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URSACHEN UND FOLGEN VON CONSTANTINS ÜBERTRITT ZUM CHRISTENTUM · DIE CHRISTLICHE ODER KATHOLISCHE KIRCHE WIRD STAATSKIRCHE · IHRE VERFASSUNG · DER KLERUS

 

CONSTANTIN TRITT ZUM CHRISTENTUM ÜBER

Man kann die gesetzliche Duldung des Christentums unter jene folgenreichen innenpolitischen Ereignisse rechnen, welche noch heute das lebhafteste Interesse hervorrufen und darüber hinaus sehr lehrreich sind. Constantins Siege und seine Innenpolitik haben auf Europa keinen Einfluss mehr; aber noch heute sind auf einem großen Teil des Erdballes die Folgen seines Übertrittes zum Christentum spürbar; und zwischen den kirchlichen Einrichtungen aus seiner Regierungszeit und den religiösen Meinungen, Leidenschaften und Interessen der Gegenwart besteht eine niemals unterbrochene Kontinuität.

 

DAS DATUM DER BEKEHRUNG CONSTANTINS

Bei der näheren Untersuchung eines Gegenstandes, dem man sich zwar mit Objektivität, aber nicht mit Gleichmut annähern kann, hat es man es gleich zu Beginn mit einer ganz unerwarteten Schwierigkeit zu tun, nämlich den genauen Zeitpunkt der Konversion Constantins zum Christentum zu bestimmen. Der wortgewandte Höfling Lactantius fiebert danach [A.D.306], Das Erscheinungsdatum der Institutiones Divinae [›Göttliche Unterweisungen‹] des Lactantius wurde ausführlich diskutiert, viele Zweifel traten unvermittelt auf, Lösungen wurden vorgeschlagen und man verfiel sogar auf die Hilfskonstruktion zweier Originalausgaben: die erste stammte aus der Zeit der Verfolgung unter Diocletian, die zweite unter der des Licinius. Siehe Dufresnoy, Praefatio Tillemont, Mémoires ecclésiastiques. Band 6, p. 465-470. Lardner, Credibility, Teil 2, Band 7, p. 78-86. Ich für meine Person bin beinahe davon überzeugt, dass Lactantius seine dem Herrscher von Gallien gewidmet hat, als Galerius, Maximinus und Licinius die Christen verfolgten; also zwischen den Jahren 306 und 311. der Welt von dem ruhmreichen Vorbild des Herrschers über Gallien zu berichten; welcher, vom ersten Augenblick seiner Herrschaft, den wahren und einzigen Gott anerkannt und angebetet habe. Lactantius, Institutiones 1,1 und 7,27. Der erste und wichtigste Abschnitt fehlt nun allerdings in 28 Handschriften, findet sich aber in 19. Wenn wir den Wert dieser Handschriften jedoch gewichten, von denen eine aus der Bibliothek des französischen Königs stammt und 900 Jahre alt ist, dann zählt dies zu Gunsten dieser Stelle; aber der Abschnitt fehlt in der zuverlässigen ms. von Bologna, welche nach Pater de Montfaucons Meinung aus dem siebenten Jahrhundert stammt. (Diarium Italicum, p. 409.) Die meisten Herausgeber (ausgenommen Isaeus in der Lactantius-Ausgabe von Dufresnoy, Band 1, p. 596) haben den ursprünglichen Stil des Lactantius darin erahnt. Der gelehrte Eusebius [A.D.312] schrieb Constantins Glauben dem Zeichen zu, welches ihm der Himmel schickte, als er mit seinen italienischen Feldzugsplänen schwanger ging. Eusebios, Vita Constantini 1, 27-32. Zosimos, der Historiker, versichert uns in boshafter Weise, dass der Kaiser seine Hände in das Blut seines ältesten Sohnes getaucht habe, bevor er die Götter Roms und seiner Väter verstieß Zosimos 2,29. Diese Verwirrung, die die verschiedenen Autoritäten hervorgerufen haben, hat seine Ursache in dem Verhalten des Constantin selbst [A.D.337]. Folgt man dem kirchlichen Sprachgebrauch in aller Strenge, dann hatte der erste der christlichen Kaiser diesen Namen bis zum Augenblick seines Todes gar nicht verdient, denn schließlich wurde ihm erst während seiner letzten Krankheit als Katechumene die Hand aufgelegt Dies geschah bei immer bei erwachsenen Katechumenen (Siehe Bingham, Antiquities, 10, p. 419; Dom Chardon, Histoire des Sacremens, Band 1, p. 62) und bei Constantin zum ersten Male unmittelbar vor seiner Taufe und seinem Tode (Eusebios, Vita Constantini 4,61). Aus diesen beiden Einzeltatsachen hat Valesius (zu Eusebios, ad locum) die Schlussfolgerung gezogen, der sich Tillemont nur unter Widerstreben anschließt (Histoire des emepereurs, Band 4, p. 628) und der Mosheim (de rebus Christianorum, p. 968) mit dürftigen Gründen widerspricht. und er selbst erst danach durch den Taufritus Eusebios, Vita Constantini 4,61-63. Die Legende von Constantins Taufe in Rom dreizehn Jahre vor seinem Tode ist eine Erfindung des achten Jahrhunderts, weil man ein geeignetes Motiv für seine sogenannte Schenkung benötigte. Dies ist also der Fortschritt unserer Erkenntnisse, dass eine Geschichte, die Kardinal Baronius noch ohne Erröten verteidigen konnte (Annales eccclesiastici, A.D. 324, Nr. 43-49) heute nur noch matte – sogar in den Mauern des Vatikan – Fürsprecher hat. Siehe Antiquitates Christianae, Band 2, p. 232, welches Werk des gelehrten Dominikaners 1751 mit sechsfacher Billigung zu Rom verlegt wurde. in die Gemeinschaft der Gläubigen aufgenommen.

Das Christentum des Constantin muss man im umfassenderen und zugleich im abgewandelten Sinne verstehen; und ausnehmende Delikatesse ist gefordert, wenn man des Monarchen langsamem, fast unmerklichem Weg vom Beschützer zum Proselyten der Kirche nachspürt. Es war ihm ein hartes Stück Arbeit, die Gepflogenheiten und Vorurteile seiner Erziehung auszumerzen, die göttliche Natur Christi anzuerkennen und zu begreifen, dass die Wahrheit seiner Offenbarung mit der Anbetung der Götter unvereinbar war.

Die Widerstände, die er in sich selbst gespürt haben mag, bestimmten ihn, bei der folgenschweren Veränderung der Landesreligion mit Rücksicht zu Werke zu gehen; und neue Glaubensmeinungen entdeckte er besonders dann in sich, wenn er sie erfolgreich und folgenreich durchsetzen konnte. Während seiner gesamten Regierungszeit floss das Christentum in sanftem, wenn auch sich beschleunigendem Laufe dahin: aber die Klugheit oder höchstwahrscheinlich die Launenhaftigkeit des Monarchen oder zufällige Zeitumstände hielten seinen Strom zuweilen auf oder teilten ihn [A.D.321]. Seinen Ministern gestatte er, die Absichten ihres Meisters in die Sprache zu kleiden, die ihren jeweiligen Tätigkeit am besten entgegenkam; Der Quaestor oder Sekretär, der das Gesetz des Codex Theodosianus abfasste, lässt seinen Herren mit Gefasstheit sagen (16,2,1): ›hominibus supradictae religionis.‹ [für Menschen der oben erwähnten Religion], während dem Minister für Kirchenangelegenheiten ein frömmerer und respektvollerer Ton zugestanden war: [Ü.a.d.Griech.: die gesetzmäßige und heiligste katholische Religion]. Siehe Eusebios, Historia ecclesisastica 10,6.; und er selbst stellte zwischen den Besorgnissen und Hoffnungen seiner Untertanen auf kunstreiche Weise ein Gleichgewicht her, indem er etwa in ein und demselben Jahre zwei Edikte herausgab: das erste machte die Beobachtung des Sonntags Codex Theodosianus 2,8,1; Codex Iustinianus 3,12,3. Constantin nannte den Sonntag dies solis, [›Tag der Sonne‹], ein Name, welcher den Ohren seiner heidnischen Untertonen nicht anstößig sein konnte. zur Pflicht, das zweite machte die regelmäßige Konsultation der Haruspices Codex Theodosianus 16,10,1. Gothopfred unternimmt es, in der Maske des Kommentators Constantin zu entschuldigen (Ban 6, p. 257); aber der glaubensfestere Baronius (Annales ecclesiastici, A.D. 321, Nr. 18) tadelt diese weltlichen Aufführungen mit Recht und Strenge. zur Auflage. Während diese wichtige Veränderung vor sich ging, beobachteten die christlichen und heidnischen Untertanen die Maßnahmen ihres Herrschers mit gleichstarker Besorgnis, aber entgegengesetzten Gefühlen. Die Ersteren veranlasste ihr Glaubenseifer und ihre Eitelkeit, die Zeichen seiner Gnade und seiner Glaubensgewissheit zu vergrößern. Die Letzteren waren bemüht, sich und der Welt zu verbergen, dass Roms Götter den Kaiser nicht länger unter ihre Jünger rechnen konnten, bis endlich ihre berechtigten Besorgnisse in Verzweiflung und Hass umgeschlagen waren. Gleiche Leidenschaften und Vorurteile brachten die Schreiber jener Zeit dazu, Partei zu ergreifen und das öffentlichen Bekenntnis zum Christentum zu dem ruhmreichsten beziehungsweise zu dem erbärmlichsten Abschnitt von Constantins Regierung zu ernennen.

 

CONSTANTINS HEIDNISCHER ABERGLAUBE

Welche Anzeichen christlicher Gesinnung auch immer durch Constantins Meinungen und Taten hindurchgeschimmert haben mögen, die offizielle heidnische Religion übte er jedenfalls bis in sein vierzigstes Lebensjahr; Theodoret (1,18) scheint anzudeuten, dass Helena ihrem Sohn (Constantin) eine christliche Erziehung zuteil werden ließ; aber die größere Autorität des Eusebius versichert uns (Vita Constantini 3,47), dass umgekehrt sie dem Constantin die Kenntnis der Christentums zu danken habe. und das Verhalten, welches man zu Nikomedia auf Rechnung seiner Furcht setzte, konnte dem Herrscher Galliens ebenso als Neigung oder Politik ausgelegt werden. Seine Freigebigkeit stellte die Tempel der Götter wieder her und verschönerte sie darüber hinaus: die Medaillen aus seiner Münze tragen die Bilder und Attribute von Jupiter und Apollo, Mars und Herkules; und die Pietät des Sohnes vermehrte die Zahl der olympischen Götter durch die feierliche Apotheose seines Vaters Constantius. Vergleiche hierzu die Constantin-Medaillen bei Ducange und Banduri. Da nur einige Städte das Münzrecht behalten hatten, stammten fast alle Medaillen der Zeit aus jenen Münzstätten mit kaiserlichem Privileg. Aber besonders verehrte Constantin den Genius der Sonne, den Apollo der griechischen und römischen Mythologie; und gerne ließ er sich mit den Symbolen dieses Licht- und Dichtergottes abbilden. Die unfehlbaren Pfeile dieses Gottes, der Glanz seiner Augen, sein Lorbeerkranz, seine unsterbliche Schönheit, sein anmutsvolles Aussehen machten ihn wie geschaffen zum Schutzgott eines jungen Helden. Die Apollo-Altäre wurden mit den Votivgaben des Constantin geschmückt; und die leichtgläubige Menge ward angehalten zu dem Glauben, dass nur die sterblichen Augen des Kaisers die sichtbare Majestät der Gottheit schauen durften und dass er, sei es nun im Wachzustand oder während einer Vision, die verheißungsvollen Vorzeichen für eine dauernde und segensreiche Herrschaft geschaut habe. So wurde die Sonne ganz allgemein als die unbesiegliche Beschützerin des Constantin angesehen; die Heiden mochten zu Recht erwarten, dass die erzürnte Gottheit die Treulosigkeit ihres undankbaren Schützlings mit unauslöschlicher Rache verfolgen würde. Die Lobrede des Eumenius (Panegyrici 7), welche einige Monate vor Beginn des italienischen Feldzuges gehalten wurde, wimmelt nur so von unanfechtbaren Beweisen für Constantins heidnischen Aberglauben und seine besondere Verehrung von Apollo oder der Sonne. Hierauf spielt auch Julian an (Orationes 7, p. 228), Siehe auch Spanheims Kommentar, Les Césars, p. 317.

 

CHRISTEN IN GALLIEN BESCHÜTZT A.D. 306-312

Solange Constantin über Gallien seine recht eingeschränkte Herrschaft ausübte, waren seine christlichen Untertanen durch die Autorität und wohl auch durch die Gesetzgebung dieses Herrschers geschützt, welcher klüglich den Göttern anheim stellte, selbst ihre Ehre zu behaupten. Wenn wir Constantins eigenem Zeugnis glauben dürfen, dann hat er nur mit Empörung die räuberische Grausamkeit römischer Soldaten gegenüber solchen Bürgern beobachten können, deren einziges Verbrechen ihre abweichende Religion war. Constantinus, Oratio ad sanctos 25. Aber es kann leicht nachgewiesen werden, dass der griechische Übersetzer den Sinn des lateinischen Originals überzeichnet hat; und der betagte Herrscher mag sich an die Verfolgungen des Diocletian mit stärkerem Abscheu erinnern, als er ihn in den Tagen seiner Jugend und seines Heidentums empfunden hatte. Im Osten und Westen hatte er die unterschiedliche Wirkung von Strenge und Nachgiebigkeit studieren können; und so, wie die Strenge durch die Praktiken des Galerius, seines schlimmsten Feindes, immer abscheulicher wurde, so empfahl sich die Nachgiebigkeit aufgrund des Vorbildes und Rates seines sterbenden Vaters fast von selbst. Der Sohn des Constantius suspendierte unverzüglich die Verfolgungsedikte oder widerrief sie sogar ganz und sicherte allen, die sich als Mitglied der Kirche bekannt hatten, freie und ungestörte Ausübung ihrer Religion zu. Schon bald fühlten sie sich in der Gnade und Gerechtigkeit ihres Herrschers geborgen, hatte dieser doch seinerseits insgeheim aufrichtige Verehrung für den Namen Christi und den Gott der Christen entwickelt. Eusebios Historia8,13 und 9,9; Vita Constantini, 1,16 und 17. Lactantius, Institutiones, 1,1. Caecilius (Lactantius) de Mortibus persecutorum, c. 25.

 

TOLERANZEDIKT VON MAILAND A.D. 313 FRIEDE MIT DER KIRCHE ERNEUERT

Etwa fünf Monate nach der Eroberung Italiens gab der Kaiser seiner Meinung hierüber feierlich und von höchster Stelle Ausdruck durch das berühmte Edikt von Mailand, welches den Frieden mit der katholischen Kirche erneuerte. In einem Gespräch unter vier Augen erhielt Constantins aufstrebender Genius bereitwillige Unterstützung von seinem Kollegen Licinius; mit ihrer beider Namen und Ansehen machten sie das Wüten des Maximinus wirkungslos; und nach dem Tode des Tyrannen aus dem Orient wurde das Edikt von Mailand Lactantius, de Mortibus persecutorum, c. 48 hat das lateinische Original aufbewahrt; und Eusebios, Historia 10,5 hat uns eine griechische Übersetzung dieses immerwährenden Ediktes geliefert, das sich allerdings nur auf ein paar vorläufige Anordnungen bezieht. zum allgemeinen Grundgesetz für die ganze römische Welt. Die Weisheit der beiden Herrscher setzte die Christen wieder in ihre bürgerlichen und religiösen Gerechtsame ein, deren man sie so ganz zu Unrecht entkleidet hatte. So ward denn verfügt, dass Kultstätten und konfiszierter Boden der Kirche zurückerstattet werden sollten, und zwar ohne Debatte, ohne Verzug und ohne Kosten: zusätzlich zu dieser strengen Anordnung gab man noch das erfreuliche Versprechen, dass jeder Besitzer, der vorher einen angemessenen Preis bezahlt hatte, aus dem kaiserlichen Schatz entschädigt werden sollte.

Diese heilsamen Regularien, welche den künftigen Frieden der Gläubigen sicherstellen, werden noch flankiert durch das Prinzip einer allgemeinen und gleichen Duldung; und diese Gleichheit muss von der neuentstandenen Sekte als vorteil- und ehrenhafte Unterscheidung aufgefasst worden sein. Die beiden Kaiser verkünden der Welt, dass sie den Christen und allen anderen die freie und unbeschränkte Macht verliehen hätten, dass jeder der Religion folgen dürfe, welcher sich anzuschließen er beschlossen haben möge, welche sein Gemüt an stärksten berührt habe und welche er für den eigenen Gebrauch die geeignetste halte. Jedes unbestimmte Wort wird sorgfältig erklärt, keine Ausnahme wird zugelassen, und sie verlangen von den Provinzstatthaltern strikten Gehorsam gegenüber der schlichten Wahrheit eines Erlasses, welcher dazu bestimmt war, unbedingte religiöse Toleranz einzuführen und sicher zu stellen. Sie lassen auch zwei gewichtige Gründe erkennen, welche sie zu dieser umfassenden Toleranz veranlasst hätten: die menschenfreundliche Absicht, den Frieden und das Glück ihrer Untertanen zu mehren; und die fromme Hoffnung, durch solcherlei Tun die Gottheit zu beschwichtigen und günstig zu stimmen, deren Sitz der Himmel sei. In Dankbarkeit anerkennen sie die vielen deutlichen Zeichen göttlicher Gnade; und die gleiche Vorsehung, so ihre Zuversicht, werde fortfahren, das Wohlergehen des Herrschers und des Volkes zu beschützen. Diese unbestimmten und unscharfen Feststellungen lassen drei unterschiedliche, wenn auch nicht unvereinbare Vermutungen zu: Constantin schwankte wohl immer noch zwischen Heiden- und Christentum. In Übereinstimmung mit den liberalen Ideen des Polytheismus war für ihn der Gott des Christentums nur einer von vielen anderen Gottheiten, welche die himmlische Hierarchie bildeten. Oder er hatte sich die philosophische und anziehende Vorstellung angeeignet, dass, der Namen, Riten und Glaubensmeinungen ungeachtet, alle Sekten und alle Nationen geeint sind in der Verehrung des gemeinsamen Vaters und Schöpfers des Universums. Ein Panegyricus auf Constantin, gehalten sieben oder acht Monate nach dem Mailänder Edikt, (s. Gothofredus, Chronologia legum, p. 7; und Tillemont, Histoire des empereurs, Band 4, p. 246) findet man folgende merkwürdige Wendung: ›Summe rerum sator, cuius tot nomina sunt, quot linguas gentium esse voluisti, quem enim te ipse dici velis scire non possumus.‹ Panegyrici, 9,26. [Höchster Schöpfer aller Dinge, dessen Namen so viele sind, wie du Sprachen der Völker haben wolltest, mit welchem der Namen du selbst genannt zu werden wünschest, können wir nicht wissen]. Bei der Darlegung von Constantins Glaubensfortschritten ist Mosheim einfallsreich, subtil und weitschweifig.

 

LOB DER CHRISTLICHEN MORAL

Aber die Maßregeln von Herrschern orientieren sich eher an kurzfristigem Vorteil als an abstrakten und spekulativen Wahrheiten. Constantins wachsende Parteinahme zu Gunsten der Christen könnte man mit gutem Recht der Wertschätzung zuschreiben, die er für ihre moralischen Prinzipien empfand; und wohl auch seiner Überzeugung, dass die Verbreitung des Evangeliums auch zur Festigung privater und öffentlicher Tugenden beitrage. Welche Freiheiten auch immer ein Alleinherrscher sich selbst herausnimmt, wie nachsichtig er gegenüber seinen eigenen Leidenschaften ist: Es liegt unbestritten in seinem Interesse, dass alle seine Untertanen ihre natürlichen und gesellschaftlichen Verpflichtungen beobachten. Aber die Wirkung noch der besten Gesetze ist unvollkommen und lässt sich nicht ausrechnen. Urheber für Tugend sind sie fast nie, Laster können sie nur selten zurückhalten. Ihre Macht reicht nicht hin, das, was sie verbieten, auch zu verhindern oder gar zu bestrafen. So riefen denn die Gesetzgeber des Altertums die Erziehung und die öffentliche Meinung zur Hilfe. Aber jene Grundsätze, die einst Roms oder Spartas Stärke ausgemacht hatten, waren schon lange in dem verkommenen und despotischen Reich untergegangen. Die Philosophie übte ihre Macht über die Menschen nur noch in Maßen aus, und förderlich für die Sache der Tugend war der heidnische Aberglaube nur bedingt. Unter derlei entmutigenden Umständen mochte ein kluger Magistrat mit Wohlgefallen den Fortschritt einer Religion bemerken, welche in der Bevölkerung eine reine und wohltätige Ethik verbreitete, die dazu noch auf alle Lebenslagen passte; die sich als Wille und Meinung der höchsten Gottheit darstellte und die durch die Aussicht auf ewige Belohnung oder Strafe zusätzliches Gewicht erhielt. Die Erfahrung mit der griechischen und römischen Geschichte gab der Welt keine Auskunft darüber, ob göttliches Wirken nationale Gepflogenheiten zu bessern und zu heben imstande sei; und Constantin selbst hörte mit einigem Zutrauen auf die eingängigen und wohl auch ganz vernünftigen Zusicherungen des Lactantius. Dieser redebegabte Apologet erwartete zuversichtlich und wagte sogar noch zu versprechen, dass die Etablierung des Christentums die Unschuld und die Glücksumstände der Vorzeit wieder herstellen werde; dass die Verehrung Gottes Krieg und Zwietracht unter denen austilgen müsse, welche sich gegenseitig als Kinder eines Vaters ansähen; dass jedes unsaubere Verlangen, jede zornige oder selbstische Leidenschaft durch die Kenntnis des Evangeliums unterdrückt werde; und dass die Magistrate nicht mit dem Schwerte der Gerechtigkeit dreinzufahren genötigt seien, wenn erst das Volk nur noch durch Wahrheit und Frömmigkeit, durch Billigkeit und Mäßigung, durch Eintracht und durch allumfassende Liebe angeleitet werde. Siehe hierzu die anmutige Schilderung des Lactantius, Institutiones 5,8, der sich weitaus konkreter und bestimmter ausdrückt, als es einem klugen Propheten ansteht.

 

THEORIE DES DULDENDEN GEHORSAMS

Der duldende und widerspruchslose Gehorsam, der sich unter das Joch der Obrigkeit oder sogar unter ihren Terror beugt, muss in den Augen eines absoluten Monarchen die erfreulichste und nützlichste aller evangelischen Tugenden gewesen sein. Das politische System der Christen wird von Grotius dargelegt, de iure belli et pacis 1,3f. Grortius war ein Republikaner und Exilant, aber seine milde Denkungsart bestimmte ihn, den etablierten Mächten beizutreten. Für die Urchristen entsprang das weltliche Regiment nicht einer Verabredung unter den Menschen, sondern himmlischem Ratschluss. Der herrschende Kaiser, und hatte er sein Szepter auch durch Verrat und Mord an sich gerissen, erhielt unverzüglich das heilige Gepräge eines Gottes-Vertreters. Nur der Gottheit war er Rechenschaft schuldig für etwaigen Machtmissbrauch; und seine Untertanen waren durch ihren Treueeid unwiderruflich an einen Tyrannen gebunden, auch wenn dieser jedes Natur- und Menschenrecht beleidigte. Der schlichte Christenmensch war ein Lamm, das in eine Welt von Wölfen gestellt war; und da ihm Gewaltanwendung noch nicht einmal zur Verteidigung seiner eigenen Religion gestattet war, um wie viel sündhafter wäre es da gewesen, das Blut ihrer Mitbrüder zu vergießen, nur um die eitlen Vorrechte oder erbärmlichen Besitztümer dieses vergänglichen Lebens zu behaupten. Im Glauben an die Doktrin des Apostels, welcher unter Nero die Pflicht zu unbedingtem Gehorsam gepredigt hatte, belasteten die Christen der ersten drei Jahrhunderte ihr Gewissen nicht mit der Schuld einer heimlichen Verschwörung oder offenen Rebellion. Während sie selbst brutaler Verfolgung ausgesetzt waren, fühlten sie sich dennoch nie veranlasst, ihrem Tyrannen in offener Schlacht zu begegnen oder sich empört in irgendwelche abgelegenen und einsamen Winkel des Erdballes zu verkriechen. Tertullian, Apologeticum 32 und 34-36. ›Tamen nunquam Albiniani, nec Nigriani vel Cassiani inveniri potuerunt Christiani.‹ Ad Scapulam, c. 2. [Dennoch konnten niemals Christen unter den Anhänger eines Albinus, Niger oder Cassius gefunden werden]. Wenn diese Behauptung im wörtlichen Sinne wahr ist, dann hätten Christen jener Zeit niemals militärische Ämter einnehmen können, was sie dann wiederum gezwungen hätte, aktiven Dienst bei ihren jeweiligen Statthaltern zu nehmen. Siehe Moyle, Works, Band 2, p. 349.

Den Protestanten Frankreichs, Deutschlands und Britanniens, die mit unerschüttertem Mut ihre bürgerlichen und religiösen Freiheiten behaupteten, tat man ein Unrecht an, als man in boshafter Weise das Verhalten der Urchristen mit dem ihren verglich. Siehe den verschlagenen Bossuet (Hist. des Variations des Eglises Protestantes. Band 3, p. 210-258) sowie den boshaften Bayle, Band 2, p. 620. Ich nenne hier Bayle, denn er war ganz gewiss der Autor von ›Aivi aux refugiés‹; man ziehe hier auch das Dictionnaire Critique de Chauffepié Band 1, Teil 2, p. 145 zu Rate. Anstelle eines Tadels sollte dem überlegenen Sinnen und Trachten unserer Vorfahren eher Lob zuteil werden, da sie sich überzeugt hielten, dass an der Religion die unveräußerlichen Rechte des Menschen nicht zuschanden gehen dürften. Buchanan ist der erste oder doch wenigstens der bekannteste aller Reformatoren, welcher eine Theorie des Widerstandes gerechtfertigt hat. Siehe seinen Dialog de Jure Regni apud Scotos, Opera, Band 2, p. 28 und 30, Folioausgabe. Vielleicht war die Leidensfähigkeit der Urkirche auch ein Zeichen ihrer Ohnmacht und nicht nur ihrer Tugend. Eine Sekte von unkriegerischen Plebejern ohne Anführer, Waffen oder Festungen hätte bei unbedachter und vergeblicher Gegenwehr gegen den Herren der römischen Legionen unvermeidlich ihren Untergang beschworen. Als aber die Christen durch Gebete den Zorn Diokletians abzuwenden oder Constantins Wohlwollen zu erlangen bemüht waren, konnten sie mit vollem Recht behaupten, dass sie den Grundsatz des leidenden Gehorsams aufrechterhalten hätten und dass ihr Verhalten drei Jahrhunderte lang mit ihren Prinzipien übereingestimmt habe. Sie hätten noch hinzufügen können, dass der Thron des Kaisers auf einem gesicherten und dauernden Fundament ruhen würde, wenn alle Untertanen entsprechend dem christlichen Gebot zu leiden und zu gehorchen lernen würden.

 

DAS GÖTTLICHE RECHT DER KÖNIGE

Im Plan der Vorsehung werden Herrscher und Tyrannen als die Diener des Himmels angesehen, deren Aufgabe es ist, die Völker der Erde zu regieren oder zu züchtigen. Aber die biblische Geschichte liefert auch viele bekannte Beispiele dafür, dass die Gottheit noch unmittelbarer in die Regierung des erwählten Volkes eingegriffen hat. Szepter und Schwert wurden in die Hand eines Moses, Josua, Gideon, David und der Makkabäer gelegt; die Tugenden dieser Helden waren das Motiv oder Folge der göttlichen Gunst, das Glück ihrer Waffen aber sollte die Befreiung und den Triumph der Kirche herbeiführen. Waren die Richter von Israel auch nur gelegentlich und dann ephemere Magistrate, so leiteten die Könige von Juda von der Salbung ihres großen Vorgängers ein erbliches und unauslöschliches Recht her, welches durch kein eigenes Verbrechen verwirkt und durch keine Laune ihrer Untertanen zurückgenommen werden konnte. Dieselbe göttliche Vorsehung, die sich mittlerweile nicht nur um das jüdische Volk allein kümmerte, mochte auch den Constantin und seine Familie zum Schutzherren der Christenheit einsetzen; und der fromme Lactantius kündigt mit prophetischer Gebärde die künftige Größe seiner langen und universellen Herrschaft an. Lactantius, Institutiones 1,1.Eusebius hat in seinem Geschichtswerk, seinen Reden und seiner Constantin-Biographie das göttliche Recht Constantins auf die Reichsherrschaft wiederholt herausgestellt.

Galerius und Maximinus, Maxentius und Licinius waren Feinde, welche mit dem Günstling des Himmels die Provinzen des Reiches teilen durften. Der tragische Tod von Galerius und Maxentius besänftigte alsbald die Erbitterung und erfüllte die schönsten Erwartungen der Christen. Constantins Erfolg gegen Maxentius und Licinius beseitigte zwei fürchterliche Gegner, welche sich dem Triumph des zweiten David immer noch entgegen stemmten, so dass eine besondere Dazwischenkunft der Vorhersehung erforderlich schien. Das Verhalten des römischen Tyrannen Maxentius war eine Schande für die kaiserliche Stellung und die menschliche Natur; und obwohl sich die Christen seiner schwankenden Gunst erfreuen mochten, blieben sie doch wie alle anderen Untertanen seiner willkürlichen und launischen Grausamkeit ausgeliefert. Licinius verriet schon bald, dass er den klugen und humanen Vereinbarungen des Mailänder Ediktes nur mit Widerstreben beigetreten war. Innerhalb seines Herrschaftsbereiches waren Provinzialsynoden untersagt; seine christlichen Beamten wurden in Schanden entlassen; und wenn er auch nicht die Schuld einer allgemeinen Verfolgung auf sich lud beziehungsweise deren Gefahr vermied, so waren seine gelegentlichen Unterdrückungsmaßnahmen noch schlimmer, da sie eine feierlich und freiwillig getroffene Übereinkunft verletzten. Unsere lückenreichen Kenntnisse von der Verfolgung des Licinus sind aus Eusebios (Historia Ecclesiastica. 10,8; Vita Constantini 1,49ff.; 2,1f.) geschöpft. Aurelius Viktor gedenkt seiner Grausamkeiten nur mit allgemeinen Redensarten.. Während also der Orient nach dem anschaulichen Bild des Eusebius von höllischer Finsternis umfangen war, wärmten und erleuchteten die glückverheißenden Strahlen des himmlischen Lichtes die Provinzen des Westens. Die Gottesfurcht des Constantin ließ man als einen vollgültigen Beweis für seine gerechte Sache gelten; und so, wie er seinen Sieg ausnutzte, festigte er die Meinung der Christen, dass ihr Held beseelt und angeführt werde vom Herren der himmlischen Heerscharen. Auf die Eroberung Italiens folgte ein allgemeines Toleranzedikt [A.D. 324]. Und sobald die Niederlage des Licinius Constantin zur Alleinherrschaft über die römische Welt verholfen hatte, ermunterte er alle seine Untertanen durch Rundschreiben, unverzüglich und nach seinem Vorbild die göttliche Wahrheit des Christentums anzunehmen. Eusebios, Vita Constantini, 2,24-42 und 48-60.

 

DER GLAUBENSEIFER DER CHRISTLICHEN FAKTION

Die Gewissheit, dass Constantins Erhebung zum Kaiser im innigen Zusammenhang mit den Plänen der Vorsehung stehe, erzeugte in den Gemütern der Christen zwei Auffassungen, welche aus ganz unterschiedlichen Gründen zur Erfüllung der Prophezeiung beitrugen. Ihre aufrichtige und tätige Treue ließ keine erdenkliche menschliche Anstrengung zu seinen Gunsten unversucht; und zuversichtlich erwarteten sie, dass ihrem Bemühen göttliche, wundersame Hilfestellung zuteil werden müsse. Die Feinde Constantins haben dieser nach und nach entstehenden Allianz mit der katholischen Kirche eigennützige Motive unterstellt, trug sie doch nachweislich zum Erfolg seiner ehrgeizigen Pläne bei. Zu Beginn des IV Jahrhunderts machten die Christen nur einen vernachlässigbaren Teil der Bewohner des Reiches aus; aber unter einer heruntergekommenen Bevölkerung, die den Wechsel an der Spitze mit dem Gleichmut von Sklaven beobachtete, konnte der Geist und der Zusammenhalt einer religiösen Gruppierung einem populären Anführer sehr hilfreich sein, wenn sie ihr Leben und ihr Vermögen aus Überzeugung in seinen Dienst gestellt hatten. Am Anfang des letzten (XVII.) Jahrhunderts machten die Papisten Englands nur einen dreißigsten und die Protestanten Frankreichs nur einen fünfzehnten Teil ihrer jeweiligen Nation aus, der ihr Mut und ihr Einfluss eine beständige Quelle des Argwohns waren. Siehe hierzu die Berichte des Bentiviglio (damals Nuntius zu Brüssel, danach Kardinal), die er an den Hof zu Rom sandte. (Relazione, Band 2, p. 211 und 241). Bentivoglio war neugierig und wohlunterrichtet, aber durchaus auch parteiisch. Das Vorbild seines Vaters hatte Constantin gelehrt, die Verdienste der Christen anzuerkennen und zu belohnen; und bei der Vergabe öffentlicher Ämter festigte er zugleich seine eigene Stellung, da er auf Minister oder Generäle zurückgreifen konnte, auf deren Treue und Zuverlässigkeit er sich bedingungslos verlassen konnte. Durch deren Einfluss müssen sich die Bekenner des neuen Glaubens am Hof und in der Armee rasch vermehrt haben; die Germanen, die in den Legionen hohe Ränge innehatten, waren in diesem Punkte sorglos und fügten sich ohne Murren in den Glauben ihres obersten Befehlshabers; und als sie die Alpen überquerten, hatte auch ein großer Teil der einfachen Soldaten, wie wir mit gutem Grunde annehmen können, ihre Schwert dem Dienst an Christus und Constantin geweiht. Diese Gleichgültigkeit der Germanen in Glaubensfragen begegnet uns immer wieder, wenn wir die Bekehrung ihrer einzelnen Stämme verfolgen. Die Legionen des Constantin rekrutierten sich aus Germanen (Zosimus, 2,15); und selbst am Hofe seines Vaters wimmelte es von Christenmenschen. Siehe das erste Buch der Vita Constantini des Eusebios.

Die Gesinnung der übrigen Menschen und selbst ihre Neigung zur Religion milderten allmählich den Abscheu gegen den Krieg und des Blutvergießens, der so lange unter den Christen hergebracht war; und in den Konzilien unter der Schirmherrschaft Constantins wurde zur rechten Zeit die Autorität der Bischöfe bemüht, den militärischen Treueeid zu ratifizieren und alle Soldaten mit der Strafe der Exkommunikation zu bedrohen, welche während des kirchlichen Friedens ihre Waffen fortwürfen. ›De his qui arma proiiciunt in ›pace‹, placuit eos abstinere a communione.‹ [Es können diejenigen, die im Frieden ihre Waffen fortwerfen, von der Kommunion ausgeschlossen werden]. Concililium Arelatum, Canon 3. Während nun Constantin in seinem eigenen Herrschaftsbereich die Zahl und den Eifer seiner gläubigen Anhänger mehrte, konnte er auch in den Provinzen, die seine Rivalen immer noch besaßen oder besetzt hielten, auf die Unterstützung einer starken Faktion rechnen. Heimliches Missvergnügen breitete sich unter den christlichen Untertanen des Maxentius und Licinius aus; und die Abneigung, die zu verbergen der Letztere gar nicht erst den Versuch machte, zog sie nur noch stärker auf die Seite seines Gegners. Der regelmäßige Briefwechsel zwischen den Bischöfen noch der entferntesten Provinzen ermöglichte ihnen den Austausch ihrer Wünsche und Hoffnungen, die ungefährdete Weitergabe von Nachrichten oder von gottgefälliger Beisteuer zum Nutzen Constantins, welcher öffentlich verlautbaren ließ, dass er die Waffen aufgehoben habe, die Kirche zu befreien. Eusebios betrachtet den zweiten Bürgerkrieg gegen Licinius stets als eine Art Kreuzzug. Einige christliche Offiziere legten nach Aufforderung durch den Tyrannen wieder ihre zone an, oder, mit anderen Worten, kehrten in den Kriegsdienst zurück. Dieses Verhalten wurde später durch den zwölften Kanon des Konzils von Nicäa verurteilt; wenn man denn diese besondere Stelle so und nicht in dem unbestimmten und allgemeinen Sinne der griechischen Übersetzer Balsamon, Zonaras und Alexis Aristenus auffasst. Siehe Beveridge, Pandectae Ecclesiae Graecae, Band. 1, p.72, und 2, p.78, Fußnote.

 

DIE STANDARTE

Die Begeisterung, welche die Truppen und möglicherweise auch den Kaiser selbst beseelte, schärfte ihre Waffen und erhob ihr Bewusstsein. Sie zogen in die Schlacht mit der Gewissheit, dass derselbe Gott, welcher vormals die Israeliten durch den Jordan geführt hatte und die Mauern von Jericho beim Klange der Posaunen von Josua einstürzen ließ, seine große Macht und Herrlichkeit auch in dem Sieg Constantins an den Tag legen würde. Die Kirchengeschichte steht bereit, den Beweis zu erbringen, dass ihre Erwartungen nicht enttäuscht wurden und jenes berühmte Wunder geschah, welches der Bekehrung des ersten christlichen Herrschers nach übereinstimmender Meinung vorausging. Die tatsächliche oder eingebildete Ursache eines so bedeutungsvollen Ereignisses verlangt nach der forschenden Aufmerksamkeit der Nachwelt; ich will es daher unternehmen, zu einer angemessenen Einschätzung dieser berühmten Vision Constantins zu gelangen, indem ich genau unterscheide zwischen der Standarte, dem Traum und dem himmlischen Zeichen; indem ich die historische, die natürliche und übernatürliche Seite dieser ungewöhnlichen Erzählung voneinander trenne, welche man, um einen trefflichen Beweis zu erhalten, mit Vorbedacht zu einem einzigen ebenso glanzvollen wie anfechtbaren Ganzen verschmolzen hat.

 

DAS MONOGRAMM CHRISTI

I. Ein Folterinstrument, welches man nur gegen Sklaven und Fremde einsetzte, war in den Augen eines römischen Bürgers ein Schrecknis; und die Vorstellung von Schuld, Schmerzen und Schmach waren mit der Vorstellung des Kreuzes unmittelbar verbunden ›Nomen ipsum ›crucis‹ absit non modo a corpore civium Romanorum, sed etiam a cogitatione, oculis, auribus.‹ [Sogar der Name des Kreuzes soll verschwinden, nicht nur aus der Römischen Bürgerschaft, sondern auch aus dem Denken, dem Sehen, dem Hören]. Cicero, pro Rabirio 5. Die christlichen Schreiber Justinus, Minucius Felix, Tertullian, Hieronymus und Maximus von Turin haben mit leidlichem Erfolg die Figur des Kreuzes oder die Ähnlichkeit mit ihm in fast allen Natur- und Kunstgegenständen aufgespürt; etwa an der Schnittstelle von Meridian und Äquator, im menschlichen Gesicht, einem fliegenden Vogel, einem schwimmenden Menschen, einem Mast mit einer Rah, einem Pflug, einer Standarte &c. &c. Siehe Lipsius, De cruce 1,9. Mehr aus Pietät als aus Humanität ließ Constantin alsbald in seinem Herrschaftsbereich die Todesart abschaffen, die der Retter des Menschen auf sich genommen hatte; Vergleich hierzu Aurelius Victor, welcher diesen Erlass als ein Beispiel für Constantins Frömmigkeit anführt. Ein für die Christenheit so ehrenhaftes Edikt verdiente sich seinen Platz im Codex des Theodosius und nicht nur eine indirekte Erwähnung, welche sich aus dem Vergleich des 5. und 18. Abschnittes des 9. Buches zu ergeben scheinen. aber der Kaiser hatte bereits die Vorurteile seiner Erziehung und des Volkes zu verachten gelernt, bevor er daran denken konnte, in Rom seine eigene Statue mit einem Kreuz in der rechten Hand errichten zu lassen, mit einer Inschrift versehen, welche den Sieg seiner Waffen und die Befreiung Roms dem Wirken jenes heilbringenden Zeichens zuschrieb, dem wahrhaften Symbol von Stärke und Mut. Eusebios, Vita Constantini, 1,40. Die Statue, zumindest aber Kreuz und Inschrift sollte man dem zweiten, oder, noch wahrscheinlicher, dem dritten Rombesuch Constantins zuschreiben. Unmittelbar nach der Niederlage des Maxentius waren Senat und Volk von Rom für dieses öffentliche Denkmal wohl noch nicht hinreichend vorbereitet. Das gleiche Symbol heiligte auch die Waffen von Constantins Kriegern; das Kreuz glitzerte an ihren Helmen, war in ihre Schilde eingeritzt und in ihre Banner eingewoben; und die geweihten Abzeichen des Herrschers unterschieden sich lediglich durch das erlesenere Material und die gediegenere handwerkliche Ausführung. ›Agnoscas, regina, libens mea signa necesse est; in quibus effigies ›crucis‹ aut gemmata refulget/Aut longis solido ex auro praefertur in hastis./Hoc signo invictus, transmissis Alpibus ultor/Servitium solvit miserabile Constantinus./.... Christus purpureum gemmanti textus in auro/Signabat Labarum, clipeorum insignia Christus/Scripserat; ardebat summis ›crux‹ addita cristis.‹ [Sieh' unbedingt, Königin, in Huld meine Feldzeichen an: auf ihnen erstrahlt das Bild des Kreuzes, mit Edelstein besetzt,/ oder es wird, aus reinem Gold gefertigt, auf langen Lanzen vorangetragen./ Unbesiegbar in diesem Zeichen, hat Constantinus als Rächer die Alpen überschritten/ und die elende Knechtschaft gelöst./...Christus' Name, in edelsteinbesetztes Gold eingearbeitet,/ bezeichnete das purpurne Labarum, und Christus hatte die Zeichen selbst/ auf die Schilde geschrieben;/das Kreuz funkelte, zuoberst an die Helmbuckel geheftet]. Prudentius, Contra Symmachum 2,464ff und 486ff.

Aber die eigentliche Standarte, welche den Sieg des Kreuzes darstellte, wurde labarum Die Herkunft des Wortes labarum oder laborum, welches Gregor von Nazianz, Ambrosius, Prudentius u.a. verwenden, ist nach wie vor völlig im Dunklen, trotz der vergeblichen gelehrten Anstrengungen, welche das Lateinische, Griechische, Spanische, Keltische, Teutonische, Illyrische, Armenische auf der Suche nach der Etymologie gequält haben. Siehe Ducange, Glossarium ad scriptores Mediae et infimae Latinitatis, Stichwort Labarum und Gothofred zum Codex. Theodosianus, Band 2, p. 143. genannt, eine ebenso dunkle wie berühmte Bezeichnung, die man aus allen Sprachen der Welt herzuleiten vergeblich bemüht war. Es wird beschrieben als eine lange Lanze mit einem Querholz. Eusebios, Vita Constantini, 1, 30f. Baronius (Annales, A.D. 312, No. 26) bringt eine Gravur des Labarums. In das seidene Tuch, welches von diesem Querholz herabhing, war – merkwürdig genug – das Bildnis des herrschenden Kaisers und seiner Familie eingearbeitet. Auf der Lanzenspitze befand sich eine Goldkrone mit dem geheimnisvollen Monogramm, das zugleich das Kreuz und die Anfangsbuchstaben des Namen Christi darstellte ›Transversa X litera, summo capite circumflexo, Christum in scutis notat.‹ [Bei quergestelltem X und umgebogener Spitze versieht er die Schilde mit dem Zeichen für Christus]. Caecilius de Mortibus 44. Cuper (in der Lactantiusausgabe, Band 2, p. 500) und Baronius (A.D. 312, No. 25) haben nach antiken Vorbildern verschiedene Formen dieser Monogramme stechen lassen welche in der christlichen Welt außerordentlich populär geworden sind. Das labarum war der Obhut von fünfzig Gardesoldaten von bewährter Tapferkeit und Treue anvertraut; ihre Stellung war besonders ehrenhaft und bot auch andere Vorteile; so kam infolge einiger glücklicher Zufälle bald die Meinung auf, dass die Gardesoldaten, solange sie mit der Bewachung des labarum betraut war, unverwundbar und vor den Pfeilen der Feinde sicher seien. Im zweiten Bürgerkrieg spürte Licinius etwas von der Macht dieses geweihten Banners und lernte sie zu fürchten, da sein Anblick mitten im Schlachtengewühl Constantins Soldaten zu unbezwinglichem Enthusiasmus spornte und zugleich Furcht und Mutlosigkeit in den feindlichen Reihen verbreitete. Eusebios, Vita Constantini 2,7-9. Constantin führte das labarum noch vor dem italienischen Feldzug ein; aber es scheint wohl niemals an der Spitze des Heeres gesichtet worden zu sein, bis Constantin zehn Jahre danach sich selbst zum Feinde des Licinius und zum Befreier der Kirche erklärt.

Die christlichen Herrscher ließen nach dem Vorbild des Constantin auf allen Feldzügen die Kreuzstandarte auffahren; als aber die verlotterten Nachfahren eines Theodosius sich nicht mehr in eigener Person an der Spitze ihrer Heere blicken lassen mochten, wurde das labarum als eine ebenso verehrungswürdige wie nutzlose Reliquie im Palast zu Konstantinopel belassen. Codex Theodosianus 6,25; Sozomenos 1,2. Theophanes Chronograph. p. 11. Theopanes lebte Ende VIII Jh. fast fünfhundert Jahre nach Constantin. Die heutigen Griechen zeigen nicht die Standarte des Reiches und des Christentums auf dem Schlachtfeld. Und wenn sie auch jeden Aberglauben auf die Verteidigungsmittel stützen, so wäre ein Siegesversprechen eine denn doch zu kühne Fiktion für sie. Auf den Medaillen der flavischen Familie ist es nach wie vor in Ehren. Dankbare Verehrung hat das Monogramm Christi in die Mitte des römischen Wappens gestellt. Feierliche Epitheta wie Sicherheit der Republik, Ruhm des Heeres, Erneuerer des öffentlichen Wohlergehens sind den religiösen und militärischen Trophäen hinzugefügt; und eine Medaille des Kaisers Constantin ist auf uns gekommen, auf welcher dem labarum diese berühmten Worte beigefügt sind: IN DIESEM ZEICHEN SOLLST DU SIEGEN. Abbé Duvoisin, Dissertation critique sur la vision de Constantin, p. 103ff, führt einige dieser Münzen an und bezieht sich auf eine eigene Abhandlung von Pater de Grainville zu diesem Thema.

 

DER TRAUM DES CONSTANTIN

II. In allen Fällen von Gefahr und Not pflegten die frühen Christen Gemüt und Leib mit dem Zeichen des Kreuzes zu stärken, dessen sie sich bei allen religiösen Ritualen, bei allen Fährnissen des täglichen Lebens als unfehlbaren Schutz gegen geistliche oder zeitliche Übel bedienten. Tertullian, de Corona 3. Athanasios Band1, p.101. Der gelehrte Jesuit Petavius hat zahlreiche Belege für die Kräfte des Kreuzes zusammengetragen, welche in der vorigen Generation unsere protestantischen Kontrahenten verwirrt haben. Die Autorität der Kirche allein sollte genügen, Constantins frommes Tun zu rechtfertigen, welcher wohlüberlegt und schrittweise die Wahrheit und die Symbolik des Christentums anerkannte. Aber das Zeugnis eines zeitgenössischen Schriftstellers, der in einer früheren Abhandlung sich für die Sache der Religion eingesetzt hat, lässt die Frömmigkeit des Kaisers erhabener und durchgeistigter erscheinen. Er versichert uns mit größter Bestimmtheit, dass in der Nacht vor der Entscheidungsschlacht gegen Maxentius Constantin in einem Traum aufgefordert wurde, auf die Schilde seiner Krieger das himmlische Zeichen Gottes, das heilige Monogramm des Namens Christi anbringen zu lassen; dass er dieser himmlischen Weisung folgte; und dass sein Mut und sein Gehorsam durch einen vollständigen Sieg an der Milvischen Brücke belohnt wurden. Einige Überlegungen könnten nun allerdings ein skeptisches Gemüt veranlassen, der Urteilskraft oder der Glaubwürdigkeit eines Redners zu misstrauen, welcher lediglich aus Glaubenseifer oder aus persönlichem Interesse sich der herrschenden Faktion anschloss. Lactantius, de mortibus 44. Es steht fest, dass diese historische Erzählung geschrieben und veröffentlicht wurde, als Licinius, Herrscher des Ostens, mit den Christen und Constantin noch Freundschaft hielt. Jeder Leser von Geschmack muss feststellen, dass der Stil anders und beträchtlich schwächer als der des Lactantius ist, zu welchem Urteil übrigens auch Le Clerc und Lardner kommen. Von den Befürwortern des Lactantius werden drei Argumente vorgetragen, von denen jedes einzelne schwach und unhaltbar ist, die aber gemeinsam doch einiges Gewicht erhalten. Ich habe lange geschwankt, würde mich jetzt zögernd dem Colbert Manuskript anschließen und den Autoren Caecilius (wer immer er war) nennen.

Erkennbar hat er seine Darstellung vom Tod der Gegner drei Jahre nach dem Sieg zu Rom in Nikomedia verfasst; aber der Abstand von tausend Meilen und tausend Tagen begünstigt die Erfindungsgabe von Prunkrednern, vergrößert die Leichtgläubigkeit der Parteigänger und das stillschweigende Einverständnis des Herrschers selbst, welcher die wundersame Geschichte mit Wohlgefallen hören mag, die seinen Ruhm zu mehren und seine Absichten zu fördern geeignet ist. Im Sinne des Licinius, der damals seine Abneigung gegen die Christen noch verborgen hielt, hält derselbe Autor nämlich auch eine Vision parat, eine Art Gebet, das ihm ein Engel zutrug und das die ganze Armee vor der Schlacht gegen die Legionen des Tyrannen Maximinus wiederholte. Die häufige Wiederholung solcher Wundergeschichten ist geeignet, den gesunden Menschenverstand stutzen zu lassen, wenn sie ihn nicht vorher schon eingeschläfert hat; Lactantius, de mortibus 46. Einiges spricht für die Ansicht von Herrn de Voltaire, welcher den Triumph des Constantin dem höheren Ruhm zuschreibt, den sein labarum gegenüber Licinius Engel besaß. Doch wird dieser Engel auch von Pagi, Tillemont, Fleury u.a. bereitwillig aufgenommen, da sie begierig sind, ihren Vorrat an Wundern zu erweitern. betrachten wir den Traum des Constantin jedoch für sich, so lässt er sich leicht mit seiner Politik oder seiner Begeisterung erklären. Während seine Sorge vor dem kommenden Tag, an dem sich immerhin sein und des Reiches Geschick entscheiden sollte, durch einen gelegentlichen, leichten Schlummer aufgehoben wurde, mochte die Gestalt Christi und das allbekannte Symbol seiner Religion sich der Phantasie dieses Herrschers gleichsam mit Gewalt aufdrängen, der den Namen und möglicherweise auch die Macht des Christengottes schon heimlich verehrt hatte. Ebenso bereitwillig mag sich ein durchtriebener Staatsmann einer jener strategischen Finessen oder einer jener frommen Betrügereien bedienen, wie es etwa Philipp oder Sertorius mit soviel Kunstfertigkeit und Erfolg getan haben. Neben diesen wohlbekannten Beispielen hat Tollius (im Vorwort zu Boileus Longinus-Übersetzung) noch eine Vision des Antigonos gefunden, welcher seinen Truppen versicherte, er habe ein Pentagon (das Symbol für Sicherheit) gesehen und die Worte gehört: ›Hierdurch siege!‹ Aber Tollius hat in unentschuldbarer Weise seine Quelle nicht genannt, und seine eigene Lauterkeit ist literarisch und moralisch nicht frei von Tadel (s. Chauffepié, Dictionaire critique, Band 4, p. 460). Ohne mich auf das Stillschweigen von Diodor, Plutarch, Iustinus und anderen zu berufen, merke ich hier nur an, das Polyainos, der in einem besonderen Kapitel (4,6) neunzehn Kriegslisten des Antigonos angesammelt hat, von dieser Vision durchaus nichts weiß.

Im Altertum anerkannte man ganz allgemein die übernatürliche Herkunft der Träume, und nicht der kleinste Teil der gallischen Armee war darauf vorbereitet, auf die Wirkmächtigkeit der christlichen Religion zu vertrauen. Die geheime Vision des Constantin konnte ausschließlich durch die Ereignisse widerlegt werden; und der furchtlose Held, der die Alpen und den Apennin überquerte, mochte die Folgen einer Niederlage vor Rom mit matter Geringschätzung betrachten. Senat und Volk von Rom, die über ihre Befreiung von einem verhassten Tyrannen jauchzten, gaben bereitwillig zu, dass Constantins Sieg das Menschenmögliche übersteige, zögerten aber anzuerkennen, dass er dem Wirken der Götter zuzuschreiben sei. Der Triumphbogen, der drei Jahre nach dem Ereignis errichtet wurde, deutet in dunklen Worten an, dass Constantin mit Hilfe seiner eigenen Geisteskräfte und aufgrund einer Anregung oder eines Impulses durch die Gottheit die römische Republik gerettet und gerächt habe. ›Instinctu Divinitatis, mentis magnitudine.‹ [Durch Antrieb der Gottheit und Größe des Geistes]. Die von Baronius und Gruter abgedruckte Inschrift können alle interessierten Touristen noch heute in Augenschein nehmen. Der heidnische Redner, der schon bei früherer Gelegenheit die Tugenden seines Kaisers zu rühmen nicht angestanden hatte, mutmaßt, dass dieser allein in geheimer, enger Beziehung zum Höchsten Sein stehe, welcher die Sorge für die Sterblichen an eine nachgeordnete Gottheit delegiere; was ein höchst einleuchtender Grund dafür sei, dass Constantins Untertanen sich der neuen Religion ihres Herrschers anzuschließen Bedenken trügen. Habes profecto aliquid cum illa mente Divina secretum; quae delegata nostra Diis Minoribus cura uni se tibi dignatur ostendere. Panegyrici 9,2. [Wahrlich hast du ein Geheimnis mit jenem göttlichen Geiste gemein, welcher die Sorge für uns den kleineren Göttern aufgetragen hat und nur dich für wert hält, sich zu zeigen].

 

DAS ERSCHEINEN VON VORZEICHEN AM HIMMEL

III. Der Philosoph, der mit kaltem Verstand die Träume und Omen, die Wunder und Vorzeichen aus der Profan- und selbst noch der Kirchengeschichte untersucht, wird vermutlich zu der Schlussfolgerung gelangen, dass, wenn das Auge der Zuschauer zuweilen getäuscht, der Verstand des Leser noch sehr viel öfter durch Erfindung gefoppt worden sei. Jedes Ereignis, jede Erscheinung, jeder Zufall, der in irgendeiner Weise von normalen Gang der Natur abweicht, wird vorschnell dem unmittelbaren Eingreifen der Gottheit zugeschrieben; und die leicht entzündete Phantasie des Publikums hat ungewöhnlichen Lufterscheinungen immer mal wieder Form und Farbe, Lautäußerungen und Bewegung zugeschrieben. Herr Freret (Mémoires de l'Académie des Inscriptions, Band 4, p. 411-437) führt viele Wundererscheinungen der Antike auf natürliche Ursachen zurück, und Herr Fabricius, der von beiden Parteien attackiert wird, versucht vergebens, Constantins Himmelskreuz zu einer Art Sonnenhalo zu machen. (Bibliotheca Graeca, Band 6, p. 8-29. Nazarius und Eusebius sind die beiden berühmtesten Redner, die in ausgefeilten Lobreden Constantins Ruhm zu mehren trachteten. Neun Jahre nach dem Sieg bei Rom beschreibt Nazarius Nazarius, Panegyrici 10,14 und 15. Es erübrigt sich wohl, die Namen der Modernen zu nennen, deren allesverschlingende Gefräßigkeit selbst diesen heidnischen Köder des Nazarius geschluckt hat. eine Armee von himmlischen Kriegern, welche vom Himmel herab zu stürzen scheinen: er beschreibt ihre Schönheit, ihren Geist, ihre Riesengröße, das Licht, welches ihren himmlischen Waffen entströmte und die Geduld, die sie aufbrachten, um sich den Sterblichen sichtbar und hörbar zu machen; und schließlich ihre Ankündigung, dass sie gesandt seien, dass sie eilten, die Sache des großen Constantin zu fördern. Zum Beweis der Wahrheit bietet der heidnische Redner die ganze gallische Nation zu Zeugen auf, in deren Gegenwart er damals sprach; und scheint zu hoffen, dass die früheren Wunderzeichen Die Erscheinung von Kastor und Pollux, besonders wenn sie den Sieg der Makedonier ankündigten, wird durch Historiker und Denkmäler bekräftigt. Siehe Cicero de Natura Deorum, 2,2; 3, 5 und 6; Florus, 2,12; Valerius Maximus, 1,8,1. Das jüngste dieser Wunder indessen wird von Livius (45,1) ausgelassen und somit indirekt in Abrede gestellt. in der Gegenwart Glauben finden würde. Die christliche Version des Eusebius, die sich im Abstand von sechsundzwanzig Jahren aus dem Original-Traum entwickelt haben mag, kommt weitaus gediegener und eleganter daher [A.D. 338]. Auf einem seiner Märsche, so wird erzählt, habe Constantin mit eigenen Augen das Kreuz als glänzendes Siegeszeichen gesehen, oberhalb der Mittagssonne und mit der Inschrift: IN DIESEM ZEICHEN SIEGE! Dieses stupende Himmelszeichen setzte das ganze Heer in Erstaunen, insgleichen den Kaiser, welcher damals noch um die rechte Religion mit sich rang; aber die Vision der folgenden Nacht verwandelte seine anfängliche Verwunderung in Glaubensgewissheit. Christus erschien vor seinen Augen; und während er ihm das gleiche himmlische Kreuzeszeichen darbot, gab er Constantin Weisung, eine ähnliche Standarte fertigen zu lassen und – mit der Zusicherung eines Sieges gegen Maxentius und seine übrigen Feinde – zu marschieren. Eusebios, Vita Constantini 1,28-30. Dass derselbe Eusebios in seiner Kirchengeschichte an dieser Stelle Stillschweigen beobachtet, ist für alle Befürworter des Wunders, die noch nicht völlig kritiklos sind, sehr bedenklich.

Der gelehrte Bischof von Caesarea scheint des inne zu werden, dass seine jüngste Entdeckung dieses Wunders gerade bei den frömmsten seiner Leser Verwirrung und Misstrauen zu erwecken geeignet sein könnte. Aber anstelle nun die genauen Begleitumstände sowie Ort und Zeit preiszugeben, was immer nützlich ist, die Wahrheit zu festigen und die Lüge zu entlarven; Aus der Erzählung des Constantin scheint hervorzugehen, dass er das Kreuz am Himmel auf seinem Marsch gegen Maxentius vor seiner Alpenüberquerung sah. Hinterwäldlerische Eitelkeit hat die Szene bald nach Trier, bald nach Besançon &c verlegt. Siehe Tillemont, Histoire des empereurs, Band 4, p. 573.; anstelle die Aussagen noch lebender Augenzeugen einzuholen, die dieses Wunder ja auch gesehen haben müssen, Der fromme Tillemont (Mémoires ecclésiastiques Band 7, p. 1317) weist mit einem Seufzer die hilfreiche Akte des Artemius zurück, welcher, ein Veteran und Märtyrer, als Augenzeuge die Vision des Constantin bestätigt. begnügt sich Eusebius damit, einen einzigen äußerst befremdlichen Beweis anzuführen: nämlich die Aussage des verstorbenen Constantin, welcher viele Jahre nach dem Ereignis ihm in lockerer Unterhaltung dieses außergewöhnliche Vorkommnis erzählt und den Wahrheitsgehalt durch einen feierlichen Eid bekräftigt habe.

Klugheit und Anhänglichkeit verboten es unserem Gottesgelahrten, die Wahrheitsliebe seines siegreichen Herren in Frage zu stellen; allerdings gibt er bereitwillig zu, dass er bei einer Angelegenheit von solcher Bedeutung ein Zeugnis von geringerem Gewicht würde zurückgewiesen haben. Derartige Motive und solche Leichtgläubigkeit konnten nicht länger am Leben bleiben als die Dynastie der Flavier; und das himmlische Zeichen, welches die Ungläubigen hernach verspotten mochten, Gelasios von Kyzikos in den Akten des Konzils von Nicaea, Buch 1, c. 4. wurde ebenfalls von den Christen verachtet, welche in der Zeit nach Constantins Bekehrung lebten, Die Befürworter der Vision sind außerstande, auch nur ein einziges Zeugnis aus den Kirchenvätern des IV und V Jh. beizubringen, welche in ihren voluminösen Schriften den Triumph der Kirche und des Constantin zu rühmen nicht müde werden. Da diese respektablen Männer Wundern durchaus nicht abgeneigt sind, können wir vermuten (und unser Verdacht wird durch die Unwissenheit des Hieronymus noch genährt), dass sie allesamt Eusebios' Lebensbeschreibung des Constantin nicht kannten. Dieser Text wurde erst wiederentdeckt durch die Sorgfalt derer, die seine Kirchengeschichte fortgesetzt, übersetzt und die Kreuzesvision in unterschiedlichsten Farben dargestellt haben. Aber die katholische Kirche des Westens und des Ostens hat sich ein Wunder zu Eigen gemacht, welches der populären Verehrung des Kreuzes Vorschub leistet oder zumindest zu leisten scheint. So behielt Constantins Vision in der Überlieferung des Aberglaubens einen bevorzugten Platz, bis endlich der kühne und scharfsinnige Geist der Kritik sich traute, den Triumph des ersten christlichen Kaisers zu schmälern und seine Wahrheitsliebe zu bezweifeln. Gothofedus war der Erste, welche 1643 (in den Anmerkungen seiner Philostorgos-Ausgabe, Buch 1, c.6, p. 16) Zweifel an einem Wunder äußerte, welches mit vergleichbarem Eifer von Kardinal Baronius und den Centuriatoren von Magdeburg verteidigt wurde. Seither sind zahlreiche protestantische Gelehrte der Seite des Zweifels und Unglaubens beigetreten. Die Gegenargumente werden mit großem Nachdruck von Herrn Chauffepié (Dictionnaire critique, Band 4, p.6-11) vorgetragen, und im Jahre 1774 hat der Abbé Duvoisin, ein Doktor der Sorbonne, eine Verteidigungsschrift publiziert, die sich durch Gelehrsamkeit und Zurückhaltung auszeichnet.

 

NEUE SEKTENPREDIGER AM HOF WILLKOMMEN

Der protestantische und der philosophisch veranlagte Leser der Gegenwart werden der Auffassung zuneigen, dass Constantin im Zusammenhang mit seiner eigenen Bekehrung eine vorsätzliche Lüge durch einen feierlichen und wohlerwogenen Meineid bekräftigt habe. Sie werden nicht anstehen zu behaupten, dass bei der Wahl seiner Religion er sich lediglich durch persönliche Interessen habe leiten lassen und dass er (so drückt es jedenfalls ein weltlicher Dichter aus) Lors Constantin dit ces propres paroles: J'ai renverse le culte des idoles: Sur les debris de leurs temples fumants Au Dieu du Ciel j'ai prodigue l'encens. Mais tous mes soins pour sa grandeur supreme N'eurent jamais d'autre objet que moimeme; Les saints autels n'etoient a mes regards Qu'un marchepie du trone des Cesars. L'ambition, la fureur, les delices Etoient mes dieux, avoient mes sacrifices. L'or des Chretiens, leurs intrigues, leur sang Ont cimente ma fortune et mon rang. Das Gedicht, aus dem diese Zeilen stammen, kann man vielleicht mit Genuss lesen, aber nicht mit Anstand anführen. (Es handelt sich um das komische Epos ›La Pucelle d'Orleans‹, 5. Gesang, von Voltaire.) den Altar als bequemen Fußschemel für den Thron des Reiches benutzt habe. Eine derartig derbe und vernichtende Folgerung wird nun allerdings durch unsere Kenntnis der Menschennatur, Constantins oder des Christentums nicht getragen. Selbst die ränkefreudigsten Staatsmänner werden in einem Zeitalter religiöser Aufwallungen von der Begeisterung, die sie zu entfachen versuchen, gelegentlich selbst angesteckt; und noch die strenggläubigsten Heiligen nehmen für sich das Recht in Anspruch, ihre Wahrheit mit den Waffen der Lüge und des Trugs zu fördern.

Persönliches Interesse leitet unseren Glauben und unsere Religionsausübung oft genug; und die gleiche Suche nach irdischem Vorteil, welche das öffentliche Auftreten Constantins beeinflusst haben mag, könnte ihn auch bewogen haben, sich dieser Religion anzuschließen, welche seinem Ruhm und seinem Geschick so günstig war. Seiner Eitelkeit schmeichelte die angenehme Gewissheit, dass der Himmel ihn zur Herrschaft über den Erdkreis ausersehen habe; sein Anspruch auf den Thron war durch Erfolg gerechtfertigt, und damit beruhte sein Anspruch auf der Wahrheit der christlichen Offenbarung. So wie sich wahre Tugend oft erst durch unverdienten Beifall entwickelt, so mag die oberflächliche Frömmigkeit des Constantin, wenn sie denn oberflächlich war, aufgrund von Lob, Gewohnheit und Vorbildern zu echter Frömmigkeit emporgereift sein. Die Bischöfe und die Verkünder des neuen Glaubens, deren äußeres Erscheinungsbild und Auftreten sie nicht für einen Aufenthalt bei Hofe qualifizierten, wurden gleichwohl zu Tische geladen; auch begleiteten sie den Herrscher auf seinen Feldzügen; und dass einer von ihnen, ein Ägypter oder ein Spanier, Dieser Günstling war wohl der berühmte Orosius, Bischof von Cordoba, welcher die pastorale Sorge über die ganze Kirche der Leitung einer bestimmten Diözese vorzog. Athanasius beschreibt seinen Charakter (Band 1, p. 703) in großen, aber knappen Worten. Siehe Tillemont, Mémoires eccléstiastiques, Band 7, p. 524-561. Ossius wurde, vermutlich zu Unrecht, beschuldigt, dass er sich im Besitze eines beträchtlichen Vermögens vom Hof zurückgezogen habe. über ihn wachsenden Einfluss gewann, führten die Heiden auf höhere Magie zurück. Siehe Eusebios, Vita Constantini, passim und Zosimos 2,29. Lactantius, der die Vorschriften des Evangeliums mit der Beredsamkeit eines Cicero Das Christentum des Lactantius war wohl eher moralischer als mystischer Natur. ›Erat paene rudis (sagt der orthodoxe Bull) disciplinae Christianae, et in rhetorica melius quam in theologia versatus.‹ Defensio Fidei Nicenae, Sektion 2, c.14. (Er wusste von christlichen Glaubenslehren nahezu nichts, und in der Rhetorik war er besser bewandert als in der Theologie.) schmückte und Eusebius, der die Gelehrsamkeit und philosophische Tiefe des Griechentums in den Dienst der Religion Fabricius hat mit der ihm eigenen Sorgfalt zwischen drei- und vierhundert Autoren zusammengestellt, die in der Praeparatio evangelica des Eusebios zitiert werden. Siehe auch die Bibliotheca graeca, Band 6, p. 37-56. gestellt hatte, pflegten beide freundschaftlichen und vertrauten Umgangs mit ihrem Kaiser: Und diese geübten Meister des Gesprächs konnten mit Geduld auf die entscheidenden und fruchtbringenden Momente warten und dann geschickt die Argumente vortragen, denen sein Verständnis gewachsen war. Welcher Vorteil auch immer darin liegen mochte, einen Kaiser zum Proselyten zu machen, er war nun mal durch den Purpur und nicht durch höhere Weisheit oder Einsicht vor den vielen tausend Untertanen ausgezeichnet, die sich bereits die Lehrsätze des Christentums angeeignet hatten. Auch klingt es für uns durchaus plausibel, dass das schlichte Gemüt eines ungebildeten Kriegers sich unter dem Gewicht der Beweise sollte gebeugt haben, welches im Zeitalter der Aufklärung selbst einen Grotius, einen Pascal oder einen Locke überzeugt oder sogar niedergeworfen hat. Inmitten großer Vorhaben verwendete dieser Soldat die Nachtstunden darauf – oder bemühte sich zumindest darum –, die Heiligen Schriften und theologischen Abhandlungen zu studieren; wovon er später in Gegenwart eines zahlreichen und begeisterten Publikums berichtete. In einer sehr umfangreichen Abhandlung, die heute noch existiert, erörtert der kaiserliche Priester weitläufig die verschiedenen Beweise für die Religion; besonders aber geht er auf die sybillinischen Verse Siehe Constantin, Oratio ad Sanctos, c. 19,20. Er ist besonders einem geheimnisvollen Akrostichon zugetan, welches im sechsten Zeitalter nach der Sintflut von der erytreischen Sybille verfasst und von Cicero ins Lateinische übertragen wurde. Die Anfangsbuchstaben der vierunddreißig griechischen Verse bilden diesen prophetischen Satz: JESUS CHRISTUS, SOHN GOTTES, RETTER DER WELT. und die vierte Ekloge des Vergil ein. In seiner Paraphrase zu Vergils Ekloge ist der Kaiser zuweilen dem lateinischen Text beigesprungen und hat den wörtlichen Sinn verbessert. Siehe Blondel, Des Sibylles, Buch 1, c. 14-16.

 

VERGILS VIERTE EKLOGE

Vierzig Jahre vor der Geburt Christi hat dieser Barde aus Mantua, als sei er durch Jesajas himmlische Muse inspiriert, mit aller orientalischen Metaphernfreudigkeit die Rückkehr der Jungfrau gefeiert, den Fall der Schlange, die bevorstehende Geburt des göttlichen Kindes, dem Sprössling des großen Jupiter, der die Schuld der Menschheit tilgen und die befriedete Welt mit den Tugenden seines Vaters regieren werde; die Entstehung und Ausbreitung eines himmlischen Geschlechtes; und die allmähliche Wiederherstellung der Unschuld und Glückseligkeit des Goldenen Zeitalters. Vermutlich war sich der Dichter der geheimen Bedeutung und des Gegenstandes seiner erhabenen Prophezeiung gar nicht bewusst, welche man so vordergründig auf den Sohn eines Konsul oder Triumvirn Die verschiedenen Ansprüche eines älteren und jüngeren Sohnes des Pollio, der Julia, des Drusus, des Marcellus passen entweder chronologisch oder mit Vergils gesundem Menschenverstand nicht zusammen. beziehen wollte: Wenn aber eine schönere und in der Tat gefällige Deutung der vierten Ekloge zu der Bekehrung des ersten christlichen Kaisers Anlass gegeben hatte, dann so dürfen wir Vergil unter die erfolgreichsten Missionare des Evangeliums zählen Siehe Lowth, de Sacra Poesi Hebraeorum Praelectiones, 21, p. 289-293. Der ehrbare Bischof von London hat bei der Auslegung von Vergils vierter Ekloge Gelehrsamkeit, Geschmack, Scharfsinn und eine gezügelte Begeisterung bewährt, was seine Einbildungskraft gemehrt hat, ohne seine Urteilskraft zu mindern.

 

CONSTANTINS TAUFE

Die ehrwürdigen Mysterien des Christenglaubens und der Anbetung wurden vor den Fremden und selbst noch vor den Katechumenen mit berechneter Heimlichtuerei verborgen gehalten, was naturgemäß deren Staunen und Neugierde hervorrief. Der Unterschied zwischen den öffentlichen und geheimen Teilen des Gottesdienstes – der missa catechumonorum und der missa fidelium – sowie der Schleier des Geheimnisvollen, den Frömmigkeit oder Politik über letzteren gebreitet haben, wird von Thiers (Exposition du St. Sacrament) sehr verständig erklärt; da man aber bei derlei Fragen den Papisten mit berechtigtem Misstrauen begegnen mag, wird ein Leser protestantischen Bekenntnisses eher auf den gelehrten Bingham, Christian antiquities, lm,Buch 10, c.5, zurückgreifen. Aber die gestrenge Kirchenzucht, die die Bischöfe mit Vorbedacht aufgestellt hatten, erfuhr in gleicher Weise Lockerung, auf dass der kaiserliche Proselyt, den es unbedingt zu gewinnen galt, durch jenes elastische Nachgeben in den Schoß der Kirche gezogen werde; und so gestattete man es Constantin zumindest stillschweigend, sich der meisten Privilegien des Christentums zu erfreuen, bevor er sich auch nur einige seiner Verpflichtungen aufgeladen hatte. Keineswegs etwa zog er sich aus den Gemeindeversammlungen zurück, wenn die Stimme des Diakons die übrige Menge entließ, sondern er betete noch mit den Glaubensstarken, führte Dispute mit den Bischöfen, predigte selbst zu den erhabensten und schwierigsten Gegenständen der Theologie, beging im festlichen Rahmen die Ostervigilien und nannte sich öffentlich nicht nur einen Teilhaber, sondern in gewissem Sinne auch einen Priester, ja Hierophanten der christlichen Mysterien. Siehe Eusebios, Vita Constantini 4,15-32 sowie den ganzen Inhalt von Constantins Predigt. Glaube und Frömmigkeit des Kaisers haben dem Baronius fadenscheinige Beweisgründe für eine frühe Taufe geliefert. Eine außerordentliche Bevorzugung mochte Constantins Stolz wohl beanspruchen, und seine Leistungen hatten sie auch verdient: Strenge zur Unzeit hätte die zarte Pflanze seines neuen Glaubens verkümmern lassen; und wären die Kirchentüren dem Herrscher verschlossen geblieben, welcher den Altären der alten Götter den Rücken gekehrt hatte, dann wäre der Herrscher über das Erdenrund bar jeder Möglichkeit zur religiösen Betätigung gewesen. Bei seinem letzten Besuch in Rom schwor er gleichsam dem Aberglauben seiner Väter ab, indem er sich weigerte, die militärische Prozession der Ritterschaft anzuführen und dem Kapitolinischen Jupiter die öffentlichen Gelübde abzulegen. Zosimos, 2,29. Viele Jahre vor seiner Taufe und seinem Tode hatte Constantin die Welt wissen lassen, dass weder er noch sein Standbild jemals wieder in einem Götzentempel zu sehen sein würden; zugleich kamen in den Provinzen verschiedene Medaillen in Umlauf, welche den Kaiser in der bittenden und demütigen Haltung der Christen darstellten. Eusebios, Vita Constantini, 4,15f.

 

CONSTANTINS TAUFE KURZ VOR DEM TOD

Constantins stolze Weigerung, die Rechte eines Katechumenen anzunehmen, lässt sich nicht ohne weiteres erklären oder entschuldigen. Der späte Zeitpunkt seiner Taufe jedoch erklärt sich aus den Gepflogenheiten der antiken Kirche. Das Sakrament der Taufe Theorie und Praxis des Taufsakramentes in der Antike haben gründlich erläutert: Dom Chardon, Histoire des sacraments, Band 1, p. 3-405; Dom Martenne, de ritibus ecclesiae antiquis, Band 1 und Bingham im 10. Und 11. Buch seiner Christian antiquities. Ein wesentlicher Unterschied zwischen der modernen und der antiken Kirche sei hier angemerkt: Auf das Sakrament der Taufe folgte unmittelbar die Konfirmation und die heilige Kommunion. wurde in der Hauptkirche der Diözese vom Bischof selbst unter Assistenz der Geistlichkeit erteilt, und zwar während der fünfzig Tage zwischen den hohen Osterfeiertagen und Pfingsten; diese heilige Zeit führte dem Schoße der Kirche ungezählte Kinder und Erwachsene zu. Die Bedenken der Eltern schoben die Taufe der Kinder auf, bis sie die Verpflichtungen, auf die sie sich einließen, überhaupt verstehen konnten; die strenge Observanz der Bischöfe verlangte von den neuen Konvertiten eine Probezeit von zwei oder drei Jahren; und die Katechumenen selbst drängten aus Gründen weltlicher oder geistiger Natur nur selten darnach, sich den Charakter eines vollendeten oder initiierten Christen zuzulegen. Das Sakrament der Taufe bewirkte nämlich, so die Auffassung, vollständige und unwiderrufliche Tilgung der Sünde; die Seele wurde in den Zustand ihrer ursprünglichen Reinheit versetzt und erhielt das Versprechen ewigen Heils. Unter den Proselyten des Christentums gab es deren viele, die es schlechthin für unklug hielten, sich einem heilsbringenden Ritus zu unterwerfen, der nicht wiederholt werden konnte, mithin ein unschätzbares Privileg fortzuwerfen, welches sie nie wieder in ihren Besitz bringen konnte. Verschoben sie die Taufe, so konnten sie sich unbeschwert den angenehmen Seiten des Lebens widmen und dennoch das Mittel zu bequemer und zuverlässiger Errettung in den Händen behalten. Die Kirchenväter, die diesen strafwürdigen Verzug rügten, konnten andererseits nicht einmal die sichere und siegreiche Wirkung der Taufe auf dem Totenbett abstreiten. Die erfindungsreiche Rhetorik eines Chrysostomos konnte lediglich drei Argumente gegen diese klügelnden Christenmenschen ersinnen: 1. dass wir Tugend um ihrer selbst willen lieben und nach ihr streben sollten. 2. dass uns der Tod auch ohne vorherige Taufe überraschen könne. 3. dass wir, wenn wir auch im Himmel aufgenommen würden, dennoch nur wie kleine Sterne funkeln würden, verglichen mit jenen Sonnen der Gerechten, die ihren vorgegebenen Weg mit Anstrengung, Erfolg und Ruhm gegangen waren. Chrysostomos, Epistulae ad Hebraeos, Homiliae 13 in: Chardon, Histoire des Sacremens, Band 1, p.49. Ich glaube, dass diese verspätete Taufe, obschon mit den übelsten Folgen bedroht, niemals durch eine allgemeine oder Provinzialsynode oder auch nur durch ein öffentliches Machtwort der Kirche verurteilt worden ist. Der Glaubenseifer der Bischöfe entflammte schon bei banaleren Anlässen.

Die erhabenen Inhalte der Evangelien hatten auf das Gemüt des Constantin erheblich weniger Eindruck gemacht als auf seinen Verstand. Er hatte das große Ziel seines Ehrgeizes durch die Nacht von Krieg und Ränken verfolgt; und nach seinem Sieg überließ er sich bedenkenlos der Ausbeutung seines Glücks. Anstelle dass er seine Überlegenheit über den bemühten Heldensinn und die Diesseitsphilosophie eines Trajan und der Antonine geltend gemacht hätte, verspielte das reife Alter des Constantin die Reputation, die er in seinen jungen Jahren aufgebaut hatte. Als er sich dann nach und nach in den Besitz der Wahrheit brachte, ging es mit der praktischen Ausübung von Tugend bergab; und dasselbe Regierungsjahr, in welchem er das Konzil von Nicaea einberief, verdunkelte er durch die Hinrichtung, oder besser: die Ermordung seines ältesten Sohnes. Dieses Datum allein reicht bereits aus, die ignorante und bösartige Unterstellung des Zosimos Zosimos 2,29. Für diese niederträchtige Verleumdung hat er die bitterste Kritik der Kirchenschriftsteller verdient und auch eingesteckt, mit Ausnahme von Kardinal Baronius (A.D. Nr. 15-28), welcher hier eine Gelegenheit ergriff, diesen Ungläubigen zu einem Dienst der besonderen Art gegen den Arianer Eusebios zu missbrauchen. zurückzuweisen, welcher uns einreden will, nach dem Tode des Crispus habe die Reue des Vaters von den Dienern des Christentums jene Sündentilgung erlangt, welche er von den heidnischen Priestern vergeblich erfleht habe. Zum Zeitpunkt des Todes von Crispus konnte der Kaiser mit der Wahl einer Religion nicht länger warten; er konnte sich nicht länger der Einsicht verschließen, dass die Kirche über ein unfehlbares Heilmittel verfügte, wenn er auch zunächst dessen Anwendung hinausschob, bis schließlich sein bevorstehendes Ende die Gefahr einer Versuchung und eines Rückfalles beseitigten. Die Bischöfe, die er nach dem Ausbruch seiner letzten Krankheit in Nikomedia zusammenkommen ließ, waren erbaut über die Dringlichkeit, mit der es ihm nach der dem Sakrament der Taufe verlangte, wobei er zugleich ernstlich versicherte, dass er sich für sein verbleibendes Leben als ein würdiger Jünger Christi erweisen werde und es überdies bescheiden ablehnte, den Kaiserpurpur zu tragen, nachdem er das weiße Kleid des Neugetauften angelegt hatte. Durch das Vorbild und das Ansehen Constantins schien diese verspätete Taufe gerechtfertigt zu sein. Siehe Eusebios, Vita Constantini 4, 61-63. Der Bischof von Caesarea glaubt mit unerschütterter Zuversicht an das Seelenheil von Constantin. Spätere Tyrannen jedenfalls fühlten sich ermutigt zu dem Glauben, dass das unschuldige Blut, das sie im Laufe einer langen Regierungszeit vergossen haben mochten, durch das Wasser der Wiedergeburt fortgewaschen werde; und so unterhöhlte der Missbrauch der Religion die Grundlagen der Moral.

 

AUSBREITUNG DES CHRISTENTUMS

Die Dankbarkeit der Kirche hat die Tugenden des selbstlosen Schutzherren vergrößert und seine Verfehlungen entschuldigt, platzierte er doch das Christentum auf dem Thron der römischen Welt; und die Griechen, welche das Fest des kaiserlichen Heiligen begehen, verfehlen nur selten, den Namen Constantins ohne den Titel der Apostelgleiche zu nennen. Siehe Tillemont, Histoire des empereurs, Band 4, p. 329 Die Griechen, die Russen und, in den dunklen Jahrhunderten, auch die Lateiner selbst waren bestrebt, Constantin im Verzeichnis der Heiligen einen Platz zuzuweisen. Dieser Vergleich, wenn er denn eine Anspielung auf die Eigenschaften jener göttlichen Missionare ist, muss auf Rechnung einer nachgerade blasphemischen Schmeichelei gesetzt werden. Bezieht sich die Parallele jedoch auf Größe und Anzahl der Siege für das Evangelium, dann hält der Erfolg des Constantin einen Vergleich mit dem der Apostel aus. Mit Hilfe des Toleranzediktes beseitigte er die irdischen Hindernisse, die dem Fortschritt des Christentums entgegenstanden; und dessen zahlreiche und umtriebige Diener erhielten weitherzige Erlaubnis und reichliche Ermunterung, die heilsamen Wahrheiten des geoffenbarten Wortes auf jede Weise zu empfehlen, wenn es denn nur Herz und Verstand der Menschen erreichte. Der Ausgleich zwischen den beiden Religionen bestand nur für kurze Zeit; bald schon entdeckten Ehrgeiz und Habsucht, dass das Bekenntnis zum Christentum dem diesseitigen wie dem künftigen Leben förderlich sei. Vergleich hierzu 3. und 4. Buch seiner Lebensbeschreibung. Er pflegte zu sagen, dass er, ob Christus nun zum Schein oder aufrichtig verkündet werde, er sich dessen dennoch stets freue. Eusebios, Vita Constantinii 3,58. Die Aussicht auf Wohlstand oder Ehrenstellungen, das Vorbild des Kaisers, seine unwiderstehliche Gunst, dies alles verfehlte nicht, die käufliche und servile Massen zu gewinnen, die sich auch sonst in den Palasträumen drängelte. Die Städte, welche vorauseilenden Glaubenseifer zu erkennen gaben und freiwillig ihre Tempel abrissen, erhielten zur Belohnung besondere Privilegien und öffentliche Belohnungen; und die neue Hauptstadt des Ostens berühmte sich des einzigartigen Vorzuges, dass Konstantinopel niemals durch Götzenanbetung entweiht worden sei. Herr de Tillemont (Histoire des empereurs Band 4, p.616, hat mit Geist und Bestimmtheit die jungfräuliche Reine Konstantinopels gegen einige bösartige Einstreuungen von Zosimos verteidigt.

Da die unteren Gesellschaftsschichten von Nachahmung bestimmt werden, zog die Bekehrung der Geburts-, Macht- oder Geldelite die der von ihnen abhängigen Massen nach sich. Der Verfasser der Histoire Politique et Pilosophique des deux Indes (Band 1, p.9) hat ein Gesetz des Constantin verurteilt, welches allen Sklaven, die zum Christentum übergetreten waren, die Freiheit schenkte. In Wahrheit erließ der Herrscher ein Gesetz, welches den Juden die Beschneidung und vielleicht auch das Halten christlicher Sklaven untersagte. (Eusebios Vit. Constantini 4,27; und Codex Theodosianus 16,9, mit Gothofreds Kommentar, Band 6, p. 247.) Aber diese besondere Ausnahme beschränkte sich auf die Juden; die große Masse der Sklaven aus dem Besitz von christlichen oder heidnischen Herren konnte ihre irdische Lage nicht durch schlichten Wechsel ihrer Religion verbessern. Ich weiß nicht, welchem Buben der Abbé Raynald hier aufgesessen ist; wie denn das Fehlen jedweder Quellenangabe das Hauptmanko seiner kurzweiligen Historie ist. Die Bekehrung des gemeinen Mannes war leichter zu bewerkstelligen, wenn es denn stimmt, dass binnen Jahresfrist zu Rom zwölftausend Männer und eine entsprechende Anzahl von Frauen und Kindern getauft worden sind; und dass ein weißes Gewand nebst zwanzig Goldstücken das Geschenk des Kaisers für jeden Bekehrten gewesen ist. Siehe die Acta Sancti Silvestri, und die Historia ecclesiastica Nikephoros Kallistos 7,34 bei Baronius, A.D. 324, No. 67 und 74. Ein Zeugnis dieser Art ist verdächtig genug; aber die Umstände als solche sind derart wahrscheinlich, dass der gelehrte Dr. Howell (History of the world, Band 3, p.14) keinerlei Bedenken trug, sie aufzunehmen. Jedenfalls beschränkte sich Constantins machtvoller Einfluss nicht nur auf seine engbemessene Lebenszeit oder auf seinen Herrschaftsbereich. Die Erziehung seiner Söhne und Neffen stellten eine Generation von Prinzen sicher, deren Glauben noch aufrichtiger und gefestigter war, da sie bereits in frühester Jugend wo nicht vom Geist, so doch vom Inhalt des Christenglaubens gekostet hatten. Krieg und Kommerz hatten das Evangelium bis über die Grenzen der römischen Provinzen hinaus getragen; und die Barbaren, die die verachtete und verfolgte Sekte bis dahin noch verschmäht hatten, lernten rasch eine Religion zu schätzen, welche der größte Herrscher und die kultivierteste Nation der Erde angenommen hatten. Die Bekehrung der Barbaren unter Constantins Regierung wird von den Kirchenhistorikern ruhmredig erwähnt (Sozomenos, 2,6 u. Theodoretos, 1,24f.). Rufinus indessen, der Lateinische Übersetzer des Eusebios, darf mit Recht als Originalzeuge angesehen werden. Seine Informationen wurden sorgfältig von einem der Begleiter des Apostels von Äthiopien und von Bacurius gesammelt, einem iberischen Fürsten im Range eines comes domesticorum. Pater Mamachi hat im ersten und zweiten Band seines großen, aber unvollendeten Werkes ›Antiquitates christianae‹ eine weitläufige Sammlung von Belegstellen geliefert, die die Ausbreitung des Christentums betreffen.

Die Goten und Germanen, die in der römischen Armee Dienste nahmen, lernten das Kreuz zu verehren, welches den Legionen voranleuchtete, und ihre halbwilden Landsleute empfingen zur gleichen Zeit die ersten Lehrstunden in Fragen des Glaubens und der Humanität. Die Könige von Iberien und Armenien beteten denselben Gott an wie ihr Verbündeter; und ihre Untertanen, die seither den christlichen Namen ununterbrochen beibehalten haben, traten mit ihren römischen Glaubensbrüdern in dauerhafte Verbindung. Die Christen des Perserreiches standen im Verdacht, in Kriegszeiten ihrer Religion näher zu stehen als ihrem Lande; solange indessen Frieden zwischen den beiden Großreichen obwaltete, wurde der eifernde Geist des Mani durch das Dazwischentreten des Constantin eindrucksvoll gedämpft. Siehe bei Eusebios, Vita Constantini 4,9 Konstantins dringlich-pathetischen Brief für seine Glaubensbrüder in Persien. Das Evangelium sandte seine Strahlen bis an Indiens Küsten. Die jüdischen Kolonien in Arabien und Äthiopien Siehe Basnage, Histoire des Juifs, Band 7, p. 182; Band 8, p. 333; Band 9, p. 810. Der forschende Fleiß dieses Autors folgt den verbannten Juden bis ans Ende der Welt. standen der Ausbreitung des Christentums im Wege; aber die Arbeit der Missionare wurde in gewissem Umfang erleichtert durch die vogefundenen Kenntnisse der mosaischen Offenbarung; und Abessinien hält noch heute das Andenken an Frumentius in Ehren, welcher in den Zeiten Constantins sein Leben der Bekehrung jener entlegenen Regionen gewidmet hatte. Theophilos, Theophilos war in seine Jugend eine Geisel seiner Landsleute von der Insel Diva und erwarb sich von den Römern einige Gelehrsamkeit und Frömmigkeit. Die Malediven, von denen Male oder Diva die Hauptstadt ist, bilden eine Anhäufung von 1900 bis 2000 winzigen Inseln im Indischen Ozean. Die Alten waren mit den Malediven nur unvollkommen vertraut; aber zwei mohammedanische Reisende des IX Jh. beschreiben sie. Veröffentlicht von Renaudot, Geographia Nubiensis, p. 30, 31. D'Herbelot, Bibliothèque Orientale, p. 704. Histoire générale des Voyages, Band. 8. selbst indischer Abstammung, erhielt unter der Regentschaft des Constantius die doppelte Würde eines Botschafters und Bischofs. Er ging im Roten Meer an Bord und führte zweihundert Pferde aus kappadokischer Zucht mit sich, die der Kaiser für den Herrscher der Homeriten als Geschenk bestimmt hatte. Viele andere nützliche oder kostbare Geschenke waren Theophilos anvertraut, mit denen man die Bewunderung und die Freundschaft der Barbaren zu gewinnen hoffte; und mit erfolgreicher Seelsorge bereiste er einige Jahre lang die Pfarrbezirke der heißen Zone. Philostorgios 3,4-6, nebst Gothofreds gelehrten Fußnoten. Der historische Bericht verliert sich alsbald in eine Untersuchung über die Lage des Paradieses, fremdartige Wunderwesen &c.

 

NATIONALRELIGIONEN VERÄNDERT

Die unwiderstehliche Macht der römischen Kaiser zeigte sich bei dem bedeutungsvollen und heiklen Wechsel der nationalen Religionen. Die schwächliche und verlorene Widerrede der Heiden verstummte vor der Macht des römischen Militärs, und füglich konnte man erwarten, dass nunmehr aus Überzeugung und Dankbarkeit die freudige Unterwerfung der christlichen Geistlichkeit und des Volkes folgen werde. Es galt schon lange als eherner Grundsatz der römischen Verfassung, dass jeder Bürger in gleicher Weise den Gesetzen unterworfen sei und dass die Sorge um religiöse Angelegenheiten zu den Rechten und Pflichten der Magistrate gehörte. Schwerlich hätten Constantin und seine Nachfolger sich eingeredet, dass sie durch ihre Konversion irgendeines ihrer kaiserlichen Prärogative aufgegeben hätten oder dass sie nicht der Religion, die sie geschützt und der sie sich angeschlossen hatten, Gesetze geben durften. Die Kaiser übten nach wie vor die oberste Gerichtsbarkeit über die Geistlichkeit aus; und das sechzehnte Buch des Codex Theodosianus enthält neben verschiedenen anderen Rechtstiteln auch die Machtmittel, die ihnen bei der Ausübung ihrer Herrschaft über die katholische Kirche zustand.

 

BISCHÖFE UNTER DEN CHRISTLICHEN KAISERN

Aber die Unterscheidung von geistlicher und weltlicher Macht, welcher dem freien Geist der Griechen und Römer niemals zugemutet worden war, wurde in dem Moment eingeführt und befestigt, als das Christentum von Gesetzes wegen zugelassen wurde. Siehe den Brief des Ossius bei Athanasius, Opera, Band 1, p. 840. Die öffentliche Ermahnung, die Ossius an den Sohn zu richten sich veranlasst sah, enthielt dieselben Grundsätze der Kirchen- und Staatslenkung, die er insgeheim dem Vater eingeflößt hatte. Das Amt des Pontifex Maximus wurde seit Numas Zeiten bis zu Augustus von einem der bedeutenderen Senatoren ausgeübt, war aber nun allmählich eins geworden mit der kaiserlichen Würde. Sobald Aberglauben oder Politik es geboten, übte die oberste Regierungsbehörde der Stadt die priesterliche Funktionen eigenhändig aus; Herr de Bastie hat überzeugend dargelegt (Memoires de l'Academie des Inscriptions, Band 15. p. 38-61), dass Augustus und seine Nachfolger alle religiösen Ämter eines Pontifex maximus oder Hohepriester des Reiches in Person ausübten. es gab weder in Rom noch in den Provinzen eine eigene Priesterklasse, welche für sich eine erhabenere Stellung unter den Menschen oder innigeren Verkehr mit den Göttern reklamiert hätte. In der christlichen Kirche indessen, die den Altardienst nur einer Gruppe geweihter Diener übertrug, saß der Monarch, dessen geistlicher Rang noch unter dem des niedersten Diakon stand, unterhalb des Gitters des Hochaltars gemeinsam mit der Vielzahl der anderen Gläubigen. Eine hiervon abweichende Praxis schlich sich allgemach in die Kirche von Konstantinopel ein; aber der gestrenge Ambrosius verwies Theodosius hinter die Altarschranke und lehrte ihn den Unterschied zwischen König und Priester zu beobachten. Siehe Theodoretos, 5,18. Der Kaiser mochte sich immerhin Vater des Volkes nennen lassen, den Vätern der Kirche jedoch schuldete er den Gehorsam und Respekt des Sohnes; und den gleichen Respekt, den Constantin den Heiligen und Bekennern gezollt hatten, ward nunmehr auch von der Geistlichkeit eingefordert. An der Tafel des Kaisers Maximus erhielt Martin, Bischof von Tours, den Becher von einem Diener und gab ihn seinem Mitbruder, einem Presbyter in seiner Begleitung weiter, bevor er dem Kaiser zu trinken erlaubte; die Kaiserin wartete an der Tafel Martin auf. Sulpicius Severus, Vita Sancti Martini 23 und Dialogi 2,7. Es ist jedoch nicht ganz eindeutig, ob diese außerordentlichen Ehrenbekundungen dem Bischof oder dem Heiligen galten. Zu den protokollarischen Ehren, die dem Ersteren zustanden, kann man näheres bei Bingham, Christian antiquities (2,9) erfahren, sowie bei Valesius zu Theodoret, Buch 4,6. Siehe auch das stolze Zeremoniell, dass der Bischof von Tripolis, Leontius, der Kaiserin aufhalste. Tillemont, Hist. des empereurs, Band 4, p. 754 und Patres Apostolici, Band 2, p. 279. Der unterschwellige Konflikt zwischen bürgerlicher und kirchlicher Rechtsprechung brachte die römische Zivilverwaltung in Verlegenheit; und ein frommer Kaiser mochte davor zurückschrecken, mit frevler Hand das Heiligste anzutasten. Die Unterscheidung von Priestern und Laien war indessen in der Antike vielen Nationen geläufig; und für die Priester von Indien, Persien, Assyrien, Judäa, Äthiopien, Ägypten und Gallien war die weltliche Macht, die sie ausübten, himmlischen Ursprungs. Diese ehrbaren Stände hatten sich im Laufe der Zeit den Gepflogenheiten und der Regierungsform ihrer jeweiligen Länder angepasst; Plutarch erzählt uns in seiner Abhandlung über Isis und Osiris, dass die Könige Ägyptens, die noch keine Priester waren, nach ihrer Wahl in den Priesterstand eingeführt wurden. aber die christliche Urkirche war durch ihre Gegnerschaft oder Verachtung weltlicher Macht zusammengeschweißt worden. Die Christen mussten ihre eigenen Magistrate wählen, bestimmte Steuern erheben und wieder verteilen und die interne Politik durch Gesetze regeln, welche durch allgemeinen Konsens und die Übung von drei Jahrhunderten gefestigt waren. Als Constantin den christlichen Glauben annahm, schloss er sich gleichsam einer besonderen und unabhängigen Gesellschaft an; und die Vorrechte, die dieser Kaiser oder seine Nachfolger gewährten oder bekräftigten, wurden nicht etwa als besondere Gunstbezeigung des Hofes aufgefasst, sondern als ein gegebenes und unveräußerliches Recht des Priesterstandes.

 

STELLUNG DER BISCHÖFE UNTER DEN CHRISTLICHEN KAISERN

Die katholische Kirche wurde durch die geistliche und weltliche Rechtsprechung von achtzehnhundert Bischöfen verwaltet; Diese Zahl ist nicht durch einen antiken Autoren oder irgendeine Originalliste abgesichert; die regionalen Listen der Ostkirchen sind vergleichsweise jüngeren Datums. Die unermüdliche Sorgfalt von Charles a St Paolo, von Lukas Holstenius und Bingham hat mühsam alle Bischofssitze der katholischen Kirche innerhalb des römischen Reiches ermittelt. Das neunte Buch der christlichen Altertümer ist eine sehr genaue Karte zur Kirchengeographie. eintausend von diesen hatten ihren Sitz in den griechischen, achthundert in den lateinischen Provinzen des Imperiums. Größe und Grenzverlauf der jeweiligen Diözesen wurde durch den Eifer und den Erfolg der frühen Missionare festgelegt, durch Wünsche der Bevölkerung und die Ausbreitung des Evangeliums. Episkopalkirchen lagen dichtgedrängt an den Nilufern, an der Meeresküste Afrikas, im prokonsularischen Asien und in den Südprovinzen Italiens. Die Bischöfe von Gallien und Spanien, Thrakien und Pontos regierten über sehr ausgedehnte Ländereien und delegierten an ihre Landesbischöfe die untergeordneten Pflichten ihres Hirtenamtes. Über die Land-Bischöfe (Chorepiscopi), welche auf Synoden Stimmrecht hatten und die niederen Weihen erteilen durften, siehe Thomassin, Discipline de l'Eglise, Band 1, p. 447ff und Chardon, Histoire des Sacramens, Band 5, p. 395ff. Sie treten erst im IV Jh. auf, und ihr unbestimmter Status, der den Neid der Prälaten aufrief, wurde im Westen und im Osten noch vor Ende des X. Jhdts. abgeschafft. Eine christliche Diözese mochte sich über eine ganze Provinz erstrecken oder den Umfang eines Dorfes nicht übertreffen; aber alle besaßen sie den gleichen und unvergänglichen Rang; sie alle leiteten dieselbe Macht und Vorrechte von den Aposteln ab, vom Volk und von den Gesetzen. Während zivile und militärische Ränge durch Constantin bestimmt wurden, wurde die neue und lebenstüchtige Klasse der kirchlichen Diener, immer achtbar, manchmal gefährlich, in Kirche und Staat etabliert. Die wichtige Untersuchung ihrer Stellung und ihrer Eigenschaften kann unter den folgenden Gesichtspunkten vorgenommen werden: I. Wahl durch das Volk. II. Weihe des Klerus. III. Eigentumsverhältnisse. IV. Bürgerliche Rechtsprechung. V. Geistliche Strafen. VI. Öffentliches Rederecht. VII. Recht zu gesetzgebenden Versammlungen.

 

I. DIE WAHL NEUER BISCHÖFE

Die Freiheit der Bischofswahl war noch lange Zeit in Kraft, nachdem das Christentum offiziell zugelassen war; Thomassin (Discipline de l'Eglise, Band 2, Buch 2, c. 1-8, p. 673-721) hat die Bischofswahlen der ersten fünf Jahrhunderte im Westen und Osten des Imperiums in aller Breite dargestellt, hat aber zugunsten der bischöflichen Aristokratie deutlich Partei ergriffen. Bingham ( Christian antiquities, Buch 4, c.2) ist da maßvoller, Chardon (Histoire des sacramens Band 5, p.108-128 klar und konzise. und Roms Untertanen freuten sich in ihrer Kirche des Rechtes, das sie in ihrem Staate schon längst verloren hatten, nämlich die Magistrate selbst zu wählen, denen sie anschließend zu gehorchen hatten. Hatte ein Bischof die Augen für immer geschlossen, übertrug der Metropolit einem der Suffraganbischöfe die kommissarische Leitung über den verwaisten Stuhl und gab zugleich den Auftrag, innerhalb einer bestimmten Frist die bevorstehende Wahl vorzubereiten. Das Wahlrecht besaßen die einfachen Geistlichen, welche noch am besten die Qualitäten der fraglichen Kandidaten einzuschätzen in der Lage waren; die Senatoren und der städtische Adel, der sich durch Stellung und Reichtum vor anderen auszeichnen mochte; und schließlich das Volk in seiner Gesamtheit, welches am festgelegten Tage in hellen Scharen noch aus den entlegensten Teilen der Diözese zusammenströmte ›Incredibilis multitudo, non solum ex eo oppido (›Tours‹), sed etiam ex vicinis urbibus ad suffragia ferenda convenerat, etc.‹ [Eine unglaubliche Volksmasse war nicht nur aus dieser Stadt (Tours), sondern auch aus den Nachbarstädten zur Bischofswahl zusammengekommen]. Sulpicius Severus, Vita Martini, c. 7. Das Konzil von Laodikeia (Kanon 13) untersagt Volksansammlungen und Trubel, und Iustinian beshränkt das Wahlrecht auf den Adel, Novellae 123,1. und durch lautes und ungestümes Lärmen zuweilen die Stimme der Vernunft und die Gebote der Wahlordnung übertönte. Diese Wahl konnte durchaus dem Verdienstvollsten unter den Bewerbern gelten; einem ehrbaren Presbyter, einem Mönch im Rufe der Heiligkeit oder einem Laien, den Glaubenseifer und Frömmigkeit zierten. Aber begehrt war der Bischofstuhl, namentlich in den großen und reichen Städten, weil er weltliche und nicht weil er geistliche Würden in Aussicht stellte.

Interessierte Parteien, selbstische und heftige Leidenschaften, die niedere Kunst der Verstellung und Ränke, heimliche Durchstechereien, offene, zum Teil sogar blutige Gewaltanwendung; alles, was in früheren Zeiten die Freiheit der Wahl in Griechenland und Rom korrumpiert hatte, spielte allzu oft auch eine Rolle bei der Wahl der Nachfolger der Apostel. Während der eine Kandidat mit der Vergangenheit seiner Familie prahlte, suchte der andere die Meinung seiner Wähler mit einer üppig gefüllten Tafel zu beeinflussen, und ein dritter, noch verkommener als seine Rivalen, versprach, die Beute einer Kirchenplünderung mit den Komplizen seiner gotteslästerlichen Ambitionen zu teilen. Die Briefe des Sidonius Apollinaris (4,25; 7,5 und 9) erzählen einige solcher Ungeheuerlichkeiten der gallikanischen Kirche; und dabei war Gallien weniger verfeinert und weniger entartet als der Osten. Bürgerliches wie auch kirchliches Recht sollten eigentlich die Bevölkerung von diesem ernsthaften und bedeutungsvollen Akt fernhalten. Durch bestimmte Anforderungen, die man an das Alter, die Stellung &c stellte, suchte man der unüberlegten Launenhaftigkeit der Wahlmänner zu begegnen. Das Ansehen der Provinzialbischöfe, die in der verwaisten Kirche zusammengetreten waren, um die Wahl des Volkes zu gutzuheißen, vermochte zuweilen seinen Leidenschaften zu gebieten und seine Fehlgriffe zu korrigieren. So konnten sich die Bischöfe weigern, einen unwürdigen Kandidaten zu ordinieren, und bisweilen fügte sich der Hader der streitenden Parteien ihrer Vermittlung. Der Gehorsam oder auch der Widerstand von Klerus und Volk schuf verschiedentlich Präzedenzfälle, welche irgendwann zu positivem Recht oder regionalem Brauchtum wurden; Bisweilen kam es von Gesetzes wegen oder durch Vergleich zu einem Kompromiss: entweder die Bischöfe oder das Volk wählten einen von drei Kandidaten, welche die jeweils andere Partei vorgeschlagen hatte. aber hierüber bestand allenthalben Einigkeit und galt für eine unumstößliche Maxime der Kirchenpolitik, dass kein Bischof ohne Zustimmung der Mitglieder einer rechtgläubigen Kirche vorgesetzt werden konnte. Die Kaiser als die Hüter des öffentlichen Friedens und als erste Bürger Roms und Konstantinopels konnten vor der Wahl eines neuen Primas nachdrücklich ihre Wünsche äußern; aber auch diese absoluten Herrscher respektierten die Freiheit der Kirchenwahl; und während sie in Staat und Armee Ehren verteilten oder entzogen, gestatteten sie achtzehnhundert dauerhaft amtierenden Magistraten, ihre wichtigen Ämter durch freie Wahl des Volkes besetzen zu lassen. Alle von Thomassin beigebrachten Fälle (Discipline de l'Eglise, Band 2, Buch 2, p. 704-714) waren offenbar Beispiele für Machtmissbrauch und Unterdrückung. Von der Bestätigung des Bischofs von Alexandria berichtet Philostorgos (Historia ecclesiastica 2,11) wie von einer rechtmäßigen Vorgehensweise.

Es war nun recht und billig, dass diese Magistrate sich ihren Ehrenstellungen nicht von sich aus entziehen durften, aus der sie auch sonst nicht entfernt werden konnten; dennoch war die Weisheit der Konzilien ohne durchschlagenden Erfolg bemüht, den dauernden Aufenthalt eines Bischofs festzuschreiben und ihrer Versetzung entgegenzuarbeiten. In der Tat war die Kirchendisziplin im Westen weniger vernachlässigt als im Osten des Reiches; aber dieselben Leidenschaften, die diese Regularien erforderlich machten, waren zugleich die Ursache für ihre Wirkungslosigkeit. Die Vorwürfe, die verfeindete Prälaten so ungestüm gegeneinander erhoben haben, taugen eigentlich nur dazu, ihre gemeinsame Schuld und wechselseitige Abneigung zu offenbaren.

 

II. ORDINATION DES KLERUS AUSGLEICH FÜR ZÖLIBAT

Einzig die Bischöfe besaßen das Recht zur geistlichen Zeugung; und dieses bedeutende Vorrecht mochte in mancher Hinsicht Ausgleich sein für den sehr schmerzlichen Zölibat, Die Ehelosigkeit des Klerus während der ersten fünf bis sechs Jahrhunderte ist Gegenstand der Kirchenzucht und von Kontroversen, welche äußerst genau untersucht worden sind. S. bes. Thomassin, Discipline de l'église, Band1, p. 886-902; und Bingham Antiquities, Buch 4,9. Von allen diesen ebenso gelehrten wie parteilichen Historikern wird die eine Hälfte der Wahrheit ans Licht gebracht und die andere verborgen gehalten. der ihnen als Tugend, als Möglichkeit und endlich als ausdrückliche Verpflichtung auferlegt war. Die Religionen des Altertums, die einen eigenen Priesterstand hervorgebracht hatten, weihten dem Dienst an den Göttern einen eigenen heiligen Stand, einen Volksstamm oder eine Familie. Diodoros Siculus bezeugt die Erbfolge der Priesterschaft bei den Ägyptern, Chaldäern und Indern und billigt sie (1,73; 2,29 und 40). Ammianus beschreibt die Magi als eine große Familie (23,4): ›Per saecula multa ad praesens una eademque prosapia multitudo creata, Deorum cultibus dedicatur.‹ [Durch viele Jahrhunderte bis in die Gegenwart weihen sich Menschen aus ein und derselben Familie dem Dienst an den Göttern]. Ausonius (Commemoratio professorum Burgdigalensium 4) feiert den ›stirps Druidarum‹ [Drudenstamm], aber aus einer Bemerkung Caesars (Bell. Gall. 6, 13) können wir herauslesen, dass es noch genügend Raum gab für Wahl und Wettbewerb. Solche Einrichtungen zielten mehr auf bleibenden Besitz ab als auf Eroberungen. Die Kinder solcher Priester erfreuten sich mit Stolz und behaglicher Zuversicht ihres geistlichen Erbes; und hitzige Glaubensschwärmerei wurde durch häusliche Sorgen, Nöte und Freuden abgekühlt.

Die christliche Kirche hingegen war offen für alle Ehrgeizlinge, die nach himmlischen Versprechungen oder weltlichen Besitztümern dürsteten. Das Priesteramt wurde wie der Soldatenberuf oder ein städtisches Amt von solchen Männern mit allem Ernste betrieben, deren Neigungen und Fähigkeiten sie zu dem kirchlichen Beruf geschickt machten oder die ein menschenkundiger Bischof als besonders geeignet erkannt hatte, den Ruhm und die Vorteile der Kirche besonders zu fördern. Die Bischöfe Thomassin (Disciplin de l'église Band 2, p.1-83) und Bingham (im 4. Buch seiner Antiquities, besonders in c. 4,6 und 7) haben ausführlich über Berufung, Weihe und Gehorsamspflicht von Geistlichen diskutiert. Als der Bruder des hl. Hieronymos in Zypern die Priesterweihe erhielt, verboten die Diakone ihm gewaltsam den Mund aus Furcht, er würde durch eine feierliche Gegenerklärung die heiligen Rituale unwirksam machen. mochten Widersetzliche zur Pflicht rufen (bis ein kluges Gesetz diesen Missbrauch abstellte) und die Ängstlichen beschützen; und ihr Handauflegen gewährten ihnen einige der höchsten Vorrechte der bürgerlichen Gesellschaft.

Die katholische Geistlichkeit in ihrer Gesamtheit, zahlenstärker noch als die Legionen, war durch kaiserliche Verfügung von allen Diensten privater oder öffentlicher Natur ausgenommen, von allen städtischen Ämtern, allen persönlichen Steuern und Abgaben, unter denen ihre Landsleute so maßlos zu leiden hatten; und die Pflichten ihres heiligen Berufes wurden in vollem Umfange gegen ihre Verpflichtungen dem Staat gegenüber verrechnet. Der Freibrief des Klerus aus der Hand der Kaiser ist im 16. Buch des theododianischen Codex enthalten; und mit angemessener Offenheit zeichnet sie der gelehrte Gothofred nach, der immerhin als Protestant und als Staatsbürger zwischen zwei sich ausschließenden Vorurteilen hin- und herschwankte. Jeder Bischof hatte absoluten und unbestrittenen Anspruch auf den unverbrüchlichen Gehorsam der von ihm eingesetzten Geistlichen: Die Geistlichkeit jeder Episkopalkirche bildete mitsamt seinen abhängigen Landpfarreien eine eigenständige, dauerhafte Gemeinschaft; und die Kathedrale von Konstantinopel Codex Iustinianus, Novelae 103. 60 Presbyter oder Priester, 100 Diakone, 40 Diakonissen, 90 Unterdiakone, 110 Vorleser, 25 Vorsänger und 100 Türhüter; insgesamt also 525 Personen. Diese bescheidene Zahl wurde durch den Kaiser festgelegt, um der Kirche die Lasten zu erleichtern, da sie durch die Bezahlung von bedeutend mehr Mitarbeitern in Schulden und Zinswucher geraten war. und Karthago ›Universus clerus ecclesiae Carthaginiensis ... fere ›quingenti‹ vel amplius; inter quos quamplurimi erant lectores infantuli.‹ [Der gesamte Clerus von Karthago, ... fast 500 oder mehr, die meisten davon noch Kinder]. Victor von Vita, Historia Persecutionis Vandalica 5,9. Dieses Überbleibsel aus glücklicheren Zeiten blieb noch unter der Vandalenherrschaft bestehen. erhielten ihr eigenes Corps von fünfhundert kirchlichen Mitarbeitern zu ihren Diensten. Der Aberglauben der Zeit vermehrte allmählich ihre Ränge In der Römischen Kirche wurde allmählich die Zahl von sieben Rängen (ordines) üblich, das Bischofsamt nicht mitgerechnet. Aber die vier unteren Ränge sind heute nur noch leere und nutzlose Titel. und ihre Zahl, und führte zugleich die prächtigen Zeremonien der jüdischen oder heidnischen Tempel in die christlichen Kirchen ein; und eine lange Reihe von Priestern, Diakonen, Hilfsdiakonen, Altardienern, Teufelsaustreibern, Vorlesern, Sängern und Türhaltern, ein jeglicher an seiner Statt, taten das Ihre, den Pomp und die Harmonie der Gottesdienste zu mehren. Der Name Klerus mitsamt seinen Privilegien wurde dann noch auf viele fromme Brüderschaften ausgedehnt, welche alle der Kirche ergebungsvolle Dienste leisteten. Siehe den Codex Theodosianus 16,2, 42 und 43. Gothofreds Kommentar und die Kirchengeschichte Alexandrias demonstrieren die von diesen frommen Einrichtungen ausgehenden Gefahren, welche den Frieden dieser unruhigen Hauptstadt oftmals aufgestört hatten. Sechshundert parabolani oder Wagemutige besuchten die Kranken in Alexandria; elfhundert copiatae oder Totengräber trugen die Toten Konstantinopels zu Grabe; und der Schwarm der Mönche, die vom Nil sich ausbreitete, überflutete und verdunkelte die christliche Welt.

 

III. EIGENTUMSVERHÄLTNISSE DER KIRCHE (A.D. 313)

III. Das Mailänder Toleranzedikt stellte die Einkünfte und die Ruhe der Kirche sicher. Das Edikt von Mailand erklärt in einer Aufzählung, dass es eine bestimmte Art von Landeigentum gebe, ad jus corporis eorum, id est, ecclesiarum non hominum singulorum pertinentia. […die nicht Eigentum einzelner Menschen, sondern ihrer Körperschaft waren]. Lactantius, de Mortibus 48. Eine derart nachdrückliche Erklärung durch den obersten Magistrat muss in den einzelnen Zivilgerichtshöfen wie ein Gesetz gegolten haben. Die Christen erhielten nicht nur alles Land und jedes Gebäude zurück, das ihnen infolge von Diokletians Verfolgungsedikten abhanden gekommen war, sondern sie erhielten sogar noch besondere Besitztitel auf jedes Eigentum, das ihnen seitdem mit behördlicher Genehmigung übereignet wurde. Sobald das Christentum Religion des Kaisers und des Reichs geworden war, mochte der nationale Klerus für sich eine angemessene, ehrenvolle Entlohnung beanspruchen; und die Bezahlung einer Jahressteuer hätte das Volk von der bedrückenderen Abgabe befreit, welche der Aberglauben seinen Bekennern aufzulasten pflegt. Da aber die Bedürfnisse und die Ausgaben der Kirche proportional zu ihrem Wohlstand anstiegen, erhielt der geistliche Stand noch fernere, freiwillige Opfergaben aus den Händen der Gläubigen. Acht Jahre nach dem Edikt von Mailand gestattete Constantin es allen Untertanen ohne Unterschied, ihr Vermögen der Heiligen Katholischen Kirche zu übereignen; ›Habeat unusquisque licentiam sanctissimo Catholicae (›ecclesiae‹) venerabilique concilio, decedens bonorum quod optavit relinquere.‹ [Es möge einem jedem gestattet sein, dem allerheiligsten und ehrwürdigen Konzil der Katholischen (sc. Kirche) dasjenige an Gütern zu überlassen, von denen er sich zu trennen wünscht]. Codex Theodosianus 16,2,4. Dieses Gesetz wurde A.D. 321 zu Rom verkündet, als Constantin den Bruch mit dem Kaiser des Orients für wahrscheinlich halten durfte. und so sprudelte mit frommer Freigebigkeit in der Stunde ihres Todes der Strom, den zu Lebzeiten Luxus und Geiz noch zurückgehalten hatten.

Den wohlhabenden Christen spornte das Vorbild des Kaisers. Ein absoluter Herrscher, der auch ohne väterliches Erbteil reich ist, kann sich spendabel zeigen, ohne dass dies verdienstvoll wäre; und Constantin überließ sich gerne der Vorstellung, dass ihm die Gunst des Himmels sicher sein müsse, wenn er die Müßiggänger auf Kosten der Fleißigen unterhalte und wenn er unter den Heiligen die Reichtümer der Republik verteile. Derselbe Bote, der das Haupt des Maxentius nach Afrika verbrachte, mochte außerdem einen Brief an Caecilian, Bischof von Karthago, bei sich führen. Der Herrscher teilt ihm mit, dass die Schatzmeister der Provinzen Weisung hätten, ihm dreitausend folles entsprechend achtzehntausend Pfund bar in die Hand zu geben und sich seinen ferneren Requisitionen zugunsten der Gemeinden in Afrika, Numidien und Mauretanien nicht zu verweigern. Eusebios, Historia 10,6; Vita Constantini 4,28. Wiederholt rühmt er die Freigebigkeit des Christlichen Helden, die der Bischof bereits persönlich kennen- und schätzen gelernt hatte. Constantins Freigebigkeit wuchs im gleichen Maße wie seine Glaubensstärke und seine Laster. Er subventionierte in jeder Stadt die Getreidepreise, um so die kirchliche Mildtätigkeit zu befördern; und alle, ob Mann oder Frau, die sich zu einem Mönchsleben entschlossen, waren seiner besonderen Gunst sicher.

Die christlichen Tempel in Antiochia, Alexandria, Jerusalem, Konstantinopel und anderswo trugen die aufdringliche Frömmigkeit eines Herrschers zur Schau, welcher in seinen sich neigenden Jahren bestrebt war, es den Leistungen der Alten gleich zu tun. Eusebios, Historia 10,2-4. Der Bischof von Caesarea, welcher den Geschmack seines Herren geprüft und bedient hatte, beschrieb in einer Veröffentlichung die Kirche von Jerusalem mit großer Genauigkeit (Vita Constantini 4,46). Sie ist verloren, aber in seine Lebensbeschreibung des Constantin (3,36) hat er eine kurze Nachricht über die Architektur und die Ornamente eingeflochten. In ähnlicher Weise beschreibt er die Kirche der Heiligen Apostel zu Konstantinopel. Die Form dieser Gottesgebäude war schlicht und lang; gleichwohl dehnten sie sich zuweilen bis zur Größe eines Doms und verzweigten sich zur Kreuzesform. Das Balkenwerk war überwiegend aus den Zedern des Libanon gefügt; die Dachziegeln bestanden bisweilen sogar aus vergoldetem Messing, und die Wände, die Säulen und die Fußböden waren mit den unterschiedlichsten musivischen Arbeiten geschmückt. Die wertvollsten Gold- und Silberarbeiten, Schmuckwerk von Seide und Edelgestein waren dem Altardienst vorbehalten; und alle diese prunkende Großartigkeit hatte eine solide wirtschaftliche Basis in Form von Landbesitz. Innerhalb von zwei Jahrhunderten, von der Regierungszeit des Constantin bis zu der des Justinian, waren die achtzehnhundert Kirchen des Imperiums an den zahllosen und unveräußerlichen Schenkungen der Herrscher und des Volkes reich geworden. Das Jahreseinkommen eines Bischofs kann man mit gutem Grund auf sechshundert Pfund Sterling veranschlagen, so dass er die Mitte zwischen arm und reich einnahm, aber ihr Reichtum wuchs unmerklich mit der Bedeutung und dem Reichtum der Stadt, über welche sie regierten. Siehe Iustinian, Novellae 123,3. Über die Einkünfte der Patriarchen und der wohlhabendsten Bischöfe verlautet nichts; die höchste jährliche Schätzung für ein Bistum lautet auf dreißig und die niedrigste auf zwei Pfund Gold. Die Mitte liegt also bei sechzehn, aber diese Schätzung liegt noch beträchtlich unter der eigentlichen Kaufkraft. Ein authentisches, wenngleich unvollständiges Zinsregister Siehe Baronius, Annales ecclesiastici A.D.324, Nr. 58,65,70,71. Jedweder Darstellung, die aus dem Vatikan stammt, begegnet berechtigtes Missvertrauen; aber diese Zinsliste trägt das Gepräge von Alter und Echtheit; und wenigstens dies ist eindeutig, dass, wenn sie denn eine Fälschung ist, die Fälschung aus einer Zeit stammt, als noch Landgüter und nicht Königreiche das Objekt päpstlicher Habgier waren. bezeichnet einige Häuser, Geschäfte, Gärten und Höfe im Besitze der drei Basiliken Roms, St. Peter, St. Paul und St. Johannes im Lateran, welche in Italien, Afrika und im Osten gelegen waren. Sie brachten zusätzlich zu einer feststehenden Abgabe von Öl, Leinen, Papier und Aromen einen jährlichen Ertrag von zweiundzwanzigtausend Goldstücken, entsprechend zwölftausend Pfund Sterling. Im Zeitalter des Constantin und des Justinian besaßen die Bischöfe nicht mehr (und wollten es wohl auch gar nicht) das arglose Vertrauen der Bevölkerung und des niederen Klerus.

Die Kircheneinkünfte jeder Diözese wurden durch vier geteilt; sie waren für den Bischof, die nachgeordnete Geistlichkeit, die Armen und die öffentlichen Gottesdienste bestimmt; und jedem Missbrauch wurde wiederholt und energisch gegengesteuert. Siehe Thomassin, Discipline de l'église, Band 3, p.689-706. Die Teilung der kirchlichen Einkünfte scheint in den Zeiten eines Ambrosius und eines Chrysostomos noch nicht üblich gewesen zu sein. Simplicius und Gelasius, die im späten fünften Jahrhundert Bischöfe von Rom waren, erwähnen es in ihren Pastoralschreiben schon als ein allgemeingültiges Gesetz, welches durch lange Übung in Italien gefestigt war. Der Grundbesitz der Kirche jedoch war allen staatlichen Steuerauflagen unterworfen Ambrosius, strengster Verfechter kirchlicher Vorrechte, unterwirft sich der Pflicht zur Grundsteuer ohne Murmeln. ›Si tributum petit Imperator, non negamus; agri ecclesiae solvunt tributum; solvimus quae sunt Caesaris Caesari, and quae sunt Dei Deo; tributum Caesaris est; non negatur.‹ [Wenn der Kaiser Steuern verlangt, sagen wir nicht nein; die Kirchengüter entrichten Steuern; wir geben dem Kaiser, was des Kaisers ist und Gott, was Gottes ist. Die Steuern sind des Kaisers; das lässt sich nicht leugnen]. Baronius ist bestrebt, diese Abgabe nicht als Pflicht, sondern als Akt der Nächstenliebe hinzustellen (Annales A.D. 387), aber Thomassin, Discipline de l'eglise, Band 3, p.268, deutet die Worte des Ambrosius, wenn auch nicht ihre Intentionen zutreffender. Der Klerus von Rom, Alexandria, Thessaloniki u.a. mochte wohl um Dispens nachsuchen und ihn auch erhalten; aber der vorschnelle Versuch des großen Konzils von Rimini, das allgemeine Befreiung anstrebte, wurde durch Constantins Sohn erfolgreich abgewehrt. In Ariminensi synodo super ecclesiarum et clericorum privilegiis tractatu habito, usque eo dispositio progressa est, ut iuga quae viderentur ad ecclesiam pertinere, a publica functione cessarent inquietudine desistente; quod nostra videtur dudum sanctio repulsisse. [Auf der Synode zu Rimini gelangte man nach der Verhandlung kirchlicher und geistlicher Privilegien zu einer Disposition insofern, als die Joche Land aus Kirchenbesitz von öffentlicher Nutzung ausgenommen seien, und zwar ohne Einspruch. Was unsere Anweisung bereits früher verworfen zu haben scheint]. Codex Theodosianus 16,2,15. Hätte die Synode von Rimini in diesem Punkt Erfolg gehabt, dann würden solche praktischen Fortschritte ein ausreichender Ersatz für einige spekulative Ketzereien gewesen sein.

 

IV. RECHTSPRECHUNG

Der römische Klerus, der sein Tribunal auf den Trümmern des bürgerlichen und allgemeinen Rechtes errichtete, empfing in aller Bescheidenheit aus der Hand des Constantin Eusebius (Vita Constantini 4,27) und Sozomenes (1,9) versichern uns, dass die bischöfliche Rechtsprechung durch Constantin erweitert und bekräftigt wurde; dass aber dieser berühmte Erlass, der niemals zum Bestandteil des Codex Theodosianus geworden ist, eine Fälschung war (siehe den Schluss derselben, Band 6, p.303), hat Herr Gothofred zweifelsfrei dargetan. Es ist daher befremdlich, dass Herr de Montesquieu (Esprit des lois 29,16), der doch Anwalt und ebenso gut Philosoph war, sich in aller Arglosigkeit auf dieses Edikt von Constantin beruft. das Geschenk der unabhängigen Rechtsprechung, einer Frucht der Zeitläufte, des Zufalls und ihres eigenen Bemühens. So hatten die christlichen Herrscher in ihrer Großzügigkeit sie mit einigen legitimen Vorrechten ausgestattet, welche ihre priesterliche Würde sicherte und mehrte. Die kirchliche Rechtsprechung war in einen Nebel von Leidenschaft, Vorurteil und Egoismus eingehüllt. Zwei der besten Bücher, die mir in die Hände gefallen sind, sind die Institutes of Canon Law von dem Abbé de Fleury und die Bürgerliche Geschichte Neapels von Giannone. Die Zurückhaltung dieser beiden Autoren war die Folge ihrer Lebenssituation und ihres Temperamentes. Fleury war ein französischer Kleriker, der die Autorität von Parlamenten anerkannte; Giannone war ein italienischer Rechtsanwalt, dem es vor der Macht der Kirche graute. Und an dieser Stelle erlaube man mir die Bemerkung, dass ich, da die von mir vertretenen Positionen sich aus vielen einzelnen und unvollständigen Tatsachen entwickelt haben, die Leser entweder auf diese beiden modernen Verfasser verweisen muss, die ihren Gegenstand in aller Ausführlichkeit behandelt haben, oder diese Anmerkung zu unzumutbarer und unangemessener Größe anschwellen lassen muss.

1. Die Bischöfe besaßen und behaupteten als einzige – auch unter einer despotischen Regierung – das unschätzbare Vorrecht, nur von ihren Standesgenossen angeklagt werden zu können; sogar im Falle eines Kapitalverbrechens war eine Synode ihrer Glaubensbrüder die einzige Körperschaft, die über Schuld und Unschuld befinden durfte. Ein solches Tribunal mochte nun, wenn es nicht gerade durch persönliche Abneigung oder religiösen Hader verdunkelt war, der Priesterkaste günstig, ja, für sie eingenommen sein: aber Constantin war schon damit zufrieden, Tillemont hat aus Rufinus, Theodoretos und anderen Autoren das Gefühlsleben und die Sprache Constantins rekonstruiert, Mémoires ecclésiastiques, Band 3, p.749. dass Entwischen im Geheimen weniger heikel war als Ärgernis in der Öffentlichkeit: und das Konzil zu Nicaea lauschte mit frommem Erbauung der Ankündigung, dass der Kaiser für den Fall, dass er einen Bischof beim Ehebruch überraschen sollte, er über den bischöflichen Sünder seinen kaiserlichen Mantel breiten werde.

2. Die Rechtsprechung durch die Bischöfe war eine Vergünstigung und zugleich eine Beschränkung für die Kirche, da zivilrechtliche Fälle in ihrem Bereich ohne viel Aufsehen der Zuständigkeit der weltlichen Gerichtsbarkeit entzogen waren. Die lässlichen Sünden des Klerus waren der peinlichen öffentlichen Verhandlung oder Bestrafung durch ein bürgerliches Gericht nicht ausgesetzt; und der gelinde Rüffel, den die Empfindsamkeit der Jugend von Eltern oder Lehrern hinnehmen mochte, wurde nunmehr durch die nachsichtige Strenge eines Bischofs erteilt. Wenn indessen ein Kleriker eines Verbrechens für schuldig befunden wurde, das durch die Abberufung von ihrer ehrenhaften und einträglichen Stellung nicht mehr hinreichend gesühnt werden konnte, dann fuhr das Schwert der römischen Justiz ohne Rücksicht auf kirchliche Immunität dazwischen.

3. Die Urteilssprüche der Bischöfe wurden durch Satzungsrecht gestützt; und die Richter selbst waren gehalten, ohne Widerspruch und ohne Verzögerung bischöfliche Entscheidungen zu exekutieren, deren Gültigkeit bis dahin von der Zustimmung der Parteien abhängig gewesen war. Die Konversion des Magistrates, ja des ganzen Reiches hätte die Furcht und Bedenken der Christen allgemach ausräumen können. Dennoch nahmen sie nach wie vor ihre Zuflucht zu den Tribunalen der Bischöfe, deren Tüchtigkeit und Lauterkeit sie hochschätzten: Und der heilige Augustin konnte sich mit stillschweigender Genugtuung darüber beklagen, dass er seinen geistlichen Ämtern wegen lästiger Entscheidungen über Besitzansprüche an Silber, Gold, Vieh und Land beständig entrissen werde.

4. Das uralte Recht des Tempelasyls wurde auf die christlichen Kirchen übertragen und durch die fromme Liberalität des jüngeren Theodosius auch auf geheiligte Bezirke ausgedehnt. Siehe den Codex Theodosianus 9,14,4. In den Schriften des Fra Paolo (Opere Band 4, p.192) findet sich eine vorzügliche Abhandlung über Ursprung, Geltung, Missbrauch und Grenzen solcher Freistätten. Er merkt zutreffend an, dass es im antiken Griechenland etwa 15 bis 20 solcher asyla oder Zufluchtsorte gegeben habe; welche Zahl gegenwärtig in Italien innerhalb des Weichbildes gegebenenfalles einer einzigen Stadt gefunden werden kann. Der flüchtige und vielleicht sogar schuldige Schutzflehende durfte sich der Gerechtigkeit oder der Gnade der Gottheit und seiner Diener anvertrauen. Durch die vermittelnde Milde der Kirche wurde die gewalttätige Willkür des Despotismus außer Kraft gesetzt; Leben und Vermögen der hervorragendsten Untertanen mochten so durch die Dazwischenkunft der Bischöfe bewahrt worden sein.

 

V. ZENSORENAMT DER BISCHÖFE – KIRCHENSTRAFEN

V. Der Bischof war der dauernde Wächter über die Moral des Volkes. Die Bußdisziplin war Bestandteil des kanonischen Rechtssystems, Das Strafrecht wurde durch die Konzilsbeschlüsse fortwährend erweitert. Da indessen noch viele Fälle dem bischöflichen Gutdünken anheim gestellt blieben, veröffentlichten sie nach dem Vorbild der römischen Prätoren die disziplinarischen Richtlinien, nach denen sie vorzugehen beabsichtigten. Unter den kanonischen Briefen des IV Jh. nahmen die von Basilius dem Großen einen besonderen Rang ein. Sie sind in die Pandekten von Beveridge aufgenommen (Band 2, p. 47-151) und von Chardopn (Histoiredes sacramens Band 4, p. 219-277) übersetzt worden. in welchem die Form des öffentlichen und des privaten Schuldbekenntnisses mit Genauigkeit festgelegt war, ebenso die Regeln der Beweiserhebung, die Höhe der Schuld und das Ausmaß der Buße. Unmöglich konnte dieses geistliche Richteramt ausgeübt werden, wenn der christliche Hohepriester, der die Sünden der Vielen bestrafte, über die offensichtlichen Sünden und tatsächlichen Verbrechen des Magistrates hinweg sah. Religiöse Rücksichten, Loyalität oder schlichte Angst mochten zunächst noch die geheiligte Person des Imperators vor dem Glaubenseifer oder den Nachstellungen des Bischofs schützen; aber mit kühnem Mut verurteilten und exkommunizierten sie die Kleintyrannen, die nicht mit kaiserlichem Purpur angetan waren. Der Hl. Athanasius exkommunizierte einen ägyptischen Minister; sein Urteil – das Interdikt von Feuer und Wasser – wurde den Kirchen von Kappadokien feierlich zugefertigt. Basileios (Epistulae 47, bei Baronius, Annales A.D. 370, Nr. 91) erklärt, er berichte hiervon mit Vorbedacht, um Regierungsbeamte davon zu überzeugen, dass sie von einer Exkommunikation durchaus nicht ausgenommen seien. Nach seiner Auffassung ist selbst ein gekröntes Haupt vor dem Donnern des Vatikans nicht sicher; und der Kardinal zeigt sich hierbei deutlich konsequenter als die Richter und Theologen der gallikanischen Kirche. Unter der Herrschaft des jüngeren Theodosius saß der umgängliche und beredte Synesius, ein Nachfahre der Herakles, Die lange Liste der Vorfahren des Synesios, die hinaufreicht bis auf den ersten dorischen Spartanerkönigs Eurysthenes, der in der fünften Generation in direkter Linie von Herakles abstammte, war in den Staatsregistern der spartanischen Kolonie von Cyrene aufgezeichnet. Eine so reine und berühmte Stammtafel von siebzehnhundert Jahren, die königlichen Vorfahren des Herakles noch nicht einmal mitgerechnet, findet ihresgleichen nicht so bald in der Geschichte der Menschheit.) auf dem Bischofssitz von Ptolemais, nahe den Ruinen des antiken Cyrene Synesios, de regno p.2, bejammert rührend den herabgesunkenen und verwüsteten Zustand Kyrenes: [Ü.a.d.Griech.: eine hellenische Stadt, der Name alt und ehrwürdig und in ungezählten Liedern der alten Weisen. Nun aber arm und verachtet und in großer Ödnis]. Ptolmais, eine neue Stadt 82 km westlich von Kyrene, empfing die Metropolitanwürden über die Pentpolis, oder das obere Libyen, die später auf Sozusa überging. Hierzu Wesseling, Itineraria p. 67, 68 und 732; Cellarius Geographia, Band 2, Teil 2, p. 72 und 74; Carolus a Sao Paulo, Geographia Sacra, p. 273; D'Anville, Géographie Ancienne, Band 3, p.43f.; Memoires de l'Acaémie des Inscriptions, Band 37, p.363-391. und füllte die Stellung aus, die er, der Philosoph als Bischof, gegen seinen Willen angetreten hatte. Synesius hatte zuvor seine Inkompetenz zu diesem Amt eingestanden. (Epistulae, p.246-250). Er liebte weltliche Studien und allerlei Kurzweil; er war außerstande, in Ehelosigkeit zu leben; er glaubte nicht an die Wiederauferstehung; und er weigerte sich, den Leuten Märchen zu erzählen, wenn er nicht gleichzeitig zu Hause philosophieren durfte; Theophilos, der Primas von Ägypten, der seine Verdienste durchaus kannte, ließ sich auf diesen ungewöhnlichen Kompromiss ein. Siehe die Biographie des Synesios in Tillemont, Mémoires ecclésiastiques, Band 12, p. 499-554. Er überwand den Präses Andronikos, das Monstrum von Libyen, welcher seine Macht in einem erkauften Amt missbrauchte, neue Formen des Raubes und der Folter erfand und zu dem Verbrechen der Erpressung noch die der Gottlosigkeit hinzufügte. Siehe die Schmähschrift von Synesios, Epistulae 57, p.191-201. Die Anstellung des Andronikos war rechtswidrig, da er aus Berenike stammte, einer Stadt aus derselben Provinz. Die Folterwerkzeuge sind mit Freude am Detail beschrieben, die Presse, die Finger, Füße, Nase, Ohren und Lippen in unterschiedlicher Weise quetschten oder zerrten. Nach einem fehlgeschlagenen Versuch, diesen hoffärtigen Magistrat durch eine milde, religiös eingefärbte Ermahnung zu bessern und zu bekehren, griff Synesius zum letzten Auskunftsmittel im kirchlichen Strafregister, Die Exkommunikation selbst wird in einem rhetorischen Stil verkündet (Synesios, Epistulae 58, p. 201-201). Obwohl es auf irgendeine Weise ungerecht war, die ganze Familie mit einzubeziehen, wurde dieses Verfahren sogar noch zum Bann von ganzen Nationen ausgeweitet. welches Andronikos mitsamt seiner Kumpane und deren Familien zum Abscheu des Himmels und der Erde erklärte. Die unbußfertigen Sünder, grausamer als Phalaris oder Sanherib, verderblicher als ein Krieg, Pestilenz oder ein Heuschreckenschwarm, gehen ihres Namens und ihrer Vorrechte als Christen und der Hoffnung auf das Paradies verlustig und werden von den Sakramenten ausgeschlossen. Der Bischof ermahnt den Klerus, den Magistrat und das Volk, jeden Umgang mit diesen Feinden Christi aufzukündigen; sie von ihrem Haus und ihrer Tafel zurückzuweisen; und ihnen die alltäglichen Pflichten und die angemessenen Begräbnisrituale zu verweigern. Die Kirche von Ptolemais, mochte sie auch klein und verächtlich sein, ließ alle anderen Kirchen auf der Welt diesen ihren Beschluss wissen; und der Verworfene, der sich diesen Beschlüssen verweigern sollte, lädt die gleiche Schuld und Bestrafung auf sich wie Andronikos und seine gottlosen Gefährten. Diese geistlichen Machtmittel wurden noch verstärkt durch eine wohlberechnete Meldung an den Hof von Byzanz; der Provinzgouverneur, bebend, erfleht die kirchliche Gnade; und dem späten Nachfahren des Herakles wird die Genugtuung, einen bäuchlings vor ihm liegenden Tyrannen von der Erde aufzuhelfen. Siehe Synesios, Epistulae 47, p. 86f.; 72, p. 219f.; 89, p. 230f. Solche Gesetze und Vorgehensweisen bereiteten unmerklich den Triumph der Römischen Päpste vor, die einst ihren Fuß Königen in den Nacken stemmen sollten.

 

VI. PREDIGTEN UND GOTTESDIENSTE

Jede Regierung kennt die Bedeutung von naturbelassener oder polierter Beredsamkeit. Das kälteste Herz wird belebt, die stabilste Vernunft wird vereinnahmt, wenn ein wirkmächtiger Gedanke die Runde macht; und jeder Hörer spürt seine eigenen Leidenschaften und die seiner Mithörer. Der Untergang der bürgerlichen Freiheit hat die Volksredner Athens und Volkstribunen Roms zum Schweigen gebracht; der Brauch, eine Predigt abzuhalten, die einen wesentlichen Bestandteil der christlichen Andacht darstellt, war in den Tempeln des Altertums unbekannt; und an das Ohr der Monarchen drang der ungehobelte Klang populärer Beredsamkeit solange nicht, wie die Kanzeln des Reiches noch von Rednern der Kirche besetzt waren, welche über bestimmte Fertigkeiten verfügten, die ihren weltlichen Vorgängern ganz unbekannt waren. Siehe Thomassin, Discipline de l'église, Band 2, p.1761-1770) und Bingham, Christian Antiquities p. 688-717 Predigen galt als das wichtigste Bischofsamt. Bisweilen wurde diese Aufgabe aber auch Presbytern wie Chrysostomos oder Augustinus anvertraut. Vor Gericht erfuhren Argumente und Plädoyers unmittelbar eine gleichwertige Replik durch geschulte und entschlossene Kontrahenten; und die Sache der Wahrheit und der Vernunft mochte denn auch Zufallsvorteile aus der Auseinandersetzung widerstreitender Leidenschaften erhalten. Der Bischof jedoch oder ein vor den anderen ausgezeichneter Presbyter, dem er die Vollmacht zur Predigt erteilt hatte, konnte ohne jede Besorgnis von Zwischenruf oder Gegenrede einer Menge predigen, die voller Andacht war, da ihre Gemütsverfassung durch die einschüchternden Zeremonien des Gottesdienstes bereits vorbereitet und eingestimmt war. So streng war die Abhängigkeit in der katholischen Kirche, dass von hundert Kanzeln Italiens oder Ägyptens zur gleichen Zeit gleichlautende Töne erklangen, wenn sie durch die lenkende Hand des Primas von Alexandria oder Rom eingestimmt waren. Königin Elizabeth I. benutzte diesen Ausdruck und bediente sich dieses Kunstgriffes, wenn sie die Herzen ihres Volkes für ein außergewöhnliches Regierungsvorhaben gewinnen wollte. Ihr Nachfolger begriff die unangenehmen Nebenwirkungen dieser eigenen Art der Musik, und ihr Sohn bekam sie ernstlich zu spüren. ›When pulpit, drum ecclestiastic.‹ [Wenn Kanzel, die kirchliche Trommel]. Siehe auch Haylin, Leben des Erzbischof Laud, p. 153.

Die Absicht dieser Einrichtung war durchaus löblich, ihre Früchte indes keineswegs immer heilsam. Die Priester empfahlen, Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft nachzukommen; zugleich aber priesen sie Vollkommenheit der Mönchstugenden, welche doch für den Einzelnen mühselig und für die Gesellschaft nutzlos sind. Die Ermunterungen zur Mildtätigkeit verriet zugleich das geheime Verlangen des Klerus, über den Reichtum der Gläubigen zu Gunsten der Bedürftigen verfügen zu können. Die erhabenste Schilderung der Attribute und der Gesetze Gottes wurde eingetrübt durch ein elendes Gebräu aus metaphysischen Spitzfindigkeiten, albernen Ritualen und frei erfundenen Wundermären: weitläufig und glühend vor Glaubenseifer verbreiteten sie sich über das Verdienst, die Feinde der Kirche zu hassen und ihren Dienern zu gehorsamen. Als der öffentliche Friede gestört war durch Ketzerei und Glaubensspaltung, bliesen die Prediger zum Streite, möglicherweise sogar zum Abfall. Die Verstandeskräfte ihrer Versammlungsmitglieder waren durch Mysterien bald verdunkelt, ihre Leidenschaften durch Schmähreden rasch aufgestachelt: Und so stürmten sie aus den christlichen Tempeln zu Antiochia oder Alexandria, bereit, den Märtyrertod zu erleiden oder auch anderen zuzufügen. Der elende Zustand des Geschmacks und der Sprache wird durch die Kampfschriften der römischen Bischöfe überdeutlich dokumentiert; aber die Abhandlungen eines Gregor oder Chrysostomos wurden sogar den brillantesten Proben attischer oder wenigstens asiatischer Beredsamkeit an die Seite gestellt. Diese Redner bemerkten in aller Bescheidenheit, dass sie, da ihnen die Fähigkeit abgehe, Wunder zu wirken, sie sich mit der Kunst der Beredsamkeit vertraut gemacht hätten.

 

VII. GESETZGEBUNG DER CHRISTLICHEN REPUBLIK

Die Repräsentanten der Christlichen Republik versammelten sich regelmäßig im Frühling und Herbst eines jeden Jahres: und diese Synoden verbreiteten den Geist der Kirchendisziplin und der Gesetzgebung über die einhundertundzwanzig Provinzen der römischen Welt. Das Konzil zu Nikaia hat im vierten, fünften, sechsten und siebenten Kanon einige grundlegende Regularien über die Synoden, Erzbischöfe und Primasse getroffen. Diese nikaianischen Kanones wurden entsprechend der jeweiligen Interessenlage des Klerus verschiedentlich verdreht, missbraucht oder gefälscht. Die suburbikarischen [in der Nähe von Rom gelegen, A.d.Ü.] Kirchen, die Rufinus dem Bischof von Rom zurechnete, waren Gegenstand heftiger Kontroversen. Siehe Sirmond, Opera, Band 4, p.1-238. Der Erzbischof oder Metropolit war von Gesetzes wegen bevollmächtigt, die Suffraganbischöfe seiner Provinz zu zitieren, ihre Aufführungen zu untersuchen, ihrem Recht Achtung zu verschaffen, feierlich ihren Glauben zu bezeugen und die Verdienste der Kandidaten zu beurteilen, welche vom Klerus und Kirchenvolk bestimmt worden waren, die verwaisten Sitze des episkopalen Kollegiums neuerlich zu besetzen. Die Primasse von Rom, Alexandria, Antiochia, Karthago und später auch von Konstantinopel, deren Gerichtsbarkeit umfassender war, beriefen größere Bischofsversammlungen ein. Aber die Zusammenberufung großer und außerordentlicher Synoden war das Vorrecht des Kaisers allein. Wann immer die Umstände der Kirche diese entschiedene Vorkehrung notwendig machten, sandte er an die Bischöfe oder die Provinzbevollmächtigten dringliche Vorladungen, ordnete gar die Benutzung von kaiserlichen Postpferden an und setzte Reisekosten in angemessener Höhe fest. Früher, als Constantin der Beschützer, nicht so sehr der Proselyt des christlichen Glaubens war, stellte er die afrikanische Kontroverse dem Konzil von Arles anheim; in welchem die Bischöfe von York, Trier, Mailand und Karthago sich als Freunde und Glaubensbrüder begegneten, um in ihrer Landessprache die gemeinsamen Interessen der römisch-katholischen oder westlichen Kirche zu debattieren. Wir haben lediglich 33 oder 47 bischöfliche Unterschriften: Aber Ado, ein nicht eben schwergewichtiger Autor, errechnet 600 Bischöfe für das Konzil zu Arles. Tillemont, Memoires eccléstiastiques, Band 4, p.422.

Elf Jahre danach trat zu Nicaea in Bithynien eine größere und erlesenere Konferenz zusammen, um durch ihren Entscheid in letzter Instanz die verstiegenen Debatten über die Trinität zum Schweigen zu bringen, welchen in Ägypten ihren Ausgang genommen hatten. Dreihundertachtzehn Bischöfe folgten der Ladung ihres milden Herren; die Zahl der Geistlichen, die aus allen Rängen, Sekten und Orten stammten, wird auf zweitausendachtundvierzig Personen geschätzt; Siehe Tillemont, Memoires eccléstiastiques, Band 46, p.915 und Bausobre, Histoire du Manichéisme, Band 1, p. 529. Die Bezeichnung Bischof, welche Eutychios den 2048 Geistlichen beilegt (Annales, Band 1, p.440), muss in einer Bedeutung verstanden werden, die weit über die Grenzen einer orthodoxen oder überhaupt bischöflichen Ordination hinausgeht.; die griechischen Kleriker erschienen in Person, die westlichen wurden vertreten durch Abgesandte des römischen Pontifex. Der Kaiser ehrte die Konferenz, die etwa zwei Monate dauerte, immer mal wieder durch seine Anwesenheit. Er ließ seine Leibwache an der Tür zurück und setzte sich mit Erlaubnis des Konzils auf einen geringen Stuhl inmitten der Halle. Constantin hörte mit Geduld und sprach selbst mit Mäßigung: Und während er so die Debatte beeinflusse, bekannte er, dass er der Diener, nicht der Richter dieser Nachfolger der Apostel sei, welche als Priester und Götter auf Erden bestellt seien. Siehe Eusebios, Vita Constantini, 3,6-21. Tillemont, Memoires ecclésiastiques, Band 6, p. 669-759.

Diese tiefe Verbeugung eines absoluten Monarchen vor einer macht- und waffenlosen Versammlung seiner eigenen Untertanen lässt sich nur mit dem Respekt vergleichen, den die römischen Herrscher in Fortsetzung der Politik des Augustus dem Senat angedeihen ließen. So hätte im Abstand von fünfzig Jahren ein philosophisch veranlagter Betrachter der Hinfälligkeit menschlichen Strebens einen Tacitus im Senat zu Rom und einen Constantin auf dem Konzil zu Nicäa näher ins Auge fassen können. Die versammelten Väter des Capitols und die Väter der Kirche hätten den Tugenden der Gründergeneration gleich fern gestanden; da aber die Bischöfe stärker in der öffentlichen Meinung wurzelten, bewahrten sie ihre Würde mit mehr Anstand und verweigerten sich bisweilen mit männlichem Mut den Wünschen ihres Sovereigns. Der Strom der Zeit und das Anwachsen des Aberglaubens ließen die Erinnerung an die Schwäche, die Leidenschaften, die Ignoranz abbröckeln, welche diese Kirchenversammlungen umdunkelten; Sancimus igitur vicem legum obtinere, quae a quatuor Sanctis Conciliis ... expositae sunt aut firmatae. Praedictarum enim quatuor synodorum dogmata sicut sanctas Scripturas et regulas sicut leges observamus. [Wir beschließen mithin feierlich, die Geltung der Gesetze festzuschreiben, welche von vier heiligen Konzilien aufgestellt oder bestätigt worden sind. Die Lehrsätze der vorgenannten vier Synoden sehen wir wie die Heilige Schrift an und beobachten sie wie Gesetze]. Iustinian, Novellae 131. Beveridge (Pandectae, prolegomena p. 2) merkt an, dass die Kaiser niemals neue, die Kirche betreffenden Gesetze erlassen hätten; und Giannone (Istoria Civile di Napoli, Band 1, p. 136) stellt aus einem ganz anderen Blickwinkel fest, dass sie den Konzilskanons Gesetzeskraft erteilten. und die Katholische Kirche hat sich einträchtig den unfehlbaren Beschlüssen dieser allgemeinen Konzilien unterworfen. Siehe den Artikel ›Concile‹ in der Encycloédie, Band 3, p. 668-679, Ausgabe de Lucques. Der Verfasser, Herr Docteur Bouchaud, hat gemäß den Artikeln der gallikanischen Kirche die grundlegenden Fragen erörtert, die sich auf die Form und die Verfassung allgemeiner, nationaler oder provinzialer Konzile beziehen. Die Herausgeber haben jede Ursache, auf diesen Artikel stolz zu sein. Diejenigen, welche ihre ungeheure Sammlung zu Rate ziehen, gehen nicht immer so zufrieden gestellt von hinnen.


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