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Rügen war also jetzt von Franzosen frei; zum letzten Mal hatte der Fußtritt der Fremden seinen Boden entweiht, wieder lag es in dem alten Frieden und der von aller Welt abgeschiedenen Stille da, und seine Bewohner hatten Muße und Gelegenheit genug, das von den Feinden verwüstete Land mit neuer Sorgfalt zu pflegen und Städte und Dörfer, die so viel gelitten hatten, allmählig wieder in den früheren Zustand zurückzuführen. Aber noch war die vollkommene Ruhe nicht in die Welt, also auch nicht auf Rügen zurückgekehrt, der gewaltige Eroberer in Frankreich war erst gedemüthigt bezwungen und vollends zu Boden geworfen war er noch lange nicht, und um auch das zu bewerkstelligen, wurden ganz Deutschland, England, Rußland und Schweden in die Schranken gerufen.
Alle vier Länder waren im Anfang des Jahres 1813, wie bekannt, in eine enge Verbindung getreten, aus der später die sogenannte heilige Alliance hervorging, um den in das Herz Deutschland's wieder vorgedrungenen Feind gänzlich hinauszuwerfen. Zu diesem Zweck landete der Kronprinz von Schweden im März, bald nach Abzug der Franzosen, mit einem schwedischen ArmeeCorps von 24,000 Mann in Pommern, das sich mit einem preußischen Corps unter Bülow und Tauenzien und einem russischen, englischen und deutschen unter Walmoden vereinigte und so eine 150,000 Mann starke Armee bildete, die unter den Befehlen Bernadotte's Norddeutschland gegen alle Angriffe decken sollte.
Da die beiden pommer'schen Regimenter, deren wir früher Erwähnung gethan, um diese Zeit noch in französischer Gefangenschaft schmachteten, so befahl die Regierung zu Stralsund am 31. März 1813 die schleunige Errichtung einer schwedisch-pommer'schen Landwehr, worauf acht Tage später zwei schwedisch-pommer'sche Legionen gebildet wurden, die größtentheils aus Freiwilligen bestanden, die sich selbst ausrüsteten. Im Laufe des Monats April wurde die Landwehr ausgehoben, und so standen zwei Regimenter wieder schlagfertig da, die der Oberst der Leibgarde, Graf Ritterstolpe, befehligte. Sie, wie jene beiden Legionen schlossen sich den schwedischen Truppen in dem nun folgenden Befreiungskriege an und theilten ihre Siege und ihren Ruhm, der noch heutzutage unter der jüngeren Generation in treuer Erinnerung fortlebt.
Aber noch einmal sollte Pommern und Rügen in einen unerwarteten Schrecken versetzt werden, als es hieß, die Franzosen rückten unter den schrecklichen Marschällen Davoust und Vandamme mit 14,000 Mann über Mecklenburg gegen Pommern vor, welches damals von befreundeten Truppen entblößt war, da der Kronprinz von Schweden mit seinem ganzen Corps in der Gegend von Berlin operirte.
Schon waren die wenigen Schweden, die unter General Vegesack zur Deckung Pommern's und Stralsund's in Mecklenburg standen, bei Rostock zurückgedrängt, und flüchtende Familien aus Mecklenburg setzten ganz Pommern in die heftigste Bestürzung. Da aber schreckte die nach Blut und Beute lechzenden französischen Marschälle der bei Großbeeren errungene Sieg nach Hamburg zurück, und Pommern wie Rügen waren somit einer vierten Besitznahme durch die Franzosen glücklich entgangen.
Wie bekannt, führten nun die rasch aufeinander erfochtenen Siege von Großbeeren, Dennewitz, Culin, Leipzig und die in demselben Jahre in Frankreich selbst errungenen Triumphe im Jahre 1814 den Frieden mit Frankreich herbei, welcher am 30. März in Paris seinen Abschluß erhielt. Erst sechs Wochen später kehrten die 1812 nach Frankreich als Kriegsgefangene abgeführten beiden pommer'schen Regimenter nach ihrem Vaterlande zurück.
Auch mit Dänemark endlich, das bis nach der Schlacht bei Leipzig mit Frankreich alliirt blieb, schloß Bernadotte am 14. Januar 1814 in Kiel Frieden, zufolge dessen Dänemark Norwegen an Schweden abtrat, aber dafür Vorpommern und Rügen erhielt.
Diesen Tausch hatten die Rügianer am wenigsten erwartet und gewünscht, denn Dänemark waren sie von allen Mächten am wenigsten zugethan. Glücklicherweise für sie wurde das Resultat des Kieler Friedens durch den Wiener Congreß umgestaltet, der vom October 1814 bis zum Juni 1815 dauerte, und auf welchem man sich bemühte, die Territorialangelegenheiten Deutschland's und die politischen Verhältnisse Europa's in Anwesenheit aller Fürsten der kriegführenden Mächte zu ordnen und für alle Zukunft zu bestimmen.
Auf diesem Wiener Congresse traten die Verhältnisse ein, die noch heute bestehen. Das einstweilen als Entschädigung für Norwegen der Krone Dänemark zugesprochene schwedische Pommern wurde von Dänemark an Preußen abgetreten, und dafür erhielt jenes das an Holstein gränzende Herzogthum Lauenburg.
So war denn, nachdem auch der letzte Angriff Napoleon's nach seiner Rückkehr von Elba im Jahre 1815 bei Belle-Alliance siegreich zurückgeschlagen und der ruhmreiche Kaiser nach St. Helena abgeführt war, der Friede in die hart gedrückte Welt zurückgekehrt, und haben wir nun in flüchtig skizzierter Darstellung das Schicksal der kleinen Insel Rügen von Anfang an bis zu dem Ende verfolgt, wo sie unter die Herrschaft der preußischen Königskrone gelangte. Hoffen wir denn, daß der Friede und Segen, der seit jener Zeit mit Gottes Beistand auf ihr ruht, dauernd sein, daß ihr Wohlstand und ihre Zufriedenheit unter einer einsichtsvollen und gerechten Regierung wachsen und gedeihen und ihre Bevölkerung unter dem Segen der Arbeit, des Fleißes und der frommen väterlichen Sitte in jeder Beziehung sich glücklich fühlen möge, wie es Gott der Herr gewollt hat, indem er sie so fern von der deutschen Muttererde auf ihre kleine Heimat verpflanzte und ihr in seiner Vatergüte ebenso viel Genügsamkeit wie Reichthum an irdischer Schönheit und Herrlichkeit verlieh. Uns bleibt für jetzt nur noch übrig, mit treuer Hingebung die Geschicke derjenigen Personen zu verfolgen, die wir in dem Rahmen dieser Erzählung aufgestellt haben, und dabei zu erfahren, wie ihr Loos und ihre Verhältnisse sich gestalteten, nachdem die Kriegstrompete ihre Fanfaren ausgeschmettert und die süße Ruhe zu ihnen zurückgekehrt war, die sie so lange mit blutendem Herzen entbehrt hatten.
Zu diesem Zwecke betreten wir noch einmal das stille Kiekhaus bei Sassenitz, in dem wir unsere Erzählung begonnen haben, und in das wir die Hauptscenen des Schlusses derselben auch wieder zurückverlegen müssen.
Waldemar Granzow war erst im Frühsommer des Jahres 1815 zu den Seinigen zurückgekehrt, bis dahin war er auf dem schwedischen Schiffe geblieben und hatte alle Gefahren, denen dasselbe auf seinen Kreuzfahrten gegen Dänemark und Frankreich, sowohl zwischen den dänischen Inseln wie später im britischen Kanal an der französischen Küste ausgesetzt gewesen, siegreich bestanden, weshalb er auch zum ersten Lieutenant auf demselben avancirt war. Im Jahre 1813 aber, als Schweden seine überzähligen Schiffe demobil machte, sie in die Häfen zog und abtakelte, wurde der größte Theil ihrer Mannschaften entlassen und nur Wenigen freigestellt, in der schwedischen Marine weiterzudienen, falls sie Neigung dazu hätten. Auch Waldemar gehörte zu diesen Wenigen, allein da er sich im Herzen mehr zu Deutschland als Schweden gezogen fühlte, seine alten Eltern auch nicht in ihrem stillen Häuschen allein lassen wollte und von Sehnsucht nach seiner Heimat verzehrt wurde, so zog er es vor, den schwedischen Dienst zu verlassen und einen neuen Wirkungskreis im Vaterlande zu suchen. So kehrte er denn Ende Juni nach Rügen zurück und fand seine Eltern im besten Wohlsein vor, zumal die Freude über den endlich errungenen Frieden und die Hoffnung auf ferner ungetrübtes Glück sie gegen die Stürme des Alters aufrecht erhalten, wozu ihre gesunde Natur unendlich viel beigetragen hatte.
Dem alten Strandvogt merkte man kaum an, daß er, seitdem wir ihn zum ersten Mal sahen, sechs Jahre älter geworden war; zwar hatte sein Haar völlig die Farbe des Schnees angenommen, aber seine leibliche und geistige Kraft war ungebrochen, und sein energisches Gesicht strahlte noch immer die alte Heiterkeit und Lebensfrische aus, die er in allen Stürmen seines Lebens unverwüstlich bewahrt hatte.
Auch Mutter Ilske zeigte keine äußerliche Spur irgend eines Verfalls; ihr Gang war noch ebenso rasch und leicht, ihre Haltung noch ebenso ungebeugt, und ihr selbst im Alter schönes Gesicht hatte noch immer die angenehmen Merkzeichen eines früheren rosigen Teints und namentlich die Milde und Ruhe des Blicks bewahrt, was man bei schönen nordischen blauen Augen so oft bis in's späteste Alter beobachtet.
Wenn der Frohsinn der beiden Alten von Zeit zu Zeit verdüstert wurde, so war allein das noch immer unklare Geschick ihres einzigen Sohnes, dessen Wiederkehr sie mit unendlicher Freude begrüßt hatten, daran schuld, denn daß dieser in der Tiefe seines Herzens noch nicht vollständig beruhigt und beglückt war, sahen sie sehr bald, nachdem er die Schwelle ihres Hauses wieder betreten hatte. Mit stiller Wehmuth unterhielten sie sich oft Abends spät, wenn sie allein oder schon zur Ruhe gegangen waren, von ihm und seinen Absichten, und die Hoffnung wurde immer von Neuem in ihnen wach, daß nur eine Verbindung mit Hille ihn ganz dem frohen Leben zurückgeben könne, dem er bisher noch immer entzogen war.
Dieser Verbindung aber stellte sich vor wie nach sein von edler Gesinnung zeugendes Vorurtheil entgegen, nicht um ein Mädchen freien zu wollen, das ihm an äußeren Mitteln so weit überlegen war, und dem er in der Lage, in welcher er sich jetzt befand, noch weniger als früher eine heitere Existenz und eine sorgenfreie Zukunft bieten konnte.
Hille Vangerow selbst hatte einen großen Theil der beiden letzten Jahre im Kiekhause verlebt, mit Geduld und Ergebung die Zeit erwartend, wo der Friede in das Land und die Ruhe in ihr Gemüth zurückkehren werde. So war sie den beiden Verwandten an jedem Tage ein Trost, eine Freude und auch ein Sporn zur Zufriedenheit mehr gewesen, und nur ungern hatte man sie im April des Jahres 1815 wieder von Sassenitz scheiden sehen, wo sie erklärte, sie müsse jetzt nach Bakewitz wandern, um dort ihre eigenen Verhältnisse zu ordnen und zu lichten, da der Pächter des ererbtem Gutes die Absicht verrathen habe, die Pacht aufzugeben, die mit dem Jahre 1815 abgelaufen war.
So finden wir denn die beiden Alten im Kiekhause, als Waldemar dahin zurückkehrte, allein, und mit offenen Armen empfingen sie ihn und hörten fröhlichen Herzens die Erzählungen mit an, die er ihnen von seinen Fahrten und Erlebnissen zu Theil werden ließ. Erst mit ihm und dem Friedensfrühling, der ja zugleich mit ihm kam, war Freude und Behagen in das stille Häuschen eingezogen, die selbst die neuen, rasch am Horizont des Lebens vorüberfliegenden Vorgänge in Frankreich nicht trüben konnten. Als man nun aber vernahm, daß Rügen an Preußen gefallen sei, das durch seine großartige Erhebung und seine ruhmvollen Siege in der Meinung Europa's wieder zu einer Großmacht herangewachsen war, da fühlte man sich gegen alle ferneren äußeren Stürme geschützt, und nur die kleinen inneren Kämpfe waren noch zu überwinden, die in dem engen Bereich der Familie, gleich drohenden Wölkchen am Horizont des Himmels, bald nach Waldemar's Rückkehr auftauchten.
Nachdem Dieser einige Tage im Hause seiner Eltern zugebracht und den Lauf der dortigen Verhältnisse mit zufriedenem Auge betrachtet hatte, fing es plötzlich an in seinem Innern zu gähren und zu treiben, wie wenn eine Schlacke sich in ihm abstoßen und sein im Stillen nagender Kummer mit Gewalt seine Fesseln sprengen wolle. Alles um ihn her lachte und glänzte in heiterem Sonnenschein der Behaglichkeit und Zufriedenheit, die Eltern waren glücklich, ihn bei sich zu haben, der Vater förderte seine wieder aufgenommene Arbeit auf dem Meere, am Strande, im Kreise seiner Untergebenen und Freunde, die Fischer verrichteten ihr Geschäft auf der See und die großen Schiffe der Engländer, Deutschen und Schweden durchfurchten rastlos die blaue Fluth, die sich belebter zeigte, als sie seit Menschengedenken gewesen war. Auch das neu erworbene Vieh tummelte sich auf den so lange öde gelegenen Weiden, und so war Alles wieder in das alte, gewohnte Geleise zurückgekehrt, das dem ruhig strebenden Menschen so wohlthätig ist, wenn es mit Frieden und Zufriedenheit im Innern gepaart betreten wird.
Nur Waldemar selbst nahm an allen diesen Vorgängen sehr wenig Theil. Er, der früher so gern unter Menschen geweilt, ihre Freuden durch Mitgenuß erhöht und ihr Weh durch ernsten Zuspruch gemildert hatte, floh jetzt, so oft es ging, den Verkehr mit denselben und zog sich in die Einsamkeit und in sich selbst zurück. Den glänzenden Rock seines kurzen schwedischen Kriegerlebens hatte er lange abgelegt und wieder seine gewöhnliche Seemannstracht hervorgeholt, um nicht etwas zu scheinen, was er seiner Meinung nach längst nicht mehr war. In dieser ihm bequemen und aus alter Gewohnheit lieb gewordenen Kleidung sah man ihn oft schon Morgens früh das Kiekhaus verlassen und die einsamste Stelle des Waldes aufsuchen, wo er entweder auf einer Felskuppe saß, die hoch über das Meer emporragte und seiner sehnenden Seele einen weiten Spielraum gestattete, oder er begab sich tief in die nie erhellten Schatten der Stubnitz, wo er auf den moosbewachsenen Steinen ruhte, die seine Voreltern vor Jahrhunderten aufgestellt hatten, oder er schwärmte in den Gebüschen umher, die nur der Jäger und das flüchtige Thier des Waldes betrat, um vor den blutdürstigen Menschen, die ihm nur Unheil und Verderben bringen, Schutz zu suchen.
Wohin schaut er von dieser hohen Strandklippe aus? Nach Norden oder Süden? Denkt er an den lange ruhig schlummernden Freund im Norden oder an das holdselig gestaltete Mädchen im Süden, das ihm so oft seine aufopfernde Liebe bewiesen hat? Wohl möglich, daß er an beide denkt, indem er sich sagt: »Wenn Magnus am Leben geblieben wäre, hätte ich Mittel und Wege gefunden, das Mädchen zu gewinnen, welches der Stern meines Lebens geworden ist und das mich mit seinem blauen Auge verfolgt in den Träumen bei Nacht und in den Gedanken bei Tage! O, wie begreife ich jetzt, was ich bei Magnus nie begreifen konnte, daß ein solches Weib, wenn es mit der Seele des fühlenden Mannes einmal verwachsen ist, sein ganzes Wesen erfüllt, jeden seiner Schritte begleitet und allen seinen Handlungen ein eigenthümliches Gepräge aufdrückt, einen bestimmten Zweck und eine gewisse Absicht unterlegt. O, aber welch lähmender, demüthigender Gedanke, daß nur ein Anderer mir den Besitz dieser Hille verschaffen konnte, daß ich nicht selbst Mann genug war, den Platz an ihrer Seite zu gewinnen! Und doch ist es so. Alle meine Hoffnungen, die ich vor Jahren hegte, im Kampfe um das Wohl meines Vaterlandes mir eine Stellung zu erringen, die mir die Mittel böte, ein Haus zu gründen und Hille glücklich zu machen, sind wieder vernichtet, seitdem der Friede in die Welt zurückgekehrt ist und Alles mit Wonne, Zufriedenheit, Arbeit und Segen erfüllt. Wie gerne wollte ich auch arbeiten, streben, ringen, so weit meine Kräfte reichen, und meine Kräfte sind nicht gering, mit denen anderer Menschen verglichen, aber der Gedanke lähmt vor allen meine Zuversicht, daß es mir schwer werden dürfte, eine Stellung zu erobern, die derjenigen entspräche, die Hille in den Augen der Menschen einnimmt. Denn sie ist wohlhabend, im Besitz schöner Ländereien, von Haus und Hof. Das erobert selbst ein fleißiger und kluger Mann nicht im Sturmschritt, das wächst ihm nur langsam zu nach langer redlicher Arbeit, und bis es mir gelingt, Haus und Hof zu erwerben, sind wir alte Leute geworden, da ich ihr doch nicht zumuthen kann, mit dem Erwerbe eines Seemanns zufrieden zu sein, der für geringen Lohn den Tag über im Dienste Fremder arbeitet. Nein, das paßt nicht für mich, ich muß an etwas Anderes denken. Hätte ich nur einige Mittel, ich schaffte mir ein eigenes Schiff und führe damit über's Meer, um Schätze zu gewinnen, nicht um sie zu haben und darauf wie auf breiten Polstern zu ruhen, sondern um sie vor Hille's strahlenden Augen auszubreiten und ihr zu sagen: Sieh, schönes Mädchen von Sassenitz, das Alles ist mein und Du sollst es mit mir theilen, denn für Dich allein hab' ich es redlich erworben.
O daß mein Herz von Jugend auf gewohnt ist der Liebe, die von Außen hereinströmt und es erfüllt mit dem köstlichsten Gefühle, welches dem Menschen auf Erden zu Theil ward! So lange ich Magnus hatte, entbehrte ich diese Liebe nicht, als er aber todt war und kalt an meiner Seite vor meinen strömenden Augen lag, da ward ich mir der Leere bewußt, die er in meinem Gemüthe ließ, und alle meine Gedanken wandten sich auf sie hin, die jetzt der Inbegriff aller meiner Wünsche und Hoffnungen ist. Das ist nun schon beinahe fünf Jahre her und fünf Jahre irre ich suchend und hoffend in der Welt von einem Orte zum andern, und noch immer habe ich nicht gefunden, was ich suchte, wonach ich spähte. Meine armen Eltern sind auch dabei zu beklagen. Sie sehen durch die Wandung meiner Brust und kennen die bittere Fülle, die mein Herz überquellen macht. Fast schäme ich mich vor ihnen, immer wieder Abends an ihre Thür zu klopfen und von ihrem schwer erworbenen Brode zu zehren. Sie geben es mir zwar gern, ich weiß es, sie wünschen mir überhaupt das Beste, aber helfen können sie mir eben so wenig, wie ich mir selber, obwohl ich manchmal denke, die Mutter trage ein Geheimniß für mich in sich, das, wenn sie es nur sagen wollte, mir zum Glücke verhelfen könnte. Aber beinahe errathe ich, was das für ein Geheimniß ist. Geh hin zu Hille, sagt mir ihr mütterliches Auge, und bekenne ihr Deine Neigung und wirb um sie, und Hille wird das Ihrige mit Dir theilen, denn sie ist gut und brav und hat ein Gefühl für so treue Zuneigung. Ach ja, das glaube ich wohl, aber ich kann mich nicht zu diesem Entschlusse bezwingen, die Zunge würde mir ihre Dienste versagen, wollte ich sie zu solchem Geständniß nöthigen. Und doch wird es Zeit, daß ich einen ernstlichen Schritt thue, oder ich muß mich wieder nach Schweden wenden, um noch einmal den mir angebotenen Dienst zu versuchen. Das wäre am Ende das Klügste und soll heute, morgen und übermorgen bedacht werden, denn ich bin achtundzwanzig und Hille ist vierundzwanzig Jahre alt, es wird also Zeit, daß wir unsere Zukunft befestigen, sonst entschlüpft sie mir; geht mir aber auch Hille verloren, so habe ich nichts mehr auf dieser Welt, was mich reizt und spornt, und ich könnte mich eben so gut neben Magnus betten, den auch nichts reizte und spornte, seitdem ihm Gylfe abtrünnig geworden war.
Also Schweden! Hm! Ja, das muß bedacht werden. Heute will ich noch nicht mit den Eltern darüber reden, auch morgen und übermorgen noch nicht, aber dann werde ich selbst mit mir einig geworden sein und sie sollen mir ihren letzten Rath ertheilen.
Mit solchen Gedanken trieb sich Waldemar eines Tages im Walde der Stubnitz um; er machte absichtlich weite Wege, um sich zu ermüden und des Nachts schlafen zu können, aber diese Gänge erhitzten und regten ihn mehr auf, als sie ihn abkühlten und beruhigten, es war, als ob seine physische Kraft zunehme, je mehr er die geistige in Thätigkeit setzte, und als ob er nicht mehr des wohlthuenden Schlafes bedürfe, um sich zur Arbeit des nächsten Tages zu stärken und seine Hoffnungen von Neuem aufleben zu lassen.
Seine Eltern, die, ohne mit ihm darüber zu sprechen, den ganzen Zwiespalt seiner Seele sahen und den innigsten Antheil daran nahmen, wußten nicht, wie sie ihm rathen und beistehen sollten. Wohl waren sie recht traurig, schüttelten die Köpfe und flüsterten leise untereinander, wenn sie allein waren, aber in seiner Gegenwart sprachen sie nichts, sondern warteten nur geduldig ihre Zeit ab, denn daß diese kommen und ihnen und ihm helfen würde, das wußten sie, da sie ihren Sohn kannten, dessen Thatkraft endlich einmal zum Durchbruch kommen mußte, wenn er lange genug nachgedacht und gegrübelt hatte.
So standen die Sachen, als Waldemar eines Nachmittags wiederum vom elterlichen Hause entfernt war und einen weiten Spaziergang am Jasmunder Oststrande entlang nach Stubbenkammer unternommen hatte, um eine Viertelstunde nördlich hinaus eine Meierei zu besuchen, die dem Grafen Brahe gehörte und auf der er eine Art Musterwirthschaft hatte einrichten lassen, um den Bewohnern des umliegenden Landes in der Bebauung der Felder und der Züchtung des Viehes mit gutem Beispiele voranzugehen. Waldemar hatte schon in früheren Jahren mit Magnus diesen Ort Blankenau war sein Name immer gern besucht und viele süße Erinnerungen seiner glücklichsten Jugendzeit knüpften sich daran, da namentlich dort die innige Freundschaft zwischen beiden jungen Männern sich entwickelt hatte oder zum Ausbruch gekommen war. Er lag hart am Meere auf dem hohen Strande, ungefähr an der Stelle, wo das Kreidefelslager in Lehm- und Sandformation überging, bot eine herrliche Aussicht auf das weite Meer, hatte herrliche Waldungen um sich her und Ackerland, Wiesen und Viehtrift, so schön, wie kaum das beste auf Wittow war. Dicht am hohen Ufer aber erhob sich das gräfliche Wohnhaus, nicht kostbar und reich, aber ungemein wohnlich und bequem eingerichtet, denn der alte Graf hatte es für sich und die Seinigen zum Sommeraufenthalt bestimmt, wenn er einmal längere Zeit auf seinen Gütern in Jasmund zubrachte und, von allem geräuschvollen Verkehr der Welt zurückgezogen, sich und der reizenden Natur leben wollte.
Kaum hatte Waldemar den Eltern seinen Entschluß ausgesprochen und ihnen Lebewohl gesagt, so sollte etwas im Hause geschehen, was weder er noch jene erwartet hatten, und was von der Vorsehung bestimmt war, einen gewaltigen Umschwung in ihren so trüben Verhältnissen herbeizuführen.
Der Strandvogt hatte eben sein Mittagsschläfchen begonnen, denn es war ein heißer Tag, und Mutter Ilske saß auf ihrem Stuhle am Fenster, besserte Wäsche aus, blickte zuweilen über die See und seufzte leiser oder lauter, je nachdem ihre sorgende Seele bald mehr oder minder um das Wohl ihres Sohnes in Kümmerniß verfiel.
In diesem Augenblick erklang im Garten vor dem Hause eine laute Stimme, welche die alte Trude nach etwas zu fragen schien. Bald daraus ward die Hausthür geöffnet und ein schwerer Schritt näherte sich dem Wohnzimmer.
Mutter Ilske, die an diesem schweren Schritte einen der Lootsen vom Strande zu erkennen glaubte und ihren Mann nicht gern aus seiner gemüthlichen Mittagsruhe stören lassen wollte, stand schnell vom Stuhle am Fenster auf und trippelte zur Thür, um den Besuch vom Wohnzimmer abzuwehren. Aber da lag schon eine feste Hand auf dem Drücker und drehte ihn so kräftig um, daß der Schläfer erwachte und erschrocken emporfuhr, Mutter Ilske dagegen erzürnt dem so heftig Eindringenden entgegentrat, um ihm seine Störung zu so ungelegener Zeit, ernstlich zu verweisen. Aber wie betroffen fuhr sie zurück und mit wie großen Augen starrte der Strandvogt diesem Besuche entgegen, als er nun in ganzer Person über die Schwelle trat und dabei seine riesige Gestalt tief beugen mußte, um den kahlen Schädel nicht an den Türpfosten zu stoßen.
»Adam Sturleson!« riefen die beiden Alten in einem Athem und sprangen dem lieben und so lange nicht gesehenen Verwandten mit freudig bewegtem Herzen entgegen.
»Ja, Adam Sturleson, der alte Schwede aus Pulitz ist es selber, Base Ilske und Vetter Granzow!« rief der brave alte Pächter und streckte seine Hände dem Ehepaar entgegen. »Grüß Euch Gott, Kinder, da bin ich, mit Haut und Haaren, wie mich der Schöpfer erschaffen hat, und ich komme mit einem Gruß von meiner Alten, um einmal zu sehen, wie es bei Euch steht und geht, nachdem wir den Frieden wieder haben, und anzufragen, ob Euch der lange Krieg auch keine ernstliche Beule geschlagen hat und Ihr guten Muthes und Gott vertrauenden Herzens seid? Heda, alter Knabe Granzow, ich sehe es, Sie sind ja noch ganz wohl aufgetakelt, und Ihr, Frau Base, habt Euch gewiß mit dem französischen Firlefanz vor dem großen Spiegel da die Wangen bemalt, denn, straf mich Gott, wenn wir beide noch ledig wären, könnte ich mich verlieben in Euch, so jungwangig und strotzig seht Ihr aus!«
Die beiden Bewohner des Kiekhauses lächelten sich freudig an bei diesem Gruße, denn sie waren es schon gewohnt, den alten Freund so heiter sprechen und scherzen zu hören, und sahen ein, daß er unter allen Gefahren und Beschwerden der vergangenen Zeit noch ganz der Alte geblieben war.
Nachdem nun aber der alte Schwede auf dem bequemsten Sitze im Zimmer Platz genommen und der wieder heimisch gewordene Kaffee in alter Fülle aufgetragen war, goß Mutter Ilske rasch die altmodischen Tassen mit dem dampfenden Getränke voll, und dann saßen sie alle Drei beieinander und erzählten sich des breiten und langen, was ihnen die Zeit hindurch begegnet war, seitdem sie sich zum letzten Male gesehen hatten, was vor ungefähr anderthalb Jahren geschehen, als Waldemar noch auf dem Schwedenschiffe diente. Sehr bald war daher Vetter Sturleson mit dem allgemeinen Gange der Dinge im Kiekhause vertraut, und er hörte mit Ruhe zu, bis die gute Base mit ihrer Erzählung zu Ende gekommen war; dann aber sah man ihm an, daß er mit seinen Gedanken vorwärts eilte, da ihm offenbar noch ein andrer Zweck, als der des bloßen verwandtschaftlichen Besuches auf der Seele brannte.
»Nun ja,« sagte er zum Schluß, »da habt Ihr mich also wieder, nachdem wir mit Gottes Hülfe den Frieden erlangt, nach welchem wir so lange geseufzt, und ich hoffe, nun werden wir uns wieder öfter besuchen, da keiner von uns mehr wie ein Knecht eines unerwünschten Herrn an sein Haus gebunden ist. Ja, Kinder, den großen Kaiser von Frankreich werden wir nun mit seinen Schelmen von Marschällen und Trabanten so wenig wiedersehen, wie ich meinen kleinen Kaiser von Pulitz wiedergesehen habe, denn den Ersten haben sie auf eine und den Letzten um eine Insel gebracht, die beide vorher nicht im Traume erblickt hatten. Das ist der Humor davon, und so ist nun einmal der Welt Lauf. Ha, ja, was waren das für Zeiten, die nun endlich hinter uns liegen! Wie ist da Alles drunter und drüber gegangen, und was haben wir kleinen Leute im Herzen erduldet! Hol' mich der Geier, es stand arg mit der Welt, die Großen haben diesmal auch ihr Theil abgekriegt, und die Erde hing nur noch an einem einzigen Faden im Weltenraume, und wenn der gerissen wäre gewackelt und gekracht hat er schon dann wären wir alle im leeren Raume herumgezappelt und hätten mit den Vögeln um die Wette fliegen oder mit den Fischen um die Wette schwimmen können! Na, die Furcht sind wir nun los und noch einmal mit heiler Haut davongekommen. Meine hohe Pacht habe ich auch nur bis Anno Zwölf bezahlt, da nahm der Schwedenkönig Pulitz wieder in Besitz, und der rothnasige Burgunderkaiser hat nichts wieder von sich hören lassen. Gott hab' ihn selig! Er hat mir doch eigentlich mehr Spaß als Verdruß gemacht!«
»Den Wald von Pulitz abgerechnet!« schaltete der Strandvogt mit bedeutsam aufgehobenem Finger ein.
»Vetter!« rief der alte Schwede entflammt. »Was war das für ein Wort! Von meinem Walde sprecht mir nicht, sonst krampfen sich meine Eingeweide zusammen, und meine Fäuste ballen sich, als wollten sie Alles rings umher in Scherben schlagen. Nein, davon schweigt mir, wenn Ihr mich bei guter Laune erhalten wollt, laßt mich lieber von Euerm Sohne Waldemar hören, dem ich nun auch so lange nicht mehr die Hand geschüttelt habe. Ha, was macht der Junge, nachdem ihm sein Freund, der blasse Graf, abhanden gekommen ist? Ich wundere mich schon lange, daß ich ihn nicht sehe, und doch soll er wieder hier sein, wie man mir gesagt hat.«
Mutter Ilske stieß einen leisen Seufzer aus, und der Strandvogt kraute sich mit verblüfftem Gesicht hinter den Ohren, als besänne er sich, was er darauf erwidern sollte.
»Nun,« fing der alte Schwede wieder an, als die beiden Alten verlegen schwiegen und sich fragend anblickten, »Ihr sprecht ja nicht und seht Euch so verdutzt an. Ihm ist doch kein Unglück begegnet? Das sollte mir leid thun, denn ich habe den Jungen so lieb, wie mein eigenes Fleisch, wie ich es wenigstens haben würde, meine ich, wenn mich Gott damit gesegnet hätte. Nun, wird's bald mit der Antwort?«
»Ach, Vetter!« erwiderte die Mutter mit trübseligem Gesicht, »mit unserem Waldemar geht es uns beinahe wie Euch mit Eurem Walde verzeiht, daß ich Euch noch einmal daran erinnere.«
»Was? Er ist Euch doch nicht gefällt? Das verhüte Gott!«
»Nein, nein doch!« rief der Alte, mit komischer Grimmgeberde gegen seine Frau hantirend. »Die Alte spricht, glaube ich, vor Freuden unklug, weil sie Euch so unverhofft sieht und Ihr ihr eine so schöne Schmeichelei gesagt habt, die Euch gewiß der Franzose mit der Burgundernase beigebracht. Aber mit meinem Jungen, Sturleson, ist es allerdings nicht richtig, er läuft mit gesenkten Ohren mehr im Walde umher, als die Hasen der Stubnitz, und kann das warme Nest nicht finden, wo er sich gern niederlegen und ruhen möchte von der erlebten Angst und Noth.«
»So ah! Also so steht die Sache! Und Hille, wo ist denn die?«
»In Bakewitz, wo sie immer war, wenn sie nicht bei uns lebte,« sagte die Mutter seufzend.
»In Bakewitz! So, so! Und der Junge ist noch nicht bei ihr gewesen, wie? Und hat ihr noch nicht sein Herz und seine Hand angetragen, he? Hab' ich Recht oder Unrecht?«
»Ihr habt sehr Recht, Vetter,« erwiderte Mutter Ilske, »denn er ist noch nicht bei ihr gewesen, und das ist eben unser Kummer, da wir ihn doch nicht mit Gewalt hinschicken können. Ach, hätte er sie erst einmal besucht, so würde er, ich weiß es gewiß, mit freudigem Gesichte wiederkommen, und das Nest wäre gefunden und sein unstätes Umhertreiben würde ein Ende haben, wie der Wind, der sich immer einmal wieder beruhigt, wenn er eine Zeit lang stürmisch genug geweht hat. Aber dahin ist er nicht mit Güte zu bringen. Er hält es in seinem edlen Herzen für eine Schande, um ein Mädchen zu freien, das ein Gut hat und reich ist, wogegen er ihr nichts bieten kann, als seine starke Hand und sein redliches Herz.«
»Oho! So, so!« sagte der alte Schwede schmunzelnd und durch die Zähne pfeifend. »Bläst der Wind aus der Richtung! Haha, das ist zum Lachen! Nun freilich ist mir Alles klar. Also hier ist Krieg, noch immer Krieg, wo rings herum schon Friede ist! Soll das etwa die Feier sein, die das ganze Land begeht, daß es nun endlich zu Deutschland gekommen, wohin es von Gottes und Rechts wegen gehört, und was es so lange gewünscht hat? Halloh, auf Euern Posten, Kinder! Old England erwartet, daß Jedermann seine Schuldigkeit thue, hat Nelson bei Trafalgar gesagt, und Euer Junge hat wacker mit ihm gefochten und damals auch seine Schuldigkeit gethan. So soll er sie jetzt auch thun, dafür laßt den alten Schweden sorgen. Ha! Wie ist mir denn mit einem Male so spaßhaft zu Muthe! Der herrlichste Wind bläst mein ganzes Schönfahrsegel auf, und alle Wimpel flattern, daß es eine Lust ist. Juchhei! Donner und Wetter! Was kommt mir da für ein verteufelt hübscher Gedanke!«
Und er stand auf und ging eine Weile mit langen und dröhnenden Schritten im Zimmer auf und ab, lächelte dazwischen heiter, und dann stieß er plötzlich einen fürchterlichen schwedischen Fluch aus, ergriff den Strandvogt, der ihm zunächst stand, am Arme und sagte mit scherzhaft flüsternder Stimme, als ob die Wände nicht einmal hören sollten, was er sprach:
»Hört mal, Vetter, ich wollte erst bis morgen oder übermorgen bei Euch bleiben und mir das Herz rein sprechen von Allem, was ich für Euch darin gesammelt, und es war ein bischen Viel, denke ich. Nun aber habe ich mich anders besonnen und werde Euch in einer Stunde etwa verlassen. Oder denkt Ihr, daß der Junge noch früher von seinem Gange heimkehrt?«
»O nein, o nein,« erwiderte seufzend der Vater, »der kommt nicht vor sinkender Nacht, denn das ist so seine unglückliche Gewohnheit jetzt.«
»So, so, ja, ja! Dann habe ich auch noch eine Stunde länger Zeit. Aber hört, sagt ihm heute Abend, wenn er kommt, kein Wort, daß ich hier gewesen bin, noch weniger, wovon wir gesprochen haben. Ich will einmal meine Siebenmeilenstiefel anziehen und noch heute nach Mönchgut wandern, um zu sehen, wie in dem warmen Neste da die Sachen stehen.«
»Nach Mönchgut? Was wollt Ihr denn da machen, Vetter?«
»Ei, das werdet Ihr schon erfahren, wenn es an der Zeit ist. Ich kam, um es Euch offen zu sagen, nicht um Euch allein hierher, auch Euern Waldemar wollt' ich sprechen und ihm ein Wörtchen in's Ohr flüstern, was ihm vielleicht angenehm geklungen hätte. Aber nun, da ich sehe, wie es in ihm blitzt und donnert, will ich mir einmal einen Spaß mit ihm machen, einen Spaß, Donner und Wetter! wie er gut thut nach so langer Sorge und Noth. Ihr werdet es erleben, das wird helfen, und der Sturm in ihm wird sich zur sanftesten Brise legen, sein schönes Schiff wird wieder unter vollem Winde segeln, und er soll Euch eine Freude machen, wie ich mir selber eine machen will. So soll sich der alte Schwede bewahren, wie er sich immer bewährt hat, und Ihr sollt mir nicht sagen, daß ich Euer Haus über das meinige vergessen habe.«
Die beiden Alten blickten ganz verwundert sich und den Vater Sturleson an, dessen Gesicht einen wahrhaft triumphirenden Ausdruck angenommen hatte und dessen Auge blitzte, wie es ehemals in den nordischen Schlachten mochte geblitzt haben. So viel sie aber auch in ihn drangen und seine Absicht zu erfahren trachteten, er war und blieb undurchdringlich wie eine bombenfeste Mauer, und nachdem er sich noch weidlich an den nahrhaften Speisen erquickt, die man ihm vorgesetzt, zog er, wie er sagte, seine Siebenmeilenstiefel an, das heißt, er schüttelte den beiden Alten die Hände, daß ihre Gelenke krachten, und schritt mit einem heimlichen Lächeln davon, als wüßte er vorher, daß er nur ein leichtes Stück Arbeit vor sich habe.
Der Strandvogt und Mutter Ilske aber blieben in einer ungewöhnlichen Aufregung zurück, da sie sich auf keine Weise das Vorhaben des alten Freundes erklären konnten, mochten sie auch noch so viel darüber hin und her denken. Aus diesem Grunde waren sie auch nur wenig geneigt, mit Waldemar heute noch zu reden, als dieser am späten Abend von seinem Ausfluge heimkehrte, schweigsam wie immer sein Abendbrod verzehrte und nach wenigen Worten die guten Alten verließ, um auf seine Kammer zu gehen, die im östlichen Giebelraume lag und die entgegengesetzte Seite des Hauses einnahm, die sonst Hille bei ihrer Anwesenheit im Kiekhause bewohnt hatte.