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Stock, Stein, Gras, Grein.
Losung der Vehme.
ies sind die Linden; – beide morsch und alt!
Rechts die zerbarst: – sie klafft mit jähem Spalt
Auf von der Wurzel bis zur Splitterhaube.
Weit aber greift sie mit den Aesten aus;
Fast wie die Schwester prangt sie grün und kraus,
Und schmückt die Stirn mit frühlingsfrischem Laube.
Dies ist der Tisch; – hart unter'm Lindenpaar
Erhebt er sich; – du kannst des Reiches Aar
Zur Stunde noch auf seiner Platte schauen.
Der Stadt des Reiches flog sein Adler vor;
Hier auf dem Tische, dort auch über'm Thor,
Und in den Kirchen weist er seine Klauen.
Ein todt Gethier! – Der Welschland überflog,
Um Syriens Palmen kühne Kreise zog,
Das heil'ge Grab und Golgatha beschirmte,
Der mit dem Wappenleu'n Castilia's
Auf Einem Deck, auf Einer Flagge saß,
Und durch die Wälder der Kaziken stürmte: –
Die Zeit erlegt' ihn! – Steine sind sein Pfühl!
Wer weckt des Kaisers trotzig Federspiel?
Im Steine träumt es, wie der Falk im Ringe. –
Sein Träumen aber? – Schlachtfeld und Gelag,
Blutbann und Blut: – auf diesem Tische lag
Das nackte Schwert einst und die Weidenschlinge.
O, träume zu! – Der Wandrer stört dich nicht!
Und doch – auch Er will hegen ein Gericht!
Er weiß das Wort; er ist befugt, zu schlichten!
Ein neuer Freigraf tritt er kühn heran;
Sein Auge blitzt: – in rother Erde Bann
Die rothe Erde selber will er richten!
Sein eigner Frohne schritt er durch das Land!
Er that den Schlag an jede Trümmerwand,
Er hieb den Span aus jeder Thurmespforte,
In Burg und Kloster flog sein Ladungsbrief,
Um Mitternacht zu dreien Malen rief
Auf jedem Kreuzweg dräuend er die Worte:
»Horch auf! – Die Ladung! – Du verschrie'ner Strich,
Land meiner Väter, ich berufe dich!
Keck vor dem Stuhle laß dein Banner strahlen!
Wie Forst und Strom und frischgepflügtes Land
Dreifarbig schimmern lassen dein Gewand,
Grün, weiß und schwarz – so stelle dich, Westphalen!
Du bist vervehmt, es ruht auf dir die Acht,
Es hat das Reich dich in Gerücht gebracht!
Begegn' ihm stolz! was schlummerst du am Heerde?
Die Rüger harren – rings die Lande sind's!
Sie rufen laut: das Fohlen Wittekinds,
Ein Schlachtroß weiland, sank zum Ackerpferde!
Nicht schallt sein Wiehern wild mehr im Gefecht;
Nicht zäumen Freiherr mehr und Edelknecht
Sein trotzig Haupt zu ritterlichem Stechen.
Sein Aug' ist glanzlos, und sein Mund ist stumm;
Auf öden Haiden treibt es sich herum,
Und weidet träg an namenlosen Bächen.
Auf seinem Nacken herrscht ein rauher Stamm;
Er treibt es ab auf steiler Berge Kamm,
Er läßt es träumend über Moore schwanken.
Zahm und geduldig schirrt er's vor den Pflug;
Des gelben Haarrauchs dunstig Nebeltuch
Umweht als Decke flatternd seine Flanken.
Wo sich der Thorweg hebt, von Rauch gebräunt,
Vom grünen Eichkamp sassisch noch umzäunt;
Wo des Gehöftes Halmendächer ragen;
Wo, von dem Kranz der Pilgerin umweht,
Der Schrein des Heil'gen dicht am Wege steht;
Da lebt es dumpf, und hat verlernt das Schlagen! –
Kannst du es hören? – In den Klageruf,
Der dich befehdet, donnert nicht dein Huf? –
O, jag' heran, laß deine Mähne fliegen!
Mit deinen Eideshelfern: Berg und Fluß,
Tritt vor den Richter, der dich richten muß,
Und übersieb'ne deiner Feinde Rügen!
In ihr Geschelt und in ihr lautes Drohn
Mische des Felsbachs und der Quelle Ton,
Die um das Eisen deiner Hufe lecken!
Wirf ab die Hülle – deiner Thale Duft!
Laß deine Berge steigen in die Luft,
Wie Zeugenfinger, die zum Schwur sich recken!
Laß deine Wälder flüsternd dich umwehn,
Laß deine Klippen dir zur Seite stehn,
Laß deine Burgen sich in's Stromthal neigen!
Laß deiner Dome farb'ge Scheiben glühn,
Laß deiner Gilden alte Pfeile sprühn –
All' deine Helfer, laß sie nahn und zeugen!
Mein Ruf gilt allen, ernst und richterlich!
Durch deine Pforte, blaue Weser, brich,
Und fluthe sanft um deine Buchenhügel!
Die Heerde blöckt, das weiße Segel schwillt,
Auftaucht die Stadt – o so, wie einen Schild,
Zeige den Klägern deinen Wellenspiegel!
Und ihr – geröthet von der Hämmer Gluth,
Als färbte Zornesfeuer eure Fluth;
Umblitzt von Schlacken und geschwärzt von Kohlen! –
Ruhrstrom und Lenne, wild und mit Gebraus
Vernehmt die Rüge! schäumend tretet aus,
Die Schmach zu waschen von Altsachsens Fohlen! –
Dann ihr im Sande! – Springt und wühlt euch durch!
Frisch durch den Schutt der Tempelherrenburg!
Frisch durch der Sonne dorniges Gestrüppe! –
Laßt Waffen reden: – an das Ufer werft
Hastatenschwerter, die einst Rom geschärft!
Laßt eure Schädel reden, Ems und Lippe! –
Und nun ihr Berge, steil und laubverkappt! –
Wie ihr voll Trotzes euch gelagert habt
Rings an der Flüsse kiesigen Gestaden;
Wie euch umtönt des Habichts kurzer Schrei,
Wie euch durchbricht des Hirsches braun Geweih:
So kommt und zeugt, und so auch seid geladen!
Nicht ihr allein: – auch, was auf euch gebaut! –
Die von den Bergen ihr herniederschaut,
Graustirn'ge Mahner dem Geschlecht im Thale,
In eurer Trümmer moosbewachsner Pracht
Hört meine Stimme schallen durch die Nacht,
Burg und Kapelle, Schloß und Kathedrale!
Und euch auch mein' ich, morsche Bilder ihr!
Sei's unter Harnisch, Helmbusch und Visir,
Sei's mit der Inful und dem Hirtenstabe,
Versehrt vom Regen und vom Wetterstrahl –
Verlaßt des Münsters und der Burg Portal,
Und schreitet her, umkreist von Dohl' und Rabe! –
Wandeln die Steine, mag das Erz auch nahn!
Weithin erglänzt es: – Male ruf' ich an
Der Patrioten und der Volksbefreier!
Das Schwert in Händen und die »Phantasie'n,«
Legt ab eu'r Zeugniß: Möser und Armin!
Du schon erhöht, – du noch im Essenfeuer!
Und du zuletzt, der Alles inne hält:
Wald und Gebirge, Strom und Ackerfeld,
Aus deinen Häusern komm, aus deinen Hütten!
Ob du verdienst des bösen Leumunds Schmach,
Zeig' es dem Stuhle, kräft'ger Menschenschlag,
Einfach von Wesen, schlicht und derb von Sitten!
Laß dich erschau'n, wie du die Hand mir drückst,
Wie an den Heerd du meinen Sessel rückst,
Wie du mich bittest: Iß, als wär's dein eigen!
Wie du der Väter Brauch und Vorgang ehrst,
Wie du den Stahl reckst und die Erndte fährst,
Wie du dich schwingst im lust'gen Schützenreigen!
Ich lad' euch vor, ich lad' euch allesammt!
Die Nacht ist um, die Morgenröthe flammt,
Das Schwert ist nackt, der Schöffenkreis geschlossen!
Er ist mein Volk! Er steht und wartet still,
Dem Munde lauschend, der euch richten will,
Baarhäuptig stehn sie, meine Vehmgenossen!« – –
So scholl sein Ruf! Die Ladung ist geschehn! –
Und jetzo harrt er, wo die Linden stehn;
Die Sonne wirft ihr Streiflicht durch die Blätter.
Wohin er schau'n mag, Licht und Leben nur!
Vor ihm des Hellwegs reiche Aehrenflur,
Und über ihm des Lerchenlieds Geschmetter!
Und dort die Mauer, zackig einst umzinnt,
Die Reinold schützt, das kühne Heymonskind,
In die er einzog, eine blut'ge Leiche!
Auf der, ein licht und strahlend Heldenbild‚
Er oft erschienen ist mit Schwert und Schild,
Und abgewehrt hat der Belagrer Streiche!
Die Sage dringt, das Leben auf ihn ein! –
Die er berief, sie nahn in dichten Reih'n;
Durch seine Seele dröhnen ihre Schritte.
Er hört des Fohlens trotzig Hufgepoch;
Die Sonne blitzt – so saß kein Richter noch
Auf diesem Stuhl in der Geladnen Mitte!
Und so denn freudig hegt er sein Gericht!
Den Boden wechselnd, die Gesinnung nicht,
Wählt er die rothe Erde für die gelbe!
Die Palme dorrt, der Wüstenstaub verweht: –
An's Herz der Heimath wirft sich der Poet,
Ein Anderer und doch Derselbe!
F. Freiligrath.