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I. Teil. Am Südpol

Auf der Bühne stehen Scott, Wilson, Oates, Bowers, Evans mit Schlitten. Nebel in der Ferne kommt näher. Chor aus Höhe und Tiefe oder Sprecher.

Chor: Erwachendes Deutschland, sieh die Polabteilung,
Die Scott aus fünfundsechzig furchtlosen Männern ausgesucht hat.
Einmal vier und einmal drei Mann mußten unterwegs zurückkehren.
Diesen Übriggebliebenen aber traute er zu,
Daß sie mit ihm das Ziel erreichten.
Über diese wird Amundsen triumphieren.

Der vorderste ist der Zoologe Wilson,
Der schon immer mit dabei war
Und zusammen mit Scott die denkwürdige Rettung
Shackletons vollbrachte.
Ein Freund wie je einer war.
Er wird untergehend noch siebzehn Kilogramm Steine,
Die er für geologische Zwecke gesammelt hat,
Auf dem Schlitten mitschleppen.
Am 11. März wird er an Scott und Bowers
Je dreißig Morphiumtabletten verteilen
Und selbst eine Tube Morphium behalten,
Das Mittel, das im Notfall alle Qual beendet.
Ein paar Tage später aber wird man beschließen,
Bis ans Ende auszuhalten
Und eines natürlichen Todes zu sterben.
Neben Wilson steht Deckoffizier Evans,
Der stärkste Mann,
Der zuerst unterliegt
Und als erster auf dem Rückmarsch stirbt.
Dahinter Oates, Rittmeister bei den Inniskilling-Dragonern,
Der auf dem Schiff und auf dem Marsch die Pferde zu betreuen hatte.
Dreh einmal deinen Kopf, Oates,
Damit die Zuschauer dich besser sehen können.
Neben ihm steht Birdy, das Vögelchen, eigentlich Leutnant Bowers.
Ein wundersamer Leutnant.
Zweifellos einer der besten, die je auf solche Fahrt gegangen sind.
Seit dem 4. Januar trabt er ohne Schneeschuhe mit durch den Schnee.
Er hilft mit ziehen, besorgt den Proviant,
Macht die meisten Vermessungen,
Ist dauernd guter Laune, friert nie und hat die besten Augen.
Zweihundertachtzig Kilometer stampfst du nun schon
Den bald niederen, bald tiefen, bald lockeren, bald harten Schnee.
Dabei spähst du umher,
Je näher dem Pol, um so aufmerksamer.
Aber nichts anderes als endlosen unberührten Schnee hast du bis jetzt gesehen.
Nun behindert der Nebel die Sicht.
Wenn er fällt? Was wirst du dann erblicken?

Späht nicht auch Scott, so sehr er kann?
Er, der Führer der Expedition,
Der sie bis zum Pol führt
Und bis zwanzig Kilometer vor das Eintonnenlager zurück,
Dort zuletzt stirbt und im Sterben den Leichnam des Freundes Wilson umschlingt.

Mit deinem Tagebuch zusammen wirst du die berühmte Erklärung
an die Öffentlichkeit hinterlassen, die jeder lesen muß.

Am 4. Januar 1911 erschien im Mac-Murdo-Sund ein Schiff.
Es war Scotts Terra Nova.
Die Dampfwolke des Vulkans Erebus zog über ihr,
Um sie herum war freies Wasser.
Sie dampfte um Kap Royds, an Kap Barne vorbei,
Und landete an einer Bucht der Roßinsel bei einem Kap,
Das Kap Evans getauft wurde.
Ihr entstiegen Scott und seine Männer.
Sie bauten eine Hütte. Am 17. war sie fertig.
Feierlich zog die Überwinterungsmannschaft in sie ein.
Am 2. Februar, bei gutem Wetter, zog die erste Gruppe nach dem Süden aus.
Sie errichtete am 17. ein Depot auf 79 Grad 28 Minuten
Und kehrte unter großen Gefahren ins Lager zurück.
Dort fand sie eine ernste Nachricht vor:
Die Terra Nova war nach Osten gefahren und hatte am 4. Februar,
In der Walfischbucht, am Eis vertäut,
Ein fremdes Schiff gesichtet,
Den »Fram«!
Amundsen war da! Der Rivale.
Am 23. April begann für Scott der Winter,
Indem die Sonne sich zum letztenmal zeigte.
Erst am 23. August kam sie wieder.
Nun wurden die letzten Vorbereitungen für den Marsch an den Pol getroffen.
Dreizehn Mann, zehn Pferde, zweiundzwanzig Hunde brachen am 1. November auf.
Die Expedition machte gute Fortschritte bis Anfang Dezember.
Aber am 4. Dezember brach ein Orkan aus,
Der fünf Tage und fünf Nächte jeden Weitermarsch unmöglich machte.
Mit einem Schlage war die Lage schlecht,
Ja bereits gefährlich geworden.
Am 9. Dezember ging es weiter.
Einige Mann kehrten zurück zum Lager.
Am 10. wurden alle Pferde erschossen.
Am 11. wurden die Hunde unter Meares und Dimetri ins Lager zurückgeschickt.
Scott mit elf Begleitern befindet sich jetzt auf dem Beardmore-Gletscher.
Am 22. Dezember, in 2500 Meter Höhe und auf dem 85. Breitenkreis,
Bekommen weitere vier Mann die Weisung, zurückzukehren.
Sie erreichen Kap Evans am 28. November 1912.
Am 3. Januar mustert Scott zum letzten Male seine Leute aus,
Und bestimmt die drei letzten zur Rückkehr auf 87 Grad und 34 Minuten.
Von da ab beginnt der entscheidende Marsch.
Nun seht sie euch noch einmal genau an.
Siebenundsiebzig Tage sind sie unterwegs,
1500 Kilometer haben sie in Schnee und Eis zurückgelegt,
Den schweren Schlitten unter oft furchtbaren Verhältnissen gezogen;
Zweihundertmal haben sie das Zelt aufgeschlagen und abgebrochen;
Oft während der Orkan stürmte.
Unzählige Messungen haben sie zur Bestimmung ihrer Lage ausgeführt;
Grober Irrtum hätte Verfehlen des Ziels und Tod bedeutet.
Auf 3500 Meter Höhe haben sie ihren Schlitten gezogen.
Das Atmen wurde ihnen schwer.
Schlechte Schneeverhältnisse machten viele Schritte zur Qual.
Schließlich stellten sich die Folgen der ungenügenden Ernährung ein.
Sie verachteten ihre Beschwerden,
Ebenso die Bedenken, die ihnen kamen.
Weiter, weiter!
Jeder Schritt bringt sie dem Ziel, dem Pol, näher!
Der 15. Januar berauscht sie!
Ein wunderbarer Gedanke,
Daß nur noch zwei lange Märsche sie an den Pol bringen werden!
Nur noch lumpige fünfzig Kilometer!
Sie müssen hinkommen, koste es, was es wolle.
Unmöglich ist nichts!
Das Ziel liegt vor ihnen!
Zum Greifen nahe!
Nur das Ziehen wird schwerer und schwerer.
In vierdreiviertel Stunden Arbeit gewinnen sie elf Kilometer.
Der 16. Januar bricht an.
Sie legen am Morgen vierzehn Kilometer zurück.
Die Mittagsobservation zeigt 89 Grad 42 Minuten.
Nachmittags marschieren sie weiter.
Nach zwei Stunden Marsch geraten sie in leichten Nebel.

Scott: Was seit uralter Zeit an Männern gepriesen wird,
Daß sie in ungewisses Schicksal ausziehen,
Um Unrecht zu bekämpfen oder Unbekanntes zu erforschen,
Das eine davon tun wir.
Nun liegt das Ziel so vieler heißer Wünsche vor uns,
Doch Nebel läßt es uns nicht sehen!

Wilson: Fall doch, du Nebel, fall; gib uns unsere Augen wieder!
Zeig uns den jungfräulichen Pol,
Den wir als die ersten betreten.

Bowers: Schon trag ich unterm Pelz bereit die seidene Fahne,
Den Union Jack, den wir hissen wollen,
Wenn wir am Pol sind.

Oates: Schon kommen mir ganz seltsame Gedanken,
Ganz kindliche.

Evans: Ein grauenvoller Marsch, fast über Menschenkraft,
Doch, wer ans Ziel kommt, vergißt.

Scott: Traum meines Lebens, gehst du in Erfüllung?

Bowers: Ja, Scott, o ja, bestimmt.

Wilson: Der Nebel verdichtet sich.

Bowers: Lang wird's nicht dauern.

Wilson: Gleichwohl, das Zelt muß aufgeschlagen werden.

Scott: O wohl dem Mann, der zu Haus bleibt!
Solch tolle Furcht und Hoffnung, wie wir sie kennen,
Bleibt ihm erspart.
Aber wer ins Unbekannte auszieht,
Stirbt dauernd,
Und kurz vorm Ziel am meisten.
Schlagt das Zelt auf.

Es geschieht. Der Nebel wechselt.

Scott zu Wilson: Das sagte mir Tompson am letzten Tag in London:

Die Szene verwandelt sich, man sieht Tompson und Scott an einem Tisch in einem Zimmer in London.

Scott: Tompson, mein Freund, sprich mir nicht mehr von Freude am Besitz
Und von Gunst bei der Menge.
Ich muß zum Südpol.
Ich muß wieder dorthin zurück, wo ich mit der Discovery war,
Mit Shackleton und mit Wilson.
Dort muß sich mein Schicksal erfüllen.
Sorgsam ist diese neue Expedition vorbereitet,
Niemand außer mir wird dort im Süden sein.
England, das ich so liebe, hat lange Anrecht auf den Pol.
Ich will ihn ihm verschaffen.
Sag mir nun etwas Gutes über diese Fahrt.

Tompson: Niemand entgeht dem Schicksal.
Weder Rat noch Warnung ändern, was dir bestimmt ist.
Ich riet dennoch ab. Es nützte nichts. Nun warne ich dich noch mal:
Hüte dich vor dem Anfang des Dezembers.
Sei stets auf alles gefaßt.
Am meisten kurz vorm Ziel!
Merke dir den von deinen Gefährten, der,
Wenn ihr triumphiert,
Von der Mutter spricht.
Kann sein, von ihm kommt Licht für euch,
Wenn ihr einmal im tiefsten Dunkel sitzt.

Die Szene verwandelt sich zurück in die vorige.

Scott: Das sagte Tompson, und dort liegt der Pol!

Bowers: Hallo, Scott, sieh mal dort!

Scott: Mein Gott, was gibt's?

Bowers: Ein künstlicher Haufe Schnee!

Scott: O meine Angst!

Wilson: Warum denn künstlich? Den hat der Wind so angeweht.
Kein Grund zu Sorge.

Bowers: Jetzt ist er weg!

Scott: Doch mein Verdacht besteht.
Wilson, mein Herz klopft zum Zerspringen.

Bowers: Trotz Nebel und Finsternis weiter, weiter!

Wilson: Bei diesem Wetter müssen alle halten.

Bowers: Was alle tun, ist noch kein Maß für uns.

Wilson: Seht, was macht Oates?

Scott: Titus, wohin?

Oates: Ich wünschte nur, daß meine Mutter den Augenblick erlebte.

Scott: Wilson, hast du gehört?

Wilson: Alles! Doch du hör mich nun:
Es ist Zufall, nicht wert, daß du darauf achtest.
Besser, wir gehen ins Zelt und warten, bis der Nebel weicht.
Dann wird vor uns im Licht der Pol liegen,
Und ein kurzer, sicherer Marsch bringt uns ans Ziel.
Oates ist ein Träumer, gefährlich weich,
Für ihn bin ich am meisten besorgt beim Rückmarsch.
Ist es ein Wunder, daß er stets von der Mutter spricht?

Scott: Er bat mich so, ihn mitzunehmen.
Fünfmal kam er zu mir nach London
Und bat mich.
Da nahm ich ihn, trotz seiner Jugend.

Wilson: Er ist ein Ehrenmann, nicht mehr, nicht weniger.

Scott: Dunkel, fühle ich, fing schon an.
O möge meine Sorge unbegründet sein.
O England, England!
Weh dem, der zu früh triumphiert.

Sie gehen alle ins Zelt.

Evans (im Zelt): O Scott, wie wenn der Himmel voller Wolken ist,
Die der Wind treibt,
Ab und zu schaut die Sonne durch,
Bald trifft sie dich,
Bald frierst du im Schatten,
So wechselte die meiste Zeit unsere Stimmung.
Jetzt aber, wo wir bis hierher gelangt sind,
Siegt Freude.

Bowers: Wunderbar leicht ging das Ziehen die letzten Tage.

Oates: Man lebte wie vor einem großen Fest.

Wilson: Dank unseren Instrumentenmachern.
Was wäre geschehen, wenn unsere Instrumente versagt hätten
Auf diesem Marsch, wo jede Kennung fehlt?

Oates: Fein war die Fahrt erdacht, fein alles wohl berechnet,
Selbst für das Äußerste ist vorgesorgt.

Scott: Im großen ganzen stimmt die Rechnung,
Und so weit Menschen vorsehen können,
Ist auch der Rückmarsch sicher.
Wenn wir nicht gerade ein Depot verfehlen
Oder vieltägigen Sturm bekommen,
Muß er gelingen.
Und für das Schlimmste ist Meares da mit den Hunden.

Wilson: Was gabst du ihm für Instruktion?

Scott: Im Tagebuch hier ist sie: »Wenn möglich, soll eine dritte Reise mit den Hunden über die Barriere unternommen werden. Welche südliche Richtung sie einzuschlagen hat, wird sich aus den Meldungen ergeben, die die rückkehrenden Hilfsabteilungen bringen. Die Begegnung mit der Polabteilung muß etwa am 1. März stattfinden auf 82 oder 82½ Grad. Kann der Marsch nach Süden weitergeführt werden oder die Wartezeit am angegebenen Treffpunkt verlängert werden auf fünf bis sechs Tage, so haben Sie die besten Aussichten, Ihren Auftrag vollkommen auszuführen usw.«

Evans: Meares wird sie genau befolgen.

Scott: Bill, wieviel Uhr?

Wilson: Genau fünf. Doch warum?

Scott: Wo Amundsen wohl steckt in diesem Augenblick?

Bowers: Kein Zweifel, er marschiert.

Die Szene verwandelt sich und zeigt Amundsen mit seinen Leuten auf dem Rückmarsch am 16. Januar 1912 auf 83 Grad südlicher Breite.

Amundsen: Hallo, nicht gar so schnell, Wisting. Bedacht ist besser. Da geht es los. Holla, er liegt. Ich halte mir den Bauch vor Lachen. Bald sind wir in Framheim. Bjaaland läuft wieder rechts. Da ist gar nichts zu machen. Hanssen ruft ihm schon zu. Der paßt wie ein Schießhund auf.

Hassel: Amundsen, sprich, was sagtest du, als du die Flagge hißtest?

Amundsen: Als wir alle die Leine ergriffen hatten, denn dieses Flaggenhissen gebührte allen gleich zu tun, da sprach ich: So pflanzen wir dich, du liebe Flagge, am Südpol auf und geben der Ebene, auf der du liegst, den Namen König-Haakon- VII.-Land. Und dabei weinte ich.

Mylius! Ring! Oberst! Suggen! Uroa! He, seid ihr toll? Gib ihnen die Peitsche, Wisting! Lehr sie gehorchen! Ihr Bestien! Denkt ihr, daß unsere Liebe uns die Zucht vergessen macht? Ha, wie das wirkt! Das schafft die Ordnung! So, nun kann's weitergehen. Wenn nicht alle Teufel uns begegnen, sind wir in zehn Tagen im Lager. Im Januar noch fährt der Fram ab. Landet in Hobart im Anfang März, und von dort telegrafieren wir unseren Sieg dem König, Norwegen und der ganzen Welt. Nach Haus, nach Haus! Vorwärts! Das Glück ist uns hold. O Hassel, mir brennt der Fuß, das liebe Norwegen wieder zu betreten. Die Heimat. Mich lüstert nach dem Duft des Vaterlandes. Wehe, wie kalt und öde und rauh und reizlos ist doch dies Land, wo unser Ruhm gedieh. Vorwärts! Ja, Mylius, Ring, Oberst, Suggen, Uroa, nun rennt in Ordnung. Auch ihr habt Besseres verdient als ein Grab hier im Schnee.

Die Szene verwandelt sich zurück.

Scott: Ja, wo steckt Amundsen in dieser Stunde?

Wilson: Bald werden wir es wissen.

Evans: Kapitän Scott, Männer wie wir, die den größten Teil des Lebens

Fern von der Heimat sind,
fern allem, was man dort preist und schätzt,
Und die durch Städte fremder gehen als durch dies öde Eis,
Werden schwer warm,
Doch dies ist wunderbar, wie es geglückt ist.

Oates: Welch furchtbares Geheimnis war der Pol bis diesen Tag!
Eine Sphinx, deren Rätsel verdarb den, der es lösen wollte.
Auf jeden Fall in unsagbare Mühe und Not verstrickte.
Nun, da das Rätsel fast gelöst ist,
Wird auch die blutige Gier der Sphinx erlöschen.

Während des Folgenden lichtet sich der Nebel langsam bis zu voll strahlender Sonne. Im Hintergrund wird an einem Stock eine dunkle Fahne hin und her wehend erkennbar.

Scott: Roß war der erste, der den Schleier lüftete. Ein Engländer. Mit seinen Schiffen Erebus und Terror drang er ins Packeis ein, durchfuhr es und erreichte das Meer, dem er den Namen gab. Am 10. Januar 1841 erblickte er Land, am 28. sieht er die Vulkane, die er nach seinen Schiffen Erebus und Terror nennt. Die Insel, auf der sie liegen, nannte ich später ihm zu Ehren Roßinsel, denn Ruhm gebührt der Kühnheit und der Umsicht. Er hat viel mehr als irgendein anderer den Weg zum Pol geöffnet.

Am 22. Februar 1842, auf seiner zweiten Südpolfahrt, kam Roß zur Eisbarriere genau dort, wo ich sechzig Jahre später das König-Edward-VII.-Land entdeckte. Als erster seinen Fuß auf Land am Südpol setzte Christensen im Januar 1895. Borchgrevink, ein Engländer, bestieg als erster die Eisbarriere und wies den Nachfolgern den Weg. Dann kam ich mit der Discovery, mit Shackleton und Wilson. Fuhr bis zum Edward-Land, überwinterte auf der Roßinsel, nicht weit davon, wo heute unser Lager steht, und drang mit Shackleton und Wilson bis über den 82. Grad hinaus. Doch auf dem Rückmarsch erkrankte Shackleton. Wir mußten ihn auf unserem Schlitten ziehen. Wie durch ein Wunder kamen wir lebend heim.

Dann war es eine Weile still. Doch in der Stille nahm eben der den Anlauf, der erst versagt hatte, Shackleton. Am 9. Januar 1909 stand er mit Wild, Marschall und Adams so weit südlich wie nie ein Mensch vor ihm, auf 88 Grad 25 Minuten. Er entdeckte den Beardmore-Gletscher, den er hinaufstieg bis auf 3500 Meter Höhe, und zeichnete auch uns den Weg vor. Er mit seinen Leuten durchmaß 2800 Kilometer in 127 Tagen, wobei sie die Schlitten selbst zogen und nicht geringere Mühe hatten als wir. Mit einem Schlage war der Schleier vom größten Teil des Polgebietes gerissen, nur noch ein kleiner Zipfel bedeckte es, der sich jetzt lüftet.

Bowers steckt seinen Kopf zum Zelt heraus.

Bowers: Ja. Jetzt!
Hurra! Die Sonne! Sonne! Seht ihr! Sonne!

In kurzer Zeit sind alle außerhalb des Zeltes.

Scott: Nun Gott sei Dank! Nun wird sich's weisen.
Unmöglich ist doch nichts. Das Ziel liegt vor uns, zum Greifen nah.
England, mein England, wild auf Ehre wie gar kein anderes in der Welt.
Darfst du durch mich heute triumphieren?! Schnell, das Zelt ab. Die Schlitten verschnürt. Die Skier! Wo sind die Skier?
O Sonne, scheine, scheine und leuchte über unseres Lebens schönstem Tag!
Kann es denn anders sein, nach so viel Qual, Entbehrung, Hunger, Kälte.
Wo bliebe der Sinn der Welt?

Bowers: Scott!

Scott: Ha! Was gibt's? Was ist?

Bowers: Wehe! O wehe! O wir Armen!

Wilson: Schnell, was ist los? Was siehst du?

Bowers: Dort! Grauenhaft! Furchtbar!

Wilson: Ein schwarzer Fleck.

Scott: Im weiten Weiß!

Wilson: Niemals Werk der Natur!

Evans: Kann es nicht sein.

Scott: O Gott! O ihr! O ich! O Gott! O Tod! O grauenvoll, entsetzlich.

Evans: Menschen.

Scott: Amundsen!

Wilson: Amundsen!

Scott: All die Mühsal, all die Entbehrung, alle die Qual!
Wofür? Für nichts als Träume!
Träume über Tag, die jetzt zu Ende sind?

Bowers: Hin! Alle hin! Oh, wenn das wahr ist!

Sie lassen das Zelt stehen und eilen alle ab in Richtung auf die Fahne. Sie verschwinden hinter dem Zelt, Nebel kommt in den Vordergrund und verdeckt alles.

 

Erste Dame in der Galerie: Was nun?

Zweite Dame in der Galerie: Ich sehe sie noch. Ich habe ein Glas und kann sie deutlich erkennen. Ich werde Ihnen sagen, was ich sehe.

In wortloser Spannung hasten sie weiter. Geradewegs auf den schwarzen Fleck zu. Der gleiche Gedanke, die gleiche furchtbare Erkenntnis hat sie erfaßt. Ich ahne, ihr Herz klopft ihnen zum Zerspringen. Nun kommen sie an, und was finden sie? Ich erkenne es deutlich durch mein Glas.

Sie finden einen braunen Lappen, der als Fahne an einen Schlittenständer gebunden ist. In der Nähe einen verlassenen Lagerplatz, Schlittengeleise und Schneeschuhspuren kommend und gehend. Und die deutlich erkennbaren Eindrücke von Hundepfoten. Das sagt alles! Die Norweger sind ihnen zuvorgekommen, Amundsen ist der erste am Pol.

Erste Dame: Warum schweigen Sie?

Zweite Dame: Sie stehen vor der Fahne. Sie rühren sich nicht. Keiner macht eine Bewegung. Der Kopf hängt ihnen vornüber.

Es muß eine furchtbare Enttäuschung sein, die sie alle erfaßt hat.

Jetzt hebt Scott als erster wieder den Kopf auf. Er besieht sich seine Kameraden. Der Anblick seiner armen Kameraden tut ihm weh; weher als der eigene Schmerz. Jetzt sehe ich, wie sich sein Mund bewegt. Die anderen fahren wie aus furchtbarer Betäubung auf. Sie nicken, sie wenden sich ab. Sie kommen zurück. Mein Gott! Mein Gott! Was ist aus ihnen geworden!

 

Scott mit seinen Leuten erscheint wieder.

Scott: Aus!

Wilson: Aus!

Bowers: Aus!

Evans: Aus!

Oates: Aus!

Alle: O diese Kälte! O dieser Wind! O dieser Nebel! O schweres Atmen! Hunger! Hunger! Macht schnell ein gutes Essen!

Scott: O trügerisches Glück! Wahnsinn der Welt! O blöder Ehrgeiz! Irrer Stolz!

O schauerlichster Ort der Welt! O großer Gott! Und an diesen entsetzlichen Ort haben wir uns mühsam hergeschleppt und erhalten als Lohn nicht einmal das Bewußtsein, die ersten gewesen zu sein!

O England, England! O armer Union Jack! Mir graut vor dem Rückweg.

Wilson: O Amundsen! Dein Spiel war schnell, hart, grausam, erfolggewiß.
Vom Glück furchtbar begünstigt. Ich muß es anerkennen.
Du hast gesiegt. Wehe dem Besiegten!
Weh diesem Rückmarsch!

Scott: Traum meiner Tage, lebe wohl!

Bowers: Allmächtige Sphinx!

Oates: Komm, Nacht, und töte unseren Tod!

Sie ordnen schweigend ihre Sachen und verschwinden dann im Zelt. Das Zelt liegt still. Es dunkelt. Man hört unterdrücktes Weinen und die Worte: »Zu spät, zu spät!«

II. Teil

Chor: Blut! Blut!
Blut bindet. Blut entzweit.
Dennoch denkt Frieden.
Denn Blut und Frevel sind der Urgrund.

Über das Eismeer zieht ein Orkan heran.
Schon ganz in Fernen grollt er.
Was aber hier auch herrschte, Stille, Sturm,
Am meisten der Tod.

So viel ich sah und vieles in vielen Jahren,
Viel Gutes nicht.
Und hier im ewigen Eis schon gar nicht.
Auch hier ist ewig Kampf und Streit.
Eine Herrscherin gibt es überall: Unrecht.
Eine Siegerin: Gewalt.
Mord ist noch immer und Raub und Unterdrückung das Lied der Erde.

O blutiges Europa!
Auch hier auf weißem Altar verschwendest du Leben.
Opferst es eifernd,
Unangetastet im Geheimnis.
Und doch: Europäer sein, welcher Ruhm!

Denn von Osten sahen wir fünf Männer vordringen.
Sie ließen ihre Schlitten von Hunden ziehen,
Und oft noch sich selbst.
Sie erstiegen den Gletscher, bahnten über unzählige Spalten im Eis sich einen Weg
Und langten am Pol an.
Sie waren vortrefflich ausgerüstet.
Sorgfältig, um nichts zu verfehlen, bestimmten sie mit ihren Instrumenten den Pol
Und umgingen ihn zweimal.
Dann traten alle fünf zusammen,
Faßten an und pflanzten die Flagge.
Und nahmen das weite, öde Land in Besitz,
Ruhmbegierig und gelockt von möglichen Schätzen.

Ein kleines Zelt ließen sie stehen,
Drin ein Brief für den Nachfolger.
Dann traten sie mit zwei Schlitten und sechzehn Hunden den Rückmarsch an.
Alles glückte ihnen.
Schnell wie der Hinmarsch ging der Rückmarsch vonstatten.
Zahlreiche von ihnen gebaute Schneewarten
Und ein sorgfältig erdachtes System der Bezeichnung der Vorratslager bewirkten,
Daß sie weder den Weg noch ein Lager verfehlten.
Am 16. Januar waren sie auf 83. Grad südlicher Breite,
Zehn Tagemärsche von Framheim.
Am 26. Januar waren sie im Lager zurück.
Am 29. war alles an Bord des Fram geschafft.
Am 30., abends halb neun bei dichtem Nebel
Lichtete der Fram die Anker zur Rückkehr in die Heimat.
Bald kommen sie an in Hobart.
Bald eilen sie zum Telegraphenamt.
Bald weiß die ganze Welt um ihre Tat,
Um die Entdeckung des Südpols durch den Norweger Amundsen
Und seine vier Begleiter Wisting, Hassel, Bjaaland und Helmer Hanssen.
Und am meisten lauscht ein Land im Norden
Und rüstet sich zum festlichen Empfang
Und ungeheurer Ehrung in der Hauptstadt Oslo.
Dann kamen andere von Westen, ein ganzer Haufe.
Zuerst 17 Mann, 10 Pferde, 22 Hunde, 2 Motorschlitten.
Trotz großer Mühen drangen sie vor bis zum Beardmore-Gletscher.
Wo ein Sturm sie zwang,
Fünf Tage und fünf Nächte stillzuliegen,
Ein in ihrer Lage schweres Mißgeschick.
Darauf ließ Scott die Pferde töten,
Schickte die Hunde nach Hause,
Und drang schließlich mit sieben Begleitern bis auf die Höhe vor.
Bis auf 87 Grad, wo die letzten Überzähligen zurückgeschickt wurden.
Alle Zurückgeschickten erreichten das Lager am Kap Evans,
Die letzte Abteilung allerdings unter unmenschlichen Anstrengungen.
Zuletzt sehen wir Scott marschieren
Und nur noch vier Mann mit ihm
Weit im Süden.
Sie ziehen selbst den schweren Schlitten,
Sie spüren von Tag zu Tag mehr die Folgen der Erschöpfung und des Hungers,
Aber ein Gedanke beseelt sie,
Gewaltige Hoffnung und Liebe zu England.
So halten sie durch.
Sie nähern sich am 16. Januar dem Ziel ihrer heißen Wünsche.
Da, als ein plötzlich einsetzender Nebel sie zum Halten zwingt,
Entdeckt Bowers mit seinen scharfen Augen etwas,
Was einem künstlichen Schneehaufen gleicht.
»Zusammengetriebener Schnee«, sagt Wilson,
Und als der Nebel sich verzieht, rüstet man zum Aufbruch.
Da aber erblickt Bowers etwas Neues gerade voraus.
Einen schwarzen Fleck im weißen Schnee.
Der kann kein Naturwerk sein.
Ein furchtbares Gefühl der Verzweiflung ergreift Scott und seine Leute.
Sie hasten auf den schwarzen Fleck zu, und was entdecken sie:
Eine Stange mit einer Fahne daran.
Der Pol ist bereits entdeckt!
Ein anderer ist schon hiergewesen. Amundsen.
Es ist aus!

Da drang ein Dolch ihnen durch das Herz.
Da wurde ihre Widerstandskraft gebrochen.
O Europa! So mordet dir den Zweiten der Erste,
Und nur die eine Frage bleibt: wer tötet den?
Seitdem kämpfen Scott und seine Männer ums Leben.
Alles schlägt ihnen fehl.
Bei 30 Grad unter Null beginnt der 1500 Kilometer lange Rückmarsch.
Evans, der kräftigste, bricht am ersten zusammen.
Er wird gleichgültig gegen sich selber.
Auch mit Oates steht es nicht gut.
Aber er kämpft mit aller Kraft gegen das Erschlaffen.
Wilson verstaucht sich das Bein.
Scott verrenkt sich schwer die Schulter.
Alle fühlen auch geringere Kälte viel stärker als auf dem Hinmarsch.
Das Wetter wird miserabel.
Das Tageslicht nimmt ab, sie verirren sich häufig.
Ein Glück, daß sie die Depots finden.
Aber bald zeigt sich in den Depots ein unerklärlicher Fehlbetrag an Öl.
Am 17. Februar wird Evans irrsinnig und stirbt frühmorgens.
Er stirbt eines natürlichen Todes,
Läßt aber die anderen schwer getroffen,
Bei schon gefährlich weit vorgerückter Jahreszeit zurück.
Dennoch geben sie die Hoffnung nicht auf.
Aber neues Unglück erwartet sie.
Als sie von der Hochebene herabsteigen und wieder auf der Eisbarriere sind,
Treffen sie eine viel fürchterlichere Kälte an,
Als sie sie oben gehabt haben,
Dauernden Gegenwind und eine grauenhaft schlechte Oberfläche.
Sie kämpfen wie Löwen.
Wenn auch der Untergang nahe scheint, sie wollen aushalten bis zum letzten.
Sie zwingen sich zur Heiterkeit.
Von Stunde zu Stunde mehr hoffen sie auf Meares und die Hunde,
Die allein sie mit Sicherheit noch retten können.
Auf 82 einhalb soll Meares mit den Hunden warten.
Aber nun ist man schon nördlich von 82 Grad,
Und kein Mensch ist zu sehen.
Unerklärlich, was der Grund sein mag.

Da trifft das Allerschlimmste ein:
Oates' beide Beine erfrieren.
Ein neuer Schwerkranker ist unter ihnen,
Der den Marsch noch mehr aufhält.
Aber noch immer sinkt der Mut im Lager nicht ganz.
Ja, der Entschluß, sich durchzukämpfen, ist nie fester gewesen als damals.
Wenn – wenigstens – das – Wetter – gut bliebe –!
Aber es scheint, nun hat es das Wetter auf sie abgesehen.
Furchtbare Stürme hindern den Marsch.
Der Mangel an Nahrung und Öl
Läßt die Entkräftung schnell vorwärtsschreiten,
Und mitten in diesem letzten, fast schon hoffnungslosen Kampf
Bricht Oates zusammen.

Wehe dem, der verderben soll!
Ihn rettet nichts, und das Heil wird ihm zur Falle!
Vier lebendig Tote sehen wir kommen.
Drei davon ziehen einen Schlitten.
Der vierte hinkt hinterher.

Einen Hügel sehen wir am Horizont,
Da sind Lebensmittel und Öl.
Männer sahen wir und Hunde dort warten,
Tagelang nach Süden spähen.
Dann zogen sie ab.
War die Instruktion falsch?
Wurde sie falsch begriffen?
Hier nahen die vier,
Ein Zug, grauenerregend, furchtbar, der Steine erweichen könnte.
Was werden sie tun, diese vier Männer?
Auch Tiere sind unbegreiflicher Handlungen fähig,
Denen nachzusinnen das Herz erschüttert
Und den Geist entsetzt.
So der Skorpion, im Feuerkreis gefangen,
Zückt gegen die eigene Brust den Stachel
Und stirbt lieber, als daß er Gewalt duldet.
Der Pelikan öffnet sich mit dem Schnabel die Adern
Und tränkt mit Blut durstige Junge.
Doch solche Taten sind dumpf und werden ohne Kenntnis der Tragweite getan.
Der Mensch allein opfert Unendliches,
Wenn er sich opfert.
Der Sturm heult im weiten Norden,
Tobt mit nervenpeitschendem Lärm überm Eismeer.
Er kommt, er kommt.
Er vernichtet, was noch hofft.
Er löscht aus geschwächtes Leben ohne Mitleid.

Eine hügelige Landschaft, Bowers, Wilson und Scott treten auf, unter größter Mühe den beladenen Schlitten ziehend. In der Mitte der Bühne halten sie an.

Scott: O Gott, der Du diesen Kampf schaust, wie kannst Du zusehen,
Ohne Dich zu erbarmen!

Wilson: Der arme Titus hielt uns heute morgen wieder schrecklich auf. Wir müßten unbedingt sofort nach dem Aufstehen auf den Weg. Die wärmende Kraft des Frühstücks geht verloren.

Bowers: Der arme Titus! Es ist zu traurig mit ihm. Und doch muß man immer wieder versuchen, ihn aufzuheitern.

Scott: Wenn doch die Hunde kämen! Meares wird eine schlechte Heimreise gehabt haben. O dieser Wirrwarr, dieser Wirrwarr!

Bowers: Noch ein paar hundert Meter müssen wir heute schaffen.

Scott: Wenn es auch schwerfällt!

Wilson: Wenn es auch unmöglich scheint. Oates frug mich gestern, ob noch eine Möglichkeit der Genesung für ihn vorhanden sei. Ich sagte, daß ich es glaubte. In Wahrheit gibt es keine mehr.

Scott: Mich frug er auch um Rat. Er ist ein tapferer, heldenmütiger Mensch und klar über seine Lage. Aber er frug mich tatsächlich um Rat. Ich riet ihm, so weit mitzumarschieren, als er noch könne.

Wilson: Heute morgen bat er ja, wir möchten ihn in seinem Schlafsack zurücklassen. Davon konnte natürlich keine Rede sein. Und ich bewog ihn, noch diesen Marsch am Nachmittag mit uns zu machen.

Es muß eine entsetzliche Qual für ihn sein.

Bowers: O unser Titus! Wie war er früher froh und lustig, und wie still und stumm sitzt er jetzt im Zelt.

Man hört ein gebellartiges Rufen.

Scott: Die Hunde! Hört die Hunde!

Wilson: Gerettet!

Bowers: Gerettet! Still! Still!

Man hört denselben Laut.

Bowers: O Gott, der arme Titus ruft.

Scott: O Gott! Kannst Du das hören und sehen ohne Mitleid! Wenn unser grauenvolles Sterben Dich rührt; wenn solcher Wille vor Dir nicht Frevel ist; wenn Liebe zu der Heimat und Ehrgeiz für sein Volk nicht Sünde sind; wenn alle Tugend, an die wir glauben und um die wir uns bemühen, nicht totwürdiges Verbrechen ist, laß es genug sein! Hemme jetzt die Gewalt, durch die wir untergehen.

Wilson: Nur ein paar Tage keinen Sturm!

Bowers: Was Kälte, Hunger, nie erhörte Mühen vom Menschen übrigließen, das hofft noch hier auf Rettung! Wir sind hinausgeschleudert aus dem Kreis der andern; dem Griff des Schicksals näher, erwarten seinen Spruch und werden retten mit uns die Ehre Englands.

Wilson: Wir fielen in eine tiefe Grube, daraus wir allein nicht kommen. Rette unsere Arbeit, die zu aller Nutzen ist, und uns!

Scott: Drei Tage keinen Sturm!

Wilson: Leidliches Wetter zum Marschieren!

Bowers: Drei Tage nur!

Ein Windstoß.

Bowers: Es gibt nur einen Weg der Rettung: Weiter. Auf Titus können wir nicht warten. Er muß sehn, wie er folgt.

Scott: Der arme Titus. Wir werden ihn keinesfalls verlassen.

Scott, Bowers, Wilson ab. Man hört Stöhnen und Schmerzenslaute.
Darauf tritt Oates auf, humpelnd, heiser, ein völlig gebrochener Mensch.

Oates: Auf blutigen Füßen hinken, den gekommenen Weg zurück!
Verloren dennoch. Mit Gewißheit.
Verflucht war diese Fahrt von Anfang.
Fünf Tage Sturm am Beardmore.
Zusammenbruch der Ponys.
Versagen der Motoren.
Am Ziel die niederschmetternde Enttäuschung.
Unfall nach Unfall auf dem Rückmarsch.
Tod im Lager.
Die letzten fürchterlichen Märsche.
Der Fehlbetrag an Öl. Die Kälte 41 Grad.
Ausbleiben der Hunde.
Meine Krankheit.

Er sinkt in den Schnee.

Oates: Nicht schwach werden! Nicht versagen! Nicht schreien vor Schmerz! Und nicht verzweifeln! Ich frug Wilson, ob für mich noch eine Möglichkeit der Genesung wäre. Bill sagte, er glaube es. Ich halte sie furchtbar auf, doch Bill glaubt noch an meine Rettung! Ich frug sie alle um Rat. Sie baten mich dringend, weiter mitzukommen. Heut morgen bat ich sie, mich in meinem Schlafsack zurückzulassen. Das wollten sie durchaus nicht. Sie bewogen mich, noch diesen Nachmittagsmarsch zu machen. Wie, wenn sie mich belügen? Wenn ich hier sterben muß? Wenn keine Rettung ist für mich? Ich hierbleiben, im Schnee. Nicht mehr das Lager, nicht mehr England? Hier? Allein? Tot? Tot? O Bob! O Bill! O Birdy! Von euch getrennt für immer? Es darf nicht sein! Ich kann's nicht glauben. O Mutter! Weißt du noch, wie du mir abrietest und ich dich lächelnd abwies? Du batest so. Du meintest es so gut. Dein Rat war gut. Wie schlimm lohnt dir dein Sohn die Liebe! Wilson, Scott, Bowers werden zeugen, daß ich dem Tod fest ins Gesicht sah. Mein Regiment wird sich freuen über meine Ruhe. Wilson, Scott, Bowers werden zeugen, daß ich bis zum letzten Augenblick tätig und hilfsbereit war.

Noch hat mich keiner klagen hören.
Doch du, Mutter, wirst dennoch weinen.
O Mutter, wenn alle Söhne ihren Müttern folgen wollten,
Auf Mutterworte mehr lauschen als dem,
Was Mund an Mund von Männern weitergeht,
Wer wollte dann in unbekannte Weite fahren?
Wo bliebe der Länder Stolz, wo Ruhm, wo Ehre?
Wie hielte dann die Welt zusammen?
Bowers! Scott! Wilson! He, wo seid ihr?
Wollt ihr nicht warten?
Ich lebe! Komme! Auf blutigen Füßen humple ich den Weg,
Den ich gegangen bin, zurück. Gibt es noch eine Rettung? Sagt die Wahrheit!

Oates ab. Nach kurzem erscheinen Scott, Bowers, Wilson von hinten über einen Schneehügel mit Schlitten.

Bowers: Noch Glück im Unglück, dort ist unsere Spur.

Scott: Weiter geht's heute nicht. Hier halten wir.

Wilson: Es muß ein Ausnahmejahr sein. Nie, seit man Beobachtungen hier angestellt hat, gab es solches Wetter und solchen Schnee.

Scott: Das brächte einen beinahe dahin, an eine Schuld zu glauben, an eine, von welcher keiner weiß.

Wilson: O Amundsen! Evans ging lange schon von uns! Er starb buchstäblich an der Enttäuschung. Oates geht zu Ende. Und bald auch wir. Menschen sind nunmehr machtlos.

Bowers: So lang noch Leben in mir ist, hoffe ich noch. Es ist nicht gut, daß wir Gift bei uns tragen, Jungens! Wenn der Tod kommt, treffe er uns stark, furchtlos, unbetäubt. Ich werfe das Gift weg, das mir Wilson gab. Da liegt es.

Scott: O Birdy, gut getan, ich wollte es auch schon tun.

Wilson: Und ich. Nun laßt uns aushalten bis zu Ende.
Und eines natürlichen Todes sterben, mitten im Kampf.

Bowers: Ein wunderbarer Mut durchdringt mich.

Scott: Und mich.

Wilson: Und mich! Laßt uns das Zelt aufschlagen und dann nach Titus sehen.

Bowers: So nah das Vorratslager. Bob, es muß gelingen.

Scott: Ganz ohne Zweifel, Birdy, wenn das Wetter gut bleibt.

Wilson: He, Bob, he, Birdy, was geschieht mit mir? Ich kann nichts sehen.

Scott: Heiliger Himmel, bist du schneeblind? O Bill, was tust du uns! Setz dich hier auf den Schlitten. Setz dich. Birdy und ich schlagen das Zelt auf.

Wilson: O Jammer, jetzt unnütz zu sitzen!

Scott: Es wird vorbeigehn, Bill, sei ohne Sorge.

Bowers: Alles wird gut, wenn wir im Lager sind. Bob, warum zögerst du?

Scott: O meine Seele, mir erfror die Hand.

Bowers: So steh und stütze. Ich schlag es allein auf.

Scott: Solang du willst, will ich hier stehen. Bill, sprich, wie geht's dir? Nicht erfrieren! Gleich bringen wir dich ins Zelt. Birdy, ein Wunder, schlägt das Zelt allein auf.

Wilson: Damals mit Shackleton kam auch noch Rettung.

Scott: Auch diesmal kommt sie ganz gewiß. Nun rufe ich Oates. He, Titus, Titus! Hier sind wir, Titus! Hier! Hier steht das Zelt.

Wilson: Hör mich, Bob. Niemand weiß, was wird. Niemand weiß, wie lang er noch reden kann. Hör mich. Damals am Pol, dort oben vor acht Wochen, glaube ich, sprachst du von Tompson, deinem Freund in London, den du wegen der Expedition befragtest. Denkst du noch daran, Bob?

Scott: Ich weiß. Alles was er mir sagte, traf auch ein. Nur eben das Schlimmste, Amundsen, hatte er nicht genannt.

Wilson: Und Oates, der von seiner Mutter sprach, was wird aus ihm?

Scott: Kann sein, sagte Tompson, wenn ihr im tiefsten Dunkel sitzt, kommt von ihm Licht.

Wilson: Nun siehst du, Bob! Was ist mit Oates? Titus hat wie
ein Held die Qualen ertragen, die er erleidet, er ist ein Ehrenmann.
Was noch? Und höre –

Bowers: Bob, deine linke Hand, kannst du sie leihen?

Scott: Schon komme ich, Birdy.

Wilson: Wir sind nur ein Teil des Plans des Schöpfers. Ein Teil! Ein Teil!

Bowers: Es wird noch alles gut gehn, Bob.

Scott: Bestimmt.

Bowers: Das Zelt ist fertig. Wilson kann jetzt hinein und du und ich.

Scott: O ganz vortrefflich, Birdy.

Sie bringen Wilson ins Zelt und gehen dann selbst hinein.

Scott (im Zelt): Wieviel Rationen hast du noch für jeden, Birdy?

Bowers: Dies ist die letzte.

Scott: Wieviel Öl noch zum Wärmen, Birdy?

Bowers: Ich wollte es nicht früher sagen: nichts mehr.

Wilson: Wieviel Kilometer sind es noch bis zum Eintonnendepot?

Bowers: Zwanzig.

Scott: Drei Tagesmärsche.

Wilson: Wenn wir marschieren können.

Bowers: Wenn das Wetter gut ist, können wir's. Überhaupt, wenn wir erst mal wieder am Kap Evans sind, ist alles gut. Da werde ich erst mal schlafen, schlafen, richtig schlafen, in trockenen Betten und einem warmen Raum. Und baden, essen, trinken, drei Tage lang.

Wilson: Furchtbar viel ist zu ordnen! Meine Skizzen. Die Steine. Die Berichte.

Scott: Und meine erfrorene Hand muß amputiert werden.

Bowers: Es gibt so viel zu tun. Einen ganzen Haufen. Wollen wir nicht singen?

Scott: Hänge das Thermometer hierher, Birdy.

Sie singen im Zelt englische Kirchenlieder. Oates tritt auf, d. h. zunächst wird er nur halb sichtbar.

Oates: Sie sagten selbst, es ist noch Hoffnung. Oates kann noch leben.

Oates will leben. Mit ihnen. Mit allen, niemals mehr als jetzt. Ich höre singen. Das sind sie. Dort ist das Zelt. O Bill, Du Lieber! Lieber Bob! Und Birdy, das Vögelchen, Du lieber Freund.

Wir alle werden leben, alle, alle. Wir haben es verdient durch unsere Taten. Kann die Welt so falsch sein, so entsetzlich, daß wir nicht leben sollten, die nichts taten, als was man lehrt als Pflicht. Ganz nah ist das Depot. Die Hunde finden uns. Wenn wir dann in das Lager einziehn, Atkinson, Cherry Garrard, Nelson, Debenham, Day, Wright, Teddy Evans, Taylor, Gran, Ponting, Simpson, Lashly, Hooper, Ford, Koehane, Crean, Anton und Dimitri. Ich vergesse keinen! Wie stürzen sie hervor, ungläubig zuerst, dann langsam begreifen sie, dann dieser Jubel. Und wir, die halben Leichen, erfroren, halb betäubt, vor denen sie erschrocken stehen, können nicht sprechen, zittern, Freude, Glück und Seligkeit. Dann lauschen sie später unseren Worten, dem Bericht vom beispiellosen Marsch, dem größten, furchtbarsten der Weltgeschichte, von uns vollführt zu Ehren Englands, der nicht umsonst war. Nichts ist umsonst. O nichts! Glaubt mir. Gleich bin ich bei euch. Einen Augenblick.

Er fällt und wird unsichtbar.

Bowers: Was tut das Thermometer, Bob?

Scott: Es steigt. Es gibt Orkan.

Wilson: Man muß Oates rufen oder holen.

Bowers: Titus, Soldat! He, hörst du nicht? Hier sind wir. Ein Schneesturm kommt, ja, ein Orkan. Wo steckst du, armer Soldat? Wo bist du? Ich sehe einmal, wo er ist.

Bowers ab nach links. Oates erhebt sich und klettert über den Schneehügel.

Oates: Ruft jemand Titus? Titus kommt. Der Soldat kommt. Sagt ihm die Wahrheit! Nicht lassen drei den einen hier im Stich. Der müßte doch der elendste der Schurken sein, der solche Freunde gefährden wollte um ein paar Tage Leben. Ich muß jetzt wissen, wie es mit mir steht.

Er setzt sich neben das Zelt auf den Schlitten.

Wilson (im Zelt): Er ist ja schon am Sterben. Er ist unrettbar verloren. Es ist eine Frage nur von Tagen. Evans sah auch so aus die letzten Tage. Wir können ihn nicht retten, können ihn aber auch nicht draußen lassen bei dem Sturm, der kommt. Und wenn er uns verdirbt, solange er lebt, verlassen wir ihn nicht.

Scott: Er hemmt uns schrecklich. Doch lieber sterben als im Stich ihn lassen.

Oates: Das ist die Wahrheit. Ich habe es gewußt. Genug. Ich habe genug gehört. O Bill, o lieber Bob. Wahrheit tut weh. Doch besser Wahrheit als Lüge. O Bob, o Bill, o Birdy. Nun, Oates, laß alle schwachen Bedenken fallen. Und zeig, daß du mehr bist als Phantasie und Worte.

Er erhebt sich.

Der müßte ja ein Schurke sein von schlimmster Art, der solche Freunde verderben könnte, für ein paar Tage Leben.

Er fängt an zu gehen.

Oates: Vorwärts. Noch ein paar Schritte. Leise! Vorwärts! Der müßte ja – – – Weh, welche Schwäche überkommt mich plötzlich!
Ich sinke hin, ich liege.
O Gnade, geht es so zu Ende?

Bowers kehrt von links zurück.

Bowers: Er war schon hier! O heldenmütiger Titus, wert, daß ein Wunder für dich geschähe! Hallo, was ist das ? Liegt da wer? Bist du es, Titus? Hilf, was ist dir?

Oates: Dank mit mir Gott, er läßt mich sterben.

Bowers: Sprich nicht so, Titus, komm ins Zelt.

Oates: Dich, Bowers, nannten wir doch das Vögelchen, das lustige Vögelchen. Sing mal.

Bowers: Bin heiser momentan, Titus.

Oates: Ist eine große Heiserkeit jetzt unter uns.

Bowers: Der Norweger ist schuld daran.

Oates: Die Sterne auch.

Bowers: Wenn ich mich recht erinnere, Titus, der Marsch zum Pol war mühsam, doch voll Glück. War Wärme in der Kälte, Freude in der Mühsal und in den vielen Nächten Helle.

Oates: Trag mich hinein. Ich sterbe. Von Bill und Bob nehme ich noch Abschied.

Bowers: Leicht wie ein Vögelchen, Titus, bist du, spricht Birdy.

Er bringt ihn ins Zelt.

Oates: Gleich an den Eingang leg mich hin. Es geht zu Ende. Meine Sinne schwinden. Es geht zu Ende. Wenn nicht sofort, dann heute nacht. Gott hat mich erhört.

Bob, Bill, Birdy, mein junges Leben muß ich nun lassen, alles Glück der Zukunft, alle Träume mit ihm. Dennoch bereue ich nicht, daß ich mit dir zog, Scott, du Schöner, und mit dir, Wilson, mit dir, Bowers. Daß ihr mir Kameraden wart und ich euch, macht mich stolz noch im Tod. Den Pol haben wir erreicht. Zeuge seid ihr mir, daß ich aushielt wie je ein Mann in solcher Lage. Mein Regiment wird sich freuen und mich behalten. Meine arme Mutter müßt ihr trösten und ihr erzählen, wie ich starb. Wenn jetzt England in dieses Zelt sehen könnte, nicht wäre Trauer vorherrschend. Noch etwas anderes, gewiß, würde es empfinden, das Trauer überwiegt. Ich schlafe ein. Und hoffe, nicht mehr zu erwachen.

Scott: Titus, mein Freund und Kamerad.

Bowers: Still, still, er ist schon weg.

Die Szene verwandelt sich. Man erblickt das Innere eines Zeltes, in welchem Scott, Wilson, Bowers, Oates in ihren Schlafsäcken liegen und schlafen.

Chor: Gewaltiges Schicksal! Wilder Menschenwille!
Millionen Jahre in ewigem Eis ruhte der Pol.
Geschaut nie, nie berührt von einem Menschen.
Geheimer Weltort.
Da, in einer Spanne von vier Wochen,
In einem Mondumlauf zweimal wird entdeckt
Der seit ewigen Zeiten Ungekannte.
Amundsen und seine Begleiter steigen hinauf,
Steigen in den höchsten Triumph.
Aber die anderen, Scott und seine vier Männer,
Sinken hinab in Enttäuschung und Tod,
Weithin sichtbar.

Hier kamen sie gestern an,
Hoben die Arme und flehten zu Gott um Hilfe.
Doch draußen auf dem Eismeer lag schon der Orkan.
Sie richteten das Zelt auf und sangen.
Dann kam Oates gehumpelt.
Er war im Sterben.
Im Zelt nahmen sie Abschied.
Die Nacht stieg, und still lag alles.
Der Orkan zog heran,
Jetzt fegt er ums Zelt und der Schnee.
Nie waren Männer so entkräftet,
So verhungert und von der Kälte erschöpft,
Nie sank jemand schneller in Schlaf.
Ist es möglich, daß sie immer noch hoffen?
Erfüllt sich die Hoffnung des einen, der sterben will?
Es stürmt und schneit,
Die Nacht weicht nun,
Es wird Morgen auch hier.

Wilson: Bobby, bist du schon wach?

Scott: Es wird schon Morgen.

Wilson: Ich sehe nichts. Für mich ist dunkle Nacht. Was ist mit Titus?

Scott: Weiß nicht.

Wilson: Laß uns noch eine Stunde schlafen, Bob. Auch unser Ende ist nicht fern.

Scott: Wir werden durchhalten.

Wilson: Wir werden mit unseren Sachen oder auch ohne sie zum Depot marschieren und, wenn's nicht anders geht, auf unserer Spur zusammenbrechen.

Scott: Wir werden durchhalten. Ich fühle die Blicke der Welt auf unser Zelt gerichtet. Es ist nicht gleichgültig, was wir tun. Niemals.

Pause.

Wilson: Bobby, wenn Titus lebt – ?

Scott: Solange Evans lebte –

Wilson: Blieben wir bei ihm.

Scott: Damals war unsere Lage noch viel besser.

Wilson: Als Shackleton erkrankte –

Scott: Nahmen wir ihn auf unseren Schlitten.

Wilson: Damals war unsere Lage so wie jetzt.

Scott: Verhüte Gott, daß je ein Engländer zuerst an sich denkt!

Wilson: Das wollte ich hören, Bob. Nun kann ich schlafen.

Pause. Oates erwacht.

Oates: Hallo, wo bin ich, und wer spricht?

Scott: Titus?

Oates: Ja! Wer ist da?

Scott: Kennst du nicht meine Stimme, Titus?

Oates: Bist du nicht Scott? Wo bin ich?

Scott: Wo besser alle wir nicht wären.

Oates: Wer lärmt so, sprich?

Scott: Draußen ist ein Orkan.

Oates: Ich schlief so gut. Wer weckte mich? Wer brachte mich hierher?

Warum hier lieg ich?

Scott: Titus, erinnerst du dich nicht?
Birdy brachte dich doch ins Zelt,
Du warst gefallen draußen.

Oates: Birdy? Ins Zelt? Ah, ich weiß, ich weiß!
Wir sind auf dem Rückmarsch vom Pol.
Draußen ist Schnee und Sturm.
Sehr nah ist ein Depot. Wir müssen hin. Ich kann nicht marschieren.
Denn meine Beine sind erfroren.
Weh, daß ich lebe, weh, weh, weh!

Scott: Titus, du sprichst im Fieber. Halt dich ruhig.

Oates: Ist es schon Morgen, Scott?

Scott: Warum?

Oates: Ist es schon Morgen, Scott?

Scott: Es ist schon Morgen, Titus.

Oates: Draußen ist ein Orkan?

Scott: Hörst du ihn nicht?

Oates: Dann ist es Zeit.

Scott: Was murmelst du? Was willst du tun?

Oates: Es ist soweit.

Scott: Was tust du, Titus?

Oates: Bei deiner Freundschaft, hindere mich nicht!

Oates beginnt sich zu erheben.

Scott: Titus, was machst du? He! Was hast du vor? Bleib liegen!

Wilson: Hallo, was gibt's?

Scott: Titus steht auf.

Wilson: Du bist wahnsinnig, Titus! Leg dich! Schlaf!

Bowers: Was gibt's?

Wilson: Titus ist aufgestanden.

Bowers: Wahnsinn! Leg dich, Titus. Hörst du nicht den Orkan, der draußen fegt? Was hast du vor?

Scott: Titus, du legst dich wieder hin.

Wilson: Sprich, was willst du, Titus ?

Bowers: Du wirst das Zelt jetzt nicht verlassen, Titus!

Oates: Ich will einmal hinausgehen. Und bleibe vielleicht eine Weile draußen.

Er verschwindet aus dem Zelt.

Scott, Wilson, Bowers (gleichzeitig): Titus!

Bowers will aufstehn.

Scott: Birdy, was machst du?

Bowers: Titus geht ja in seinen Tod.

Scott: Birdy –

Bowers: Dulde das, wer kann!!

Scott: Birdy, verstehst du nicht?

Bowers: Weil ich verstehe!

Wilson: Birdy, was willst du tun?

Scott: Was tätest du, Birdy, im gleichen Fall?

Bowers: O schlimmster Marsch! O allerschlimmste Stunde
Des schlimmen Marsches!
Mir ist nicht wohl in dieser Welt.

Die Szene verwandelt sich. Man sieht das Zelt wieder von außen. Oates ist im Schneesturm am Verschwinden. Man hört ihn noch.

Oates: O Du, der Du das Opfer forderst,
Rette die Freunde. Rette die Gefährten!
Rette Europas süßes Wunder
Und seine Ehre und seinen Glauben.
O Eishauch, ehe du mich tötest,
Sturm, ehe du mich entführst,
Oh, was mich hören kann,
Hier oder irgendwo,
Rettung, Rettung, Rettung den heiligen Gütern!
Ich taumle, stürze hin, vollbringe.

Chor: Nicht Grabstein und nicht Hügel erwirbt sich Oates.
In namenlosen Schnee ist er gebettet.
Unfindbar in das ewige weiße Schweigen.
Das Schicksal nahm ihm Kraft und junges Leben,
Doch Liebe und Ehre wahrt er bis zuletzt.
In weiße, weite Decke hüllte sich Oates.
In Ewigkeit entrückt ist nun das Opfer.

Scott (im Zelt): Oates stirbt.

Bowers: Oates ging in seinen Tod.

Wilson: Oates stirbt als Ehrenmann.

Scott: Auch unser Ende ist sicherlich nicht mehr weit. Wir hoffen, ihm mit ähnlichem Mut entgegenzugehen.

Bowers: O Geist der Tapferkeit, o Kraft zu erdulden, Noch bist du nicht entschwunden unserer Rasse!

Scott: Wir haben unsere kranken Gefährten nicht im Stich gelassen. Unsere Rettung wäre sicher gewesen, wenn wir sie hätten verlassen wollen. Wenn wir hier sterben, niemand ist deshalb zu tadeln.

Wilson: Gott sei uns gnädig!

Bowers: Das Thermometer steigt. Der Orkan nimmt zu.

Scott: Das Spiel ist aus.

Die Szene verwandelt sich. Man sieht das Innere des Zeltes. Zwei geschlossene Schlafsäcke. Scott halb liegend schreibt bei Tageslicht von außen.

Scott:

Birdy! (Keine Antwort.)

Bill! (Keine Antwort.)

Bill!! (Keine Antwort.)

(Scott schreibt weiter und spricht mühsam mit)

Interessiere unseren jungen für Naturgeschichte, wenn es Dir möglich ist; das ist besser als Spiele; in einigen Schulen wird sie gepflegt. Daß Du ihn viel im Freien lassen wirst, weiß ich.

Vor allem soll er sich vor Schlaffheit hüten, und auch Du mußt ihn davor bewahren. Mache ihn zu einem strebsamen Menschen. Ich mußte mich, wie Du weißt, zwingen, strebsam zu werden – ich hatte immer Neigung zu Trägheit.

In dem Sack mit meiner persönlichen Habe steckt ein Stück der britischen Flagge, die ich am Südpol gehißt habe, sowie auch Amundsens schwarze Fahne und andere Kleinigkeiten. Sende ein kleines Stück des Union Jack an den König und ein kleines Stück an Königin Alexandra.

Was könnte ich Dir alles von dieser Reise erzählen! Wieviel besser war sie als daheim sitzen in zu großer Bequemlichkeit. Was für Geschichten hättest Du für den Jungen! Aber welcher Preis muß dafür bezahlt werden!

Sage Sir Clemens, daß ich viel an ihn gedacht und es nie bereut habe, von ihm das Kommando der Discovery erhalten zu haben.

(Er blättert in Papieren)

Wenn ich wüßte, daß meine Frau und mein Sohn in gesicherter Lage zurückblieben, würde es mir wenig Kummer machen, aus der Welt zu scheiden, denn ich fühle, daß unser Vaterland sich unser nicht zu schämen braucht. –

Unsere Reise war die größte aller bisherigen, und nichts hätte unsere Rückkehr verhindert, wenn wir nicht zum Schluß noch das ungewöhnlichste Mißgeschick gehabt hätten. Wir sind, wie wir es planten, am Südpol gewesen.

Ich möchte Ihnen sagen, daß ich nicht zu alt für das Unternehmen war, die jüngeren Leute sind zuerst erlegen. –

Schließlich geben wir doch unseren Landsleuten ein gutes Beispiel, wenn auch nicht dadurch, daß wir in diese Lage geraten sind, so doch dadurch, daß wir unserm Schicksal wie Männer entgegensahen, als wir uns in der Not befanden. Wir wären durchgekommen, wenn wir die Kranken im Stich gelassen hätten.

Als Sterbender bitte ich Sie, lieber Freund, gut zu meiner Frau und zu meinem Kinde zu sein. Verschaffen Sie dem Knaben die Möglichkeit, sich fürs Leben auszubilden, wenn der Staat sie ihm nicht gewähren will. –

Er müßte doch wohl gut veranlagt sein ...

Ich bin in meinem Leben nie einem Menschen begegnet, den ich so bewundert und geliebt hätte wie Sie, aber ich konnte Ihnen niemals zeigen, was Ihre Freundschaft für mich bedeutete, denn Sie hatten viel zu geben und ich nichts.

Um Gottes willen – sorgt für unsere Hinterbliebenen.

Scott nimmt das Tagebuch und legt es mit letzter Kraft unter den Kopf. Stille. Plötzlich reißt er den Schlafsack auf. Unruhe.

Scott: Der Südpol! Meares! Hunde! Amundsen! England! England!

Er umarmt sterbend Wilsons Leichnam. Der Orkan heult ununterbrochen.

III. Teil

Teil des Hafens von Hobart auf Tasmanien. Am Tag der Landung Amundsens.

Chor: Geister des Nordlands,
Eilt und versammelt euch
Hier in Hobart, der Hafenstadt auf Tasmanien,
Und schaut die Ankunft des Mannes,
Der sich neu bewährt hat
Und seinem Lande neue Ehren
Und Ruhm bringt im Frieden.

Auf, jubelt alle ihm zu!
Noch ist das frohe Rufen von damals nicht verklungen,
Als er mit der Gjöa
Zur Erforschung des magnetischen Nordpols auszog

Und zur Erzwingung der nordwestlichen Durchfahrt.
Immer hat er das Ziel erreicht, das er sich gesteckt hat.
Der den Weg fand,
Den seit vierhundert Jahren die Menschheit vergeblich suchte.
Da kommt schon die neue Botschaft.
Hoch nun glänzt über uns eine Tat, ein Mann.
Der Südpol ist entdeckt vom Norweger Amundsen.

Auf den Mann kommt es an.
Der alles, das Große und Kleine,
Bis in alle Einzelheiten durchdenkt und ausführt.

Den von Shackleton entdeckten Beardmore-Gletscher mied er,
Den anscheinend sicheren Weg,
Und suchte einen eigenen,
Und hatte auf ihm Erfolg.

Hell für alle Zeiten leuchte die Tat!
Schon naht das Schiff.
Schon schaukelt auf der Salzwelle der Fram heran,
Den Colin Archer baute,
Den Nansen am weitesten in den Norden führte
Und Amundsen in den Süden.
Das glorreichste Schiff seit Nelsons Victoria.
Ruhm ihm, der sich im Siegen selbst besiegt.
Ruhm ihm, der unter Anwendung aller Kräfte
Zuerst das Ziel erreichte.
Viele schon suchten den Südpol,
Dessen Geheimnis die Menschheit herausforderte.
An dem unerhörte Schätze sein sollen.

Von allen anderen kam nur noch Scott hin.
Aber ihm gelang noch nicht die Rückkehr.
Er kämpft um Rettung.
Seine Lage ist verzweifelt.
Schon kam Evans um.

Aber Amundsen zwang auch das Glück.
Heil dem Mann aus dem Volk,
Der mit den Seinen als seinesgleichen im Zelt liegt.
Wenn er sich aber erhebt zur Tat,
Ein Herz und eine Seele mit allen,
Hat er furchtbare Kraft.
Dort naht das Schiff –
Aber hier, welche Frau?

Lady Scott mit ihrem Söhnchen tritt auf.

Lady Scott: O wieviel Tage nun schon blüht das Meer
Wie eine große, blaue Blume auf
Und blüht hinab.
Und immer noch kehrst du nicht wieder,
Scott, mein Geliebter.
Warum gab ich dich her?
O falscher Ehrgeiz, der die Männer treibt.
Was, Männer, sucht ihr in der Welt und wo?
Gar viel berühmt um Liebe ist das Weib.
Doch hat es denn bisher genug geliebt,
Wenn immer zu fernen Zielen noch die Männer streben?

Wieviel Schiffe schon beflog die Sehnsucht
Und kehrte leer zurück!
Ein allzu hartes Spiel mit mir, Scott, treibst du,
Und mein ist halb die Schuld.
Dies schwör ich jetzt:
Zum letztenmal ließ ich Scott ziehen,
Und nicht mehr weicht er
Mir von der Seite, noch ich ihm.

Sohn: Mutter, siehst du das Schiff?

Lady Scott: Ein Schiff? Wo? Dort? Ja dort!
Ein Segelschiff. Er ist's!
Nun werde wieder Taube, Herz, und flieg
Und eile dort hinüber,
Grüße den einen, lock herbei ihn;
Befreie dich von unerklärter Angst.
Mit wieviel Masten?

Sohn: Drei sind's, Mutter.

Lady Scott: So zähle auch ich.
Mir wird bang!
Mein allzu langes Warten zittert.
Heiß macht mich Stolz.
Dort segelt Scott.
Bin ich sein Weib?
Ich bebe als eine andere.
Ein Mädchen Englands begrüßt den Polentdecker.

Er ist's.
Komm schnell mit mir hinein.
Wir schmücken uns
Und stehn geschmückt dann hier.
Vor allen andern leicht für ihn zu kennen.
O furchtbar fremdes Bangen, dunkle Ängste
Der letzten Tage seid verscheucht.
Dort kommt die Terra Nova
Und der berühmte Scott.

Während sie zurück in ein Haus geht, kommt Christophersen nach vorn.

Christophersen: »Um diese Zeit, wenn alles glückt«,
Sprach Amundsen, »bin ich zurück.«
Fast auf den Tag hat alles meist gestimmt,
Was Amundsen errechnete.
Und wie er plante, ward es ausgeführt.
Ein Schiff. Ein Segelschiff!
Es könnte nach der Form der Fram sein.
Was aus dem Eismeer kommt, kommt so.
Bist du es, Fram, und glückte deine Fahrt,
So trug niemals ein Schiff
Nach Hobart größere Post,
Und nie für Norwegen ein größeres Kleinod.
Die Sonne blendet noch.
Wir müssen warten.
Auch Scott ist unterwegs.
Die Terra Nova soll ähnlich aussehen.
Scott hat Erfahrung; kühn und edel
Sind seine Leute und für England
Erfüllt von hohem Ehrgeiz.
Möglich, daß es die Terra Nova ist.
Freudig grüß ich auch Scott als den Entdecker
Und wer auch immer
Den Menschen solchen Dienst erweist.
Doch als Norweger hoffe ich für Fram.

Allmählich kommen Männer und Frauen, welche das Folgende zu sprechen haben:

Ein Schiff!.
Ein Dreimaster!
Er fährt im Wind!
Er kommt von Süden.
Noch früh im Morgen ist er hier.
Ein Schiff, ein Schiff!
Ein Südpolfahrer!
Scott oder Amundsen.
Es weckt die Stadt.
Es bringt die Schläfer auf die Beine!
Da kommen sie!

Christophersen: Ich eile, alle Norweger zu holen.

Ein anderer: Ich sorge, daß Musik da ist.

Ein anderer: Für diese Zeit sprach Amundsen von Rückkehr.

Ein anderer: Auch Scott verhieß sie jetzt im besten Fall.

Ein anderer: Von allen Häfen liegt Hobart am nächsten
Für Scott und Amundsen.
Erfolg zu melden, kämen beide hierher.

Ein anderer: Da kommen schon die Norweger herunter.

Die Norweger, geschlossen, und immer neue Männer kommen heran.

Der Fram! Der Fram!
Die Terra Nova!
Niemals der Fram!
Die Terra Nova niemals!
Es stürmt heran,
Jetzt setzt es gleich die Flagge.
Achtung!
Achtung!

Lady Scott mit Sohn, beide festlich gekleidet, treten aus dem Haus.

Lady Scott: Nun bin ich neugierig, wer ihn zuerst sieht,
Du oder ich, und wann er uns!
Da laufen sie schon.
Schnell!
Komm schnell.
Der Morgenwind treibt unser Schiff.

Man schreit: Achtung!

Lady Scott: Sie schreien schon. Sie schreien Achtung!

Sohn: Mutter!

Lady Scott: Was ist?

Sohn: Mutter, da steigt am Mast die Flagge.

Lady Scott: Der Union Jack!

Sohn: Nein!

Lady Scott: Nein?

Sohn: Eine andere.

Schreie: Hurra! Hurra! Hurra!
Der Fram! Der Fram!
Hoch Amundsen!

Lady Scott: Was schrein sie, Kind?

Sohn: Ich kann es nicht verstehn.

Lady Scott: Scott ist nicht tot, nicht tot.
Ich will nicht! Will nicht!
Die Angst der letzten Nächte falsch!

Schreie:Der Fram! Der Fram! Hurra!
Amundsen hoch! Der Fram!

Sohn: Sie schreien: Der Fram! Der Fram!

Lady Scott: Nicht Scott?
Nicht Robert Scott?

Sohn: Schau, wie sie tanzen!
Sieh, sie tanzen, Mutter!

Lady Scott: Mir tanzt die Welt vor meinen Augen.
Alles! Die Erde und die Sterne
Und die Sonne, Tag, Nacht
Und Himmel, Erde und Wasser.
Mir tanzt es vor den Augen.
Hilfe! Bring mich hinein.
Nein, warte!
Es ist der Fram.
Doch niemand sagt, er siegte.

Sohn: Mutter, sieh doch, das Schiff hat viele Flaggen
Und Wimpel jetzt.
Sieh doch, das lustige Schiff.

Lady Scott: Mir wird übel!
Schweig, Kind!
Lustig, sagst du? Lustig?
Ja, lustig, äußerst lustig,
Und lustig der, den es trägt.
Oh, hätte ich nie dich, Scott, von mir gelassen.
Wie gleichgültig wäre mir dies lustige Schiff!
Was gaffst du, Kind, ein Schiff an!
Ich mag hier nichts mehr sehn.
Komm mit!

Lady Scott ab, neue Menschen kommen.

Chor: Sagt, ist es wahr?
Seht doch dort hin!
Scott oder Amundsen?
Die Norweger!
Erfolgreich?
Seht den Schmuck des Schiffes!
Ja, dort! Ja, dort! Das ist der Fram.
Er rühmt mit seinen Wimpeln,
In frühe Sonne züngelt seine Lust.
Auf, in die Boote, in die Boote!
Still. Alle still! Seid ruhig.
Der Fram spricht mit dem Hafen.

Man hört durch das Megaphon gesprochene Worte.

Worte: Erlaubnis, Landen. Nein!
Nein! Keine. Skorbut auch nicht.
Ja. Ja. Südpol entdeckt. Südpol entdeckt.
Am 16. Dezember 1911.
Durch Amundsen entdeckt. Ja! Ja!
Wir landen.

Die Menge: Entdeckt! Entdeckt! Der Südpol!
Durch Amundsen! Der Südpol!
Hoch Amundsen! Hoch! Hoch!
Der Fram, hoch!
Heil Norwegen!
Heil! Tanzt, schreit, ruft, jubelt, flaggt!
Musik! Musik!
Der Südpol entdeckt durch Amundsen. Hurra!
Der Südpol entdeckt von Norwegern!

Christophersen: Landsmänner, kommt heran.
Schließt auf, grüßt euern Landsmann Amundsen!
Er landet.

Alle: Er landet! Hin ans Schiff!

Alle ab, es wird still, Lady Scott tritt aus dem Haus.

Lady Scott: Von ferne will ich schaun.
Im Haus erstick ich
Oder schrei so, daß mir die Kehle springt.
Erst dieser Lärm, dann diese Stille!
Ich trete ihm entgegen, klag ihn an.
Fuhr er nicht heimlich ab?
Stahl er nicht diesen Sieg?
Nein! Nein! Ganz anders!
In dieser Stille, Gott, hör mein Gebet.
Ich tue allen Stolz hier ab; ab alle Wünsche,
Ich sehe ohne Neid auf das, was kommt,
Und auf den Sieger Amundsen.
Nur dieses eine, Gott, erflehe ich:
Laß nicht das ferne weiße Land behalten Scott.
Gib, daß er wiederkommt.
Und mit ihm alle,
Auf die wir warten, ich und so viele Frauen.

Ein gewaltiges Geschrei kündet an, daß Amundsen gelandet ist. Musik spielt die norwegische Nationalhymne. Dann kommen mit schnellen Schritten Amundsen, seine Leute und alle übrigen. Von der Stadt her kommen der Bürgermeister und der Hafenkommandant.

Christophersen: Als Landsmann, Freund und Mitwisser um deine Pläne,
Besonders diesen, begrüße ich dich,
Zurückgekehrt vom Pol, Amundsen,
Norwegens großen Sohn,
Und wünsche Glück dir zur Entdeckung des Südpols.
Es ist nicht das erstemal, daß du als Sieger zurückkehrst,
Genau das ausführend, was du erstrebt hast.
Jetzt aber, als den Polentdecker,
Grüßt dich mit uns die Menschheit.
Weil alle du befreist vom Druck des Dunkels,
Das dort im höchsten Süden lag.
Hört es, ihr anderen.
Ich kannte Roald Amundsen schon auf der Schule.
Schon damals war sein Blick wie jetzt.
Er sah ein Ziel und hielt es fest im Auge.
Heute, da er soviel Ruhm erlangt hat,
Finde ich nicht viel an ihm geändert, soviel schon gab ihm die Geburt.
Und staunend sehe ich, wie schon auf neues Ziel den Blick gespannt.
Ihm sehr verwandt, finde ich die vier Gefährten,
Die mit ihm zogen.
Hanssen, Bjaaland, Hassel und Wisting hier,
Und diesen ähnlich alle die andern, die mithalfen.
Sie alle grüße ich als Sieger
Und rufe: Amundsen, der Polentdecker, und seine Gefährten,
Hoch, hoch, hoch!
Norwegen und sein König, hoch! Hoch! Hoch!

Bürgermeister: Als Bürgermeister dieser Stadt,
Wo Sie zum erstenmal bekannte Erde wieder betreten,
Begrüße ich Sie, Roald Amundsen, und Ihre Leute.
Wir sahen schon manchen ausziehen, um den Pol zu finden,
Doch keinen kehren als Vollbringer.
Von Ihrem Unternehmen war uns am wenigsten bekannt.
Doch so ging ein Gerücht:
Wenn Amundsen zum Südpol zieht, erreicht er ihn.
Schnell waren Sie im Entschluß,
Schnell in der Ausführung.
Seien Sie unser Gast, solang Sie sich hier aufhalten.
Und feiern Sie heute abend mit der Stadt.
Heil jedem Land, das solche Söhne hat,
Die Ruhm ihm bringen
Ohne Unrecht.
Heil Amundsen und seinen Leuten.

Hafenkommandant: Im Namen des Gouverneurs, im Namen Englands
Begrüße ich Sie, Amundsen, und Ihre treuen Helfer.
England hat selbst begehrt, den Pol zu entdecken
Und manchen tüchtigen Schritt dahin gemacht.
Von allen Ländern hatte es am meisten Aussicht.
Nun kamen Sie uns zuvor.
England ist neidlos groß!
Es anerkennt Ihr großes Verdienst
Und bittet, wenn Sie nach Hause fahren,
Machen Sie halt in London.
Die größten Ehren warten dort auf Sie.

Amundsen: Ich danke euch. Ich danke euch allen.
Euer Lob verwirrt uns.
Wenn wir schon froh sind über das Erreichte,
Wir können es für soviel nicht halten,
Wie ihr daraus macht,
Wo noch soviel zu tun ist.
Genauen Bericht wollen wir heute abend geben.
Diese Expedition glückte dank drei Umständen,
Die ich hier gleich erwähnen will:
Erstens: dank der Zuverlässigkeit der Freunde,
Von denen ich als treuesten nenne Christophersen,
Der hier steht.
Ja, Pedro, es muß gesagt sein,
Und für die Zukunft mußt du dich stählen
Für noch manches harte Wort des Lobs.
Denn ich verschweige nichts.
Der zweite Umstand waren die Hunde,
Die sich noch mehr bewährten, als wir hofften.
Allerdings auch viel mehr Arbeit machten,
Als wir gedachten.
Nicht wahr, Helmer, das kannst du gut bestätigen?
Die Hunde zogen viele Meilen uns,
So daß ein großer Teil der Fahrt wie eine Schlittenfahrt verlief.
Durchaus nicht anders.
Der dritte Umstand, dem wir den Erfolg verdanken,
War der, daß wir als Norweger
An Schnee und Eis gewöhnt sind.
Ihre Einladung, Herr Bürgermeister, nehmen wir an mit Dank.
Wir wollen hier nur so viel Tage bleiben,
Als unbedingt notwendig, und dann zurück nach Norwegen,
Wo neue Tat uns erwartet.
Ich will es hier gestehn:
Der Südpol galt mir nur als Weg zum Nordpol,
Der mich seit der Kindheit lockt,
Und dem nun alle meine Arbeit gilt.
Darum strebe ich so schnell als möglich in den Norden.
O liebe Heimat, Norwegen, o Vaterland,
Sei nun gegrüßt aus weiter Ferne
Von allen, die hier stehen.
Wie froh wir sein werden, wenn wir zu Hause sind.
Die Freude über unser Glück,
Der Ruhm, der sich damit verband,
Wird übertroffen werden
Durch unsere Heimkehrfreude.
Sah ich doch schon Oslo, die stolze Stadt.
Bei Gott, ich gäbe viel darum,
Das Meer, die Berge, den Wald,
Das Haus am Bundefjord zu sehen,
Wie ist's doch schön!
Wie riecht dort alles gut,
Selbst Kuhmist, vermischt mit Staub und Sonne.
Wir danken für die Einladung nach London.
England hat uns den Weg zum Pol bereitet
Wie kein anderes Land der Erde.
Es ist wohl möglich, ja wahrscheinlich,
Daß diesen Augenblick Robert Scott, ein Engländer,
Schon auf dem Rückmarsch ist vom Pol.
Den er wahrscheinlich wenig später nur als wir erreichte.
England kann stolz auf ihn und seine Leistung sein,
Und stolz auf alles, was es je dort unternahm.

Ein Astrologe tritt auf.

Astrologe: Amundsen, Roald Amundsen, wo ist er?
Macht Platz, ich muß zu Amundsen.

Amundsen: Was gibt's, was willst du?

Bürgermeister: Ein stadtbekannter Narr, hör ihn nicht an.

Amundsen: Was willst du?

Astrologe: Du bist geboren am 16. Juli 1872 in Borge, vormittags um 9 Uhr. Stimmt das?

Amundsen: Das mag wohl stimmen.

Astrologe: Höre, was deine Sterne melden:
Aufsteigen wirst du steil und strahlend.
Was du dem einen antust,
Ein anderer wird es dir antun.
Doch schon wirst du zu hoch sein,
Als daß es dich berührte.
Schuldig wirst du befunden werden,
An manches Menschen Tod.
Dann auf der höchsten Höhe wirst du fallen
Und jäh verlöschen.
Wünschst du noch mehr zu wissen?

Hanssen: Hinweg, Betrüger! Schwätzer!

Bürgermeister: Man wird dich einsperren, du Tagedieb.

Amundsen: Ruhig, Freunde, ruhig!
Laßt uns das Beste machen aus diesem Spruch!
Ich fand zum Pol.
Ich war, wo nie ein Mensch war vor mir.
Ich sah die Sterne,
Wie nie zuvor ein Mensch sie sah,
Und kehrte heil zurück!
Seitdem ward etwas anders.
Mein Richter ist die Welt.
Nicht mehr ein einzelner.
Wir pflanzten Norwegens Flagge im ewigen Eis
Und nannten das Land dort Haakon-VII.-Land,
Nach unserm König.
Solange Menschen sind, wird es so heißen.
Und unvergessen wird die Tat sein.
Was spricht er da von Tod?
Ich und die meinen sahen tausendmal das jähe Grab vor uns.
Wen kann das schrecken, der irgend lebt und lebte?
Ob mir nun bald der Tod bestimmt ist oder später,
Sanft oder durch Gewalt,
Ich meine, der Narr weissagt mir etwas Schönes,
Denn auf der Höhe ihrer Laufbahn fallen,
In schnellem Sturz,
War immer der Götterlieblinge Schicksal.
Wehe nur dem, der kein Schicksal hat.
In einem allerdings ist dieser Narr mehr als närrisch:
Mit Menschentötung habe ich nichts zu tun.
Kommt nun zum Telegraphen.

Rufe: Hoch Amundsen, der Polentdecker!
Hoch Norwegen! Hoch der Fram!

Alle ab.

Lady Scott: Er spricht wie Scott, nur fester.
Scott, Geliebter!
Du wardst besiegt von einem Mann.
Kehr, kehr zurück!
Es ist dir keine Schande.
Du gibst ihn mir noch einmal, Himmel!
Gib ihn mir wieder, gib ihn!
Wie dürfte der entdeckte Pol ihn denn behalten?
Ist Amundsen schon fort?

Während die Lady spricht, betritt Amundsen das niedrige Telegraphenamt; man sieht ihn telegraphieren und hört ihn schließlich.

Amundsen: Ein schwacher Wind aus Südosten bei einer Temperatur von minus 23 Grad, und die Schlitten glitten ausgezeichnet dahin. Der Tag verging ohne nennenswerte Ereignisse, und um 3 Uhr nachmittags machten wir halt, da wir unserer Berechnung nach unser Ziel erreicht hatten. Nun versammelten wir uns alle, um unsere norwegische Flagge aus bester Bannerseide gemeinsam aufzupflanzen. – Wir gaben der ungeheuren Hochebene, auf der der Pol liegt, den Namen: König-Haakon-VII.-Land. – Am 17. Dezember wurde die Rückreise angetreten. Das Wetter war ungewöhnlich günstig, und die Heimreise war infolgedessen bedeutend leichter als unser Marsch nach dem Pol. Im Januar 1912 erreichten wir unser Winterquartier Framheim mit zwei Schlitten und elf Hunden – alles befand sich in gutem Zustand. Auf dem Rückweg – (unverständlich, dann verständlich) das Hauptergebnis – abgesehen davon, daß der Pol erreicht ist – (unverständlich).

Währenddessen steht Lady Scott noch am Haus nebenan und geht dann ins Haus.

Schlußchor: O Freundschaft, Treue,
Ewiger Bestand der Pflicht und Tugend,
Erfüllt bis in den Tod:
Wo strahlet heller ihr als dort,
Wo bald der schneeige Hügel wird getürmt
Von Atkinson und Gran, der das Zelt entdecken wird.
In dem der Orkan die Sterbenden begräbt,
Scott, Wilson und Bowers, das Vögelchen genannt.

Merkmal des Siegs, seit Ewigkeit dasselbe,
Wo wirst du klarer geschaut,
Als auf der Stirn von Amundsen,
Auf der mancher Triumph und manche Tat noch wohnt,
Ein weisendes Licht in jedem Zeitendunkel.
Wehe dem, der kein Schicksal hat!
Wehe dem Wahn, der sich eins machen will!


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