Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
I. Der Weg des Lebens |
|
Könnt' ich die Menschen alle, reich und arm Und hoch und niedrig, auf den rechten Weg Des Lebens führen; o! wie wollt' ich dann Mich meines Gottes freuen, der es mir In meine Seele legte, Tag und Nacht Darauf zu sinnen, wo der rechte Weg Des Lebens sey! Die Menschen alle gehn, Allein wohin? das weiß von Tausenden Nicht einer! Gott, von dir wie weit verirrt Sind deine Menschen! – Stärke meinen Geist, Daß er nicht unterliege! Götter machen sie Aus ihren Klötzen! Leben nehmen sie, Und haben keins zu geben! Menschen sind Betrieger deiner Menschen! Finster ists In ihren Seelen! – Sollen sie es seyn? Ha! diese Frage, diese marterte Den Frommen, der in Tullots Höle saß, Und forschte, was es doch wohl sey, daß Gott Die Menschen nicht erleuchte? –War's ihm schwer, In seiner Welt die Menschen alle gleich An Denkens-Fähigkeit zu machen? Steht's In seiner Macht in ihr ein Oertchen leer Von denkenden Geschöpfen hier, und dort Zu lassen? – Wärs nicht besser leer, als so Mit diesem Narren, diesem Dummen, und Mit diesem Götzendiener ausgefüllt? Mit diesem Priester, der dies gute Lamm, Das da so frölich auf der Weide springt, Mit einem seiner Messer, ach nun bald Für einen seiner Klötze schlachten wird? Ihr Menschen, schlachten? – Diese Frage that Der Fromme, der in Tullots Höle saß, Mit Gramerfülltem Herzen seinem Gott, Und seinem Gott gefiel es, in den Geist Des Frommen diese sanfte Seeligkeit Zu senden, diese Stille, die so Noth Dem Denker ist, und da begriff er einst An einem hellen Tage seines Gottes: »Daß Wenn alle Geister Dullats wären, Gott In seiner grossen Welt ein Einerley Und das von minderer Vollkommenheit Als dies verschiedne seiner grossen Welt Erschaffen hätte:« darum, dacht' er, ists In manchen Seelen finster; tausende Der Blumen schmücken deine Wiesenflur, Wie? wenns allein die Rose wäre? Gott! Wie herrlich ists in deinen Stufen! Dort In deinem hohen Biridam vielleicht Die höchste, hier die niedrigste; Wohlan, Wir klimmen höher, aber nicht zu dir! Du bist zu hoch, zu hoch dem Weisen, der Auf deiner Stufen tausendsten vielleicht Hier unten steht, und eifert, und hinauf Zu dir, zu dir sich schwingen will, und nicht Von seiner Stufe sich erheben, nicht Hin, über seine Marken, sehen kann, Nicht aufwärts und nicht niederwärts, wo er Den rechten Weg des Lebens sucht, und steht Und in sich selber sich verliert. Wohl ihm, Wenn er erkennt, was für ein Nichts er ist, Wenn er erkennt, der Weg des Lebens sey, Sich seines Schöpfers freuen, der so groß, So wunderbar, und unerforschlich ist, Auf allen diesen Stufen, wo wir stehn, Zufrieden seyn, und wissen, daß wir dann Zu Gott nur gehn, wenn wir mit jedem Schritt Für uns und anderes, mit jeder That, Mit jeglichem Gedanken, Tag für Tag, Auf unserm Lebenswege besser und Vollkommner werden! Menschen, könnt' ich das In eure Seelen legen, o! wie wollt' ich dann Mich eurer grössern Erden-Seeligkeit Und meines grossen herrlichen Berufs Und meines wunderbaren Gottes freun! |
|
II. Der Verwalter |
|
Wenn Gott mit Gütern dich gesegnet hat, Mit Gütern, welche Tausende vielleicht Ernähren könnten, dann, o Mensch, was ist Die erste Pflicht? Zu zählen, ist ja wohl Die erste Pflicht! Du hast, was Tausenden Genommen ist! Fang' an zu zählen! Eins – – Das Eins bist du! die andern folgen. Du! Geh' in dich selbst! Was bist du besser? Geh', Und sag' es dir, daß keines Menschen Ohr, Daß nur dein Herz es hört! und dann kehr' um, Kehr' um an Gottes Tageslicht, und geh', Und gieb den Hunderten, die besser sind, Und gieb den Zehnen einen kleinen Theil Von deinen Gütern! Ha! du gehst, du bist Ein Gottgeliebter! Diese Zeitlichkeit Ist dir ein Augenblick, und den und den Zu nutzen gehest du geschwind, und giebst Fünfhunderten von deinen Gütern, giebst Dann wieder zweyen alles! Diese sind Von deinen Tausenden die besten, sind Die Aermsten. O! Taledobar, du bist Ein Gottgeliebter! Segne, segne, Gott, Den ehrlichen, gerechten Mann, der sich In seinen Rechnungen, die er vor dir In deinem Heiligthum, wenn du allein Den Reichen richtest, und den Armen, einst Als dein Verwalter, abzulegen hat, Für tausend nicht, und nicht für fünfzig zählt. |
|
III. Der reiche Mann |
|
Ein reicher Mann, der Zuta-Zarak hieß Und heissen soll, besaß als Eigenthum Zehn Meilen Landes; alle Welt nannt' ihn Den reichen Mann. Er hatte, was sein Herz Begehren konnte: seine Burg lag hoch Auf einem Felsen, und sein hoher Thurm, Erbaut von einem seiner Väter, stieß An hohe Wolken! Rund um ihn konnt' er Die Hälfte seines Landes übersehn; So lag er in der Mitte! Jeden Tag Bestieg er seinen Thurm, und sah' herab Auf seine Sclaven, seine Thiere, sah' Auf ihren Fleiß, und wenn er irgendwo Nur einen sah, der nicht an seinem Joch Das alles that, was angestrengte Kraft Der Knochen kann, dann war er ausser sich In seinem Zorn, dann hielt er keine Maaß! Mit fünfzig Peitschenschlägen jedesmahl Zum mindesten bestraft' er ihn, und selbst! Denn Sclaven peitschen war ihm eine Lust! Ha! welch' ein Ungeheuer unter Menschen ist Ein solcher reicher Mann! und doch, o Gott, Sind ihrer leider unter Menschen viel! Ich werfe mich in Staub, ich wage nicht Die Augen aufzuschlagen, denn, o du, Du Schöpfer aller Dinge, Gott, o Gott, Den schrecklichen Gedanken, den, daß du Die Ungeheuer unter Menschen auch Erschaffen hättest, den dacht' ich und ach! Ich zittre, Gott, vor dir! Denn wer vermag Es einzusehen, was es ist, daß du Die Ungeheuer unter Menschen auch Erschaffen hast? Allein, du bist gerecht! Das tröstet mich. Denn Zuta-Zarak saß Auf einem Polster, hatte, Gott, von dir Zehn Meilen Landes, hatte Menschen, die Für ihren Herrscher ihn erkannten, sollt' Ihr Vater seyn, und war es nicht. Gerecht, O Gott, bist du! Denn Zuta-Zarak ward An seinen beiden Augen plötzlich blind, Und doch bestieg er seinen Thurm, und trug Mit seiner Blindheit diese Qual hinauf, Daß er nicht einen seiner Sclaven sehn, Und peitschen könnte. Gott, du bist gerecht! In zwanzig Jahren quoll ihm keine Lust In seinem Herzen, alle flossen ihm Mit trägem Fluß! Er lebte – lebte, wenn Solch Leben Leben ist, nicht einen Tag An Seel' und Leib zufrieden, und gesund! Aus seinem grossen goldnen Becher trank Der blind gewordne Wütrich immer noch Schweißtropfen seiner Sclaven zwar, allein Ihm saß in seinem Eingeweide Schmerz! Er sang auf seiner Burg, auf seinem Thurm Nicht eines dieser Freudenlieder, die Bey ihren Quellen seine Sclaven nun In ihrer Unschuld sangen, Schöpfer, dir! Auch hatt' er keinen süssen Schlaf, wie die, Die seine Sclaven waren, und sich nun Durch seiner Augen Finsterniß erlößt Von dem Tirannen sahn. Du bist gerecht, O Gott, mein Schöpfer, Gott, du bist gerecht! Und deinen Menschen will ichs predigen, Daß du es bist. Denn Zuta-Zarak stand Auf seinem Thurm, und ward von einem Strahl Aus deiner Hand getroffen, und herab, Herab von seinem hohen Thurm gestürzt, Und eine Menge seiner Sclaven sah Den Wütrich stürzen, und der Wütrich lag, Er lag, gerechter Gott, in seinem Blut, Und seine Sclaven standen um ihn her Und klagten seinen Fall und beteten: »Ach! seine Seele, Gott, gerechter Gott! Daß sie von deinem Blitz getroffen, und Zu einer bessern umgeschmolzen sey!« Das beteten die Sclaven. Besser ist, Ihr Menschen, hier in unsers Gottes Welt Ein Sclave seyn, wie diese Sclaven, als Mit eines Zuta-Zaraks Seele, Herr Von tausend Sclaven! Saget: Besser ists! Ihr Menschen, und wenn eure Seele reich An Tugend ist, und euer Leib gesund, Dann neidet keinen Zuta-Zarak, der Ein Ungeheuer unter Menschen ist. |
|
IV. Die häuslichen Freuden |
|
Ein weiser Mann (still heitere Vernunft In seinem niedersehenden Gesicht Bestärkte jeden, der ihn sah', er sey Ein weiser Mann) mit Nahmen Ebarit Abuladott, der seinen Vater noch Und seine Mutter, hohen Alters, noch Am Leben hatte, sah sein männlich Bild Im Bach Arakda, den die Heiligen Der grossen Wüsteneyen trinken, sah's Und fand ihm plözlich plözlich Aehnlichkeit Mit seinem alten Vater. Vater, sieh, Rief er, ich werde stolz, ich gleiche dir! Und da, da trat der alte Vater hin Zu seinem Sohn, faßt' ihn an seine Hand Und bückte sich, und sah zugleich mit ihm In hellen Bach, und sah sein graues Haar Und seines Sohns noch schwarze Locken, und, Indem sie beyde sich besahen, kam Auch noch die alte Mutter; Vater, Sohn Und Mutter, alle dreye standen nun Am hellen Bach, und sahn sich drinn, und dann War unter ihnen eine Freude, wie Die Freuden guter Geister! Vater, Sohn Und Mutter weinten, drükten, küßten sich Und rühmten ihrer Leben Seligkeit. Der Vater: daß er ein so gutes Weib Gefunden hätte, willig ihm die Last Des Erdenlebens zu erleichtern, ihm Zufriedenheit ins Herz zu lächeln, und Ihm seinen Männerernst zu mäßigen; Die Mutter: daß der beste Mann ihr Looß Geworden sey; Der Sohn: daß er so sehr Dem Vater ähnlich sehe! Dieses war Ihr herzliches Gespräch. Dann aber gieng (Und Sohn und Mutter sahen hinter her) Der Vater, in den Augen Fröhlichkeit, Den Berg hinunter, stand dann, sah sich um, Und endlich saß er nieder, wie vertieft, In die Gedanken des Gesprächs, und sah Den Sohn und seine Mutter, die vertraut In zärtlicher Umarmung giengen, noch Sich unterreden. Mutter, sprach der Sohn, Ich kenne meinen theuren Vater; Gott! Wenn ich in allen seinen Tugenden Ihm ähnlich wäre; Welch' ein Herz er hat! Welch einen Geist! Als ihn Bedulamoth, Der böse Mann, verfolgte, seinen Feind In seinem ganzen Leben sich bewieß, Mit welcher weisen Unterwürfigkeit In seines Gottes Willen hat er es Ertragen! Hat er seines Lebens Feind Noch endlich überwunden! Gott, wie schön War diese That! Mit seines Lebens Feind Sich auszusöhnen gieng er heimlich hin Zu seinem letzten Krankenlager, fand Ihn blaß und sterbend! Bruder, sprach sein Feind, Ich kann nicht sterben, deine Hand! und da, Da bükte sich mein theurer Vater, nahm Die Hand des Sterbenden, und drückte sie, Wie seines besten Freundes Hand! und sprach Den Segen Gottes über ihn! und, ach! In diesem stillen ernsten Augenblick, In dem der Sterbende, getröstet nun, In seine bessre Welt hinüber gieng, Ich kanns euch nicht beschreiben, Mutter, wie Das Auge meines theuren Vaters da So heiter war! Er sah mich an, ich stand Nicht weit von ihm, es war ein Sonnenblick In meine Seele; Gott, wie lieb' ich ihn! Die Mutter aber floß in Thränen; Sohn, |
|
V. Die Quelle |
|
Ich trank mit meinem treuen Ebarit Abuladott aus einer Quelle! Ha! Wie wurde da mein Durst gelöscht! Er gab Aus seiner Schaale mir zu trinken, ich Aus meiner ihm! Dann aber sassen wir, Und sprachen mit einander Zärtliches In unsre Herzen! Etwas hab' ich mir, Sprach er, in meinem Leben oft und oft Von Gott erbeten, eine Tochter! Gott Hat mir sie nicht gegeben; lange Zeit War ich betrübt, und gieng allein, und ließ Es mir nicht merken. Denn mein Vater nahm An allem meinen Leiden alzuherzlich Theil! An einem Abend aber gieng ich her Zu dieser Quelle, löschte meinen Durst, Und horchte dann in ihr Gesprudel, und Da wars, als hört' ich Worte, deutlicher Vernahm ich sie, sie sagten: Gräme dich Deswegen nicht. – – Gewiß, ein guter Geist Gebrauchte das Gesprudel, meinen Geist Zu Gott zurük zu führen, denn von Gott Mit allzuheissen Wünschen Glük erflehn, Das Unglük würde, dieses ist: von Gott Und seinen Willen sich entfernen; Laut Scholl es in meinen Ohren: Gräme dich Deswegen nicht. Und immer, immerhin Wenn ich an dieser Quelle schöpfe, schallts In meinen Ohren lauter: Gräme dich Deswegen nicht. Ich habe sie Begitt Die Trösterinn genannt. Still, sagt' ich, Und lenkte nach der Trösterinn mein Ohr, Und hörte leise murmeln: Gräme dich Deswegen nicht; und meinem Ebarit Abuladott (die gleiche Lust, bey dem, Was schön und gut ist, immerhin zu seyn, Vereinigt uns) und meinem Ebarit Berührt' ich seine Wangen, sagend: Oh! Welch' eine süsse Schwärmerey! Begitt, Die Trösterinn! die Trösterinn! Sie spricht Auch mir mit ihrem leisen: Gräme dich Deswegen nicht, ins Herz; allein, allein Was für ein guter Geist die Trösterinn Das sprechen lehrt, ob Arat Aradat Der Treugebliebne, der in seinem Kampf Mit einem allzubösen Tochtermann Sein Leben ließ, ob Ephar Bedulamot Ebilazut, der jüngre, der es sah, Wie Musa Millis, seine Tochter, sich Von Bannadar, dem Felsen, stürzte, nein, Darüber wollen wir nicht streiten, denn Uns ist genug, es ist ein guter Geist, Ein guter Geist, und besser, besser nicht, Als wie mein Ebarit Abuladott. |
|
VI. Die Beerdigung |
|
Am Bach Arakda wandelte mein Fuß Und offen war mein aufmerksames Ohr, Zu horchen meinen treuen Ebarit Abuladott, mein Auge hell, zu sehn Den Vater, und die Mutter, und den Sohn, Die zärtlichsten der Wüste Billanis, Die sich mit dieser Liebe liebten, die Der allgemeine Vater allen uns In unsre Menschenbrust gegeben hat, Und da hört' ich sie singen, trat Dem Liede näher! – Menschen, welch ein Lied! Aus einem Munde thönte lautes Lob Des Ewigen, der diese Zärtlichkeit In ihre Herzen legte; Welch ein Lied! Könnt' ich es singen! – »O du grosser Gott, Du gnädiger! du Guter! stelltest uns, Den Vater, und die Mutter, und den Sohn, Auf einen Punkt der Erde, Guter, du! Du gabst uns Seelen, fähig, deine Welt In ihrer Schöne zu betrachten, und In ihrer Ordnung und Vollkommenheit Dich zu erkennen; Lobgesang wird dir Dafür gesungen, gabst uns Zärtlichkeit In unsre Seelen, daß wir väterlich Und mütterlich und kindlich immer uns Einander liebten. Lobgesang wird dir Dafür gesungen, Guter!« Dieses war Der rohe Theil des Liedes; der Gesang, Die Herzlichkeit, die Seelen-Einigung, Das gleiche Gott gelaßne, dieses war Der feinere. Der ganze Himmel still Und lauschend hörte das vereinte Lied! Und ich, erschüttert in dem Innersten, Sank auf die Erde, seufzte, betete Zu meinem Gott, und Gott erhörte mich, Und Vater, Sohn und Mutter lebten noch Ihr Freudenleben fünf und zwanzig Jahr, Und Geister Gottes schwebten überall Wo sie beysammen waren; endlich starb Der Vater, dann die Mutter, dann der Sohn In dreyen Augenblicken, und die Schaar Der Geister Gottes überschattete Die drey verwandten Seelen, bis ein Strahl Des Alles-Mächtigen hernieder fuhr, Der sie mit Licht begnadigte, daß sie Mir leuchteten in meiner dunklen Nacht, Als wie das Licht der Sonne! – Plözlicher, Als wie der Strahl des Alles-Mächtigen Hernieder fuhr, flog die gesammte Schaar Der Geister Gottes himmelan, und trug Die drey verwandten Seelen sichtbarlich In das Gestirn, das Eba-Zilima Den Weisen heißt, und ich bestattete Die mir gebliebenen Gebeine hin An einen Ort, der mir, und mir allein, In diesem Erdenleben heilig ist! Ein weiser König aber, der sein Volk, Wie dieser Vater seine Kinder, liebt, Kommt einst, von einem guten Genius Geleitet her, an den verschwiegnen Ort, Und bauet ihnen einen Tempel dann, Wenn ihm, wo dürres, todtes Oedes izt Den Frommen Gottes eine Zuflucht giebt, Ein Leben trächtiges Gefilde lacht. |
|
VII. Die Schnur |
|
Wenn du mit deinem Nebenmenschen dich Vergleichen willst, wie sollst du's machen? wie? Du sollst mit langer angestrengter Schnur In deiner Hand, du sollst in deinem Augenpaar Mit angestrengtem starren Forsche-Blick Nicht stehen, seinen gutgenährten Bauch Noch seinen Umfang auszumessen, sollst In seinem schönen langen Titul nicht Die klingenden Vocalen zählen, nicht Die Consonanten, sollst auf seinen Gang Ein Auge werfen, ob er munterer Als deiner ist, auf seinen Geist, ob er Geschwinder, als der deine, Wahres sieht, Auf seine Thaten, ob sie nüzlicher Den Menschen sind! Und wenn dein Auge dir Bericht vielleicht erstattet, daß bey der Vergleichung du verlohren habest, dann So rath' ich, schweig' es, aber dinge dir Den allerbesten Läufer, der auf Sand, Auf Felsensteinen, Kiesel oder Mooß Dich gehen lehre, nimm den Weisesten Von allen Weisen deines Landes, der Zugleich der beste Mann der Männer ist, Und laß von diesem Weisen deinen Geist Erheitern, bis er Weiß für Weisses, Schwarz Für Schwarzes schneller siehet, gehe hin, Und lerne besser pflügen, besser auch In den gepflügten Boden Saamen streun, Und besser erndten! Wenn du meinem Rath Gefolget bist, dann Lieber, sage mir, Ob du mit deinem Nebenmenschen dich Noch gern vergleichest? oder, ob du wohl In schweigender Betrachtung deiner selbst Dein kleines Etwas sahst? entschlossen einst, In unsichtbaren Augen um dich her, Ein Besseres zu werden, und zu seyn. |
|
VIII. Die Landschaft |
|
Ich steh' auf dem Gebirge Nidalis Und seh' in lachende Gefilde; Gott! Wie schön ist deine Welt! Hier aber ist Ein Theil von ihr durch Menschenhände schön! Hier hat der Pflug geschnitten, hier der Sech Gegraben, dort das Rebenmesser viel Der wilden Ranken weggenommen, hier Sind Wiesen, dort sind Gärten! Wie so schön Ist diese Landschaft! Ueber einem Wald Auf Heerden Hügel, Bäche, weiter hin Ein unabsehlich Waizenfeld, und dann Ein Kranz von bläulichem Gebüsch, in dem Das Auge willig sich verliert. Der Mensch, Hat diesen Theil verschönert; hat gepflügt, Gegraben, hat die Bäche künstlich so Geleitet, daß sie Wiesen wässern, und Dem Auge Wohlgefallen! O, ihr thut, Ihr Menschen, thut den Willen Gottes, wenn Mit eures Geist's, und eurer Hände Kraft Aus unfruchtbaren Gegenden durch euch Gefilde werden; Geister Gottes sehn Auf eure That, und freuen sich. Da Gott Die Erde schuf, zum Herrn der Erde dich, Du Mensch! da ließ er vieles Oedes, ließ Viel rohen Stoff an seiner Erde, dich Daran zu prüfen. Deines Geistes Kraft Soll thätig seyn, soll wirken, deinen Leib Sollst du dem Geist dir unterwürfig, dir Gehorsam machen; Hat dein Geist erdacht, Mit welchem Nutzen jene Felsenwand Hinweggebrochen und ein leichtrer Weg Zu guten Menschen, deinen Brüdern, dir Eröffnet werde, dann so soll dein Leib Mit seiner Kraft die Felsen spalten, soll Den leichtern Weg erschaffen; soll den Weg, Der nun mit leichterm Tritt von deinem Roß Zu wandeln ist, mit Bäumen zieren, die Dem Wege Schönheit und dem Wanderer Den Schatten geben, den er sucht, er soll Sich seiner Stärke freuen! Schöpfer seyn Des Guten oder auch des Schönen, das, O Mensch, ist: Gott gefallen; ist: Verdienst Um seine Welt, und deine Brüder! Du, Der du mit deines Geistes, und vielleicht Mit deines Leibes Kräften nichts gethan In deinem Prüfungsleben hast, o du! Tritt her zu mir auf diese Höh' und sieh' In diese lachende Gefilde, sieh Was deine Väter thaten! Diese Flur, Die du so schön vor deinen Augen siehst, War eine Gegend ohne Leben, war Den Menschen todt. Von deinen Vätern ward Sie aufgewekt in dieses Leben! Geh, Und brauche deine Seele, deinen Leib, Wie deine Väter sie gebrauchten, und Wozu sie dein und deiner Väter Gott, Der erste Schöpfer sie geschaffen hat! |
|
IX. Der Freund |
|
Wenn unter deinen Brüdern einer ist, Der mit der Güte seines Herzens dir Ins Auge leuchtet, und mit seinem Geist Den deinigen befriedigt, und erquikt, Wohl dir, o Mensch! dann hast du einen Mann, Dem du dein Leben anvertrauen kannst! Er stimmt zu deinem Zwek! Er geht die Bahn Ha! deines Erdenlebens ah! so gern An deiner Hand, und wäre, wäre sie Voll Kieselspitzen oder Dornen, bis, Wo sie mit schmalem Ende sich verliert! Dann steht er einsam traurig, steht und fragt, Wo du geblieben bist, und sieht sich um Und findet keinen Mann, wie dich, und schleppt In seine Hütte langsam seinen Leib, Wirft ihn auf sein gewohntes Lager, wacht Und betet, betet, daß sein Gott doch bald Auch ihn, der nun allein im Trüben geht, Ans Ende seiner Bahn geleite, schläft Und sieht in einem herrlichen Gesicht, Auf einem seligen Gestirn, den Mann, Der seinem Leben alles, alles war, Nur nicht sein Gott! Weil du so leicht mit ihm Zu allem, allem Guten feuerroth Geworden bist, weil du so gern mit ihm In allen Tugenden wetteifertest Und alles, alles Schöne gern zugleich Mit deinem Mann beschautest, ha! so wirst Auch du des hohen seligen Gestirns Bewohner seyn, es heißt Abatama, Das Vaterland der Männer, und auf ihm Wirst du mit deinem Freunde tausend Jahr Den Gott begreifen lernen, welcher dich Zum Freund' erschuf, und dann, o dann (du bist Getreu geblieben) dann wird dich dein Gott Verherrlichen! Hinauf ins Vaterland Der treugebliebnen guten Seelen, das Von tausend unsrer Sonnen Tag für Tag Erleuchtet wird, und Ebazilima Den Weisen heißt, in dieses wird er dich Mit einem Fittig seiner Winde wehn, Und dein und deines Freundes Vater dort, In seinem zehnten Himmel ewig seyn. |
|
X. Die Flucht |
|
Was für Gedanken wälzest, Böser, du In deinem Herzen? finstrer Böser, du, Dem diese deines Gottes Sonne nicht Die Stirn erheitert? dieses Blumenbeet Mit allen seinen Blumen dir nicht lacht? Du bist von Gott gesegnet, hast genug Des Irdischen, des Glüks der Erde, hast Der Rinder und der Wollenheerden viel, Hast keinen Kummer, keinen Gram, und stehst Mit diesem weg von uns gekehrtem Blik, Mit diesem finstern, welcher uns verräth, Du habest unsre Frühlingsfreude nicht In deinem Herzen, hier vor deinem Gott? Vor deinem Gott mit diesem Blik? Er ist Als wie der Blik des Gottverlaßnen, der Auf Menschenhülfe lange sich verließ, Und Menschenhülfe suchend lange gieng, Und keine fand; er ist als wie der Blik Des armen Ungetrösteten, der sich Das Ende seiner Tage wünscht; er sieht Ein offnes Grab, betrachtet es und seufzt: Wär' es für mich! O Böser, solch ein Blik, Vor deinem Gott, ist dieser, welcher uns In Schrekken setzt. Er drohet Feindliches Den Frölichen, die einen guten Gott In diesen deinen Blumen sehn; er macht, Daß alle deine Frölichen entfliehn, Und ehe wollen sie zu dir, zu dir Nicht wieder kommen, Böser, bis auch du Den guten Gott, der dich gesegnet hat, In diesen deinen schönen Blumen siehst. |
|
XI. Der Abgesandte |
|
Du stehst mit starkem Arm und starkem Bein Und frecher Stirn so müßig hier im Thal, Wo deine Brüder alle fleißig sind? Von wannen bist du? Wenn dein Vaterland Dies ist, auf welchem du mit starkem Bein Da stehst, so schäme dich! Der Fleißige Muß seinen Schweiß für dich vergiessen, muß Für einen schönen und gesunden Mann, Der Mark in Knochen hat, die Erde baun? Muß deinen leeren Magen füllen; ha! Welch' eine Schande! Schande dulden wir Auf unserm väterlichem Boden nicht! Deswegen hier ist eine Spate, komm Und grabe! Weigerst du, so bitten wir, Du wollest uns nicht stören, wollest nur Vor unsern Augen hier in unserm Thal Nicht gehen, und nicht stehen, und auch dort Auf unserm Graßbewachsnen Sillamis Nicht etwa liegen! Schande dulden wir Auf unserm väterlichen Boden nicht! |
|
XII. An Amalt |
|
Ah! welche Klagen, welche Seufzer läßt Amalt, der Unzufriedene, der sich In dieser dunklen Felsenhöle hier Vor meinem Bruderblik verborgen hält, Dem Lauscher hören! – Ach Amalt, Amalt! Heraus aus diesem Kerker an das Licht, Das Gott, der Weltbeherrscher, der Monarch, Durch seine grosse Sonne, Tag für Tag, Auf Menschen, Felder und Gefilde schön, Dir scheinen läßt. Und du? du murrest ihm? Du, mein Amalt, in seiner Monarchie Rebelle? bester, liebster, murr' ihm nicht! Du hast des Guten einen grossen Theil, Und willst des Guten mehr von deinem Gott? Verstand hast du, Zimaliput hat Gold! Bist du versäumt? verlassen? Hat denn wohl Der Geber alles Guten etwa nicht Das Bessre dir gegeben? Murr' ihm nicht! Sieh' seine Sonne scheinen! Glüklicher Bist du! Wohl nimmer hört Zimaliput; Sieh seine Sonne scheinen! Denn er sieht Mit Augen des Verstandes nichts! er sieht Die grosse Sonne, wie die Scheibe, die Der grosse Zweck von seinem Bogen ist. Wenn aber du sie siehst in Ost und West Und über dir, dann, du Geliebter, macht Dein grosser, alles forschender Verstand Dein Glück! Die Sonne deines Gottes, die Giebt dir zu denken, dem Zimaliput Giebt sie nur Wärme! Murr' ihm nicht, Amalt! Dem Geber alles Guten! Denn er hat Das Bessre dir gegeben, dir, Amalt! Und darum, unser Bruder, bitten wir, Wir alle, Geister Gottes, bitten dich, Dich, unsern Bruder, murr' ihm, murr' ihm nicht! |
|
XIII. An Tabarit |
|
Hat deine Seel' in deines Gottes Welt Sich rein erhalten, liebster Tabarit, Dann wird in deinen Saal, auf deine Flur, In deinen Garten, und in deinen Wald Die Freude willig dich begleiten! wird In deinem Herzen wohnen, und darinn Kein Gast, sie wird als wie zu Hause seyn! Wenn ihrer Mitgeschöpfe keines je |
|
XIV. Die Tugend |
|
Die Ohren und die Herzen willig her, Ihr Menschen! Euer Gott hat mich gelehrt, Was Tugend ist. Ein Feuerfunke fiel Von seinem Himmel, als mein Auge starr Aufsah, den Gott der Tugend auszuspähn! Und nun, was Tugend ist, das lehr' ich euch, Euch, meine lieben Menschen! Tugend ist: Dem Nackenden von zweien Linnen eins Ihr, meine lieben Menschen, Tugend ist: Und wenn die Bösen alle gegen euch Ihr, meine lieben Menschen, Tugend ist: Ihr, meine lieben Menschen, Tugend ist: Ihr, meine lieben Menschen, Tugend ist: Ihr, meine lieben Menschen, Tugend ist: Ha! dem gefallen willst du nicht? du willst |
|
XV. Die Todtenköpfe |
|
Da siz' ich, und betrachte, Kopfgestüzt, Hier diese beiden Todtenköpfe, den Des weisen Beriboldes, dessen Lob Mit Dillats oder Adlers-Fittigen, Weil seine Weißheit Lebens-Weißheit war, Von Mann zu Mann die ganze Menschenwelt Durchflogen ist, und den Abariputs, Des kleinen dummen Meliposiers Aus Zippali, der einen kleinen Geist In einem grossen Kopf herbergte, Lärm Von seiner Tugend machte, geizig sich In seine gute Mast verschloß, und nicht Die kleinste Weißheit eines andern Kopfs Ertragen konnte! – – Todtenköpfe, ha! Was ist, was ist der Mensch, wenn er nichts ist Als Fleisch und Knoche? – Dulabat, der Held, Der immer mehr durch seines Kopfs Gewalt Als durch die Macht der Waffen seines Heers Die Feinde seines Vaterlandes schlug; Hesutabal, der Sänger, der den Held In tödliche Gefahr begleitete, Selbst das Verdienst des ewigen Gesangs, Den er in seinem Kopfe trug, zu sehn; Und Hibarot, der Goldarbeiter, der Die Thaten Dulabats des Helden und Des Weisen, allen Enkelaugen schön, Mit seiner starken Hand, geleitet nur Durch seinen Kopf, zu Hita-Barabell In Marmor grub – o diese, dächt' ich, sind Ein etwas mehr als Fleisch und Knoche! sind Bestätiger der Offenbahrungen Des weisen Beriboldes, dem ein Geist, Aus einem zehnten Himmel Bidaphulls, Des obersten Gebieters alles Stoffs, Aus welchem Leben quillen, einst erschien, Und ihn die Lehre lehrte: »daß der Mensch Ein etwas mehr als Fleisch und Knoche sey; Daß Bidaphull in jeden Menschenkopf Aus göttlichem Vermögen einen Keim Zu Wachsthum in die Himmel-Wissenschaft Geleget habe, daß des Menschen Leib Vom zehnten Stoff, des Menschen Seele von Dem zweiten im geheimen Magazin Des hohen Bidaphulls gefertiget Und aller Himmel Unvergänglichkeit Darüber gnädig ausgesprochen sey. Daß aber ungeholfen jeder Keim Zu allen Himmels-Wissenschaften sich Erheben müsse, der, durch seine Kunst, Der Menschen Herzen zu gewinnen, der Durch sein Geschick, bescheidenes Verdienst Ins Licht zu stellen, dieser durch Verstand, Durch ungemeine Weisheit jener, und Durch Tugend alle.« Denn, ist Dulabat Nicht ungeholfen Held geworden? Ist Hesutabal in seiner hohen Kunst Von einem Meister unterwiesen? Hat Von einem Marmorgräber Hibarot Die Schönheit seiner Schöpfungen gelernt? Ihr Todtenköpfe, wenn an euch nicht wohl Zu sehen ist, und wahrzunehmen, ob In diesem oder jenem thätiger Einmal ein Keim des grossen Bidaphulls Zu hoher Himmel-Wissenschaft empor Arbeitete, so siehet doch an euch Der Weise das Behältniß seines Keims Und dankt in Demuth seines Herzens still Dem hocherhabnen Bidaphull, daß er Ein kleiner dummer Meliposier Aus Zippali nicht auch geworden ist, Und strebt, in seinem zehnten Himmel einst Ein Dulabat, ein Hibarot, vielleicht In seinem kleinsten untersten auch nur Ein singender Hesutabal zu seyn. |
|
XVI. Das Kind |
|
O! welche Freude, welche Freude kann Des Menschen Herz empfinden, wenn es noch Unschuldig ist! Ein Kind, das, hingesetzt An einem schönen Frühlingsmorgen ist, Vor einem schönen Blumenkorb, und das Zum erstenmale da sich sieht, und nun Mit seiner zarten kleinen Kindeshand In Blumen wühlt, wie lächelt's! Wie so froh Nimmts eine Blume nach der andern, wie So höchst vergnügt betrachtet's die und die! Und wenn es dann die Rose nimmt, wie stutzt's! Und wenn die schöne Blume süssen Duft In seine kleine Nase duftet, und Das Kindchen niest, und seine Mutter dann Ihr: Gotthelf, Gotthelf, ruft, o! welche Lust Empfindet dann das Kind, empfindet dann Die zärtlichste der Mütter, die das Kind Auf ihren sanften Mutterschooß sich holt Und herzt und küßt! Von solcher Unschuld sey Des Jünglings, und des Greisen Herz, das hier Am hellen Bach, am blauen Hügel dort Im Meer der Freuden, das der Vater Gott Für seine Menschen ausgegossen hat, Schon schöpfen will! O! welche Wonne dann, In seinem hohen Sterngewölbe, Nachts, Wenn alles still ist, diesen Vater sehn, Der unser aller Vater ist! – – Gestärkt Von solcher Wonne fühl' ich meinen Geist Um eine Spanne grösser, dünke mich Ein hohes Wesen, das gewürdigt ward, In seiner Freuden höchstem Taumel, itzt Mit einem Blick voll Seele hinzusehn In diesen Abgrund seiner Herrlichkeit. |