Ludwig Fulda
Der heimliche König
Ludwig Fulda

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Zweiter Aufzug

Dieselbe Dekoration

Erster Auftritt

Sigune (kommt von rechts Mitte. Gleich darauf) Peredur.

Sigune (eintretend, sieht sich um, spricht dann zurück)
Hoch steht die Sonne, Liebster. Wir vergaßen
Der Zeit.

Peredur (eintretend)
              Ich wollt', es wär' noch immer Nacht.

Sigune Hielt ich nicht Wort? Hab' ich dich nicht bewacht
Mit höchster Sorgfalt?

Peredur                           Über alle Maßen.

Sigune (leiser)
In meiner eig'nen Kemenate!
Die Fessel meiner Arme war zu dicht;
Da konntest du nicht flieh'n.

Peredur                                     Und wollt' auch nicht.

Sigune (sich an ihn schmiegend)
So dank' ich nun die Rettung deinem Rate;
So dank' ich meiner Tollheit nun das Glück.

Peredur (sie umschließend)
Sigune! 55

Sigune         Peredur!

Peredur                     Bin ich im Traume?
War's gestern, als ich unterm Weidenbaume
Die Kühe melkte?

Sigune                       Sehnst du dich zurück?

Peredur Nur eine Sehnsucht fühl' ich: Immer, immer
Zu kosen dieses weiche Wellenhaar,
Zu küssen dieser Augen feuchten Schimmer!
So stellt' ich mir, als ich noch kindisch war,
Die Nixen vor mit Gieren und mit Grauen,
Die Nachts dem Fluß entstieg'nen Wasserfrauen,
Die sich dem Schläfer auf dem samtnen Moos
Unmerklich nah'n, sein Herzensblut zu fangen,
Ums Morgenrot entschwindend wesenlos.

Sigune Und just wie dich, mit diesen Sonnenaugen,
Beschattet von der langen Wimpern Flor,
Mit diesem straffen Wuchs und mark'gen Gang
Stellt' ich mir die verkappten Helden vor,
Die mit den Drachen fechten und den Riesen
Und einer Maid aus eines Magiers Zwang
Auftun den Weg zu fernen Paradiesen.

Peredur Feinsliebchen!

Sigune                       Trauter! 56

Peredur                                 Eden war nicht ferne
In dieser Nacht.

Sigune                     Entfernt es dir der Tag?

Peredur Er kam so schnell, daß ich ihm zürnen mag.

Sigune Geh, Sonne, fort und schick' dafür die Sterne!

Peredur Was jetzt wohl vorgeht?

Sigune                                       Wo?

Peredur                                             Dort auf der Halde.
Die werden mich vermissen, werden denken,
Daß ich ertrank im Fluß, daß mich im Walde
Der Meister Petz gefressen . . .

Sigune                                           Wird sie's kränken?

Peredur Ich weiß nicht; aber . . .

Zweiter Auftritt

Vorige. Elinod.

Elinod (kommt durch die Galerie, lebhaft)
                                          Herrin! 57

Sigune                                                   Was?

Elinod                                                             O, viel
Habt Ihr versäumt!

Sigune                         Ganz recht; versäumt zu leben!
Drum hol' ich's nach.

Elinod                             Nein, Euch entging jetzt eben
Ein unbeschreiblich Gaukelspiel.

Sigune Was gab es?

(Heilrufe aus weiter Entfernung, sich wiederholend und nähernd)

Elinod                   Hört Ihr nicht das ferne Branden
Der Menge?

Sigune               Ja.

Elinod                   Der König, auferstanden
Vom Krankenbett und nicht einmal mehr matt,
Nur nach Gewohnheit starr und unbeweglich,
Durchzieht zur Stunde wieder wie tagtäglich
In seiner Sänfte die getreue Stadt.
Der Hofstaat gibt ihm würdig das Geleite;
Voll Ehrerbietung weicht das Volk zur Seite,
Schwenkt aus den Fenstern Tücher und frohlockt.

Sigune (zu Peredur)
Schwarzkünstler du, sei stolz!

Elinod (zu Peredur)                       Man hat die Suppe
Genau nach deiner Vorschrift eingebrockt. 58

Peredur Wer sitzt denn in der Sänfte?

Elinod                                               Wer? Die Puppe,
Die heute Nacht in hartem Arbeitsjoch
Aus Holz und Wachs der Leibarzt hat vollendet.
Hätt' er nur halb so viele Kunst gewendet
An den Verstorbenen, der lebte noch.

Sigune Ob man nicht Argwohn schöpfen wird?

Elinod                                                           Bewahre!
Denn während Limors und Geraint da drinnen
Den Toten hüllten in ein weißes Linnen
Und weinend neben seine Bahre
Nach altem Brauch die goldne Rüstung stellten,
Ward hier sein Schmuck und seine Kleiderpracht
Der Puppe zugelegt. In solcher Tracht
Kann sie getrost für einen König gelten.

Sigune Gottlob!

Elinod             Mit Godo trug Herr Jovelin
Zum innern Schloßhof sie hinab die Stufen,
Und Euer Vater selbst erschien
Sich nicht zu vornehm, um ihr dienstbeflissen
Emporzuhelfen auf der Sänfte Kissen. –
Horcht! Nahe schon und näher klingt das Rufen.
Sie kehren heim. Wollt Ihr nicht zum Empfange
Mit mir hinab? 59

Sigune                   Nein, geh und laß mich bleiben.

(Elinod verständnisinnig nickend, ab Galerie)

Dritter Auftritt

Sigune. Peredur.

Sigune (nach dem Fenster rechts deutend)
Geliebter, komm, wir lugen durch die Scheiben!
        (Da Peredur unbeweglich bleibt)
So stumm? Worüber sinnst du nach, mein Freund?

Peredur Je nun . . .

Sigune                   Gesteh's!

Peredur                               Ich sinne nach, wie lange
Das wohl so fortgeht.

Sigune                             Was denn?

Peredur                                             Daß ich hier,
Durch deines Vaters Machtwort eingezäunt,
Im Käfig sitze.

Sigune                   Bist du nicht bei mir?

Peredur Als ein Gefangener!

Sigune                                 Den ich umfange.
Wird vor der Blumenkette dir schon angst,
Kaum daß du selbst sie fester, enger schlangst? 60

Peredur (leidenschaftlich)
O du! Wie könnt' ich ihr umrankend Schmeicheln
Je noch entbehren!

Sigune                         Was entbehrst du?

Peredur                                                   Mich! –
Der hier sich füttern läßt von dir und streicheln,
Das ist ein anderer, das bin nicht ich.
Willst du, Prinzeß, geliebt sein von dem echten,
Der braucht ein Tagwerk und zum Atmen Raum.
Mit Riesen und mit Drachen heiß' ihn fechten;
Zum Schoßhund aber taugt er kaum.

Sigune Seht mir den Wilden! Dich auf meinem Schoß
Zu wiegen, warst du mir zu schwer und groß.

Peredur Wenn du mich liebst . . .

Sigune                                       Ach, sehr!

Peredur                                                     So laß uns fliehn!

Sigune Zu deinem Fluß? Man fänd' uns bald.

Peredur                                                       Nein, weiter.

Sigune Empor zum Lustschloß auf der Himmelsleiter?

Peredur Nur fort! 61

Sigune                 Willst nicht ein Weilchen noch verziehn?
Ein kleines Weilchen?

Peredur                           Wenn du mir versprichst . . .

Sigune Nun sind sie da! (Ihn zum Fenster ziehend)
                            Blick auf dein Werk hernieder!
Da kehrt der König deiner Laune wieder.
Mein Vater schreitet feierlichst
Voran der Sänfte. Schau die Menschenmassen!
Sie schwenkt zum Torweg. Jetzt auf seinem Sitze
Gewahrt man den gefeierten Insassen.

Peredur Ich seh' den Mantel.

Sigune                                 Ich die Nasenspitze.

Peredur Genau wie sonst. Es ist kein Unterschied.

Sigune Sie winken nach. Verschwunden.

Peredur                                                 Hier erscheinen
Wird nun dein Vater . . .

Sigune                                 Just nach meinem Sinn!
Beisammen treff' er uns, damit er sieht,
Wie streng dich hütet deine Wächterin.
Rasch einen Kuß noch. 62

Peredur (bedenklich)             Aber . . .

Sigune                                             Nur noch einen.

Vierter Auftritt

Vorige. Herzog.

Herzog (schnell durch die Galerie eintretend, sieht die Umarmung)
Mord, Höll' und Pest!

Peredur (leise)                   Da hast du's.

Sigune (leise, trotzig)                               Einerlei.

Herzog (nach vorn kommend, außer sich)
O Frechheit, nicht zu glauben, nicht zu schildern!
O Gipfel aller Büberei!
Du hergelaufner Wicht hast dich erdreistet . . .

Sigune Mein Vater . . .

Herzog (zu Sigune)       Schweig! Du wirst sein Los nicht mildern.
        (Zu Peredur)
Du hast gewagt . . .

Sigune                           Denk, was er euch geleistet.

Herzog Du, den mit allzu willigem Vertrau'n
Wir angehört in einer finstren Stunde,
Du namenloser Vagabunde,
Vom Wind gezeugt, geboren hinterm Zaun, 63
Du streckst die Hand mit lüsternem Erkühnen
Nach Herzogstöchtern?

Sigune                               Vater, nein, er war . . .

Herzog (zu Sigune)
Schweig, sag' ich dir. (Zu Peredur, auf ihn losgehend)
                                Gesell, das wirst du sühnen!

Sigune (stritt dazwischen; auflodernd)
Ich aber sage dir: krümm' ihm kein Haar!

Herzog Wie? Was?

Sigune                   Kein Haar!

Herzog                                   Die Sprache mir? Ich wüßte
Doch wahrlich nicht . . .

Sigune                                 Ich hab' es ihm verziehn.

Herzog Was jungfräulicher Zorn verdammen müßte?
        (Entschlossen)
Nein! (Er ruft) Holla! He!

Sigune (ihm wieder den Weg vertretend)
                                      Du glaubst, daß er mich küßte?

Herzog Ich sah's.

Sigune                 Du hast geirrt. Ich küßte ihn! 64

Herzog (zurückprallend)
Du scherzest?! Oder . . .

Sigune                                 Nein, ich mag nicht scherzen!
Ich mag nicht heucheln, mag nicht! Meine Wahl
War frei wie ich; frei folgt' ich meinem Herzen.

Herzog Du küßtest ihn?!

Sigune                           Nicht einmal; tausendmal!

Herzog Sigune! Das . . . das widerruf!

Sigune                                               Mit nichten!
Vielmehr mit hellem Jauchzen sei's bekannt,
Daß ich, an diesen Trauerhof gebannt,
Es endlich müde wurde zu verzichten
Und drum das Glück mir aufgriff, wo ich's fand.

Herzog Wo fandest du's?!

Sigune                             Nicht hier! Nicht hier! Drum lief
Ich ihm beschwingten Schritts ein Stück entgegen.

Herzog Ha, nun begreif' ich! Nicht des Königs wegen
Kam dieser Mensch . . .

Sigune                                 Er kam, weil ich ihn rief.

Herzog Und blieb . . . 65

Sigune                       Weil du befahlest, daß er bliebe.

Herzog (schnaubend)
Schamlose!

Sigune               Scham? Weshalb? Weil ich ihn liebe?
Mag schämen sich, wer etwas Böses tut!
Was ich getan, beim Himmel, das ist gut.

Herzog (auf sie eindringend)
Mißratne, diesem abgefeimten Diebe
Hast du . . .

Peredur (ritt vor sie)
                  Trefft mich, bevor Ihr sie berührt!

Herzog Nichtswürdiger Verführer!

Sigune                                         Ich verführt?
Ich bin ein Weib, kein willenloses Lamm!
Ein Weib, das hinter diesen morschen Quadern,
Nur weil sie sproß aus herzoglichem Stamm,
Man abgesperrt, geknebelt und gezäumt,
Uneingedenk, daß auch in ihren Adern
Das Blut der Jugend ungebärdig schäumt.
Kein Wunder, wenn in erster Glut entglommen
Es übersprang die Dämme der Geduld:
Der mir gefiel, den hab' ich mir genommen;
Mich, mich allein bezichtige der Schuld!

Herzog Unselige! War denn in dir kein Funken
Von Pflicht und Zucht und Würde deines Stands,
Daß gleich dein Blick so tief hinabgesunken? 66

Sigune So tief? Wohin denn sollt' ich höher schau'n?
Schläft unsres heimatlichen Adels Glanz
Nicht unterm Rasen blutgetränkter Au'n?
Sollt' ich für einen Jovelin mich sparen?
Erglühn, wenn mich ein Lanzelot begehrt?
Abwarten, ob ein fremder Prinz nach Jahren
In dies verarmte Land zur Freite fährt?

Herzog Dies war noch übrig! Lebt' ich doch im Wahne,
Des Kelches Neige hätt' ich schon gekostet!
War's nicht genug, daß alle meine Plane
Wie Schwerter in der Scheide mir verrostet?
Daß ich verdammt war, durch ein Meer voll Klippen
Zu schlängeln mühsam dieses Staates Schiff,
Das, eh noch meine Hand zum Steuer griff,
Schon brüchig war und leck an allen Rippen?
Genug noch nicht, daß einzig unterm Schilde
Des Königs ich Gehorsam mir erzwang?
Daß weder Strenge mir noch Milde
Ein Quentchen Ansehn für mich selbst errang?
Daß ich zuletzt an der Verzweiflung Rande
Die Kluft mit einem Blendwerk überdeckt?
Das Ärgste fehlte noch: Der Tochter Schande!
Mein Haus entehrt, mein Wappen schmutzbefleckt!
Doch nein, zuviel! Ich bäume mich empor.
Nicht Unstern wär' es mehr, nein, eigne Sünde,
Wenn voll Ergebung ich am Pranger stünde.
Dies Brandmal tilg' ich aus!

Sigune                                     Was hast du vor? 67

Herzog (ruft) He! Holla!

Sigune (eindringlich)       Vater!

Herzog                                   Nicht dein Vater mehr,
Nur noch der Richter, der nach Fug euch beiden
Das Urteil spricht. – Auf Nimmerwiederkehr
Aus Schloß und Stadt wirst du noch heute scheiden.
Ein Kloster liegt am öden Meeresstrand;
Drin wohnen fromme Schwestern, abgewandt
Dem Irdischen in ernsten Läuterungen,
Mit kurzgeschornem Haar und nackten Füßen,
Und ein Gelübde bindet ihre Zungen,
Auf ewig stumm zu sein. Dorthin verbannt,
Im Schleier sollst du deinen Makel büßen. –
        (Auf Peredur deutend)
Doch diesen . . . (Er geht nach hinten, zur Galerie, rufend)
                          He, Geraint!

Sigune (zu Peredur, flüsternd)             Geliebter, sei nicht zag!

Peredur O nein.

Herzog             He, Limors!

Sigune (wie oben)                 Was auch kommen mag,
Vertrau' nur mir! Ich werde dich befrei'n
Und fliehn mit dir zusammen. 68

Fünfter Auftritt

Vorige. Limors. Geraint (durch die Galerie).

Herzog (zu den Eintretenden)             Kommt ihr endlich? –
Den Hochverräter hier, der aus den Reihn
Der Lebenden sich heute selbst verstieß
Durch eine Missetat unnennbar schändlich,
Werft in des Turmes unterstes Verlies! –
Zieht eure Schwerter! Packt ihn!

Limors, Geraint (zitternd)                 Nach Befehle.

Herzog Weswegen zaudert ihr?

Peredur                                   Weil's ihnen graust.
Sie sehn, auf jedes Schwert kommt eine Faust,
Die fahren könnt' an ihre Memmenkehle.

Herzog Greift zu!

Peredur (mit lachendem Spott)
                    Seid unbesorgt; ich tu' euch nichts.

Herzog Verschließt ihn dreifach! Hinter festem Gitter
Wart' er des hochnotpeinlichen Gerichts.
Hinweg!

(Peredur, mit Sigune einen letzten Blick wechselnd, wird von Limors und Geraint durch die Tür Hintergrund links abgeführt. –.Herzog zu Sigune)

                Geh, rüste dich! Statt dieser Flitter
Ein Kleid leg' an, das deine Reu verkündigt, 69
Und auf die Bußfahrt folge dir allein
Die Kammerfrau, die hehlend mitgesündigt.
        (Da Sigune stumm abgehen will)
Wie? Nicht um Gnade flehst du?

Sigune                                             Nein. (Ab rechts Mitte)

Sechster Auftritt

Herzog. Jovelin, Kaplan, Leibarzt (die schon kurz zuvor in der Galerie, lebhaft unter einander sprechend, sichtbar geworden sind, bemerken jetzt den Herzog und kommen nach vorn).

Jovelin Herzog, glückauf!

Herzog (seine Verstimmung zu bemeistern suchend)
                                Ihr blickt ja sehr vergnüglich.

Kaplan Warum auch nicht? Wir haben trift'gen Grund.

Leibarzt Der König war noch nie so kerngesund.

Kaplan Nie so gefeiert.

Jovelin                       Alles geht vorzüglich.

Leibarzt Man singt bereits im ganzen Stadtgebiet
Des Barden Schaffilor Genesungslied.

Kaplan Kein Blitz mehr zuckt; kein Leviathan dräut. 70

Jovelin Die Donnerwolke wich dem klarsten Wetter.

Leibarzt Auch ich ward nie so warm begrüßt wie heut.

Jovelin (zum Leibarzt)
Ihr geltet offenbar als Lebensretter.

Herzog Ihr meint, geraume Zeit noch sei die List
Aufrecht zu halten?

Kaplan                         Ja, dem Himmel Dank,
Das meinen wir.

Leibarzt                   Die Puppe wird nicht krank.

Jovelin Was heut so trefflich glückte, glückt auch morgen
Und Jahr und Tag.

Kaplan                       Wenn hier kein Judas ist . . .

Jovelin Die Unsern schweigen ihres Kopfes halber.

Leibarzt Nur dieser fadenscheinige Quacksalber . . .

Herzog Der plaudert nicht; vor dem sind wir geborgen!

Jovelin So frag' ich: Bleibt nicht alles dann beim alten?
Ihr führt des Königs Siegel; wir verwalten 71
Das Amt, das wir von ihm zu Lehn bekamen,
Und lenken unbehindert wie bisher
In seinem Auftrag und in seinem Namen
Das Reich nach unserm Willen und Begehr.

Herzog Wenn in der Tat ein leerer Nebelschimmer
Das Volk in Furcht und Glauben hält . . .

Jovelin Der Popanz lebt, solang es uns gefällt.

Leibarzt Und sterben lassen können wir ihn immer.

Kaplan Kurzum, uns darf zu Mut sein wie Erlösten.

Jovelin Und nicht wie gestern, stockend und verstört,
Brauch' ich des Volkes Sprecher zu vertrösten,
Die wieder drauf bestehn, daß Ihr sie hört.
Nur warten hieß ich sie.

Herzog                               Weshalb?

Jovelin                                             Zum Zwecke,
Jedweden Zweifel zu entkräften
Am bündigen Bescheid, der König stecke
Bis an den Hals mit uns in Staatsgeschäften.

Herzog Laßt sie herein.

Jovelin (geht zur Galerie, gibt dort ein Zeichen) 72
                            Nicht absehn kann ich zwar,
Aus welchem Anlaß bei sotanen Dingen . . .

Kaplan Sie werden uns des Volkes Glückwunsch bringen.

Siebenter Auftritt

Vorige. Florant, Frimutel, Garel, Schaffilor (durch die Galerie).

Florant Herr Seneschall, von wuchtiger Gefahr
Aufatmend, hat das Volk uns abgesendet . . .

Herzog Bevor Ihr Eure Rede noch vollendet,
Vernehmt, wie froh das Herz des Königs schwoll,
Als bei der heut'gen Runde so begeistert
Ihm seiner Hauptstadt Gruß entgegenscholl.
Er hat der Krankheit letzte Spur bemeistert
Und fühlt bis zur Verjüngung sich erquickt.

Frimutel Ja, wer den rechten Augenpunkt erhaschend
Sein Antlitz in der Sänfte hat erblickt,
Der fand sein blühend Aussehn überraschend.

Herzog So hofft er, daß die treuen Untertanen
Zufrieden sind . . .

Florant                       Das eben sind sie nicht.

Herzog Wie? 73

Florant         Dringend lassen sie durch uns ihn mahnen
An die Erfüllung einer heil'gen Pflicht.

Herzog (stirnrunzelnd)
Ihn mahnen? Also wiederum die Krittler;
Die Nörgler wieder!

Florant                         Nein, das ganze Land.
Die laute Forderung, als deren Mittler
Man zu des Thrones Stufen uns entsandt,
Kennt weder Zwiespalt noch Parteiengeist,
Und vor den schlimmsten Folgen muß uns bangen,
Wenn diesem starken, stürmischen Verlangen
Des Königs Ohr gepanzert sich erweist.

Herzog Was fordert man vom König? Redet offen,
Statt daß Ihr länger uns mit Rätseln quält.

Florant Man fordert, daß der König sich vermählt.

Herzog (verblüfft)
Ah! – (Er tauscht einen Blick mit den Höflingen)

Garel (zu seinen Begleitern, leise)
          Merkt ihr wohl? Sie sind verwirrt, betroffen . . .

Herzog (sich fassend)
Seit wann, zuwider allem Recht und Brauch,
Bemengt mit Dingen sich des Volkes Wille,
Die nur in tiefster Herzensstille
Den König selber angehn? 74

Florant                                   Nein, uns auch!
Denn daß er uns durch sein beharrlich Zaudern
Mit einem ew'gen Schreckgespenst beschwert,
Das hat mit kaum noch überwundnen Schaudern
Uns dieser Tage Folterpein gelehrt.
Schon malte man der Hölle ganzen Graus
Im Geiste sich mit grellsten Farben aus:
Das Volk im Bürgerkrieg, das Reich in Scherben,
Wenn – was zum Glück uns diesmal blieb erspart –
Der Herrscher ohne Leibeserben
Antreten würde seine Himmelfahrt.
Doch jetzt, nachdem er sich – dem Herrn sei Lob –
Gestärkt, verjüngt vom Siechenbett erhob,
Jetzt zeigt ein innres Licht uns klar und scharf,
Daß Friede, Wohlfahrt, Zukunft von uns allen
Nicht fürder auf zwei Augen ruhen darf.
Der Löwe schaff' uns junge Löwenbrut,
Dieweil mit ihm nicht soll zu Grabe wallen
Der Artus-Enkel unersetzlich Blut.
Zu seines Volks wie zu des Throns Gewinn
Mög' es dem König endlich drum gefallen,
Zu küren eine Königin.

Herzog Den Bogen überspannt ihr, gute Leute,
Durch solchen Ton; doch will ich immerhin
Vorm König eures Wunschs bei günst'ger Zeit
Erwähnung tun.

Florant                   Herr, mit Verlaub, noch heute.
Denn sehnlichst wird erwartet sein Bescheid. 75

Herzog Ihr wagt, ihn so zu drängen?

Florant                                           Nein, nicht ihn.
Jedoch . . .

Herzog             Jedoch . . .

Florant (nach einem Blick aus seine Begleiter)
                                  Man denkt – ich sag's Euch redlich –
Der Hofstaat woll' es in die Länge ziehn.

Herzog Wieso?!

Florant             Denn längst schon, eurem Rufe schädlich,
Begann im Volk ein Zischeln sich zu regen,
Nur darum sei der Fürst noch unbeweibt,
Weil ehrbegier'ger Ziele wegen
Man seine Heirat planvoll hintertreibt.

Garel, Schaffilor
Jawohl, so ist's.

Jovelin                   Unglaublich!

Kaplan                                       Unerhört!

Florant Ihr Herrn, wenn dieser Argwohn euch empört,
So könnt ihr heut' ihn bündig widerlegen.
Des Königs Ja wird wie mit Sturmgewalt
Ihm aller Herzen tausendfach verbünden;
Des Königs Nein wird einen Brand entzünden, 76
Dem ihr zum ersten Opfer fallt.
Deshalb . . .

Herzog               Genug! Wir drehen unsre Taten
Nicht nach der Volksgunst schwankem Flatterwind.
Der Herrscher herrscht; wir dürfen ihn beraten,
Doch nimmermehr ihn gängeln wie ein Kind.
Frei spreche sein Entschluß!

Florant                                     Wann aber laßt
Ihr den uns wissen?

Herzog (sie verabschiedend) Wenn er ihn gefaßt.

(Florant, Frimutel, Garel, Schaffilor ab durch die Galerie)

Achter Auftritt

Herzog. Jovelin. Kaplan. Leibarzt.

Herzog (nach einer kleinen Pause stummen gegenseitigen Anblickens)
Jetzt ist das Wort an euch, ihr Neunmalweisen!
Ihr, die so lustig in die Luft gebaut,
Schickt euren Popanz nun geschwind auf Reisen,
Damit er Umschau hält nach einer Braut.

Jovelin Verdammt!

Leibarzt                 Man könnte . . .

Kaplan                                           Wenn man nur . . . 77

Herzog                                                                       Die Spinne
Sitzt fest im eignen Fangnetz.

Jovelin                                       Etwa so:
Der König, der ja stets die Weiber floh,
Erklärt, verschworen hab' er jede Minne . . .

Herzog Wähnt Ihr, man werde diesem Spruch sich beugen?

Leibarzt Antworten wird man, so befürcht' ich fast:
Nicht girren soll er, sondern Kinder zeugen.

Kaplan Und seine Weigrung legt man uns zur Last.

Herzog Ja, wieder droht nach kurzer Sorgenrast
Das Unheil, das wir schon besiegt geglaubt,
Und nicht auf Beistand haben wir zu zählen,
Wenn Haß und Aufruhr schnappt nach unsrem Haupt.

Jovelin (energisch)
So hilft es nichts, wir müssen ihn vermählen.

Herzog (spöttisch)
Recht einfach!

Jovelin                   Selbstverständlich nur zum Schein.

Herzog Doch ohne Weib kann auch ein Fürst nicht frei'n. 78

Leibarzt Und ohne Mann wird stets das Beste fehlen:
Aus dieser Ehe wüchse keine Frucht.

Jovelin Dann trügen wenigstens nicht wir den Schaden.
Dafür mit einem Vorwurf uns beladen,
Das könnte nicht einmal die Lastersucht.

Kaplan Nein, Freunde, just in solchem Fall begab
Sich oft ein Wunder, und ich möchte wetten,
Wenn wir die Königin erst hätten,
Der König würde Vater noch im Grab.

Herzog (von einem Gedanken erfaßt)
Die Königin . . .

Jovelin                     Hier eben steckt der Knoten.
Aus welchem Grunde sollt' ein Weib von Stand,
Verzichtend auf ein wirklich Eheband,
Sich knüpfen uns zu lieb an einen Toten?

Herzog Die Königin!

Jovelin                     Wo sucht man sie?

Herzog                                                 Vielleicht
Kann ich sie finden.

Jovelin, Leibarzt, Kaplan
                              Wie?! 79

Herzog                                   Bringt mir die Sprecher
Zurück!

Jovelin         Warum?

Herzog                       Noch unterwegs erreicht
Ein hurt'ger Bote sie.

Jovelin                           Was plant Ihr?

Herzog (drängend)                                 Flink!
Führt sie zunächst in eins der Vorgemächer:
Der König selber lädt sie zu verweilen.

Jovelin So hegt Ihr Hoffnung . . . ?

Herzog                                         Dankbar ihrem Wink
Will er dem Volk alsbald Bescheid erteilen.

(Jovelin, Kaplan, Leibarzt kopfschüttelnd ab durch die Galerie)

Neunter Auftritt

Herzog. (Gleich darauf) Sigune, Elinod.

Herzog (geht erregt auf und ab)
Vielleicht, vielleicht ist dies der Weg zur Macht! –
Ich will . . . (Er geht nach rechts, hält inne)
                  Nur Vorsicht! – (Lauschend) Schritte? – Ja, sie naht.

(Er setzt sich schnell links vorn. – Sigune und Elinod, die ihr weinend ein Bündel nachträgt, von rechts Mitte; beide sind in härenen Gewändern. – Herzog, scheinbar unbefangen)

Wohin, Sigune? 80

Sigune (langsam weitergehend, mit gespielter Demut, tonlos)
                        Den gewies'nen Pfad
Beschreit' ich in der anbefohlnen Tracht.

Herzog Wart noch. (Zu Elinod) Laßt uns allein!

Sigune (Elinod rasch zuflüsternd)                       Dies all' ist Spiel,
Du Törin! Morgen sind wir weit entronnen.

(Elinod ab rechts Mitte)

Herzog Hast du kein Abschiedswort?

Sigune (tonlos)                                 Mich ruft mein Ziel.
Mir zugehörig sind nur noch die Nonnen.

Herzog Und dir verwehrt dein überstolzes Herz,
Um Linderung der Strafe mich zu bitten?

Sigune Ich habe nur, was mir gebührt, erlitten,
Und ohne Klage wall' ich heimatwärts.

Herzog Doch wenn ich selbst nach ruhigem Erwägen
Jetzt milder dächte . . .

Sigune                               Meines Frevels Schwere
Läßt das nicht zu.

Herzog                       Wenn ich erbötig wäre,
Dein Schicksal ganz in deine Hand zu legen? 81

Sigune Mein Schicksal? Welches meinst du?

Herzog                                                       Ja, vernimm:
Ich will des harten Bannspruchs dich entheben,
Will niederschluckend meinen Gram und Grimm
Dir deine Schuld und meine Schmach vergeben;
Hier sollst du weilen dürfen, mir gesellt;
Kein kränkend Wort soll deinen Stolz gefährden . . .

Sigune Und ich – was alles hätt' ich zum Entgelt
Zu tun?

Herzog         Nur eins: die Königin zu werden.

Sigune Du spottest mein.

Herzog                           Des Britenkönigs Weib,
Das man im ganzen Land mit lautem Schalle,
Damit der Thron nicht unbeerbt zerfalle,
Ihm an die Seite ruft.

Sigune (sich wieder zum Gehen wendend)
                                Leb' wohl.

Herzog                                             Nein, bleib!

Sigune Ich ehrte deinen Zorn; doch deinem Hohne
Halt' ich nicht stand. 82

Herzog                           Ein Freund, ein Vater sprach!
Drum, eh' du wählst, Sigune, sinne nach:
Für Klostermauern biet' ich dir die Krone,
Den Purpurmantel für den Nonnenschleier.
Statt unterm Dornenkranz will ich den Flecken
Auf deiner Ehr' in Myrtenlaub verstecken.
Gereinigt wirst du gehn vom Scheinaltar
Und sicher obendrein, daß dieser Freier
Nie forschen wird, ob er der erste war.

Sigune Und wenn trotz alledem er mir mißfällt?
Denkst du von deiner Tochter denn so niedrig,
Als ob, den Schein zu retten vor der Welt,
Mir kein Behelf zu schlecht, kein Spiel zu widrig?
Den Lebenden sogar hätt' ich verschmäht,
Wenn er von falschem Selbstvertraun gebläht
Mir seine Zitterhand hätt' angetragen,
Und glauben kannst du, nun das Herz ihm stockt,
Daß mich ein Mann aus Holz und Wachs verlockt?

Herzog Grad' mit dem Toten kannst du's ruhig wagen.
Der fordert nicht, daß du gefügig seist;
Dem mußt du keinen Liebeszoll entrichten:
Es ist ein bloßer Name, den du freist,
Und Ehren wirst du haben ohne Pflichten.
Erhöht zur Frau des größten Herrn im Reich,
Bleibst du doch Herrin deiner selbst zugleich.
Was auch für Launen deine Stirn durchblitzen,
Die Puppe nickt zu jedem Wunsch ein Ja,
Und höchstens in der Sänfte hie und da
Wirst du bejubelt ihr zur Seite sitzen. 83

Sigune Und magst du schwelgerischsten Überfluß
An Prunk und Glanz und Herrlichkeit verheißen,
Was ist mir dieses Füllhorns prahlend Gleißen,
Wenn einsam dürstend ich verschmachten muß?
Wenn ich der Ehe heilig holden Sinn
Entweihen soll als Gattin ohne Gatten
Und nur umarmt von eines Schattens Schatten
Schon auf dem Brautbett Witwe bin?
Nein, wahrlich, lieber, als mich zu vermählen
Mit einem König, der nicht lebt,
Will ich den Himmelsbräutigam erwählen!

(Sie wendet sich abermals zum Gehen)

Herzog (sie zurückhaltend, dringlicher)
Sigune, hör', was auf der Wage schwebt!
Ein Thron, ein Land, ein Volk, ein ganzer Staat,
Verdienen sie nicht eine Rettungstat,
Selbst wenn sie deinem Fühlen widerstrebt?
        (Kopfschütteln Sigunens)
Wie? Du verneinst? Und wenn ich nun dir sage:
Mein eigen Leben liegt auf dieser Wage;
Heil oder Untergang!

Sigune (aufmerksam)         Dein eigen Leben?

Herzog Zu kaum geträumter Gipfel Sonnenluft
Vermag dein Jawort mich emporzuheben,
Und deine Weig'rung stürzt mich in die Kluft.
Begreifst du?

Sigune                 Jetzt gewiß. 84

Herzog                                 Drum für das Wehe,
Das auf des Vaters Busen du gewälzt,
Halt nun ihn schadlos!

Sigune                             Wohl denn, es geschehe.

Herzog (auf sie zu, freudig)
Hab' Dank!

Sigune (abwehrend)
                  Doch nur, wenn du mich schadlos hältst.

Herzog Wie?

Sigune         Jetzt bei dir das Schicksal von uns beiden!

Herzog Was immer du begehrst . . .

Sigune                                           Für viel nur wenig.
Dir zu gefallen will ich untertänig
Mein Herz und Antlitz vor der Welt verkleiden,
Will tragen eines Abgeschiednen Ring,
Und nicht gereizt von andern Gegengaben
Stell' ich nur einen einzigen Beding.

Herzog Sprich!

Sigune             Meinen Hirten will ich wieder haben.

Herzog Wen? 85

Sigune           Ihn, der meinethalb im Turmgemäuer
Des letzten Stündleins harrt.

Herzog                                     Du rasest!

Sigune                                                       Nein.
Gib mir in ihm, der meiner Seele teuer,
Die warme Wahrheit zu dem frost'gen Schein!

Herzog Ich soll . . . O Wahnsinn, Wahnsinn!

Sigune                                                       Zum Ersatz
Will ich ihn haben, zum verdienten Lohne,
Drum gönne neben meinem öden Throne
Dem Günstling meines Herzens einen Platz.

Herzog Sag: deinem Buhlen!

Sigune                                 Nein, ich will ihn hegen
Mit kirchlichem und väterlichem Segen.

Herzog Mir schwindelt!

Sigune                         Einzig diese Doppelwahl
Umschließt für dich und mich des Glückes Keim:
Die Puppe sei nach außen mein Gemahl,
Und er in aller Stille sei's daheim.

Herzog Der Bettler, aus dem Kehricht aufgelesen! 86

Sigune O nein, gefunden auf des Lebens Höh'n;
Denn was der König nie gewesen,
Das ist der Bettler: jung und stark und schön.

Herzog (schreiend)
Niemals! Ich duld' es nicht!

Sigune                                     So war's entschieden.
Leb' wohl.

Herzog             Du gehst?

Sigune                             Ich geh' den Weg zum Frieden.

Herzog Halt! Noch ein Wort! Er soll von dannen ziehn,
Frei, straflos und mit Schätzen reich beladen . . .

Sigune Umsonst! Ich will das Kloster oder ihn.

Herzog Fühllose, nur bedacht auf meinen Schaden!
So stößt mich in den Staub mein eigen Kind!

Sigune Nicht ich! Du selber, deinem Vorteil blind.
Zu nützen dacht' ich dir durch solchen Bund!
Wer darf der Schuld mich zeihn, wenn deine Härte
Die Bahn des Heiles dir wie mir versperrte?

Herzog Des Heiles?! 87

Sigune                     Oder sag', aus welchem Grund,
Zu welchem Ziel erhebt man rings im Land
So lauten Anspruch, daß der König werbe?

Herzog Weil . . .

Sigune               Weil, wenn ich zuvor dich recht verstand,
Dem Thron geboren werden soll ein Erbe. –
Wie?

Herzog   Ja.

Sigune         Nun also!

Herzog                       Doch . . .

Sigune.                                       Und ich – ich soll
Auf diesem leeren Thron zur Schau mich stellen,
Um, wenn mein Volk zu mir erwartungsvoll
emporblickt, seine Sehnsucht schnöd zu prellen?

Herzog Bedenk . . !

Sigune                   O, nichts mehr hab' ich zu bedenken.
Dem Puppenmann such' eine Puppenbraut!
Werd' aber ich zur Königin getraut,
Dann will ich meinem König Söhne schenken
Von so gesundem, wetterfestem Schlage,
So wangenrot und kernhaft und erlaucht, 88
Daß ihrer sich im Hünensarkophage
Sein großer Ahnherr nicht zu schämen braucht.

Herzog (mit sich kämpfend)
Ich . . .

Zehnter Auftritt

Vorige. Limors, Geraint (durch die Tür Hintergrund links).

Limors       Herr, was Ihr befohlen, ward vollführt.

Geraint Der Schurke sitzt im allertiefsten Kerker,
Mit Ketten und mit Stricken dicht umschnürt.

Limors Und wär' er stark wie Simson, ja, noch stärker,
Nun schreckt er nicht einmal den Rattentroß,
Der mit ihm speisen wird aus gleicher Schüssel.

Geraint Wir legten hinter ihm ein dreifach Schloß
Ans Eisengittertor.

Limors (dem Herzog einen großen, rostigen Schlüssel überreichend)
                            Und dies der Schlüssel.

Sigune (mit Betonung)
Ja, dies der Schlüssel, Vater!

Herzog (den Schlüssel Limors zurückgebend)
                                            Nehmt ihn wieder;
Löst von den Fesseln des Gefangnen Glieder
Und führt ihn . . . 89

Sigune                         Führt ihn höflichst hier herauf,
Euch überbietend in Entschuldigungen.

Herzog (zu den Beiden, die ihn anstarren)
Ihr hörtet!

(Limors, Geraint ab Hintergrund links)

Elfter Auftritt

Herzog. Sigune. (Gleich darauf) Jovelin, Kaplan,
Leibarzt.

Sigune (sich dem Herzog nähernd)
                Vater!

Herzog (abweisend)       Laß!

Sigune                               Von Dank durchdrungen . . .

Herzog Man dankt einander nicht für einen Kauf.

(Jovelin, Kaplan, Leibarzt kommen durch die Galerie zurück)

Jovelin (im Auftreten)
Herzog, die Sprecher . . .

Herzog                                 Kommt! Es ist gelungen.

Jovelin Was denn?

Kaplan                 So habt Ihr . . .

Herzog                                         Kommt heran und schaut! 90

Leibarzt Ihr fandet

Herzog                   Ja.

Jovelin                       Wär's möglich?

Herzog                                               Hier die Braut.

Jovelin Prinzeß, Ihr wollt . . .

Herzog                                 Mein Kind, mein Augenstern
Hat sich zu dieser edlen Tat erboten.

Kaplan Wohl Euch, Prinzeß! Ihr bringt dem Vaterlande
Ein großes Opfer dar.

Sigune                             Ich bring' es gern.

Jovelin Und dennoch in so düsterem Gewande?

Sigune Aus Trauer um den heißgeliebten Toten.

Herzog Geh, meine wackre Tochter, dich zu kleiden,
Wie's einer Braut geziemt.

(Sigune ab rechts Mitte) 91

Zwölfter Auftritt

Herzog. Jovelin. Kaplan. Leibarzt

Jovelin (ihr nachsehend)               O, welch Juwel
Habt Ihr in dieser Tochter!

Leibarzt                                 Ohne Hehl,
Ihr toter Bräutigam ist zu beneiden!

Kaplan In jedem Sinn ist nun sein Haus bestellt,
Und friedlich darf er liegen in der Truhe,
Wenn er am selben Tag zur ew'gen Ruhe
Bestattet wird, an dem er Hochzeit hält.

Herzog Ruft mir die Sprecher!

(Leibarzt geht zur Galerie und winkt dort)

Jovelin                                   Ja, nun Saus und Braus,
Um rasch den Mund zu stopfen allen Schreiern!
Man braucht nur jeden Tag ein Fest zu feiern;
Dann kommt man mit dem Pack vortrefflich aus.

Dreizehnter Auftritt

Vorige. Florant, Frimutel, Garel, Schaffilor (durch die Galerie)

Herzog (den Eintretenden entgegen)
Ihr treuen Bürger, nur damit ihr seht,
Wie jeglichem Begehren seiner Briten
Das Ohr des Königs allzeit offen steht, 92
Trug er uns auf, euch nochmals herzubitten. –
Vernehmt, was ich an seiner Statt euch melde.

Florant In Ehrfurcht lauschen wir.

Herzog                                         Wie auf dem Felde
Die Saat, wenn reicher Tau vom Himmel fließt,
Urplötzlich in die Halme schießt,
So hat in unsres höchsten Herrn Gemüte
Die Knospe, die darin seit langem sprießt,
Dank eurem Wunsch sich aufgetan zur Blüte.

Florant So will der König . . ?

Herzog                                   Was er längst gewollt;
Nur zarte Scheu bewog ihn zur Verschweigung:
Hat ihm doch sie, der seine Seele hold,
Erst heut bekannt, sie teile seine Neigung.

Florant Der König liebt?!

Herzog                           Vom jungen Glück berauscht,
Befahl er, ungesäumt euch kundzugeben,
Daß mit der Auserkornen er soeben
Den Schwur der Treue feierlich getauscht.

Florant O Freudenbotschaft!

Schaffilor                           Trifft nicht wunderbar
Nun ein, was stets ich harfend prophezeite? 93

Herzog Schon in zwei Tagen will er ihr zur Seite
Hintreten an den bräutlichen Altar.

Garel O herrlich!

Frimutel             Wonnig!

Herzog                             Zwar nach seiner Weise,
Die nur im stillsten sich gefallen mag,
Besteht er drauf, sich auch am Hochzeitstag
Streng abzuschließen im vertrauten Kreise.
Doch wünscht sein gütig Herz darum nicht minder,
Daß, um zu mehren dieses Tages Glanz,
Von ihm bewirtet seine Landeskinder
Durch Kurzweil jeder Art, Gesang und Reigen,
Turniere, Schmauserei'n und Mummenschanz
Ihm seine Lust im hellsten Spiegel zeigen.

Florant Herr, dröhnen soll davon das Firmament!
Jedoch verzeiht, wenn länger nicht bezähmbar
Ein fragend Wort auf unsern Lippen brennt:
O sprecht, wer ist sie, deren Zaubermacht
Das spröde Fürstenherz, das uneinnehmbar
Gewappnet schien, so hold zu Fall gebracht?
Wer ist die Benedeite, wer die Reine,
Mit Adel, Reiz und Tugend so geschmückt,
Daß ihr der Siege köstlichster geglückt?

Herzog Des eig'nen Landes Tochter und die meine,
Emporgeblüht an seinem Hof und Herd,
Nach Rang und Stand und Abkunft seiner wert. 94

Frimutel, Garel
Juchheisa!

Herzog (auf Sigune deutend, die eben eintritt)
                Nehmt an ihrem Glück ihr teil,
Dann vor ihr selber könnt ihr's nun bezeugen.

Vierzehnter Auftritt

Vorige. Sigune (reich gekleidet, von rechts Mitte).

Florant (zu seinen Begleitern)
Ja, huldigend laßt uns die Kniee beugen!
Heil unsrer künft'gen Landesmutter! (Er kniet)

Frimutel, Garel, Schaffilor (kniend)         Heil!

Sigune Erhebt euch!

Schaffilor               Engelsgleiche Königsbraut,
Der Barden Vorrecht ist's von Urbeginne,
Zu singen mit beschwingtem Harfenlaut
Von hehren Jungfrau'n und von keuscher Minne.
Drum allen andern eil' ich weit voraus
Und trage gottbegeistert, Euch zum Ruhme,
Die Mär', welch eine selt'ne Wunderblume
Der König auserkor, von Haus zu Haus.

(Schnell ab durch die Galerie)

Kaplan Doch euch, bevor auch ihr von hinnen geht,
Entbiet' ich, uns zu folgen zur Kapelle,
Damit ein brünstig Dankgebet
Für diese Fügung, die so wundersam
All unser Hoffen krönt, zum Himmel schwelle. 95
        (Alle, außer Sigune, folgen ihm. Auf den Stufen zur Kapelle wendet er sich nach ihr um)
Prinzeß – und Ihr?

Sigune                         Was ich dem Himmel schuldig,
Bald hol' ich's nach; jetzt aber ungeduldig
Erwartet mich mein hoher Bräutigam.

Fünfzehnter Auftritt

Sigune (wartet, bis sie allein ist; dann geht sie mit triumphierendem Ausdruck auf die Tür Hintergrund links zu. Gleichzeitig wird diese von außen geöffnet. Limors und Geraint erscheinen auf der Schwelle und fordern) Peredur (der hinter ihnen sichtbar wird, mit einem tiefen Bückling zum Eintritt auf, dann ziehen sie sich zurück).

Peredur (im Eintreten)
Was heißt denn das? Erklärt mir . . .

Sigune (mit ausgebreiteten Armen auf ihn zu)   Peredur!

Peredur Sigune!

Sigune               Du bist frei, bist mein! Dich küssen,
Dich halsen darf ich, ohne fliehn zu müssen.

Peredur Und ich . . . ?

Sigune                         Und du mich wieder!

Peredur                                                       Sag mir nur . . .

Sigune (zärtlich)
Geliebter!

Peredur           Eben noch in Haft und Banden . . . 96

Sigune Und jetzt für allezeit mein süßer Mann.

Peredur Jedoch dein Vater?

Sigune                               Der ist einverstanden.

Peredur Daß wir . . .

Sigune                     Er segnet uns.

Peredur                                         Begreif's, wer kann.

(Von außen her haben Heilrufe begonnen, die bis zum Schluß anschwellen)

Sigune Hörst du? Das Volk ruft Heil.

Peredur                                           Mir ist, als tobten
Sie toller noch als gestern.

Sigune                                   Ja, fürwahr!

Peredur Wem gilt denn dieser Jubel?

Sigune                                             Den Verlobten.

(Orgelspiel in der Kapelle)

Peredur Und dieser Orgelklang?

Sigune                                       Dem hohen Paar. 97

Peredur Wer ist verlobt?

Sigune (sich an ihn schmiegend) Mein Liebling, kannst du fragen?
Dem jungen Königspaare jauchzt man zu.
Verstehst du?

Peredur               Nein.

Sigune                         Die Krone werd' ich tragen,
Und mein geheimer König – der bist du! 98


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