Emanuel Geibel
Sophonisbe
Emanuel Geibel

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Fünfter Aufzug.

Scipios Hauptquartier zu Massylis. Dekoration wie zu Anfang des dritten Aufzuges. Der Vorhang vor der Nische geschlossen, der andre offen. Nacht. Kandelaber in den Ecken. Draußen das Lager. Schildwachen usw.

Erster Auftritt.

Scipio, an dem Tische zur Linken schreibend; auf demselben Rollen, Karten und eine Lampe. Rechts im Vordergrunde Severus, Atarbas und andere römische und numidische Hauptleute in leiser Unterhaltung; an der Nische Flavius. Sobald der Vorhang aufgegangen, tritt Sextus aus dem Hintergrunde ein und geht, da er Scipio beschäftigt sieht, mit kriegerischem Gruße auf Severus zu.

Severus. Was gibt's?

Sextus.                   Die Runden sind zurück.

Severus.                                                     Sie melden?

Sextus. Nichts von Bedeutung. Einmal glaubten sie
Von fernher einen Reitertrupp zu hören,
Doch als sie näher kamen, war's ein Schwarm
Von Straußen, der in windesschneller Flucht
Lautschwirrend mit gespreizten Fittichen
Vorüberstob. Der letzte ward erlegt,
Ein wahres Prachttier.

Severus.                           Sonst nichts?

Sextus.                                                 Botschaft noch
Vom Massinissa. Der Numiderfürst
Liegt krank danieder und ersucht den Konsul
Um eine Unterredung morgen früh.

Severus. Ich richt' es aus. Stör drum den Feldherrn nicht;
Er schreibt nach Rom. – Was war für Lärm vorhin
Am Decumantor, wo die Bündner lagern?
Weißt du's?

Sextus.             Ein Celtiberer wollt' im Rausch
An einer Magd sich vom Gebirg vergreifen,
Die Wein und Öl gebracht. Sie aber riß
Ein Messer aus dem Haar und stieß ihn nieder.
Dann floh sie wie der Blitz. Was du vernahmst,
War wohl die Totenklage seines Stamms
Um den Gefallnen.

Severus.                       Ihm ist recht geschehn.
Was läßt er sich mit fremden Weibern ein!

Sextus (entfernt sich auf einen Wink der Entlassung.)

Severus (zu den andern Hauptleuten tretend).
Sie führen Stacheln, merk' ich, hierzuland,
Wie die Skorpionen.

Atarbas.                         Ja, wenn man sie reizt.
Sonst sind sie zahm, wie anderswo, und – schöner.

Scipio (sich erhebend).
Genug für jetzt! Ich schließ' es morgen ab.
Was ist die Stunde?

Severus.                       Mitternacht vorüber.

Scipio. Noch nichts vom Lälius?

Severus.                                   Nichts.

Scipio.                                                 Auch nicht vom Meer?
Aus Hadrumet?

Severus.                 Auch nicht von dort.

Scipio.                                                   Der Wind
Geht aus Nordost. Er könnt' ein Schicksal uns
Heranwehn.

Severus.             Massinissa –

Scipio.                                   Soll mich morgen
In seinem Zelt erwarten. Ich vernahm's,
Daß er mich sehn will. Geht jetzt schlafen, Freunde!
Auch ich will ausruhn.

(Die Hauptleute entfernen sich; die Vorhänge des Eingangs fallen hinter ihnen zu. Flavius hat die Nische geöffnet, wo Scipios Feldbett sichtbar wird.)

Scipio.                             Lösch die Kerzen, Flavius,
Und hilf mir beim Entkleiden.

Flavius.                                       Soll ich dir
Aus dem Homer nicht lesen?

Scipio.                                       Heute nicht.
Die Müdigkeit ist stärker als mein Wille.
Der Tag war atemlos, und letzte Nacht
Schlief ich nur wenig. – Nimm den Panzer da! –
Ein seltsam Traumbild trieb mich auf. Mir war's,
Ein prächtig Weib mit buntem Diadem,
In schweren Goldgewändern langsam wandelnd,
Wie man Karthagos Bild auf Münzen prägt,
Kam an mein Lager, und mit eis'ger Hand
Nach meiner Kehle griff sie, mich zu würgen.
Hier, diese Spange noch! – Ich rang mit ihr,
Doch sog ihr Auge mir, unheimlich starr,
Die Kraft vom Herzen, keuchend ging mir schon
Der Atem aus – da plötzlich, hinterrücks
Von jähem Blitz getroffen schrie sie auf
Und ließ mich los, und von dem Schrei erwacht' ich.

Flavius. Herr, solche Träume schafft der Mond.

Scipio.                                                             Er stand nicht
Am Himmel. Als ich mir die Brust zu lüften
Vors Zelt trat, glänzte ruhig Stern bei Stern,
Gebirg und Eb'ne dufteten im Tau,
Doch rechts vom Lager, mächtig kreisend, stieg
Ein Adler auf.

Flavius.               Das ist ein günstig Zeichen,
Das Sieg verkündet.

Scipio.                         Mög es also sein!
        (Wendet sich gegen die Nische.)
Gute Nacht jetzt, Flavius! Dämpfe noch die Lampe!
Mit Tagesanbruch weckst du mich.
        (Streckt sich aufs Lager.)

Flavius.                                               Schlaf wohl!
Ich will noch vor dem Zelt die Laute spielen,
Ich weiß, du hast es gern.
        (Hat Scipios Mantel und Rüstung geordnet und ergreift die Laute.)
                                      Wie war doch nur
Die Weise, die ihm jüngst so wohlgefiel?
Ein mauretanisch Weib sang sie im Kahn.
Schwermütig klang's, wie wenn ans Felsgestad
Langsame Wellen rauschen – War's nicht so?

(Er tut ein paar Griffe und geht spielend ab.)

Pause, nur durch die Melodie des kurzen Liedes ausgefüllt. Scipio schläft. Beim Schlusse des Liedes öffnet sich leise die große Pforte zur Rechten, und Sophonisbe erscheint.

Dritter Auftritt.

Sophonisbe. Scipio (schlafend).

Sophonisbe. Rings alles still! Er schläft, schläft tief. Und jetzt
Muß es geschehn. Sei standhaft, Herz, du hast
Ein unabwendlich Urteil zu vollstrecken.
Was bebt ihr, feige Sehnen? Werdet Erz!
        (Tritt an den Tisch.)
Komm, trübe Flamme, komm und leuchte mir
Zum düstern Werke, zeige mir den Weg
Zu seinem Herzen!
        (Greift nach der Lampe, ihr Blick fällt auf Scipios Brief.)
                              Ha! – Bin ich im Fieber
Und sehe, was nicht ist? Mein Name hier!
Fort, Gaukelspiel des Bluts! – Nein, ich sah recht,
Ein Brief und hier mein Name! Prahlt er noch,
Wie unerhört er mich betrogen? – Götter,
Das ist eu'r Wink! Ich soll in seinem Hohn
Den Arm mir stählen, daß er schonungslos
Ins Leben trifft! – Wohlan denn,
Laß sehn, was er von der Barbarin schreibt!
        (Sie hat das Blatt ergriffen und liest.)
»Was Sophonisben angeht, so vergönnt
Mir freie Hand. Sie ist ein hohes Weib,
Wert, eine Römerin zu sein. Ich will
Die Götter bitten, daß sie mir ihr Herz
In Freundschaft neigen. Und führt einst mein Stern
Mich triumphierend heim aufs Kapitol,
Dann soll's mein Stolz sein, dies erlauchte Haupt
In aller Majestät dem Volk zu zeigen,
Die Bundsgenossin, die ich ihm gewann.«
        (Sie hat zuletzt mit vor Bewegung zitternder Stimme gelesen und bricht jetzt, völlig überwältigt, jubelnd aus:)
Dank! Dank, ihr Götter! er verriet mich nicht!
Nein, alles was er sann, war Huld! – – und ich?!
Entsetzen, namenloses Greul! – ich hier?
Den Dolch in Händen? – Fort, verruchtes Eisen!
Du sengst wie Feuer. Scipio, wach auf!
Hervor, o Scipio, der Mord schlich ein
In dein Gezelt, wach auf und halt Gericht!

Scipio (hervortretend).
Du, Sophonisbe?

Sophonisbe.             Ich! Und wiss' es gleich!
Dich töten wollt' ich; doch dein Genius schlug
Mit Lähmung diesen Arm und wirft mich nun
Bezwungen, glanzgeblendet vor dir nieder.

Scipio. Weib, welche Rätsel!

Sophonisbe                         Frag nicht! Ruf den Liktor,
Daß er sein blutig Amt an mir vollzieht!
Wider mich selbst als Kläg'rin lieg' ich hier
Und fleh' um meinen Spruch – Mein Leben ist
Verwirkt. Was zauderst du?

Scipio.                                     Steh auf und danke
Den Göttern, die vor Blutschuld dich bewahrt.
Ich will dasselbe tun. Ein Wunder, scheint's,
Hat meinen Schlaf umschirmt. Doch so behütet
Kann ich nicht richten und verdammen. – Geh!

Sophonisbe. Bleibst du dir ewig gleich, Gewaltiger?
Nicht strafen willst du und zerschmetterst mich
Durch deine Huld. – O bittrer als der Tod
Ist dies Gefühl, daß ich so klein, so ganz
Dein unwert war. Ich kannte dich, und doch
Sinnlosem Schein zulieb trat ich den Glauben
An dich mit Füßen. Zu derselben Stunde,
Da meiner du in hohem Sinn gedacht,
Hielt ich dich grausam, frech und schlau und rast'
In Mordgedanken, bis auf jenem Blatt
Mein blödes Auge lichte Wahrheit sog
Und halbgottähnlich mich dein reines Bild
Zu Boden blitzt'! – O hätte dieser Strahl
Wie Feuer aus den Wolken mich verzehrt!
Nun muß ich's, vor mir selbst vernichtet, tragen,
Daß mich der einz'ge, dem sich meine Seele
Jemals gebeugt, verachtet –

Scipio.                                     Das sei fern!
Mir sagt dein Schmerz, ich irrte nicht, als ich
Ein ebenbürtig Herz in dir geahnt.
Du bleibst mir, die du warst, so bittre Reue
Tilgt wohl so blinde Schuld. Was hier geschah,
Sei wie ein Traumbild dieser Nacht verweht.
So blas' ich's fort. – Geh denn und sei getrost,
Und reiß hinfort den blindenRömerhaß
Aus deiner Brust!

Sophonisbe.             Weh, woran mahnst du mich!
Umsonst ist alles. Einen Augenblick
Vergessen hatt' ich, wer ich bin, und schwebte
Mit dir allein im Leeren, und ein Traum
Von milder Sühnung überschlich mein Herz.
Da weckst du mich, und um mich her entsetzt
Erkenn' ich eine Welt voll Zwietracht wieder.
Die Arme streckt Karthago vorwurfsvoll
Nach ihrer Tochter aus, und will ich fliehn,
So steigen finster dort mit dräu'nden Stirnen
Die Schatten meiner Ahnen vor mir auf.
Hörst du's? Sie zeihen mich versäumter Pflicht,
Sie klagen um Verrat mich an, umsonst
Versuch' ich die Erzürnten zu beschwichten,
Ich soll die Feindin ihres Feindes sein.
Weh! meine Seele fordern sie von mir,
Und unerbittlich an demantnen Ketten
Ziehn sie die machtlos Widerstrebende
Zu sich hinüber – Scipio, laß mich richten!
Denn keinen Frieden gibt es zwischen uns.

Scipio. Ein Fiebertraum verwirrt dich. Schüttl' ihn ab!
Gewalt'ger als die Schatten ist das Leben.
In deinem Herzen hab' ich dich erkannt,
Und kann's nicht glauben, daß ein Schicksal uns
Dazu bestimmt hat, ewig uns zu hassen.
Denn ob dein Blut karthagisch ist, es schwebt
Ein hoher Geist auf seiner dunklen Welle,
Den nicht dein Vater, den ein Gott dir gab,
Ein freies Erbteil schöner Menschlichkeit,
An keines Stamms Geschlecht und Art gebunden.
Durch diesen Geist, der gleich dem Vogel Phönix,
Dem luftgeborenen, auf allen Gipfeln
Daheim ist, fühl' ich mich mit dir verwandt,
Und ihm vertrauend wiederhol' ich's: laß
Uns Freunde sein!

Sophonisbe.               O Scipio!

Vierter Auftritt.

Die Vorigen. Torquatus. Gleich darauf Hiram.

Scipio. Was gibt's?

Torquatus.             Dein Lälius sendet mich voraus
Mit froher Siegsbotschaft. Cirta ist unser.
Auf seinen Trümmern pflanzten wir den Aar.

Scipio. Zerstört?

Torquatus.         In Asche liegt die Königsburg,
Doch nicht durch unsre Schuld. Ein rasend Weib
Vom Stamm der Barkas warf den Brand hinein.

(Hiram ist während der letzten Rede eingetreten und hat sich vor Sophonisbe niedergeworfen.)

Sophonisbe. Thamar!

Torquatus.                 Laß dir's von diesem Knaben hier
Berichten, der die Tat mit angesehn,
Die ich verdammen muß, und dennoch ehren.

Scipio. Sprich!

Sophonisbe.     Wo ist Thamar?

Hiram.                                     Als die Libyer,
Belehrt, daß Massinissas Plan mißglückt,
Nicht länger fechten wollten und die Brücken
Herniederließen, war die Priesterin
Verhüllten Haupts in den Palast enteilt.
Wehvolles ahnend folgt' ich ihr und fand sie
Im Zedernsaale, wo sie stumm und bleich,
Ein Bild des Todes, mit der Fackel stand.
Doch an den Wänden sah ich rings den Schatz
Des Tempels und die heiligen Geräte,
Die tausend Weihgefäß' aus Gold und Erz,
Dazwischen Weihrauch, Myrrhen, Sandelholz
Zu ries'gen Scheiterhaufen aufgetürmt.
Teppiche lagen drüber, und das Bild
Der Göttin stand, das elfenbeinerne,
Im sternbesäten Schleier obenauf.
Die Jungfrau aber lauschte regungslos,
Als führte sie mit Geistern ein Gespräch,
Hinaus ins Leere. Da erscholl vom Burghof
Vermischt mit schmetterndem Posaunenton
Der Siegesruf der römischen Kohorten.
Und dringend mahnt' ich sie zur Flucht; doch sie,
Zurück mir winkend mit der Linken, schwang
Die Fackel in das aufgehäufte Gut,
Die edlen Hölzer und das Harz entzündend.
Ein Augenblick und hochauf wirbelte
Nach allen Seiten wütend schon die Lohe,
Mit Glut und dickem Würzgedüft den Saal
Erfüllend, daß ich taumelnd rückwärts wich.
Sie aber hub mit silberklarer Stimme
Durch dies Gewölk, als wär's ein Lüftchen nur
Vom Hochaltar, ihr uralt Götterlied
Zu singen an, und singend, schwanengleich,
Nachdem sie wie zum Opfer ihren Kranz
Vorangeworfen, flatternden Gelocks
Mit offnen Armen sprang sie in die Flammen.

Sophonisbe. O meine Schwester!

Hiram.                                       Zu der Göttin Füßen
Noch hell aufflackern sah ich ihr Gewand;
Dann stürzt' ich fort, und riesig hinter mir,
Die Jungfrau unterm Schutt der Burg begrabend,
Schoß eine Feuersäule himmelan.

Sophonisbe. Getreu bis in den Tod! – O, daß du so
Mich mahnen mußt!

Scipio.                           Habt Dank für eure Botschaft.
Auf morgen, Hauptmann!

(Torquatus ab. Hiram zieht sich bis an den Eingang zurück. Scipio wendet sich zu Sophonisbe.)

                                        Laß auch uns jetzt scheiden!
Ihr Ziel hat jede Kraft, und was auf dich
Hereinbrach, war zuviel für eine Nacht.
Kehr in dein Zelt zurück! Den Balsamhauch
Des Friedens send' im Schlummer dir ein Gott.
Denn Ruhe tut dir not nach so viel Stürmen.

Sophonisbe. Ja, Ruhe tut mir not, und ich will gehn,
Sie zu gewinnen. Nur ein Wort zuvor,
Ein letztes Wort aus tiefster Seele noch
Vergönne mir, das mir die Brust entlaste;
Aussprechen muß ich's, eh' ich schlafen kann.
Willst du mich hören, Scipio?

Scipio.                                         Rede!

Sophonisbe.                                           Sieh,
Die Götter haben seltsam mich geführt.
Zu fürstlicher Geburt verliehn sie mir
Ein fürstlich Herz, das mein Verhängnis ward.
Denn hoch und einsam schlug's und zehrte, krank
An seines Reichtums unverwandter Fülle,
In Sehnsucht sich nach seinesgleichen auf.
So stürmt' ich ruhlos durch das Leben hin,
Stets suchend, stets getäuscht, bis ich zuletzt
An allem, was mir Ahnung einst geweissagt,
Trostlos verzweifelte. Da fand ich dich,
Und Wonn' und Schrecken kam auf meine Seele,
Denn meinen kühnsten Traum sah ich erfüllt.

Scipio. Was sagst du! – –

Sophonisbe.                     Mißversteh mich nicht! Ich bin
Nicht schamlos, Scipio. Nur weil ich Verzicht
Getan auf alles, darf ich alles sagen,
Und wie aus Wolken red' ich schon zu dir.
O wärst du in des Atlas rauhster Schlucht
Geboren statt am Tiberstrand, ich hätte,
Wenn du, wie heut, mir deine Freundschaft botst,
Mit keiner der Unsterblichen getauscht!
Nun ist's nicht so und ich vermag die Hand,
Die mir der Todfeind meines Volkes reicht,
Nicht zu ergreifen. Jener Wundervogel,
Von dem du sagtest, hat kein irdisch Haus;
Er lebt und stirbt im leichten Element.
Uns Staubgeborne aber zwingt der Bann
Der Heimat ewig, und der Pflicht des Blutes
Entäußert sich, ich fühl's, kein edler Geist.
Wie nur ein Weib je liebte, lieb' ich dich,
Doch wenn Karthagos goldne Zinnen du
Geschleift einst in das Meer wirfst, soll ich dann
Dir jauchzen? Soll ich ins Triumphgewand,
Das meiner Brüder Blut zum Purpur färbt,
Mit dir mich hüllen, und den Staub der Väter,
Von deines Wagens Zeltern aufgewühlt,
Der wahnsinntrunkenen Mänade gleich
Im Becher schlürfen? O ich müßte ja
Dir selbst zum Greuel werden. Drum fahr wohl!
Zieh deine stolze Bahn, wohin du mußt,
Und kränze dir die Stirn mit neuen Siegen!
Ich kann nicht los von meinem Vaterland,
Und meine Schuld zahl' ich ihm so –

(Sie ersticht sich.)

Scipio.                                                     Halt ein!
Bei allen Göttern –

Hiram (voreilend und Sophonisben auffangend).
                            Weh, sie sinkt! O Herrin,
Was tatest du!

Sophonisbe.         Karthago! – Scipio! –
Fahr wohl!

(Stirbt.)

Scipio.             Ihr Auge bricht. Verstünd' ich noch
Zu weinen, weint' ich hier!

Letzter Auftritt.

Lälius.                                   Ich bringe dir
Gewalt'ge Zeitung – (Erblickt Sophonisben.)
                              All ihr Himmlischen!
Welch blutig Bild am Boden! Ahn' ich recht?
Tot die Karthagerin!

Scipio.                           Gönn ihr die Ruh,
Die sie sich selbst gesucht. – O Lälius,
Hier liegt ein stolzes Lilienreis geknickt –
Hätt' ich ein Weib wie dies in Rom gefunden,
Den schönsten meiner Siege gäb' ich drum.
        (Wendet sich und fährt mit der Hand über die Stirne.)
Genug!

(Severus tritt ein, andre Hauptleute drängen nach, die Zeltvorhänge bleiben offen. Helles Morgenrot.)

Severus.     Auf! zu den Waffen, Scipio!
Ein Bote kam aus Hadrumet. Gelandet
Ist Hannibal!

Scipio.               Willkommen, alter Leu!
Du sollst den Adler finden!
        (Zu Lälius.)
                                        Dir, mein Freund,
Sei dieser teure Staub befohlen. Gib
Den Flammen, was an ihr vergänglich war.
Das andre schwang sich zu den Göttern auf. –
       (Zu den andern.)
Ihr aber laßt die Heerposaunen schmettern!
Wir brechen auf nach Zama.

(Der Vorhang fällt.)


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