorfer Thal mit Herrn Beckers (in Dresden) Beschreibungen gesehen? Als einem so großen Liebhaber von Kunstgärten und sentimentalischen Productionen empfehle ich Ihnen dieses Werk. Es verdient neben Racknitz Schrift eine gelegentlich würdige Erwähnung in den Horen.

Mit der Religieuse von Diderot weist mich Herder an Sie zurück; auch meint er, daß sie entweder schon übersetzt sei, oder mit andern Erzählungen von Diderot künftige Ostern erscheinen werde. Es scheint demnach für uns keine sichere Entreprise zu sein.

Der Himmel verlängere Ihnen jetzt nur die gute Laune, um den Roman zu endigen. Ich bin unglaublich gespannt auf die Entwicklung und freue mich recht auf ein ordentliches Studium des Ganzen.

Das Glück, welches das kleine Gedicht die Theilung der Erde zu machen scheint, kommt mit auf Ihre Rechnung, denn schon von vielen hörte ich, daß man es Ihnen zuschreibt. Hingegen ist mir von andern der literarische Sanscülottism zugeschrieben worden.

Von der zu erwartenden Recension der Horen durch Schütz hörte ich gestern, daß es Ernst damit sei, und daß wir sie in wenigen Wochen zu Gesicht bekommen werden. Ob ich sie noch in Manuscript zu lesen bekomme, zweifle ich, da ich mit Schützen seit einiger Zeit weniger Verkehr habe. Er hat aber doch dem jungen Schlegel den poetischen Theil derselben zu recensiren aufgetragen, sowie auch die Unterhaltungen u. s. w., und dieser hat die Recension, wie er mir heute schrieb, schon an Schütz gesendet. Wenn er nichts in diese Arbeit hineinpfuscht, so erwarte ich etwas gutes davon.

Von Cotta habe nichts wieder gehört, und der Almanach ist auch noch nicht angelangt.

Zum heiligen Christ wünschen wir alles Gute. Möchten Sie ihn hier bei uns zubringen! Leben Sie recht wohl.

Sch.


132. An Schiller.

Mit Verlangen warte ich aufs neue Jahr und suche mancherlei kleine Geschäfte abzuthun, um Sie wieder mit Freiheit auf einige Zeit besuchen zu können. Ich wünsche nur daß ich Sie wohl und poetisch thätig antreffen möge, denn es ist das nun einmal der beste Zustand den Gott den Menschen hat gönnen wollen. Mein Roman ruht nun nicht bis er sich fertig macht, worüber ich sehr vergnügt bin, denn mitten unter allen Zerstreuungen treibt er sein Wesen immer fort.

Ich habe sonst noch manches mitzutheilen. Hier liegt z. B. eine Erklärung der dramatischen Personen des Mährchens bei, von Freundin Charlotte. Schicken Sie mir doch geschwind eine andere Erklärung dagegen die ich ihr mittheilen könnte.

Den Einfall auf alle Zeitschriften Epigramme, jedes in einem einzigen Disticho, zu machen, wie die Xenia des Martials sind, der mir dieser Tage gekommen ist, müssen wir cultiviren und eine solche Sammlung in Ihren Musenalmanach des nächsten Jahres bringen. Wir müssen nur viele machen und die besten aussuchen. Hier ein Paar zur Probe.

Daß Cotta über die Subscription der Horen nicht herauswill gefällt mir nicht ganz, wo ich hinhöre spricht man von vermehrter Subscription.

Wird sich denn dieser edle Sofias mit seinem Gold und Silber auf das Fest Epiphaniae einfinden? Weihrauch und Myrrhen wollen wir ihm erlassen.

Des P. Castels Schrift Optique des Couleurs 1740 habe ich in diesen Tagen erhalten: der lebhafte Franzos macht mich recht glücklich. Ich kann künftig ganze Stellen daraus abdrucken lassen und der Heerde zeigen, daß das wahre Verhältniß der Sache schon 1739 in Frankreich öffentlich bekannt gewesen, aber auch damals unterdrückt worden ist.

Ich habe noch geschwind einige Varianten zur Erklärung gesetzt; wenn Sie auch noch die Summe vermehren, so wird eine Verwirrung ohne Ende aus diesen Aufklärungen zu hoffen sein.

Die Xenia nächstens.

Den 23. December 1795.

G.

NB. Die roth unterstrichnen sind meine Varianten.


133. An Goethe.

Jena den 25. December 1795.

Hier einen kleinen Beitrag zu der Interpretation des Mährchens. Er ist mager genug, da Sie mir mit dem besten schon zuvorgekommen sind. In dergleichen Dingen erfindet die Phantasie selbst nicht so viel, als die Tollheit der Menschen wirklich ausheckt, und ich bin überzeugt: die schon vorhandenen Auslegungen werden alles Denken übersteigen.

Was Sie von der vermehrten Subscription auf die Horen schreiben, überraschte mich, und es möchte wohl nur sehr particulär sein, denn daß die Summe im Ganzen abnehmen muß, ist nach dem erstaunlichen Geschrei, nach den Klagen so vieler Buchhändler selbst, wie z. B. Ungers in Berlin und andrer, keine Frage. Auf Cottas Aufrichtigkeit dürfen wir uns, bis auf einen gewissen Punkt wenigstens, ganz sicher verlassen. Er hat mehr Eitelkeit als Eigennutz und er fürchtet sich zu sehr, daß mein Eifer erkalten möchte, als daß er dasjenige verschweigen könnte, was ihn beleben kann.

Was die Goldlieferung anbetrifft, so vergaßen Sie, daß die Zahlung von einer Ostermesse zur andern ist ausgemacht worden. Etliche Tage vor Jubilate erscheint Cotta mit einer Geldkatze um den Leib, und zwar pünktlich wie »eine wohlberechnete Sonnenfinsterniß,« um das Honorar für das ganze Jahr abzutragen. Früher wollte ich ihm nicht gern eine starke Zahlung zumuthen, da er sich einmal auf die Abrede verläßt, ob er gleich, sobald man es fordert, damit parat sein wird.

Eben sendet mir Woltmann ein selbstverfertigtes Trauerspiel nebst einer Operette. Ich hab' es noch nicht angesehen, werde Ihnen aber, wenn Sie hier sind, hoffentlich allerlei davon zu erzählen haben.

In zehn bis zwölf Tagen werden Sie die Horen in der L. Z. recensirt lesen. Den poetischen Theil hat glücklicherweise Schlegel und nicht Schütz recensirt. Dieser hat sich bloß das philosophische und historische vorbehalten.

Leben Sie recht wohl.

Schiller.


134. An Schiller.

Ein paar Producte, wie die hierbei kommenden Schriften sind, dürfen Ihnen nicht unbekannt bleiben; vielleicht sind sie noch nicht zu Ihnen gelangt. Den Theater-Kalender erbitte mir bald wieder zurück.

Mit hundert Xenien, wie hier ein Dutzend beiliegen, könnte man sich sowohl dem Publico als seinen Collegen aufs angenehmste empfehlen.

Es ist recht gut, daß die Recension des poetischen Theils der Horen in die Hände eines Mannes aus der neuen Generation gefallen ist; mit der alten werden wir wohl niemals einig werden. Vielleicht lese ich sie bei Ihnen, denn wenn es mir möglich ist, geh' ich den dritten Januar von hier ab.

Daß man uns in unsern Arbeiten verwechselt, ist mir sehr angenehm; es zeigt daß wir immer mehr die Manier los werden und ins allgemeine Gute übergehen. Und dann ist zu bedenken, daß wir eine schöne Breite einnehmen können, wenn wir mit Einer Hand zusammenhalten und mit der andern so weit ausreichen als die Natur uns erlaubt hat.

Ich danke für den Beitrag zur Auslegung des Mährchens; wir würden freilich noch ein bischen zusehen. Ich hoffe aber doch noch auf eine günstige Wendung in den Unterhaltungen meinen beliebigen Spaß darüber machen zu können.

Wollte doch Gott, daß Woltmanns Trauerspiel producibel wäre! ich würde es gleich aufführen lassen. Alles will schreiben und schreibt und wir leiden auf dem Theater die bitterste Noth.

Die Abbildung des Seifersdorfer Unwesens kenn' ich, Sie kennen ja wohl auch die Trude, die es bewohnt und die es so ausgeschmückt hat. Wielands Empfang und Bewirthung daselbst im Sommer 1794 gäbe eine vortreffliche Geschichte, wenn er sie aufsetzen wollte wie er sie erzählt.

Cotta wollen wir also auf Jubilate erwarten, ich hatte wirklich vergessen daß dieser Termin festgesetzt worden.

Leben Sie recht wohl; ich suche mich von allem was mich halten und zerstreuen könnte los zu machen, um in Ihrer Nähe wieder einige gute Zeit zuzubringen.

Weimar den 26. December 1795.

G.


135. An Goethe.

Jena den 29. December 1795.

Der Gedanke mit den Xenien ist prächtig und muß ausgeführt werden. Die Sie mir heute schickten, haben mich sehr ergötzt, besonders die Götter und Göttinnen darunter. Solche Titel begünstigen einen guten Einfall gleich besser. Ich denke aber, wenn wir das Hundert voll machen wollen, werden wir auch über einzelne Werke herfallen müssen, und welcher reichliche Stoff findet sich da! Sobald wir uns nur selbst nicht ganz schonen, können wir heiliges und profanes angreifen. Welchen Stoff bietet uns nicht die Stolbergische Sippschaft, Racknitz, Ramdohr, die metaphysische Welt, mit ihren Ichs und Nicht-Ichs, Freund Nicolai unser geschworener Feind, die Leipziger Geschmacksherberge, Thümmel, Göschen als sein Stallmeister, u. dgl. dar!

Gestern empfing ich die abgedruckten Bogen von den Sentimentalischen Dichtern, welche also auch noch in der großen Recension in der Literatur-Zeitung mit begriffen werden können. Ich habe Schützen schon gesprochen seitdem er sie gelesen, und ob er sie gleich erbärmlich schlecht versteht, so ist er doch nicht so sehr dadurch erschreckt worden, als ich glaubte; ich ließ ihn merken, daß ich sein Urtheil darüber zwar nicht geniren wolle, aber jeder determinirte Widerspruch gegen meine Urtheile würde mich schlechterdings zu einer Replique nöthigen, bei welcher, da ich sie mit Beweisen belegen müßte, die Autoren, deren er sich annehmen wollte, leicht ins Gedränge kommen könnten. Er wird sie also wohl sehr leise anrühren.

Die Recension wird sehr groß werden, da allein der poetische Theil mehr als ein ganzes Zeitungsblatt füllen soll. Auch ich arbeite einiges daran; so z. B. ist mir der Archenholzische Aufsatz im letzten Stück zur Recension übergeben, weil Schütz sonst nicht fertig wird. Diese Recension wird also eine rechte Harlekins-Jacke werden. Vor dem sechsten erscheint aber nichts davon.

Woltmanns Trauerspiel ist erbärmlich und in keiner Rücksicht brauchbar. Ein Ding ohne Charakter, ohne Wahrscheinlichkeit, ohne alle menschliche Natur. Erträglicher noch ist die Operette, obgleich nur gegen das Trauerspiel erträglich.

Haben Sie eine Zoonomie, die ein gewisser Hofrath Brandis herausgegeben, gelesen? Ihre Schrift über die Metamorphosen ist darin mit großer Achtung behandelt. Aber lächerlich ist's, daß weil Ihr Name vor dem Buche steht und Sie Romane und Trauerspiele geschrieben, man schlechterdings auch daran erinnert werden muß. »Ein neuer Beweis,« meint der gute Freund, bei dieser Gelegenheit, »wie günstig der Dichtergeist auch für wissenschaftliche Wahrheit sei.«

Auf Ihre baldige Hieherkunft freue ich mich nicht wenig. Wir wollen wieder einmal alles recht durch einander bewegen. Sie bringen wohl Ihren jetzigen »Strickstrumpf« den Roman auch mit? Und dann soll es auch heißen: nulla dies sine Epigrammate.

Sie sprechen von einer so großen Theurung in der Theater-Welt. Ist Ihnen nicht schon der Gedanke gekommen ein Stück von Terenz für die neue Bühne zu versuchen? Die Adelphi hat ein gewisser Romanus schon vor 30 Jahren gut bearbeitet, wenigstens nach Lessings Zeugniß. Es wäre doch in der That des Versuches werth. Seit einiger Zeit lese ich wieder mehr in den alten Lateinern und der Terenz ist mir zuerst in die Hände gefallen. Ich übersetzte meiner Frau die Adelphi aus dem Stegreif, und das große Interesse, das wir daran genommen, läßt mich eine allgemein gute Wirkung erwarten. Gerade dieses Stück hat eine herrliche Wahrheit und Natur, viel Leben im Gange, schnell decidirte und scharf bestimmte Charaktere und durchaus einen angenehmen Humor.

Der Theater-Kalender enthält gewaltig viel Namen und blutwenig Sachen. Ich für mein Theil bin übrigens gut weggekommen: aber in welcher Gesellschaft erblickt man sich da! Ihnen wird ja ein Julius Cäsar großmüthig zugeschrieben, den Sie dem Publicum wohl schuldig bleiben werden.

Worin schreibt aber Freund Böttiger nicht!

Leben Sie recht wohl. Meine Frau grüßt bestens.

Sch.


136. An Schiller.

[Weimar den 30. December 1795.]

Ich freue mich sehr, daß die Xenien bei Ihnen Eingang und Beifall gefunden haben, und ich bin völlig der Meinung, daß wir weiter um uns greifen müssen. Wie werden sich Charis und Johann prächtig neben einander ausnehmen! wir müssen diese Kleinigkeiten nur ins Gelag hineinschreiben und zuletzt sorgfältig auswählen. Ueber uns selbst dürfen wir nur das was die albernen Bursche sagen, in Verse bringen, und so verstecken wir uns noch gar hinter die Form der Ironie.

Die Recension der Horen wird also ein rechtes Wunderding, auch passen unsere Concurrenten mit Heißhunger darauf, und sie falle aus wie sie will, so giebt's gewiß wieder Händel.

Was Brandis in seinem Werke über die Lebenskraft über meine Metamorphose sagt, erinnere ich mich, aber nicht der Stelle die Sie anführen; wahrscheinlich hat er derselben, in seiner Uebersetzung der Darwinschen Zoonomie, nochmals gedacht, da Darwin auch das Unglück hat vorher als Dichter (im englischen Sinne dieses Worts) bekannt zu sein.

Nur die höchste Dürftigkeit ließ mich von Jenes Tragödie etwas gutes hoffen. Gestern ist wieder ein detestables Stück von Ziegler aufgeführt worden: Barbarei und Größe, wobei sie so barbarisch zugehauen haben, daß ein Schauspieler fast um seine Nase gekommen ist. Wie heißt doch der Titel der Bearbeitung der Adelphen? Ich erinnere mich ihrer aus den frühesten Zeiten her.

Ich verlange recht Sie wieder zu sehen und in dem stillen Schlosse zu arbeiten; mein Leben ist, diese vier Wochen her, ein solches Quodlibet in welchem sich hunderterlei Arten von Geschäftigkeiten mit hunderterlei Arten von Müßiggang kreuzen, mein Roman gleicht indessen einem Strickstrumpf der bei langsamer Arbeit schmutzig wird. Indessen wird er im Kopfe überreif und das ist das Beste.

Von Meyern habe ich einen Brief aus Rom, er ist glücklich daselbst angelangt und sitzt nun freilich im Rohre; aber er beschwert sich bitterlich über die andern Gesellen, die auch da sitzen, Pfeifen schneiden und ihm die Ohren voll dudeln. Deutschland kann sich nicht entlaufen und wenn es nach Rom liefe, überall wird es von der Platitüde begleitet, wie der Engländer von seinem Theekessel. Er hofft bald von sich und Hirt etwas für die Horen zu schicken.

Hierbei ein Brief von Obereit der in seiner Art wieder recht merkwürdig ist; ich will sehen, daß ich dem armen alten Mann etwas von unsern Herrschaften heraus bettle.

Leben Sie recht wohl und behalten mich lieb.

G.


137. An Goethe.

[Jena den 30. Dezember 1795]

Hier ein Exemplar des Almanachs für den ersten Hunger. Humboldt sendet mir heute deren drei aus Berlin. Von dem Buchhändler selbst ist noch nichts angekommen; um uns schöne Exemplare zu geben, läßt er uns vielleicht noch Wochen lang darauf warten.

Salve zum neuen Jahr!

Mittwoch Abends.

Sch.



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