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Aus welchen Quellen die eigentümliche Lust fließt, welche uns der Witz bereitet, das stellen wir nun als gesicherte Erkenntnis voran. Wir wissen, daß wir der Täuschung unterliegen können, unser Wohlgefallen am Gedankeninhalt des Satzes mit der eigentlichen Witzeslust zu verwechseln, daß aber diese selbst wesentlich zwei Quellen hat, die Technik und die Tendenzen des Witzes. Was wir nun erfahren möchten, ist, auf welche Weise sich die Lust aus diesen Quellen ergibt, der Mechanismus dieser Lustwirkung.
Es scheint uns, daß sich die gesuchte Aufklärung beim tendenziösen Witz viel leichter ergibt als beim harmlosen. Mit ersterem werden wir also beginnen.
Die Lust beim tendenziösen Witz ergibt sich daraus, daß eine Tendenz befriedigt wird, deren Befriedigung sonst unterblieben wäre. Daß solche Befriedigung eine Lustquelle ist, bedarf keiner weiteren Ausführung. Aber die Art, wie der Witz die Befriedigung herbeiführt, ist an besondere Bedingungen geknüpft, aus denen vielleicht weiterer Aufschluß zu gewinnen ist. Es sind hier zwei Fälle zu unterscheiden. Der einfachere Fall ist, daß der Befriedigung der Tendenz ein äußeres Hindernis im Wege steht, welches durch den Witz umgangen wird. So fanden wir es z. B. in der Antwort, die Serenissimus auf die Frage erhält, ob die Mutter des Angesprochenen je in der Residenz gelebt habe, oder in der Äußerung des Kunstkennerns, dem die zwei reichen Gauner ihre Porträts zeigen: And where is the Saviour? Die Tendenz geht in dem einen Fall dahin, einen Schimpf mit Gleichem zu erwidern, im anderen, eine Beschimpfung an Stelle des geforderten Gutachtens von sich zu geben; was ihr entgegensteht, sind rein äußerliche Momente, die Machtverhältnisse der Personen, die von der Beschimpfung betroffen 112 werden. Es mag uns immerhin auffallen, daß diese und analoge Witze tendenziöser Natur, so sehr sie uns auch befriedigen, doch nicht imstande sind, einen starken Lacheffekt hervorzubringen.
Anders, wenn nicht äußere Momente, sondern ein innerliches Hindernis der direkten Verwirklichung der Tendenz im Wege steht, wenn eine innere Regung sich der Tendenz entgegenstellt. Diese Bedingung wäre nach unserer Voraussetzung etwa in den aggressiven Witzen des Herrn N. verwirklicht, in dessen Person eine starke Neigung zur Invektive durch hochentwickelte ästhetische Kultur in Schach gehalten wird. Mit Hilfe des Witzes wird der innere Widerstand für diesen speziellen Fall überwunden, die Hemmung aufgehoben. Dadurch wird wie im Falle des äußeren Hindernisses die Befriedigung der Tendenz ermöglicht, eine Unterdrückung und die mit ihr verbundene »psychische Stauung« vermieden; der Mechanismus der Lustentwicklung wäre insoweit für beide Fälle der nämliche.
Wir verspüren an dieser Stelle allerdings die Neigung, in die Unterschiede der psychologischen Situation für den Fall des äußeren und des inneren Hindernisses tiefer einzugehen, da uns die Möglichkeit vorschwebt, aus der Aufhebung des inneren Hindernisses könne sich ein ungleich höherer Beitrag zur Lust ergeben. Aber ich schlage vor, hier genügsam zu bleiben und uns vorläufig mit der einen Feststellung zu bescheiden, welche bei dem für uns Wesentlichen verbleibt. Die Fälle des äußerlichen und des inneren Hindernisses unterscheiden sich nur darin, daß hier eine bereits bestehende Hemmung aufgehoben, dort die Herstellung einer neuen vermieden wird. Wir nehmen dann die Spekulation nicht zu sehr in Anspruch, wenn wir behaupten, daß zur Herstellung wie zur Erhaltung einer psychischen Hemmung ein »psychischer Aufwand« erfordert wird. Ergibt sich nun, daß in beiden Fällen der Verwendung des tendenziösen Witzes Lust erzielt wird, so liegt es nahe anzunehmen, daß solcher Lustgewinn dem ersparten psychischen Aufwand entspreche.
Somit wären wir wiederum auf das Prinzip der Ersparung gestoßen, dem wir zuerst bei der Technik des Wortwitzes begegnet sind. Während wir aber zunächst die Ersparung in dem Gebrauch von möglichst wenig oder möglichst den gleichen Worten zu finden glaubten, ahnt uns hier der weit umfassendere Sinn einer Ersparung an psychischem Aufwand überhaupt, und wir müssen es für möglich halten, durch 113 nähere Bestimmung des noch sehr unklaren Begriffes »psychischer Aufwand« dem Wesen des Witzes näherzukommen.
Eine gewisse Unklarheit, die wir bei der Behandlung des Lustmechanismus beim tendenziösen Witze nicht überwinden konnten, nehmen wir als billige Strafe dafür, daß wir versucht haben, das Kompliziertere vor dem Einfacheren, den tendenziösen Witz vor dem harmlosen aufzuklären. Wir merken uns, daß »Ersparung an Hemmungs- oder Unterdrückungsaufwand« das Geheimnis der Lustwirkung des tendenziösen Witzes zu sein schien, und wenden uns dem Mechanismus der Lust beim harmlosen Witze zu.
Aus geeigneten Beispielen harmlosen Witzes, bei denen keine Störung unseres Urteils durch Inhalt oder Tendenz zu befürchten stand, mußten wir den Schluß ziehen, daß die Techniken des Witzes selbst Lustquellen sind, und wollen nun prüfen, ob sich diese Lust etwa auf Ersparung an psychischem Aufwand zurückführen lasse. In einer Gruppe dieser Witze (den Wortspielen) bestand die Technik darin, unsere psychische Einstellung auf den Wortklang anstatt auf den Sinn des Wortes zu richten, die (akustische) Wortvorstellung selbst an Stelle ihrer durch Relationen zu den Dingvorstellungen gegebenen Bedeutung treten zu lassen. Wir dürfen wirklich vermuten, daß damit eine große Erleichterung der psychischen Arbeit gegeben ist und daß wir uns bei der ernsthaften Verwendung der Worte durch eine gewisse Anstrengung von diesem bequemen Verfahren abhalten müssen. Wir können beobachten, daß krankhafte Zustände der Denktätigkeit, in denen die Möglichkeit, psychischen Aufwand auf eine Stelle zu konzentrieren, wahrscheinlich eingeschränkt ist, tatsächlich die Wortklangvorstellung solcher Art gegen die Wortbedeutung in den Vordergrund rücken lassen und daß solche Kranke in ihren Reden nach den »äußeren« anstatt nach den »inneren« Assoziationen der Wortvorstellung, wie die Formel lautet, fortschreiten. Auch beim Kinde, welches ja die Worte noch als Dinge zu behandeln gewohnt ist, bemerken wir die Neigung, hinter gleichem oder ähnlichem Wortlaut gleichen Sinn zu suchen, die zur Quelle vieler von 114 den Erwachsenen belachter Irrtümer wird. Wenn es uns dann im Witz ein unverkennbares Vergnügen bereitet, durch den Gebrauch des nämlichen Wortes oder eines ihm ähnlichen aus dem einen Vorstellungskreis in einen anderen, entfernten zu gelangen (wie bei Home-Roulard aus dem der Küche in den der Politik), so ist dies Vergnügen wohl mit Recht auf die Ersparung an psychischem Aufwand zurückzuführen. Die Witzeslust aus solchem »Kurzschluß« scheint auch um so größer zu sein, je fremder die beiden durch das gleiche Wort in Verbindung gebrachten Vorstellungskreise einander sind, je weiter ab sie voneinander liegen, je größer also die Ersparung an Gedankenweg durch das technische Mittel des Witzes ausfällt. Merken wir übrigens an, daß sich der Witz hier eines Mittels der Verknüpfung bedient, welches vom ernsthaften Denken verworfen und sorgfältig vermieden wirdWenn ich mir hier gestatten darf, der Darstellung im Texte vorzugreifen, so kann ich an dieser Stelle ein Licht auf die Bedingung werfen, welche für den Sprachgebrauch maßgebend scheint, um einen Witz einen »guten« oder einen »schlechten« zu heißen. Wenn ich mittels eines doppelsinnigen oder wenig modifizierten Wortes auf kurzem Wege aus einem Vorstellungskreis in einen anderen geraten bin, während sich zwischen den beiden Vorstellungskreisen nicht auch gleichzeitig eine sinnvolle Verknüpfung ergibt, dann habe ich einen »schlechten« Witz gemacht. In diesem schlechten Witz ist das eine Wort, die »Pointe«, die einzig vorhandene Verknüpfung zwischen den beiden disparaten Vorstellungen. Ein solcher Fall ist das oben verwendete Beispiel: Home-Roulard. Ein »guter Witz« kommt aber zustande, wenn die Kindererwartung recht behält und mit der Ähnlichkeit der Worte wirklich gleichzeitig eine andere wesentliche Ähnlichkeit des Sinnes angezeigt ist, wie im Beispiel: Traduttore-Traditore. Die beiden disparaten Vorstellungen, die hier durch eine äußerliche Assoziation verknüpft sind, stehen außerdem in einem sinnreichen Zusammenhang, welcher eine Wesensverwandtschaft von ihnen aussagt. Die äußerliche Assoziation ersetzt nur den innerlichen Zusammenhang; sie dient dazu, ihn anzuzeigen oder klarzustellen. Der »Übersetzer« heißt nicht nur ähnlich wie der »Verräter«; er ist auch eine Art von Verräter, er führt gleichsam mit Recht seinen Namen.
Der hier entwickelte Unterschied fällt mit der später einzuführenden Scheidung von »Scherz« und »Witz« zusammen. Es wäre aber unrecht, Beispiele wie Home-Roulard von der Erörterung über die Natur des Witzes auszuschließen. Sowie wir die eigentümliche Lust des Witzes in Betracht ziehen, finden wir, daß die »schlechten« Witze keineswegs als Witze schlecht, d. h. ungeeignet zur Erzeugung von Lust sind.
Eine zweite Gruppe technischer Mittel des Witzes – Unifizierung, Gleichklang, mehrfache Verwendung, Modifikation bekannter Redensarten, Anspielung auf Zitate – läßt als gemeinsamen Charakter herausheben, daß jedesmal etwas Bekanntes wiedergefunden wird, wo man anstatt dessen etwas Neues hätte erwarten können. Dieses Wiederfinden des Bekannten ist lustvoll, und es kann uns wiederum nicht schwerfallen, solche Lust als Ersparungslust zu erkennen, auf die Ersparung an psychischem Aufwand zu beziehen.
115 Daß das Wiederfinden des Bekannten, das »Wiedererkennen« lustvoll ist, scheint allgemein zugestanden zu werden. GroosDie Spiele der Menschen, 1899. sagt (S. 153): »Das Wiedererkennen ist nun überall, wo es nicht allzusehr mechanisiert ist (wie etwa beim Ankleiden, wo ...), mit Lustgefühlen verbunden. Schon die bloße Qualität der Bekanntheit ist leicht von jenem sanften Behagen begleitet, das Faust erfüllt, wie er nach einer unheimlichen Begegnung wieder in sein Studierzimmer tritt ...« »Wenn so der Akt des Wiedererkennens lusterregend ist, so werden wir erwarten dürfen, daß der Mensch darauf verfällt, diese Fähigkeit um ihrer selbst willen zu üben, also spielend mit ihr zu experimentieren. In der Tat hat Aristoteles in der Freude am Wiedererkennen die Grundlage des Kunstgenusses erblickt, und es läßt sich nicht leugnen, daß dieses Prinzip nicht übersehen werden darf, wenn es auch keine so weittragende Bedeutung hat, wie Aristoteles annimmt.«
Groos erörtert dann die Spiele, deren Charakter darin besteht, die Freude am Wiedererkennen dadurch zu steigern, daß man demselben Hindernisse in den Weg legt, also eine »psychische Stauung« herbeiführt, die mit dem Akt des Erkennens beseitigt ist. Sein Erklärungsversuch verläßt aber die Annahme, daß das Erkennen an sich lustvoll sei, indem er das Vergnügen am Erkennen mit Berufung auf diese Spiele auf die Freude an der Macht, an der Überwindung einer Schwierigkeit zurückführt. Ich halte dieses letztere Moment für sekundär und sehe keinen Anlaß, von der einfacheren Auffassung abzuweichen, daß das Erkennen an sich, d. h. durch Erleichterung des psychischen Aufwands, lustvoll ist und daß die auf diese Lust gegründeten Spiele sich eben nur des Stauungsmechanismus bedienen, um deren Betrag in die Höhe zu treiben.
Daß Reim, Alliteration, Refrain und andere Formen der Wiederholung ähnlicher Wortklänge in der Dichtung die nämliche Lustquelle, das Wiederfinden des Bekannten, ausnützen, ist gleichfalls allgemein anerkannt. Ein »Machtgefühl« spielt bei diesen Techniken, die mit der »mehrfachen Verwendung« beim Witze so große Übereinstimmung zeigen, keine ersichtliche Rolle.
Bei den nahen Beziehungen zwischen Erkennen und Erinnern ist die Annahme nicht mehr gewagt, daß es auch eine Erinnerungslust gebe, d. h. daß der Akt des Erinnerns an sich von einem Lustgefühl ähnlicher Herkunft begleitet sei. Groos scheint einer solchen Annahme nicht 116 abgeneigt zu sein, aber er leitet die Erinnerungslust wiederum vom »Machtgefühl« ab, in dem er den Hauptgrund des Genusses bei fast allen Spielen – wie ich meine, mit Unrecht – sucht.
Auf dem »Wiederfinden des Bekannten« beruht auch die Verwendung eines anderen technischen Hilfsmittels des Witzes, von dem bisher noch nicht die Rede war. Ich meine das Moment der Aktualität, das bei sehr vielen Witzen eine ausgiebige Lustquelle darstellt und einige Eigentümlichkeiten in der Lebensgeschichte der Witze erklärt. Es gibt Witze, die von dieser Bedingung vollkommen frei sind, und in einer Abhandlung über den Witz sind wir genötigt, uns fast ausschließlich solcher Beispiele zu bedienen. Wir können aber nicht vergessen, daß wir vielleicht noch stärker als über solche perennierende Witze über andere gelacht haben, deren Verwendung uns jetzt schwerfällt, weil sie lange Kommentare erfordern und auch mit deren Nachhilfe die einstige Wirkung nicht erreichen würden. Diese letzteren Witze enthielten nun Anspielungen auf Personen und Begebenheiten, die zur Zeit »aktuell« waren, das allgemeine Interesse wachgerufen hatten und noch in Spannung erhielten. Nach dem Erlöschen dieses Interesses, nach der Erledigung der betreffenden Affaire hatten auch diese Witze einen Teil ihrer Lustwirkung, und zwar einen recht beträchtlichen Teil, eingebüßt. So z. B. erscheint mir der Witz, den mein freundlicher Gastgeber machte, als er die herumgereichte Mehlspeise einen »Home-Roulard« nannte, heute lange nicht so gut wie damals, als Home Rule eine ständige Rubrik in den politischen Nachrichten unserer Zeitungen war. Versuche ich jetzt das Verdienst dieses Witzes durch die Beschreibung zu würdigen, daß uns das eine Wort mit Ersparung eines großen Denkumweges aus dem Vorstellungskreis der Küche in den so fernliegenden der Politik führe, so hätte ich diese Beschreibung damals abändern müssen, »daß uns dieses Wort aus dem Vorstellungskreis der Küche in den ihm selbst so fernliegenden Kreis der Politik führe, der aber unseres lebhaften Interesses sicher sei, weil er uns eigentlich unausgesetzt beschäftige«. Ein anderer Witz: »Dieses Mädchen erinnert mich an Dreyfus; die Armee glaubt nicht an ihre Unschuld« ist heute, trotzdem alle seine technischen Mittel unverändert geblieben sein müssen, gleichfalls verblaßt. Die Verblüffung durch den Vergleich und die Zweideutigkeit des Wortes »Unschuld« können es nicht wettmachen, daß die Anspielung, die damals an eine mit frischer Erregung besetzte Angelegenheit rührte, heute an ein erledigtes Interesse erinnert. Ein noch aktueller Witz wie z. B. folgender: Kronprinzessin Louise hatte sich an das Krematorium in 117 Gotha mit der Anfrage gewendet, was eine Verbrennung koste. Die Verwaltung gab ihr die Antwort: »Sonst 5000 Mark, ihr werde man aber nur 3000 Mark berechnen, da sie schon einmal durchgebrannt sei«; ein solcher Witz erscheint heute unwiderstehlich; in einiger Zeit wird er in unserer Schätzung sehr erheblich gesunken sein, und noch eine Weile später, wenn man ihn nicht erzählen kann, ohne in einem Kommentar hinzuzusetzen, wer die Prinzessin Louise war und wie ihr »Durchgebranntsein« gemeint ist, wird er trotz des guten Wortspiels wirkungslos bleiben.
Eine große Zahl der im Umlauf befindlichen Witze gelangt so zu einer gewissen Lebensdauer, eigentlich zu einem Lebenslauf, der sich aus einer Blütezeit und einer Verfallszeit zusammensetzt und in völliger Vergessenheit endigt. Das Bedürfnis der Menschen, Lust aus ihren Denkvorgängen zu gewinnen, schafft dann immer neue Witze unter Anlehnung an die neuen Interessen des Tages. Die Lebenskraft der aktuellen Witze ist keine ihnen eigene, sie wird auf dem Wege der Anspielung jenen anderen Interessen entlehnt, deren Ablauf auch das Schicksal des Witzes bestimmt. Das Moment der Aktualität, welches als eine vergängliche Lustquelle zwar, aber als besonders ergiebige zu den eigenen des Witzes hinzutritt, kann nicht einfach dem Wiederfinden des Bekannten gleichgesetzt werden. Es handelt sich vielmehr um eine besondere Qualifikation des Bekannten, dem die Eigenschaft des Frischen, Rezenten, nicht vom Vergessen Berührten zukommen muß. Auch bei der Traumbildung begegnet man einer besonderen Bevorzugung des Rezenten und kann sich der Vermutung nicht erwehren, daß die Assoziation mit dem Rezenten durch eine eigenartige Lustprämie belohnt, also erleichtert wird.
Die Unifizierung, die ja nur die Wiederholung auf dem Gebiete des Gedankenzusammenhanges anstatt des Materials ist, hat bei G. Th. Fechner eine besondere Anerkennung als Lustquelle des Witzes gefunden. Fechner äußert (Vorschule der Ästhetik, Bd. 1, XVII): »Meines Erachtens spielt in dem Felde, was wir hier vor Augen haben, das Prinzip der einheitlichen Verknüpfung des Mannigfaltigen die Hauptrolle, bedarf aber noch unterstützender Nebenbedingungen, um 118 das Vergnügen, was die hieher gehörigen Fälle gewähren können, mit seinem eigentümlichen Charakter über die Schwelle zu treiben.«Abschnitt XVII ist überschrieben: Von sinnreichen und witzigen Vergleichen, Wortspielen u. a. Fällen, welche den Charakter der Ergötzlichkeit, Lustigkeit, Lächerlichkeit tragen.
In allen diesen Fällen von Wiederholung des nämlichen Zusammenhanges oder des nämlichen Materials von Worten, von Wiederfinden des Bekannten und Rezenten, die dabei verspürte Lust von der Ersparung an psychischem Aufwand abzuleiten, kann uns wohl nicht verwehrt werden, wenn dieser Gesichtspunkt sich fruchtbar zur Aufklärung von Einzelheiten und zur Gewinnung neuer Allgemeinheiten erweist. Wir wissen, daß wir noch die Art, wie die Ersparung zustande kommt, und den Sinn des Ausdrucks »psychischer Aufwand« deutlich zu machen haben.
Die dritte Gruppe der Techniken des Witzes – zumeist des Gedankenwitzes –, welche die Denkfehler, Verschiebungen, den Widersinn, die Darstellung durch das Gegenteil u. a. umfaßt, mag für den ersten Anschein ein besonderes Gepräge tragen und keine Verwandtschaft mit den Techniken des Wiederfindens des Bekannten oder des Ersatzes der Gegenstandsassoziationen durch die Wortassoziationen verraten; es ist nichtsdestoweniger gerade hier sehr leicht, den Gesichtspunkt der Ersparung oder Erleichterung des psychischen Aufwandes zur Geltung zu bringen.
Daß es leichter und bequemer ist, von einem eingeschlagenen Gedankenweg abzuweichen als ihn festzuhalten, Unterschiedenes zusammenzuwerfen als es in Gegensatz zu bringen, und gar besonders bequem, von der Logik verworfene Schlußweisen gelten zu lassen, endlich bei der Zusammenfügung von Worten oder Gedanken von der Bedingung abzusehen, daß sie auch einen Sinn ergeben sollen: dies ist allerdings nicht zweifelhaft, und gerade dies tun die in Rede stehenden Techniken des Witzes. Befremden wird aber die Aufstellung erregen, daß solches Tun der Witzarbeit eine Quelle der Lust eröffnet, da wir gegen alle derartigen Minderleistungen der Denktätigkeit außerhalb des Witzes nur unlustige Abwehrgefühle verspüren können.
Die »Lust am Unsinn«, wie wir abkürzend sagen können, ist im ernsthaften Leben allerdings bis zum Verschwinden verdeckt. Um sie nachzuweisen, müssen wir auf zwei Fälle eingehen, in denen sie noch sichtbar ist und wieder sichtbar wird, auf das Verhalten des lernenden Kindes und das des Erwachsenen in toxisch veränderter Stimmung. In der Zeit, da das Kind den Wortschatz seiner Muttersprache handhaben lernt, bereitet es ihm ein offenbares Vergnügen, mit diesem Material »spielend zu experimentieren« (Groos), und es fügt die Worte, ohne sich an die Sinnbedingung zu binden, zusammen, um den Lusteffekt des Rhythmus oder des Reimes mit ihnen zu erzielen. Dieses Vergnügen wird ihm allmählich verwehrt, bis ihm nur die sinnreichen Wortverbindungen als gestattete erübrigen. Noch in spätere Jahre ragen dann die Bestrebungen, sich über die erlernten Einschränkungen im Gebrauche der Worte hinauszusetzen, indem man dieselben durch bestimmte Anhängsel verunstaltet, ihre Formen durch gewisse Veranstaltungen verändert (Reduplikationen, Zittersprache) oder sich sogar für den Gebrauch unter den Gespielen eine eigene Sprache zurechtmacht, Bemühungen, welche dann bei den Geisteskranken gewisser Kategorien wieder auftauchen.
Ich meine, welches immer das Motiv war, dem das Kind folgte, als es mit solchen Spielen begann, in weiterer Entwicklung gibt es sich ihnen mit dem Bewußtsein, daß sie unsinnig sind, hin und findet das Vergnügen in diesem Reiz des von der Vernunft Verbotenen. Es benützt nun das Spiel dazu, sich dem Drucke der kritischen Vernunft zu entziehen. Weit gewaltiger sind aber die Einschränkungen, die bei der Erziehung zum richtigen Denken und zur Sonderung des in der Realität Wahren vom Falschen Platz greifen müssen, und darum ist die Auflehnung gegen den Denk- und Realitätszwang eine tiefgreifende und lang anhaltende; selbst die Phänomene der Phantasiebetätigung fallen unter diesen Gesichtspunkt. Die Macht der Kritik ist in dem späteren Abschnitt der Kindheit und in der über die Pubertät hinausreichenden Periode des Lernens meist so sehr gewachsen, daß die Lust am »befreiten Unsinn« sich nur selten direkt zu äußern wagt. Man getraut sich nicht, Widersinn auszusprechen; aber die für den Buben charakteristische Neigung zu widersinnigem, zweckwidrigem Tun scheint mir ein direkter Abkömmling der Lust am Unsinn zu sein. In pathologischen Fällen sieht man leicht diese Neigung so weit gesteigert, daß sie wieder die Reden und Antworten des Schülers beherrscht; bei einigen in Neurose verfallenen Gymnasiasten konnte ich mich überzeugen, daß die unbewußt wirkende Lust an dem von ihnen produzierten Unsinn an ihren Fehlleistungen nicht minderen Anteil hatte als ihre wirkliche Unwissenheit.
Der Student gibt es dann nicht auf, gegen den Denk- und Realitätszwang zu demonstrieren, dessen Herrschaft er doch immer unduldsamer und uneingeschränkter werden verspürt. Ein guter Teil des 120 studentischen Ulks gehört dieser Reaktion an. Der Mensch ist eben ein »unermüdlicher Lustsucher« – ich weiß nicht mehr, bei welchem Autor ich diesen glücklichen Ausdruck gefunden habe – und jeder Verzicht auf eine einmal genossene Lust wird ihm sehr schwer. Mit dem heiteren Unsinn des Bierschwefels versucht der Student, sich die Lust aus der Freiheit des Denkens zu retten, die ihm durch die Schulung des Kollegs immer mehr verlorengeht. Ja noch viel später, wenn er als gereifter Mann mit anderen auf dem wissenschaftlichen Kongresse zusammengetroffen ist und sich wieder als Lernender gefühlt hat, muß nach Schluß der Sitzung die Kneipzeitung, welche die neugewonnenen Einsichten ins Unsinnige verzerrt, ihm für die neuzugewachsene Denkhemmung Entschädigung bieten.
»Bierschwefel« und »Kneipzeitung« legen in ihrem Namen Zeugnis dafür ab, daß die Kritik, welche die Lust am Unsinn verdrängt hat, bereits so stark geworden ist, daß sie ohne toxische Hilfsmittel auch nicht zeitweilig beiseite geschoben werden kann. Die Veränderung der Stimmungslage ist das Wertvollste, was der Alkohol dem Menschen leistet, und weshalb dieses »Gift« nicht für jeden gleich entbehrlich ist. Die heitere Stimmung, ob nun endogen entstanden oder toxisch erzeugt, setzt die hemmenden Kräfte, die Kritik unter ihnen, herab und macht damit Lustquellen wieder zugänglich, auf denen die Unterdrückung lastete. Es ist überaus lehrreich zu sehen, wie die Anforderungen an den Witz mit einer Hebung der Stimmungslage sinken. Die Stimmung ersetzt eben den Witz, wie der Witz sich bemühen muß, die Stimmung zu ersetzen, in welcher sich sonst gehemmte Genußmöglichkeiten, unter ihnen die Lust am Unsinn, geltend machen.
»Mit wenig Witz und viel Behagen.«
Unter dem Einfluß des Alkohols wird der Erwachsene wieder zum Kinde, dem die freie Verfügung über seinen Gedankenablauf ohne Einhaltung des logischen Zwanges Lust bereitet.
Wir hoffen nun auch dargetan zu haben, daß die Widersinnstechniken des Witzes einer Lustquelle entsprechen. Daß diese Lust aus Ersparung an psychischem Aufwand, Erleichterung vom Zwange der Kritik, hervorgeht, brauchen wir nur zu wiederholen.
Bei einem nochmaligen Rückblick auf die in drei Gruppen gesonderten Techniken des Witzes bemerken wir, daß die erste und dritte dieser 121 Gruppen, die Ersetzung der Dingassoziationen durch die Wortassoziationen und die Verwendung des Widersinns als Wiederherstellungen alter Freiheiten und als Entlastungen von dem Zwang der intellektuellen Erziehung zusammengefaßt werden können; es sind psychische Erleichterungen, die man in einen gewissen Gegensatz zur Ersparung bringen kann, welche die Technik in der zweiten Gruppe ausmacht. Erleichterung des schon bestehenden und Ersparung an erst aufzubietendem psychischen Aufwand, auf diese beiden Prinzipien führt sich also alle Technik des Witzes und somit alle Lust aus diesen Techniken zurück. Die beiden Arten der Technik und der Lustgewinnung fallen übrigens – im großen und ganzen wenigstens – mit der Scheidung des Witzes in Wort- und Gedankenwitz zusammen.
Die vorstehenden Erörterungen haben uns unversehens zur Einsicht in eine Entwicklungsgeschichte oder Psychogenese des Witzes geführt, welcher wir nun nähertreten wollen. Wir haben Vorstufen des Witzes kennengelernt, deren Entwicklung bis zum tendenziösen Witz wahrscheinlich neue Beziehungen zwischen den verschiedenen Charakteren des Witzes aufdecken kann. Vor allem Witz gibt es etwas, was wir als Spiel oder »Scherz« bezeichnen können. Das Spiel – verbleiben wir bei diesem Namen – tritt beim Kinde auf, während es Worte verwenden und Gedanken aneinanderfügen lernt. Dieses Spiel folgt wahrscheinlich einem der Triebe, welche das Kind zur Übung seiner Fähigkeiten nötigen (Groos); es stößt dabei auf Lustwirkungen, die sich aus der Wiederholung des Ähnlichen, aus dem Wiederfinden des Bekannten, dem Gleichklang usw. ergeben und als unvermutete Ersparungen an psychischem Aufwand erklären. Es ist nicht zu verwundern, daß diese Lusteffekte das Kind zur Pflege des Spieles antreiben und es veranlassen, dasselbe ohne Rücksicht auf die Bedeutung der Worte und den Zusammenhang der Sätze fortzusetzen. Spiel mit Worten und Gedanken, motiviert durch gewisse Lusteffekte der Ersparung, wäre also die erste Vorstufe des Witzes.
122 Diesem Spiel macht die Erstarkung eines Moments ein Ende, das als Kritik oder Vernünftigkeit bezeichnet zu werden verdient. Das Spiel wird nun als sinnlos oder direkt widersinnig verworfen; es wird infolge der Kritik unmöglich. Es ist nun auch ausgeschlossen, anders als zufallsweise aus jenen Quellen des Wiederfindens des Bekannten usw. Lust zu beziehen, es sei denn, daß den Heranwachsenden eine lustvolle Stimmung befalle, welche der Heiterkeit des Kindes ähnlich die kritische Hemmung aufhebt. In diesem Falle allein wird das alte Spiel der Lustgewinnung wieder ermöglicht, aber auf diesen Fall mag der Mensch nicht warten und auf die ihm vertraute Lust nicht verzichten. Er sucht also nach Mitteln, welche ihn von der lustvollen Stimmung unabhängig machen; die weitere Entwicklung zum Witze wird von den beiden Bestrebungen, die Kritik zu vermeiden und die Stimmung zu ersetzen, regiert.
Damit setzt die zweite Vorstufe des Witzes ein, der Scherz. Es gilt nun den Lustgewinn des Spieles durchzusetzen und dabei doch den Einspruch der Kritik, der das Lustgefühl nicht aufkommen ließe, zum Schweigen zu bringen. Zu diesem Ziele führt nur ein einziger Weg. Die sinnlose Zusammenstellung von Worten oder die widersinnige Anreihung von Gedanken muß doch einen Sinn haben. Die ganze Kunst der Witzarbeit wird aufgeboten, um solche Worte und solche Gedankenkonstellationen aufzufinden, bei denen diese Bedingung erfüllt ist. Alle technischen Mittel des Witzes finden hier bereits, beim Scherz, Verwendung, auch trifft der Sprachgebrauch zwischen Scherz und Witz keine konsequente Unterscheidung. Was den Scherz vom Witz unterscheidet, ist, daß der Sinn des der Kritik entzogenen Satzes kein wertvoller, kein neuer oder auch nur guter zu sein braucht; es muß sich eben nur so sagen lassen, wenngleich es ungebräuchlich, überflüssig, nutzlos ist, es so zu sagen. Beim Scherz steht die Befriedigung, das von der Kritik Verbotene ermöglicht zu haben, im Vordergrunde.
Ein bloßer Scherz ist es z. B., wenn Schleiermacher die Eifersucht definiert als die Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft. Ein Scherz ist es, wenn der Professor Kästner, der im 18. Jahrhundert in Göttingen Physik lehrte – und Witze machte –, einen Studenten namens Kriegk bei der Inskription nach seinem Alter fragte und auf die Antwort, er sei dreißig Jahre alt, meinte: Ei, so habe ich ja die Ehre, den 30jährigen Krieg zu sehenKleinpaul, 1890.. Mit einem Scherz antwortete 123 Meister Rokitansky auf die Frage, welchen Berufen sich seine vier Söhne zugewendet hätten: »Zwei heilen und zwei heulen« (zwei Ärzte und zwei Sänger). Die Auskunft war richtig und darum nicht weiter angreifbar; aber sie fügte nichts hinzu, was nicht in dem in Klammern stehenden Ausdruck enthalten gewesen wäre. Es ist unverkennbar, daß die Antwort die andere Form nur wegen der Lust angenommen hat, welche sich aus der Unifizierung und aus dem Gleichklang der beiden Worte ableitet.
Ich meine, wir sehen nun endlich klar. Es hat uns in der Bewertung der Techniken des Witzes immer gestört, daß diese nicht dem Witz allein zu eigen sind, und doch schien das Wesen des Witzes an ihnen zu hängen, da mit ihrer Beseitigung durch die Reduktion Witzcharakter und Witzeslust verloren waren. Nun merken wir, was wir als die Techniken des Witzes beschrieben haben – und in gewissem Sinne fortfahren müssen so zu nennen –, das sind vielmehr die Quellen, aus denen der Witz die Lust bezieht, und wir finden es nicht befremdend, daß andere Verfahren zum nämlichen Zweck aus den gleichen Quellen schöpfen. Die dem Witze eigentümliche und ihm allein zukommende Technik besteht aber in seinem Verfahren, die Anwendung dieser lustbereitenden Mittel gegen den Einspruch der Kritik sicherzustellen, welcher die Lust aufheben würde. Wir können von diesem Verfahren wenig Allgemeines aussagen; die Witzarbeit äußert sich, wie schon erwähnt, in der Auswahl eines solchen Wortmaterials und solcher Denksituationen, welche es gestatten, daß das alte Spiel mit Worten und Gedanken die Prüfung der Kritik bestehe, und zu diesem Zwecke müssen alle Eigentümlichkeiten des Wortschatzes und alle Konstellationen des Gedankenzusammenhanges auf das geschickteste ausgenützt werden. Vielleicht werden wir späterhin noch in die Lage kommen, die Witzarbeit durch eine bestimmte Eigenschaft zu charakterisieren; vorläufig bleibt es unerklärt, wie die dem Witze ersprießliche Auswahl getroffen werden kann. Die Tendenz und Leistung des Witzes, die lustbereitenden Wort- und Gedankenverbindungen vor der Kritik zu schützen, stellt sich aber schon beim Scherz als sein wesentliches Merkmal heraus. Von Anfang an besteht seine Leistung darin, innere Hemmungen aufzuheben und durch sie unzugänglich gewordene Lustquellen ergiebig zu machen, und wir werden finden, daß er diesem Charakter durch seine ganze Entwicklung treu bleibt.
124 Wir sind nun auch in der Lage, dem Moment des »Sinnes im Unsinn« (vgl. Einleitung, S. 16), welchem von den Autoren eine so große Bedeutung zur Kennzeichnung des Witzes und zur Aufklärung der Lustwirkung beigemessen wird, seine richtige Stellung anzuweisen. Die zwei festen Punkte in der Bedingtheit des Witzes, seine Tendenz, das lustvolle Spiel durchzusetzen, und seine Bemühung, es vor der Kritik der Vernunft zu schützen, erklären ohne weiteres, warum der einzelne Witz, wenn er für die eine Ansicht unsinnig erscheint, für eine andere sinnvoll oder wenigstens zulässig erscheinen muß. Wie er dies macht, das bleibt die Sache der Witzarbeit; wo es ihm nicht gelungen ist, wird er eben als »Unsinn« verworfen. Wir haben es aber auch nicht nötig, die Lustwirkung des Witzes aus dem Widerstreit der Gefühle abzuleiten, die aus dem Sinn und gleichzeitigen Unsinn des Witzes, sei es direkt, sei es auf dem Wege der »Verblüffung und Erleuchtung«, hervorgehen. Ebensowenig besteht für uns eine Nötigung, der Frage näherzutreten, wieso Lust aus der Abwechslung des Für-sinnlos-Haltens und Für-sinnreich-Erkennens des Witzes hervorgehen könne. Die Psychogenese des Witzes hat uns belehrt, daß die Lust des Witzes aus dem Spiel mit Worten oder aus der Entfesselung des Unsinns stammt und daß der Sinn des Witzes nur dazu bestimmt ist, diese Lust gegen die Aufhebung durch die Kritik zu schützen.
Somit wäre das Problem des wesentlichen Charakters des Witzes bereits am Scherz erklärt. Wir dürfen uns der weiteren Entwicklung des Scherzes bis zu ihrer Höhe im tendenziösen Witz zuwenden. Der Scherz stellt noch die Tendenz voran, uns Vergnügen zu bereiten, und begnügt sich damit, daß seine Aussage nicht unsinnig oder völlig gehaltlos erscheine. Wenn diese Aussage selbst eine gehalt- und wertvolle ist, wandelt sich der Scherz zum Witz. Ein Gedanke, der unseres Interesses würdig gewesen wäre, auch in schlichtester Form ausgedrückt, ist nun in eine Form gekleidet, die an und für sich unser Wohlgefallen erregen mußAls Beispiel, welches den Unterschied von Scherz und eigentlichem Witz erkennen läßt, diene das ausgezeichnete Witzwort, mit welchem ein Mitglied des »Bürgerministeriums« in Österreich die Frage nach der Solidarität des Kabinetts beantwortete: »Wie sollen wir füreinander einstehen können, wenn wir einander nicht ausstehen können?« Technik: Verwendung des nämlichen Materials mit geringer (gegensätzlicher) Modifikation; der korrekte und treffende Gedanke: es gibt keine Solidarität ohne persönliches Einvernehmen. Die Gegensätzlichkeit der Modifikation (einstehen – ausstehen) entspricht der vom Gedanken behaupteten Unvereinbarkeit und dient ihr als Darstellung.. Gewiß 125 ist eine solche Vergesellschaftung nicht ohne Absicht zustande gekommen, müssen wir denken und werden uns bemühen, die der Bildung des Witzes zugrundeliegende Absicht zu erraten. Eine bereits früher, wie beiläufig gemachte Beobachtung wird uns auf die Spur führen. Wir haben oben bemerkt, daß ein guter Witz uns sozusagen einen Gesamteindruck von Wohlgefallen macht, ohne daß wir imstande wären, unmittelbar zu unterscheiden, welcher Anteil der Lust von der witzigen Form, welcher von dem trefflichen Gedankeninhalt herrührt (S. 89). Wir täuschen uns beständig über diese Aufteilung, überschätzen das eine Mal die Güte des Witzes infolge unserer Bewunderung für den in ihm enthaltenen Gedanken, bald umgekehrt den Wert des Gedankens wegen des Vergnügens, das uns die witzige Einkleidung bereitet. Wir wissen nicht, was uns Vergnügen macht und worüber wir lachen. Diese als tatsächlich anzunehmende Unsicherheit unseres Urteils mag das Motiv für die Bildung des Witzes im eigentlichen Sinne abgegeben haben. Der Gedanke sucht die Witzverkleidung, weil er durch sie sich unserer Aufmerksamkeit empfiehlt, uns bedeutsamer, wertvoller erscheinen kann, vor allem aber, weil dieses Kleid unsere Kritik besticht und verwirrt. Wir haben die Neigung, dem Gedanken zugute zu schreiben, was uns an der witzigen Form gefallen hat, sind auch nicht mehr geneigt, etwas unrichtig zu finden, was uns Vergnügen bereitet hat, um uns so die Quelle einer Lust zu verschütten. Hat der Witz uns zum Lachen gebracht, so ist übrigens die für die Kritik ungünstigste Disposition in uns hergestellt, denn dann ist uns von einem Punkte aus jene Stimmung aufgezwungen worden, der bereits das Spiel genügt hat und die zu ersetzen der Witz mit allen Mitteln bemüht war. Wenngleich wir vorhin festgesetzt haben, daß solcher Witz als harmloser, noch nicht tendenziöser, zu bezeichnen sei, werden wir doch nicht verkennen dürfen, daß strenggenommen nur der Scherz tendenzlos ist, d. h. allein der Absicht, Lust zu erzeugen, dient. Der Witz – mag der in ihm enthaltene Gedanke auch tendenzlos sein, also bloß theoretischem Denkinteresse dienen – ist eigentlich nie tendenzlos; er verfolgt die zweite Absicht, den Gedanken durch Vergrößerung zu fördern und ihn gegen die Kritik zu sichern. Er äußert hier wiederum seine ursprüngliche Natur, indem er sich einer hemmenden und einschränkenden Macht, nun dem kritischen Urteil, entgegenstellt.
Diese erste, über die Lusterzeugung hinausgehende Verwendung des Witzes weist den weiteren den Weg. Der Witz ist nun als ein psychischer Machtfaktor erkannt, dessen Gewicht den Ausschlag geben kann, wenn 126 es in diese oder jene Waagschale fällt. Die großen Tendenzen und Triebe des Seelenlebens nehmen ihn für ihre Zwecke in Dienst. Der ursprünglich tendenzlose Witz, der als ein Spiel begann, kommt sekundär in Beziehung zu Tendenzen, denen sich nichts, was im Seelenleben gebildet wird, auf die Dauer entziehen kann. Wir wissen bereits, was er im Dienste der entblößenden, feindseligen, zynischen, skeptischen Tendenz zu leisten vermag. Beim obszönen Witz, welcher aus der Zote hervorgegangen ist, macht er aus dem ursprünglich die sexuelle Situation störenden Dritten einen Bundesgenossen, vor dem das Weib sich schämen muß, indem er ihn durch Mitteilung seines Lustgewinns besticht. Bei der aggressiven Tendenz verwandelt er den anfänglich indifferenten Zuhörer durch das nämliche Mittel in einen Mithasser oder Mitverächter und schafft dem Feind ein Heer von Gegnern, wo erst nur ein einziger war. Im ersten Falle überwindet er die Hemmungen der Scham und der Wohlanständigkeit durch die Lustprämie, die er bietet; im zweiten aber wirft er wiederum das kritische Urteil um, welches sonst den Streitfall geprüft hätte. Im dritten und vierten Falle, im Dienste der zynischen und skeptischen Tendenz erschüttert er den Respekt vor Institutionen und Wahrheiten, an die der Hörer geglaubt hat, einerseits indem er das Argument verstärkt, anderseits aber, indem er eine neue Art des Angriffs pflegt. Wo das Argument die Kritik des Hörers auf seine Seite zu ziehen sucht, ist der Witz bestrebt, diese Kritik zur Seite zu drängen. Es ist kein Zweifel, daß der Witz den psychologisch wirksameren Weg gewählt hat.
Bei dieser Übersicht über die Leistungen des tendenziösen Witzes hat sich uns in den Vordergrund gedrängt, was leichter zu sehen ist, die Wirkung des Witzes auf den, der ihn hört. Für das Verständnis bedeutsamer sind die Leistungen, die der Witz im Seelenleben desjenigen vollbringt, der ihn macht, oder, wie man einzig richtig sagen sollte, dem er einfällt. Wir haben schon einmal den Vorsatz gefaßt – und finden hier Anlaß, ihn zu erneuern –, daß wir die psychischen Vorgänge des Witzes mit Rücksicht auf ihre Verteilung auf zwei Personen studieren wollen. Vorläufig wollen wir der Vermutung Ausdruck geben, daß der durch den Witz angeregte psychische Vorgang beim Hörer den beim Schöpfer des Witzes in den meisten Fällen nachbildet. Dem äußerlichen Hindernis, welches beim Hörer überwunden werden soll, entspricht eine innere Hemmung beim Witzigen. Zum mindesten ist beim letzteren die Erwartung des äußerlichen Hindernisses als hemmende Vorstellung vorhanden. In einzelnen Fällen ist das innerliche Hindernis, das durch den 127 tendenziösen Witz überwunden wird, evident; von den Witzen des Herrn N. (S. 98 f.) dürfen wir z. B. annehmen, daß sie nicht nur den Hörern den Genuß der Aggression durch Injurien, sondern vor allem ihm die Produktion derselben ermöglichen. Unter den Arten der innerlichen Hemmung oder Unterdrückung wird eine unseres besonderen Interesses würdig sein, weil sie die weitestgehende ist; sie wird mit dem Namen der »Verdrängung« bezeichnet und an ihrer Leistung erkannt, daß sie die ihr verfallenen Regungen sowie deren Abkömmlinge vom Bewußtwerden ausschließt. Wir werden hören, daß der tendenziöse Witz selbst aus solchen der Verdrängung unterliegenden Quellen Lust zu entbinden vermag. Läßt sich in solcher Art, wie oben angedeutet wurde, die Überwindung äußerer Hindernisse auf die innerer Hemmungen und Verdrängungen zurückführen, so darf man sagen, daß der tendenziöse Witz den Hauptcharakter der Witzarbeit, Lust frei zu machen durch Beseitigung von Hemmungen, am deutlichsten von allen Entwicklungsstufen des Witzes erweist. Er verstärkt die Tendenzen, in deren Dienst er sich stellt, indem er ihnen Hilfen aus unterdrückt gehaltenen Regungen zuführt, oder er stellt sich überhaupt in den Dienst unterdrückter Tendenzen.
Man kann gern zugeben, daß dies die Leistungen des tendenziösen Witzes sind, und wird sich doch besinnen müssen, daß man nicht versteht, auf welche Weise ihm diese Leistungen gelingen können. Seine Macht besteht in dem Lustgewinn, den er aus den Quellen des Spielens mit Worten und des befreiten Unsinnes zieht, und wenn man nach den Eindrücken urteilen soll, die man von den tendenzlosen Scherzen empfangen hat, kann man den Betrag dieser Lust unmöglich für so groß halten, daß man ihr die Kraft zur Aufhebung eingewurzelter Hemmungen und Verdrängungen zutrauen könnte. Es liegt hier in der Tat keine einfache Kraftwirkung, sondern ein verwickelteres Auslösungsverhältnis vor. Anstatt den weiten Umweg darzulegen, auf dem ich zur Einsicht in dieses Verhältnis gelangt bin, werde ich es auf kurzem, synthetischem Wege darzustellen versuchen.
G. Th. Fechner hat in seiner Vorschule der Ästhetik (Bd. 1, Kapitel V) das »Prinzip der ästhetischen Hilfe oder Steigerung« aufgestellt, das er in folgenden Worten ausführt: »Aus dem widerspruchslosen Zusammentreffen von Lustbedingungen, die für sich wenig leisten, geht ein größeres, oft viel größeres Lustresultat hervor, als dem Lustwerte der einzelnen Bedingungen für sich entspricht, ein größeres, als daß es als Summe der Einzelwirkungen erklärt werden könnte; ja es kann selbst durch ein 128 Zusammentreffen dieser Art ein positives Lustergebnis erzielt, die Schwelle der Lust überstiegen werden, wo die einzelnen Faktoren zu schwach dazu sind; nur daß sie vergleichungsweise mit anderen einen Vorteil der Wohlgefälligkeit spürbar werden lassen müssen.«S. 51 der zweiten Auflage, Leipzig 1897. – Die Hervorhebung ist die Fechners. Ich meine, das Thema des Witzes gibt uns nicht viel Gelegenheit, die Richtigkeit dieses Prinzips, der sich an vielen anderen künstlerischen Bildungen erweisen läßt, zu bestätigen. Am Witz haben wir etwas anderes gelernt, was wenigstens in die Nähe dieses Prinzips gehört, daß wir beim Zusammenwirken mehrerer lusterzeugender Faktoren nicht imstande sind, jedem derselben den ihm am Ergebnis wirklich zukommenden Anteil zuzuweisen (siehe S. 89). Man kann aber die in dem Prinzip der Hilfe angenommene Situation variieren und für diese neuen Bedingungen eine Reihe von Fragestellungen erzielen, die der Beantwortung würdig wären. Was geschieht allgemein, wenn in einer Konstellation Lustbedingungen mit Unlustbedingungen zusammentreffen? Wovon hängt dann das Ergebnis und das Vorzeichen desselben ab? Der Fall des tendenziösen Witzes ist ein spezieller unter diesen Möglichkeiten. Es ist eine Regung oder Strebung vorhanden, welche Lust aus einer bestimmten Quelle entbinden wollte und bei ungehindertem Gewähren auch entbinden würde, außerdem besteht eine andere Strebung, welche dieser Lustentwicklung entgegenwirkt, sie also hemmt oder unterdrückt. Die unterdrückende Strömung muß, wie der Erfolg zeigt, um ein Gewisses stärker sein als die unterdrückte, die darum doch nicht aufgehoben ist.
Nun trete eine zweite Strebung hinzu, die aus dem nämlichen Vorgang Lust entbinden würde, wenn auch von anderen Quellen her, die also der unterdrückten gleichsinnig wirkt. Welches kann in solchem Falle der Erfolg sein? Ein Beispiel wird uns besser orientieren, als diese Schematisierung es könnte. Es bestehe die Strebung, eine gewisse Person zu beschimpfen; dieser stehe aber das Anstandsgefühl, die ästhetische Kultur, so sehr im Wege, daß das Schimpfen unterbleiben muß; könnte es z. B. infolge einer veränderten Affektlage oder Stimmung durchbrechen, so würde dieser Durchbruch der schimpfenden Tendenz nachträglich mit Unlust empfunden werden. Das Schimpfen unterbleibt also. Es biete sich aber die Möglichkeit, aus dem Material der zur Beschimpfung dienenden Worte und Gedanken einen guten Witz zu ziehen, also Lust aus anderen Quellen zu entbinden, denen die nämliche Unterdrückung nicht im Wege steht. Doch müßte diese zweite Lustentwicklung unterbleiben, 129 wenn nicht das Schimpfen zugelassen würde; sowie letzteres aber zugelassen wird, ist mit ihm noch die neue Lustentbindung verbunden. Die Erfahrung am tendenziösen Witze zeigt, daß unter solchen Umständen die unterdrückte Tendenz durch die Hilfe der Witzeslust die Stärke bekommen kann, die sonst stärkere Hemmung zu überwinden. Es wird geschimpft, weil damit der Witz ermöglicht ist. Aber das erzielte Wohlgefallen ist nicht nur das vom Witz erzeugte; es ist unvergleichlich größer, um so viel größer als die Witzeslust, daß wir annehmen müssen, es sei der vorhin unterdrückten Tendenz gelungen, sich etwa ganz ohne Abzug durchzusetzen. Unter diesen Verhältnissen wird beim tendenziösen Witz am ausgiebigsten gelacht.
Vielleicht werden wir durch die Untersuchung der Bedingungen des Lachens dazu kommen, uns eine anschaulichere Vorstellung von dem Vorgang der Hilfe des Witzes gegen die Unterdrückung zu bilden. Wir sehen aber auch jetzt, daß der Fall des tendenziösen Witzes ein Spezialfall des Prinzips der Hilfe ist. Eine Möglichkeit der Lustentwicklung tritt zu einer Situation hinzu, in welcher eine andere Lustmöglichkeit verhindert ist, so daß diese für sich allein keine Lust ergeben würde; das Ergebnis ist eine Lustentwicklung, die weit größer ist als die der hinzugetretenen Möglichkeit. Letztere hat gleichsam als Verlockungsprämie gewirkt; mit Hilfe eines dargebotenen kleinen Betrages von Lust ist ein sehr großer, sonst schwer zu erreichender gewonnen worden. Ich habe guten Grund zu vermuten, daß dieses Prinzip einer Einrichtung entspricht, die sich auf vielen, fern voneinander gelegenen Gebieten des Seelenlebens bewährt, und halte es für zweckmäßig, die zur Auslösung der großen Lustentbindung dienende Lust als Vorlust und das Prinzip als Vorlustprinzip zu bezeichnen.
Wir können nun die Formel für die Wirkungsweise des tendenziösen Witzes aussprechen: Er stellt sich in den Dienst von Tendenzen, um vermittels der Witzeslust als Vorlust durch die Aufhebung von Unterdrückungen und Verdrängungen neue Lust zu erzeugen. Wenn wir nun seine Entwicklung überschauen, dürfen wir sagen, daß der Witz seinem Wesen von Anfang an bis zu seiner Vollendung treu geblieben ist. Er beginnt als ein Spiel, um Lust aus der freien Verwendung von Worten und 130 Gedanken zu ziehen. Sowie das Erstarken der Vernunft ihm dieses Spiel mit Worten als sinnlos und mit Gedanken als unsinnig verwehrt, wandelt er sich zum Scherz, um diese Lustquellen festhalten und aus der Befreiung des Unsinns neue Lust gewinnen zu können. Als eigentlicher, noch tendenzloser, Witz leiht er dann Gedanken seine Hilfe und stärkt sie gegen die Anfechtung des kritischen Urteils, wobei ihm das Prinzip der Verwechslung der Lustquellen dienlich ist, und endlich tritt er großen, mit der Unterdrückung kämpfenden Tendenzen bei, um nach dem Prinzip der Vorlust innere Hemmungen aufzuheben. Die Vernunft – das kritische Urteil – die Unterdrückung, dies sind die Mächte, die er der Reihe nach bekämpft; die ursprünglichen Wortlustquellen hält er fest und eröffnet sich von der Stufe des Scherzes an neue Lustquellen durch die Aufhebung von Hemmungen. Die Lust, die er erzeugt, sei es nun Spiellust oder Aufhebungslust, können wir alle Male von Ersparung an psychischem Aufwand ableiten, falls solche Auffassung nicht dem Wesen der Lust widerspricht und sich noch anderweitig fruchtbar erweistEine kurze nachträgliche Berücksichtigung verdienen noch die Unsinnswitze, die in der Darstellung nicht zu ihrem vollen Recht gelangt sind.
Bei der Bedeutung, die unsere Auffassung dem Moment »Sinn im Unsinn« zugesteht, könnte man versucht sein zu fordern, daß jeder Witz ein Unsinnswitz sein müßte. Dies ist aber nicht notwendig, weil nur das Spiel mit Gedanken unvermeidlich zum Unsinn führt, die andere Quelle der Witzeslust, das Spiel mit Worten, diesen Eindruck nur gelegentlich macht und die mit ihm verbundene Kritik nicht regelmäßig aufruft. Die zweifache Wurzel der Witzeslust – aus dem Spiel mit Worten und aus dem Spiel mit Gedanken, die der wichtigsten Einteilung in Wort- und Gedankenwitze entspricht – tritt einer knappen Formulierung allgemeiner Sätze über den Witz als fühlbare Erschwerung entgegen. Das Spielen mit Worten ergibt offenkundige Lust infolge der oben aufgezählten Momente des Erkennens usw. und ist der Unterdrückung infolgedessen nur in geringem Maße unterlegen. Das Spiel mit Gedanken kann durch solche Lust nicht motiviert werden; es ist einer sehr energischen Unterdrückung verfallen, und die Lust, die es liefern kann, ist nur die Lust der aufgehobenen Hemmung; die Witzeslust, kann man demnach sagen, zeige einen Kern von ursprünglicher Spiellust und eine Hülle von Aufhebungslust. – Wir nehmen es natürlich nicht wahr, daß die Lust beim Unsinnswitz daher rührt, daß es uns gelungen ist, einen Unsinn der Unterdrückung zum Trotz frei zu machen, während wir ohne weiteres merken, daß ein Spielen mit Worten uns Lust bereitet hat. – Der Unsinn, der im Gedankenwitz stehengeblieben ist, erwirbt sekundär die Funktion, unsere Aufmerksamkeit durch Verblüffung zu spannen, er dient als Verstärkungsmittel für die Wirkung des Witzes, aber nur dann, wenn er aufdringlich ist, so daß die Verblüffung dem Verständnis um ein deutliches Zeitteilchen voraneilen kann. Daß der Unsinn im Witze überdies zur Darstellung eines im Gedanken enthaltenen Urteils verwendet werden kann, ist an den Beispielen S. 55 ff. gezeigt worden. Auch dies ist aber nicht die primäre Bedeutung des Unsinns im Witze. An die Unsinnswitze kann man eine Reihe von witzähnlichen Produktionen anschließen, für die es an einem passenden Namen fehlt, die aber auf die Bezeichnung »witzig scheinender Blödsinn« Anspruch haben könnten. Es gibt deren ungezählt viele; ich will nur zwei als Proben herausheben: Ein Mann greift bei Tische, als ihm der Fisch serviert wird, zweimal mit beiden Händen in die Mayonnaise und streicht sie sich dann durch die Haare. Vom Nachbar erstaunt angesehen, scheint er seinen Irrtum zu bemerken und entschuldigt sich: Pardon, ich glaubte, es wäre Spinat. Oder: Das Leben ist eine Kettenbrück', sagt der eine. – Wieso? fragt der andere. – Weiß ich? lautet die Antwort. Diese extremen Beispiele wirken dadurch, daß sie die Erwartung des Witzes erwecken, so daß man hinter dem Unsinn den verborgenen Sinn zu finden sich bemüht. Man findet aber keinen, sie sind wirklich Unsinn. Unter jener Vorspiegelung ist es für einen Augenblick ermöglicht geworden, die Lust am Unsinn frei zu machen. Diese Witze sind nicht ganz ohne Tendenz; es sind »Aufsitzer«, sie bereiten dem Erzähler eine gewisse Lust, indem sie den Hörer irreführen und ärgern. Letzterer dämpft dann diesen Ärger durch den Vorsatz, selbst zum Erzähler zu werden.