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Vor den Türmen Valencias tobte der Mohr,
Seine Lanzen umsausten der Feste Tor,
Die Zelte der Wüste schlossen sie ein,
Und Kamele zertraten Hispanias Wein,
Denn der Cid ging ein zur Ruh'.
Da war Volk von der Flur, die der Giftwind fegt;
Da war Stahl aus der Schlucht, wo der Leu sich regt;
Da war Bogen und Pfeil vom Oasenborn! –
Seine Scharen dröhnte der Wüste Horn
Des Abends Schlachten zu.
Um die Mitternacht über das dunkle Meer
Herweh'te Geläute, dumpf und schwer;
Die Sterne schienen auf Flut und Stadt,
Und das Lager ruhte, vom Streite matt;
Doch die Christen schlummerten nicht.
Sie setzten den Cid auf sein klirrend Pferd,
Wie zum Kampf ein Krieger war er bewehrt,
Und sie banden sein Schwert in die kalte Hand,
Die so kühn es schwang für sein Vaterland,
Und sein Erzschild funkelte licht.
Da ward Waffnen gehört von Haus zu Haus,
Auf den Wällen standen die Wachen aus,
Und eh' noch erbleichend die Sterne flohn,
Da ragte gepanzert der Tote schon,
Und von dannen schritten sie frei.
Sie durchzogen schweigend der Feste Bann,
Und es war ein Schritt, wie von einem Mann;
Und sie schritten leise, das Schwert in der Hand,
Wie der Löwe schreitet auf brennendem Sand,
Und sie gaben kein Feldgeschrei.
Als des ersten Stimme dem Torwart rief,
Da war Mondenschein, und das Lager schlief.
Als hinter dem letzten das Tor sich schloß,
Da flammte der Morgen auf Mann und Roß,
Und die Sonne bestrahlte das Meer.
Fünfhundert Reisige klirrten voran;
Dann Bermudez der Held mit des Feldherrn Fahn';
Ihre Seide rauschte voll Kampfbegier: –
Deine letzte Walstatt, du grün Panier,
Du Standarte, glorreich und hehr!
Und jetzo kam stattlich der Campeador,
Wie ein Führer ritt er den Seinen vor,
Seine starren Züge barg das Visier,
Aber stolz und mutig trat auf sein Tier,
Denn es wußte, wen es trug.
Es trug den Cid, und es trug sein Schwert,
Und Ximena folgt' ihm, bleich und verstört;
Ihr Auge war ernst und ihr Wandeln schwer,
Um den toten Gemahl trug sie Leide sehr,
Doch kein Laut verriet es dem Zug.
In Valencia war es einsam indes;
Die Kirchen geleert, und aus die Mess'!
Die Straßen öd' und verlassen gar!
Und kein Fußfall scholl durch den Alcazar;
– So von dannen schritten sie frei.
Sie durchzogen schweigend der Wälle Bann,
Und es war ein Schritt, wie von einem Mann;
Und sie schritten leise, das Schwert in der Hand,
Wie der Löwe schreitet auf brennendem Sand,
Und sie gaben kein Feldgeschrei.
Doch nicht lange, da dröhnten die Hügelreih'n;
In die Heiden brachen die Christen ein;
Mit der Speere Blitz und der Panzer Schall,
Mit der Rosse Gestampf und der Reiter Prall,
Alvar Fannez war es, der kam!
Wie ein dräuend Gewölk, ohne Trauertalar –
So vorausgeflogen war er der Schar;
Und der Sturmwind fuhr durch die Zelte hin,
Und gefällt lag die Schützenkönigin,
Die Schützenkönigin – eine maurische Amazone, die dem König Bukar mit einem Fähnlein weiblicher Krieger aus Afrika gefolgt war. Ihre Pfeile trafen so sicher, daß sie den Namen »Stern der Schützen« erhielt.
Una Mora muy gallarda,
Gran maestra en el tirar
Con saetas del Aljava
De los arcos de Turquia;
Estrella era nombrada,
Por la destreza que avia
En el herir de la Xára.
Bei Herder:
eine schwarze Mohrin,
die aus türk'schem Bogen
Gift'ge Pfeile tödlich schoß,
Also meisterhaft, daß man sie
Einen Stern des Himmels nannte.
Und wer Bogen und Pfeil für sie nahm.
Da ergriff ein Schrecken den König Bukar,
Und den Troß von Fürsten, der mit ihm war;
Mutlos ihr Herz, und ihr Arm erschlafft:
Keinen Wurfspieß zu schwingen hatten sie Kraft,
So entsetzlich war, was sie sah'n.
Denn es schien, wo Minaya zum Sturm gab das Wort,
Als umringten ihn Tausend und Tausende dort,
Alle weiß wie der Schnee auf Nevadas Haupt,
Und sie kamen donnernd herangeschnaubt,
– Weiße Wellen über den Plan.
Und ein Krieger mit wallendem Federstrauß
Und mit feurigem Schwerte ritt allen voraus;
Mit feurigem Schwerte, mit bleichem Panier,
Und ein blutrot Kreuz seines Panzers Zier –
So zum Angriff trug ihn sein Pferd.
Da war Furcht, wo erscholl seines Rosses Schritt,
Da war Tod, wo der ragende Krieger ritt;
Wo mit Geisterlicht seine Fahne schien,
Wo sein Glutschwert glomm, da war eitel Flieh'n –
Denn es war keines Menschen Schwert.
Blutig die Eb'ne, so weit man sah!
Auf der Flucht die Gewalt'gen von Afrika!
'S war ein heißer Tag für die Christen heut'!
– Sie waren matt um die Abendzeit.
Gleichwie Volk, das Ähren schnitt.
Auf der Flucht die Gewalt'gen von Afrika!
Ihre Segel rauschten – die See war nah!
Übers Meer hin tönte der Heiden Schmach; –
So geschah's, daß der Bogen der Wüste zerbrach!
In sein Grab so legte sich Cid!
'S war die zweite Wacht der stillen Nacht,
Und entschlummert lag Leon,
Als, wie langsam wandelnde Heeresmacht,
Sich erhub ein dumpfer Ton.
'S war die ernste, grause Frist,
Wenn der Mensch den Tag vergißt,
Und der Traum besteigt seinen Thron.
Durch die dunkeln Straßen mit Geklirr
Hinzog derselbe Schall:
Panzer und Sporn und Roßgeschirr
Und beschlagner Hufe Fall.
Ruf nicht und Trompetenstoß,
Eisernes Getöse bloß
Weckte den Widerhall.
Durch die dunkeln Straßen rollt' es hin –
Und ihr zitternd Pflaster sprang,
Und die Türme samt den Glocken drin
Schwankten und gaben Klang!
Also dröhnt' es durch die Luft,
Bis vor eine Königsgruft,
Wo ein Mönch Nachtmesse sang.
Da nun pocht' es an am erzenen Tor,
Und ein Rufen scholl daher,
»Daß der Cid Ruy Diaz Campeador
Harre mit Schwert und Speer;
Und daß mit ihm, felsentreu,
Von den Toten erstanden sei
Graf Gonzalez und sein Heer.
»Und der König hier im dunkeln Haus
Solle denken an seinen Schwur;
Solle reiten, wie sie, zum Kampf hinaus.
Und nicht ewig schlummern nur!«– Dann aufs neue rasselnd zieh'n,
Und die Mauren, als der Mittag schien,
Waren Staub auf Tolosas Flur.
Fürstlich in Pracht entsank der Tag,
Wo die Indische Stadt in der Ebne lag;
Ihre Krone von Kuppeln, rund gebaucht,
Glomm, wie in flüssiges Gold getaucht;
Ihre säuselnden Haine, schattig und dicht,
Wie ein Strom durchfloß sie der Sonne Licht,
Bis der Baniane Säulengezelt
Wie ein Münster glühte, von Fackeln erhellt,
Und die Platane mit funkelndem Grün
Ein Baum aus den Gärten der Genien schien;
Bis, ein flackernder Turm, die Zypresse sich hob,
Und bis Funken der Schaft der Palme stob.
Manche Pagode, weiß und hell.
Warf ihr zitterndes Bild auf Strom und Quell,
Von der Lotosblume gebrochen allein,
Wenn im Kelche sie fing, wie rosigen Wein,
Und es aus dann auf ihr Kristallbett goß –
Das letzte Glühn, das der Sonn' entfloß.
O, manch lieblich Hindu-Kind,
Wie das Reh der Wüste leicht und geschwind –
Mit dem Kruge schritt sie durchs Gesträuch,
Flog die Marmorstufen hinab zum Teich:
Auf die Stauden rings und das frische Gras
Spritzte der Welle geschmolzenes Glas,
Und ein Murmeln verriet, wo auf den Knien
Still im Gebete lag der Bramin.
Durch des Ortes Wonnen am schwanken Stab
Atemlos-froh schritt ein Moslem-Knab'.
Er sah schimmern die Stadt am Horizont,
Wie ein Wolkenlager, purpurn besonnt;
Er fuhr auf, wenn ein Vogel des Waldes Nacht
Blitzend durchschoß mit des Fittigs Pracht;
Er ging jauchzend den spiegelnden See entlang,
Wo der Wind im gefiederten Rohre sang;
Bis sein Weg ihn führte durch Busch und Baum
Mitten ins Herz dem geweihten Raum.
Da nun lag das Wasser, still wie ein Kind,
Durch die Felsen geschützt vor Sonn' und vor Wind!
Alle Farben, die über ihm trug der Hain,
Wies es den Ufern im Widerschein.
Jenseits der Fluten flammender Schwall
Brannte heiß, wie ein Spiegel von Metall;
Doch die Bucht hier voll Frische und Dämmerung
Schien gemacht für des Schwimmers freudigen Sprung,
Schien gemacht für den Hirsch, wenn das Horn erschallt,
Und für alles, was frei ist im freien Wald.
Wie des Falken Umschau in blauer Höh',
So des Knaben Blick über Forst und See;
Wie die Möwe taucht in ihr schäumend Bad,
Also der Sprung, den er jubelnd tat;
Hierhin und dorthin auf Blatt und Gras
Spritzt' er behaglich das stäubende Naß,
Ließ die Wellen benetzen sein glänzend Haar –
Wenig, ach, träumt' er von Tod und Gefahr!
Seine Mutter indes vor ihrem Zelt
Sah mit, stillem Lächeln die stille Welt.
Sie, auf der Fahrt nach Mekkas Schrein,
Hatte Rast geboten in Bramas Hain:
Eine Moslem-Fürstin, mächtig und stolz,
Wollte sie ruhn im säuselnden Holz;
Denn des Waldes Pracht, und die Flut im Falle,
Und der Sonne Spätglühn – sie liebt' es alle!
In der Indischen Nacht tiefdunkelm Blau
Aufging der Mond, eine hehre Schau.
Langsam vom See kam der Knabe zurück –
O, was war ihm begegnet? Der Schlange Blick,
Die mit giftigem Zischen das Rohr durchschleicht?
Hatt' ihn der Pfeilsprung des Tigers erreicht?
Nein! – doch wie einer, der mannhaft stritt,
Mit zerrauftem Haar, mit wankendem Schritt,
Finster sein grollendes Aug' und trüb,
Auf der weihen Brust einen klaffenden Hieb,
Wund zum Tode – so kehrt' er wieder,
So vor der Mutter bleich sank er nieder.
»Rede! was ist's, daß dein Herzblut rinnt?
Rede! was ist dir geschehn, mein Kind?«
Auf der Stirne perlt' ihm der Todesschweiß,
Doch noch könnt' er stammeln – noch haucht' er leis
Eine wilde Kampfmär: also gerächt
Habe sich Bramas finster Geschlecht!
Blutiger Tod sei des Moslems Los,
Der entweihend nahe des Waldes Schoß,
Der mit frecher Besudlung sein Lechzen stille
In der heiligen Flut – so sei Bramas Wille!
Wirr ward sein Auge, starr sein Gesicht –
Doch die Mutter schrie nicht, zitterte nicht!
Atemlos kniete sie hin ins Blut,
Wollte küssend stillen die rote Flut –
Doch die rieselte zu; fortriß sie den Geist,
Wie ein Strom, der dahin eine Blume reißt!
Dunkel färbte sie rings den Kies –
Ach, und was nie noch sich halten ließ,
Was empor sich schwingt, indes noch warm
Seine Hüll' uns ruht im pressenden Arm –
Es entwich auch hier! Noch ein Schläfenpochen,
Und das Antlitz war seellos, der Blick gebrochen!
Gibt es Worte nicht für dies eine Leid?
– Die es schmeckten in seiner Herbigkeit,
Frage die Tausende! – Nacht für Nacht
Hatte des Knaben Schlaf sie bewacht;
Atmend, wie gurrende Tauben schier.
War er entschlummert am Herzen ihr;
Drückte sie Gram – gleich dann, die Lust
Schmerzlich dämpfend der eignen Brust,
Hatt' er besorgt ihre Knie umfangen.
Und die Trän' ihr geküßt von den Witwenwangen;
Hatt' er gelacht ihr, wie Lenzestagen –
Jetzt lag er vor ihr: tot –
erschlagen!
– Ach, zu lieben nur in einer Welt,
Drauf ein Jammer, wie der, seine Pfeile schnellt!
Stumm ihren Toten sah sie liegen,
Stumm und gefaßt, mit eisernen Zügen!
Kaum nahm sie wahr ihrer Diener Näh' –
Ihre Seele saß gemummt in ihr Weh'.
Auf die schweigende Lippe keinen Kuß
Sah man sie pressen; – kein Tränenguß
Dann auf sein Haupt, das im Tod noch schöne
Zu gewaltig ihr Leid für Kuß und für Träne!
In das halbgeschlossene Auge nur
Sah sie; – von Antwort keine Spur!
Da verhüllte sie jach so Stirn wie Brau,
Stürzte schreiend hin, die gebrochne Frau!
Aber ein Wechsel, mächtig und tief,
Weckt' ihren Geist, als er brütend schlief!
Wie erhob sie sich? – Mit gerecktem Leib,
Wie aus finstrer Ruh' ein Prophetenweib,
Fuhr sie empor, stolz, fest und klar.
Warf aus dem bleichen Gesicht das Haar,
Trat mit der Kühnheit plötzlichem Blick
In der wundernden Sklavinnen Kreis zurück.
Ja, zum nächtigen Firmament mit Grollen
Eine Stirn erhebend, zorngeschwollen.
Drückte sie fest und mit krampf'ger Hand
An die schwellende Brust ihr blutig Gewand,
Rief: »Keine Ruh', kein Schlaf soll mich letzen,
Keiner Zähre Naß soll mein Auge netzen,
Bis die Stadt hier, durch der meinen Stahl,
Liegt, ihres Opfers Totenmal!
– Deckt die Leiche zu! tragt sie hoch voraus!
Bald sieht mich wieder dies Tempelhaus!«
Und sie zog mit der Bahre heimatwärts,
Ihres Schrittes Kraft war ein brennend Herz;
Von der Sterne Leuchten mild beschienen,
Sah dem Toten nach der Hain der Braminen.
Horch, ein wild Getön! 'S ist der Wüste Horn.
Um die Indische Stadt mit der Rache Zorn
Rast es und gellt! Nun, Banner, flieg'!
Krieg nun in Indien! Moslemkrieg!
Der Bramine späht durch der Scharten Ritz: –
Seine Lauben durchzieht der feindliche Schütz: –
Durch den Pisangschatten rings, den dunkeln,
Glitzert des Sees und der Speere Funkeln;
Zitternd, gleichwie vom Sturm bewegt,
Biegt sich das Rohr, wenn der Hengst es durchfegt',
Und das Lager liegt, wie ein wogend Meer,
Rund um den schirmenden Waldbaum her.
Ragt ein prächtig Gezelt seitwärts im Feld –
Ein verwundet Herz pocht in diesem Zelt!
– O, ein Herz, das wund, ist tief ohne Grund!
Der sein Recht begehrt, laut schreit der Mund!
Und wie zorniger Glutwind flammend töten
Kann der Zorn der Liebe, die man zertreten!
So von Reich zu Reich war ihr Wort gedrungen,
War wie Trompetensturm erklungen:
Was sie auch sprach – sie war gewiß,
Daß es ein Schwert aus der Scheide riß!
Ha, wie der Tatar zu Roß gleich saß!
Nach dem Speer griff der Häuptling Arabias!
Bis den Wall umfing eine Lanzenkette,
Bis es hieß: »In den Staub die Stadt der Städte!«
– So ihr flackernd Feuer schürte die Bleiche,
Kam dann zurück mit des Sohnes Leiche;
Eine fürstliche Feindin kam sie gezogen,
Kam mit Heeresmacht, kam mit Banner und Bogen;
Aber größ're Nacht saß auf ihrer Stirn –
Da sah der Krieger glühn sein Gestirn!
Ihres Auges Blitz durch die Zeltereih'n
Ward vom Heer begrüßt als ein deutender Schein,
Und der schwächste Ton, ihrer Lipp' entflohn.
War Sibyllenhauch, war Orakel schon.
Bitterer Ruhm! – vom Gram geschenkt.
Der in Rache Lind'rung zu finden denkt!
Flüchtig und falsch! – das Herz nicht füllen
Kann er, noch auch die Sehnsucht stillen,
Die, ein tödlich Fieber, mit zehrendem Brand
In die Brust uns gießt ein zerrissen Band!
Von der Glorie, die sie licht umgab,
Wandte sie widernd und krank sich ab.
Schon ließ die Stärke der Mauern nach –
Sie welkte schneller, von Tag zu Tag.
Ob das Horn erscholl, ob die Banner wallten –
Ach, konnte
das ihre Seele halten?
Wie ein Aar, den ein Käfig eng umgattert,
Hatte den Staub sie wund geflattert.
Bis das Gitter zerbrach, das sie morsch umfing,
Bis durch Nachtgrau'n heim die Gefangne ging.
Gelb war der Himmel und rosenfarb.
Wie den Abend, an dem ihr Knabe starb.
Sie sah hin vom Pfühl – ach, ihr Herz war müd,
Aber Frieden bracht' ihm die Sonne, die schied.
Sie sprach: – ihrer Rede Sterbeton
Schien ein Echo von Stunden, die längst geflohn.
Eine Schlummerweise mit stillem Harm
Sang sie hinaus in des Lagers Alarm!
Oft vor Zeiten zu
dem Gesange
Schmiegte sich an sie des Toten Wange!
Dachte sie dran? – Mit einem Mal
Zuckt' es durch ihren Geist, wie ein Strahl;
Sie fuhr auf, wie aus Träumen jäh erwacht: –
»Daß ihr
sein Grab neben dem
meinen macht!
Wenn die Tempel fielen, tief im Schatten
Sollt' ihr am See uns prächtig bestatten!«
Und sie fielen! –
Sie doch erlebt' es nicht!
Tot schon fand sie der wilde Bericht!
O, wohl rächten ihre Geschwader gut
Das gebrochene Herz, das vergossene Blut!
Durch die Tore der Stadt mit rasselndem Köcher
Sprengte der Tatar, der blut'ge Rächer;
Frei flog die Glut um die Marmorquadern,
Und die Ströme flammten, wie Kriegeradern;
Durch die breiten Gassen sprang das Schwert,
Wie der Panther auf seinen Raub losfährt –
Bis ein Trümmergurt um den Wald sich erhub.
Wo den Sohn und die Mutter man begrub.
In der Ebene lagen Säul' und Turm,
Bäumen gleich, die gefällt der Sturm;
Buschwerk rankt' am Portal sich fest,
Des Rajah Thron war der Schlange Nest,
Übern Altar hin sprang das Jungle-Gras –
Und das alles durch einer Mutter Haß!
Auf einem Strom fern in des Westens Wäldern,
Durch seiner Ufer grüne Schatten dringend,
Hinschoß ein Boot: entsetzlich war die Hast
Der schwachen Barke, die, gleichwie ein Blatt
Vom Hauch des Sturms, hinabgetragen ward,
Bis wo durch Schaum der Katarakt erbrauste.
Doch, in ihr, stolz und furchtlos, ganz allein –
Nur daß ein Kind an ihrem Busen schlief –
Hoch stand ein Weib: auf ihrer braunen Stirn
Saß eigne Lust, und im Triumphe schier
Entwallt' ihr schwarzes Haar. Sie drückt' ihr Kind
In seinem Schlummer an ihr klopfend Herz,
Und dann erhob sie ihre süße Stimme,
Die laut und wild aus dem Getös' der Fluten
Empor sich schwang: – es war ihr Todeslied!
O roll' hinab zum Geisterland, du Strom so hehr und groß!
Der Ströme Vater du, roll' hin! birg uns in deinem Schoß!
Der Vogel, den der Sturm gelähmt, sucht Ruh' im Sonnenschein,
Und die Hindin, die der Pfeil verletzt, entflieht zum Balsamhain.
Roll' hin! – denn meines Kriegers Lust ist jetzt ihr Angesicht;
Aus seiner Seele schwand mein Bild – so schwindet Mondenlicht!
Nicht mehr beschleicht mein Schatten ihn, mein Flüstern ihn im Traum;
Er brach das Schilf – so rolle doch! hoch spritzen laß den Schaum!
Die Stimme einer andern Zeit ist ihm ein fremder Gast,
Doch mir ertönt sie wie Musik, und läßt mir keine Rast;
Sie singt ein leis und traurig Lied von Freuden, die vorbei;
Ich kann nicht leben ohne Licht – roll' hin, und mach' mich frei!
Vermißt er nicht den frohen Tritt, der ihm entgegen sprang?
Die Liebe, die wie Sonnenschein in unsre Hütte drang?
Die Tisch und Lager ihm gedeckt, vermißt er nicht die Hand? –
Er mißt sie nicht! – du schwarzer Strom, roll' in ein besser Land!
Ein sel'ger Brunnen sprudelt dort, ein Brunnen tief und hell:
Vielleicht, daß all' mein Herzeleid hinwegspült dieser Quell!
Ein sanfter Wind in jenem Land weht allen Kummer fort,
Den Gram bei Tag, den Gram bei Nacht – o, wären wir schon dort!
Und du, mein Kind, geboren zwar, gleich mir, zu Frauenschmerz:
O lächle nur, o spiele nur, nicht welken soll dein Herz!
Du bist zu schön, du bist zu süß, in Liebe zu vergehn!
Ich rette dich, du junges Reh, aus aller Stürme Wehn!
Hin zu den Lauben, lichtumstrahlt, wo man kein Weinen hört:
Wo nie, wer hart und lieblos ist, im süßen Schlaf uns stört.
Und wo die Seele neu erwacht zu frischem Jugendmut –
Ein Augenblick, und wir sind dort! – roll' hin, du dunkle Flut!
Von dichtem Laube war ich rings umgittert,
Und drunter tönt' es, wie der süße Schall
Von Kindesatmen; – oft auch kam's gezittert.
Gleichwie auf Wasser leisen Regens Fall.
Die Eichenschatten lagen auf dem Grünen,
So tief, so still, daß sie gemalt nur schienen,
Und eine Quelle mit melod'schem Laut
Rann, wie ein Traumlied, durch das Farrenkraut.
Ein grünlich Licht – es flammte, wie im Gras
Des Glühwurms Schein – brach aus den Buchenästen,
Und floß aufs Blatt, in dem ich sinnend las
Von Rittertum und königlichen Festen –
Ein Palästinisch Buch!
Walter Scotts »Talisman«. – In Einsamkeit
Flog unterdes die Biene durch die Ranken,
Ein schläfrig Zorn, das summend uns Gedanken
Von Waldlust bringt und sommerlicher Zeit.
Dann, gleich dem Wurfspieß einer Blumenfee,
Schwang die Libelle flott sich in die Höh',
Und süßes Girren sagte, wo der Tauber
Tief in der Waldschlucht saß. –
Doch bald entschwand
Das Äußre mir, als schwelgend nun den Zauber
Der prächt'gen Sage meine Seel' empfand.
Was ich vernahm, nicht waren's Blätter nur:
Ein Syrerwind mit frischem Stoße fuhr
Durchs Löwenbanner! – nicht allein den Bach
Hört' ich im Grase: wild, mit grellem Schrei,
Erscholl ein Heerhorn in der Wüstenei –
Ein sarazenisch Horn! Lang hallten's nach
Die glüh'nden Höh'n. – Gleich schwarzen Wolkenzügen
Sah durch den Sand ich schnelle Rosse fliegen;
Aufstiegen Zelte, Speer und Flamberg blitzte,
Wo diamanten eine Quelle spritzte,
Umrauscht von Palmen – dann aus voller Brust
Losbrach Altenglands ungebundne Lust,
Indes der Himmel, dunkelblau und gülden.
Sich Spiegel schuf aus den gewölbten Schilden.
Und Harfen hört' ich – in den Widerhall
Fürstlicher Freude floß der Saiten Schall.
Der Glanz erlosch! – aus seinen prächt'gen Kreisen
Was rief zurück mich zu des Alltags Gleisen?
– Ruf meines Kindes! – und verschwunden war
Horn, Harfe, Banner, Sarazenenschar.
Und daß sie floh'n – kaum könnt' es trüb mich machen,
So sprang mein Herz bei jenem süßen Lachen.
Vögel, o Vögel, von wannen so leicht
Kommt ihr geschwirrt, wenn der Winter entweicht?
– »Wir kommen vom Land, wo der Nilstrom zieht,
Von der Flur, wo die Rose von Saron blüht.
Von den Palmen an indischer Ströme Saum,
Von Arabias Weihrauch und Myrrhenbaum.
»Wir flogen durch Städte, berühmt im Lied –
Sie liegen verwaist, wo die Wüste glüht.
Und wir flogen hin über brausende Flut,
Dunkel vordem von Gefallener Blut;
Und wir wurden matt, und wir fanden Rast
An des Landmanns Gesims und am Steinpalast.«
O sagt an, was ihr fandet im Fürstendom,
Seit Zuletzt ihr geschwirrt über Meer und Strom?
– »Alles war anders, o trüber Flug!
In der Halle des Festes ein Leichentuch!
Rot, wie von Herzblut, war Estrich und Flur;
Nichts mehr, wie sonst – unser Nestlein nur!«
Vögel, o Vögel, so war es allzeit;
Durch die Hallen der Könige schreitet das Leid!
Doch im Tale das Dörfchen, wie liegt es versteckt,
Und die Berge stehn Wacht, daß kein Sturm es schreckt.
Sagt, was ihr fandet in Hof und Gemach,
Seit zuletzt ihr umflattert des Landmanns Dach?
»Alles war anders – und anders sehr!
Gruß und Gesichter – und was noch mehr!
Auf das Haupt der Alten warf man die Scholl',
Und der Jungen Antlitz war sorgenvoll;
Von den Kindern, den spielenden, keine Spur –
Nichts mehr, wie sonst – unser Nestlein nur!«
O, die rastlos wandernd die Schwingen ihr stählt,
Vögel, o Vögel, was habt ihr erzählt!
Doch, führt
euch durch der Lüfte pfadlos Revier
Eine Hand und ein Führer – was zittern
wir?
Grünt für
euch stets ein Zweiglein, auf das ihr euch setzt:
Wir auch wohl finden die Heimat zuletzt!
Du bist kein Zaudrer im Fürstenschloß,
Eine Freude bist du, ein froher Genoß!
Bist ein Hoffnungsbringer für Berg und für Tal –
Ist ein Segen, wie deiner, o Sonnenstrahl?
Du beschreitest die Flut, und der Ozean lacht,
Seine tausend Inseln umsprühst du mit Pracht;
Du flammst auf die Schiffe, du flammst auf den Schaum.
Den Matrosen erquickst du, wie Heimatstraum.
Durch die Tiefen der Waldnacht zittert dein Glühn,
Golden durchbrichst du ihr schattig Grün,
Und wie Feuerfliegen, flatternd und grell,
Spiegeln die Blätter sich unten im Quell.
Auf die Berge schaut' ich – ein Nebeltuch
Umwallte finster den Höhenzug;
Du zerteiltest es licht, und den Berg umfing
Ein Gewand von Feuer, ein Flammenring.
Ich erblickte des Landmanns bescheiden Haus –
Fast wie traurig schaut' es ins Land hinaus;
Bis ein Schimmer von dir ihm ins Fenster sah –
O, wie stand es fröhlich, wie lacht' es da!
Du besuchst die fernste, die wildeste Statt,
Glühst die Wildnis an, wie der Rose Blatt;
Auf ergrauende Trümmer ein freundlich Licht
Und ein Lächeln zu werfen verschmähst du nicht.
Durch die Dämm'rung des Münsters kommst du geflammt;
Da, wie Feuer, lodert des Betstuhls Samt;
Um der alten Trophäen marmorne Reih'n
Zuckt, wie brennendes Gold, einer Glorie Schein.
Und du fliehst nicht, wo niedrig ein Grab auch steht,
Drauf im seufzenden Wind eine Blume weht;
Du erhellst seine Gräser mit Licht und mit Lust,
Und in Liebe schläfst du auf seiner Brust.
Hoffnung des Meers und der Wildnis Glück,
Sonne des Sommers – was gleicht deinem Blick?
Eines! – der Glaube, der, was er berührt.
Mit den leuchtenden Farben des Himmels ziert.
Dunkel braust das Meer,
Bangen Hauchs die Winde flüstern,
Meeresvögel, träg und schwer,
Flüchten ängstlich sich im Düstern.
O, bei Sturmeswehen,
Der du aus den Höhen
Hörst, was deine Kinder flehen –
Hör', o Vater, hör'!
Finster ist die Nacht,
Mond und Sterne sind verschwunden;
Wen der
Glaube sehend macht,
Hat das rechte Licht gefunden.
Du, der du inmitten
Zorn'ger Flut geschritten.
Noch einmal, hör' unser Bitten –
Dein, Herr, ist die Macht!
Da erscholl ein Lied auf der tönenden See,
Ein gemischtes Atmen von Lust und Weh';
Stimme des Mannes, kräftig und rauh.
Füllte mit Jubel das sonnige Blau;
Von den Wäldern, die nie noch ein Fuß durchzog.
Jauchzte sie, während die Barke flog,
Doch zu ihrem scholl ein Lied,
Von Ergebung voll und Gram,
Und sein Klageton verriet.
Daß von Weibes Mund es kam.
»Hinaus, hinaus, und über das Meer!«
– So auf dem Deck sang der Männer Heer.
»O, ein hellerer Himmel wölbt sich uns fern.
Unsern Weg dort zeigt uns ein lichterer Stern!
Dort sind Ebnen – keinem noch gaben sie Rast!
Für den ersten sind sie, den tapfersten Gast!«
»Doch, o Gott, wir wandern trüb,«
– Sang der Abschiedschor sodann –
»Aus den Häusern, traut und lieb,
In des Bachs, der Bergschlucht Bann!«
»Neue ja bau'n wir, wo Blatt und Zweig
Um die Stirn uns blitzen, Juwelen gleich;
Ziehn die Ranken der Rebe bis hoch ans Dach,
Daß ihr Laub uns am Abend beschatten mag,
Wenn hinaus wir schau'n nach den läutenden Küh'n
Und der stillen Savanna wogendem Grün.«
»Ach, wir ziehn und tragen Leid
Um die Linde, frisch und kühl.
Die mit Blüten überschneit
Unsrer Kinder erstes Spiel!«
»Unser der Wald und des Waldes Getier!
Freier durchbricht ihn der Hirsch nicht, als wir!
Keiner, der spräche: »Nicht weiter! halt!«
Unser die Steppe, so weit sie wallt!
Unser das Elen, stattlich und schnell,
Unser sein Mark, und unser sein Fell!«
Doch, ach, das Kirchlein grau,
Und der Sabbatglocke Schall,
Und das Gärtchen und die Au' –
Uns entschwunden sind sie all!«
»Ströme des Westens, glänzend und rein,
Unsre dreisten Namen woll'n wir euch leih'n!
Wollen sä'n im Gefild unsres Fleißes Saat,
Wollen lassen im Forst unsrer Wagnis Pfad,
Und am frischen See unser frisches Tun,
Wo die Indierfürsten, die alten, ruh'n!«
»Doch die Blumen, süß und bunt,
Unsrer Kinder Lust – wer lehrt
Sie umduften fremden Grund?
– O, lebt wohl, Heimat und Herd!«
– Rings die Schar
Sang Hallelujah, gleich dem Ton der Meere.
Milton
Noch einmal – o, noch einmal dieses Schallen!
Durchs Dach zum Himmel schwing' es sich empor!
Die alten Gräber lass' es widerhallen,
Und weh'n die Banner lass' es überm Chor!
Noch einmal sing' es! – meiner Seele Flügel
Enthebt es jubelnd der Vergangenheit,
Dorthin empor, wo ihres Friedens Spiegel
Kein irdisch Trachten störend mehr entweiht!
Vom Himmel kommt's! – Und doch im Auge schwellen
Fühl' ich die Träne, die das Herz vergießt,
Indes entzückt in jenes Wohllauts Wellen
Mein sel'ger Geist, mein trunk'ner Geist zerfließt.
Warum durch Zeichen so, die Schmerz verkünden.
Begibt die Lust sich ihres hellsten Scheins?
– O, ist es nicht, daß wir gebeugt empfinden
Im höchsten Stolz die Grenzen unsres Seins?
Sohn der Insel fern im Meer!
Von den mächt'gen Toten sprich!
Welch ein Denkmal überragt sie hehr?
Führ' an ihre Gräber mich! –
Auf, o Fremdling! frisch entrollt
Deine Segel! miß die Flut!
Keine Welle schäumt, kein Sturmwind grollt,
Wo kein Held aus England ruht!
Auf Ägyptens heißer Flur,
Wo zur Sonne Memnon spricht,
Grimmig lodernd herrscht der Mittag nur.
Und die Palme schattet nicht.
Was – und ob auf glüh'nder Bahn
Alles rings die Sonne dorrt,
Nicht mehr weckt sie, die ihr Werk getan –
Englands Tote schlummern dort!
Der Orkan mit seiner Macht
Fährt durch Indien wild und frei,
Und am Ganges durch die Mitternacht
Rollt des Tigers dumpf Geschrei.
Was – und roll' es noch so graus!
Nicht erreicht es mehr den Port,
Wo sie ruh'n von ihrer Arbeit aus –
Englands Tote schlummern dort!
O, wie springt der Felsbach kühn
Von Gebirgen schroff und steil,
Fern im Westen, wo des Urwalds Grün
Frei durchschwirrt des Jägers Pfeil!
Was – und rauscht die Flut auch wild,
Schwirrt der Pfeil auch fort und fort:
Nicht erweckt's die Schläfer im Gefild –
Englands Tote schlummern dort!
Durch die schnee'gen Pyrenä'n
Zieht der Sturmwind mit Gebraus;
Wie die Weste Rosenblätter jä'n.
Trotzig sä't er Tannen aus!
Was – und ob mit zorn'gem Schall
Er zerbricht des Waldes Hort!
Mut geflossen ist auf Ronceval –
Englands Tote schlummern dort!
Wo des Eismeers Woge stürmt:
Schrecklich tönt des Führers Pfiff
In der Stunde, wenn das Eis sich türmt
Um ein edel Britenschiff!
Mög' es treiben ohne Rast;
Bläulich dehn' es sich im Nord!
Ihre Fahrt ist aus mit Flagg' und Mast –
Englands Tote schlummern dort!
Die da kühn gezuckt den Stahl,
Fern und nah für englisch Land –
Sind die Felsen nicht ihr Totenmal,
Ist ihr Grab nicht Meer und Strand?
Drum, o Fremdling, frisch entrollt
Deine Segel! miß die Flut!
Keine Welle schäumt, kein Sturmwind grollt,
Wo kein Held aus England ruht!
Der Krieger zog aufs Meer hinaus.
Zu Gefecht und Bannerweh'n –
Das Mädchen blieb im sonnigen Haus,
In der Heimat, still und schön.
Seine Stimm' erscholl bei Schwert und Spieß,
In des Handgemenges Staub;
Ihr Wandeln war durch Blumen süß,
Und ihr Sitz im Rebenlaub.
Seine Lanze barst und sein Visier,
Um sein Haar floß Blut und Schaum; –
Die Brust indes zu fächeln ihr,
Weht ein Sommerlüftchen kaum.
Doch kehrt' er wieder auf der Flut;
Schwert und Pfeil – was focht ihn an?
Sie aber starb, wie die Rose tut,
Die ein Hauch schon töten kann.
Wie die Rose stirbt, wenn der Sturm sie faßt,
Der da heult so dumpf und hohl –
In ihr sonnig Haus trat der Tod als Gast – –
O, wie fand er dort sie wohl?
Ich bin frei! gesprengt ist die Kette, das Tor!
Mit dem jungen Adler steig' ich empor!
Meine Barke durchschneidet die Wellen kühn;
Wo der Wind streift, da streif' ich – frei darf ich ziehn!
Den Berg herab lustig der Waldstrom braust,
Durch die Luft nach Gefallen der Vogel saust,
Der Pfeil fliegt schnell durch den pfeifenden Wind –
Und ist nicht mein Geist, so wie diese sind?
O, der Erde Grün und der Blumen Schmelz,
Und die Stimmen, schmetternd durchs Laubgehölz,
Und der klaren Brunnen lachender Schein,
Durch die Tale leuchtend – o, alles mein!
Durch die Wüste jag' ich mein schäumend Tier,
Nehm' die Winde des Morgens zu Sporen mir!
Nur hinein in den Sturm, in der Blitze Gesprüh,
Ich bin frei, ich bin frei – ich bin freier, als sie!
Gefangner! und bist du Gefangner nicht mehr?
Bist frei in der Wildnis und frei auf dem Meer?
Ja, du bist's! aber dort nur! dort schwingst du dich kühn;
Doch, du Trotziger, kannst du den Menschen entfliehn?
Wenn's Vöglein betrübt ist, so schweigt sein Gesang,
Bis sein Trauern vorbei und sein Herz nicht mehr bang.
Doch du, wenn vor Weh dir das deine bricht,
Bist zu stolz – deine Tränen zeigen es nicht!
Wenn im Geiste dir der Gedanken brennt.
Ist die Lippe so kühn, daß sie feurig ihn nennt?
Bei des Festes Gewühl, bei des Mahles Lust,
Darf dein Antlitz verraten die Qualen der Brust?
Nein, tief mit dem Pfeil im Busen, o Gott,
Mußt die Wunde du bergen – du fürchtest den Spott!
Mußt den Mantel falten, ängstlich und scheu,
Und mußt lachend sagen: seht her, ich bin frei!
Mit dem Tode nur deine Kette reißt,
Durch
aller Gewalt über
eines Geist!
Auf Herz und auf Lippe, da liegt sie wie Blei –
Träumer, o Träumer! wer ist denn frei?
»O, ruft den Bruder, ruft mir ihn!
Nicht gern spiel' ich allein!
Der Sommer kommt mit Blum' und Bien'!
Wo mag mein Bruder sein?
»Der Schmetterling, o, wie voll Pracht
Glüht er im Sonnenschein!
Was kümmert jetzt mich seine Jagd!
Ruft mir mein Brüderlein!
»Die Blumen ranken wild umher,
Die er gepflanzt mit mir
Der Weinstock sinkt, von Trauben schwer –
O, war' mein Bruder hier!«
»Geliebtes Kind, er hört dich nicht,
Kann dich nicht mehr verstehn!
Du wirst sein Frühlingsangesicht
Nicht mehr auf Erden sehn!
»Ein Rosenleben hier war sein,
Kurz, frisch und taubenetzt;
Geh', liebes Kind, und spiel' allein!
Im Himmel weilt er jetzt!« –
»O, daß er seine Vögel ließ!
O, daß er mich nicht hört!
Ist's wahr, daß aus dem Paradies
Er niemals wiederkehrt?
»Kommt er nicht mehr zu Wald und Bach?
Wie bin ich doch betrübt!
Mein Brüderchen, wie wollt' ich, ach,
Daß ich dich mehr geliebt!«
Weit entfernt! – O, meine Seel' ist fern,
Wo ins Meer die schroffen Felsen springen;
In den Blumen, o wir gern, wie gern
Hör' ich wieder meiner Schwester Singen –
Weit entfernt!
Weit entfernt! – Mein Träumen, es ist fern.
Wenn die Sterne nachts am Himmel scheinen!
Meine Mutter ruft: o, kehre gern,
O, komm wieder, Kind, komm zu den Deinen –
Weit entfernt!
Weit entfernt! – Mein Hoffen, es ist fern.
Wo sich Lust und Liebe neu verbinden!
O du Taube, zieh'nd von Stern zu Stern,
Leih' mir Flügel, jenen Strand zu finden –
Schlaf'! – Wir geben dich der Flut,
Rot von der Gefallnen Blut;
Ehre dem, der also ruht, –
O, leb' wohl!
Schlaf'! – Du nahmst dein wogig Feld!
Meer und Himmel sind dein Zelt!
Deine Leichensalve fällt
Dumpf und hohl!
Einsam in des Meeres Schoß
Unbeweint und grabsteinlos,
Ruhst du, den sein Todeslos
Jählings traf!
Doch dein Mal, mit blut'gem Schein
Flatternd durch der Seeschlacht Dräu'n,
Soll die Rotkreuzflagge sein –
Schlaf', o schlaf'!
O ihr Stimmen, meinen Herd umsingend,
Süß wie Maiwind atmet ihr mich an;
Kehrt' ich heim, ein müdes Herz euch bringend,
Grüßtet ihr wie sonst den Wandersmann,
Einmal noch?
Nimmer, nimmer! Seit ich euch gemieden.
Floh der Frühling – lang schon ist die Zeit!
Auf das Grab der Guten, die geschieden,
Hat der Sommer Rosen wohl gestreut
Öfters schon!
Und wenn leis ihr auch mein Herz umflüstert,
Süße Stimmen – kaum noch regt es sich!
Meine Seele hat die Zeit verdüstert,
Frühlingstöne grüßen nimmer mich –
Was da frei, das ist mein Traum!
Eine Barke, flutgewiegt.
Die sich Bahn macht durch den Schaum,
Wie ein Pfeil zum Ziele fliegt!
Dann ein Hirsch im grünen Wald;
O, wie wirft er sein Geweih!
Tausend Bäche, klar und kalt –
Alles, alles was da frei!
Dann ein Aar, der trotzig kreist
Um der schroffsten Berge Zug;
Ich erblickt' ihn jüngst im Geist,
Hörte rauschen seinen Flug.
Einen Strom schritt ich hinan,
Dicht umweht von Busch und Baum,
Ohne Segel, ohne Kahn –
Was da frei, das ist mein Traum!
Ein beglücktes Kind im Hain,
Das mit Blumen spielt und Reh'n;
Indier, die bei Sternenschein
Durch des Urwalds Dickicht gehn;
Jauchzend Volk auf Siegesstätten,
Bogenschütz am grünen Baum: –
O, mein Herz liegt wund in Ketten,
Und was frei, das ist mein Traum!
Wo, wenn der sonnige
Rebenberg leer,
Wo zieht der Winzer Schar
Jubelnd einher?
Wo liegt das schöne Land,
Drin meine Wiege stand?
– Fern überm Meer!
Wo weht der Abendwind
Myrtenduftschwer,
Säuselt der Taube zu:
»Nacht wird's, komm her!«
Wo meiner Heimatflut
Glüht der Orange Glut?
– Fern überm Meer!
Wo wacht ein Aug' für mich,
Wacht, ob ich kehr'!
Wo zu der Eiche Weh'n
Murmelt das Wehr?
Wo noch von heil'ger Zeit
Redet das Nachtgeläut?
– Fern überm Meer!
Zieh', o du Winzerschar,
Jubelnd einher!
Weh', meines Vaters Baum,
Lustig ums Wehr!
Heimat, o lächle lind,
Siecht auch und stirbt dein Kind
– Fern überm Meer!
Flüstern, horch, und Engelwort:
Schwestergeist, zieh' mit uns fort!
Komm in des Friedens Land!
Komm, wo des Sturmes rauhe Stimme schweigt,
Komm, wo der Schatten von der Seele weicht,
Komm, wo das Leid gebannt!
Da drückt dich keine Furcht!
O, komm hinüber! Liebe nur und Ruh'
Weht dir der Taube weißer Fittig zu,
Die still die Luft durchfurcht!
Komm zu der Sel'gen Schar!
Bei den Gerechten, die des Lammes Stadt
Aus allen Landen sich berufen hat,
Ausruhst du immerdar!
O, lang warst du allein!
Zu deiner Mutter komm! – am Sabbatstrand
Siehst du nicht winken der Geliebten Hand?
O komm! kehr' bei ihr ein!
In Schweigen ließ man dich!
Zu deinen Schwestern komm! – Du hörst sie schon:
Ihr jubelnd Lied, ein einz'ger süßer Ton,
Begrüßt dich freudiglich!
Auch deine Sonne scheint!
Sturm bog dein Haupt, als wär's ein Weidenast:
Zu deinem Vater komm! – du hast nun Rast!
Du hast nun ausgeweint!
Jetzt wirst du selig sein!
Kein Wechsel waltet, wo du weilst hinfort!
Und, ha! den Tod bezwang die Liebe dort!
Zu deinem Gott geh' ein!
O, forsch' und frag' auf Erden nicht
Zu warm nach Mitgefühle! –
Draus sprudelnd eine Quelle bricht,
Der Herzen gibt's nicht viele!
Und die es gibt: vereinigt sah
Sie nie noch eine Stelle;
Es wäre sonst das Leben ja
Zu schön für seine Schnelle!
Das Auge deines Bruders sieht
Vielleicht nicht, wie das deine.
Zum Himmel, wenn er brennend glüht
Im blut'gen Abendscheine:
Bei Veilchenduft und Lenzeswehn
Und bei der Amsel Locken –
Dein Auge wird dir übergehn.
Sein Auge bleibt ihm trocken!
Ein Lied von Zeiten, die geflohn,
('S ist süß, ihm trüb zu lauschen!)
Entfernter Abendglocken Ton,
Bei Nacht der Wellen Rauschen:
Der Winde stürmischer Akkord,
Ausschütternd unverdrossen: –
Dir ist das alles Bild und Wort,
Ihm bleibt sein Sinn verschlossen!
Doch darum nicht weis' ihn zurück.
Der Jahre lang dich liebte,
Der ansah deiner Kindheit Glück,
Und den dein Schmerz betrübte!
Und wenn er weinend mit dir stand
An einem Totenschreine;
Dich pflegte, warst du siech: –: verwandt
Ist deiner Brust die seine!
Doch jene Kreise, licht und rein,
Drin sel'ge Geister schweben,
Wie Blumen wohl in einem Hain
In einem Lüftchen beben;
Doch jener gleiche süße Ton,
Verwandten Fühlens Zeuge:
O, träume länger nicht davon –
Gen Himmel sieh' und schweige!
(Als der Dichterin einige Efeublätter von der Ruine Rheinfels bei St. Goar zugeschickt wurden.)
Warum man
deinen Stamm nur brach,
Daß er des Weingotts Haupt umfloß?
Was gab man dich nur beim Gelag
Der Rebe zum Genoß?
Efeu,
dein ernst Geranke wallt.
Wo keiner zecht, wo keiner minnt;
Wo Lied und Becher einst geschallt.
Doch jetzt verklungen sind!
In gefall'ner Götter Hain
Ist die Stätte dein!
Der Römer auf dem Schlachtgefild,
Der Römer einst, der Herr der Welt,
Hat zu Gesang mit dir verhüllt
Des Siegers blutig Zelt.
Wohl war es schön, wenn solche Pracht
Dein triumphierend Grün umgab.
Doch lieber, traun! ist dir die Nacht
Um eines Siegers Grab!
Totenurne, Leichenstein –
Ihre Statt ist dein!
Der königlichen Toten Mal,
Drauf einsam Welschlands Sonne ruht,
Den Säulenschutt, den Fürstensaal –
Efeu, du kennst sie gut!
Und über Bergen, grün von Wein,
Wehst du herab vom Felsensprung,
Wo morsche Türme stehn am Rhein,
– Am Rhein, der ewig jung!
Turm und Trümmerburg am Rhein,
Efeu, alles dein!
Von seinen Horsten trüb durchs Land
Schaut das gebrochne Rittertum;
Der Degen fiel ihm aus der Hand –
Verschollen Harf' und Ruhm!
Du aber bleibst! – du, der da schwimmt
Wild in der sturmbewegten Luft!
Du, der die höchste Höh' erklimmt,
Und krönt die tiefste Gruft!
Efeu, Efeu, alles dein,
Palast, Herd und Schrein!
Der Wandrer schreitet früh und spat,
Er eilt durch Men Himmelsstrich,
Er geht der Zeiten stummen Pfad –
Schutt findet er und dich!
Und macht ihn auch dein Laub nicht irr,
Baut er auch rüstig immerzu:
Die Zeit, du »Efeu nimmer dürr«.
»Ihr Myrten braun und Efeu nimmer dürr.«
Milton, Lycidas.
Vergeht – und Herr wirst du!
Alle sind und werden dein:
Tempel, Säule, Schrein!
Man mißt euch nicht, ihr schönen Blumen, sprießend,
Wo Quell und Grotte ruhn im Dämmerlicht;
Dort fällt der Tau, ein Märchenland begießend;
Die Blätter tanzen – man vermißt euch nicht!
Noch spielt dein Schimmer auf des Waldsees Stelle,
O Lilie! die dein Perlenkelch geziert;
Ihr schönstes Kind betrauert nicht die Welle,
Die Winde flüstern kalt und ungerührt.
Und Hyazinthe! fern jetzt ziehn die Bienen,
Die deiner Glocken Zittern oft geküßt;
Ihr Blumen all', ihr duftetet im Grünen
Zu aller Lust – und dennoch unvermißt!
Ihr, die ihr wuchset, Duft zu leih'n den Winden,
Und Fröhlichkeit der Sonne goldnem Licht:
Vermißt man so – weh' mir, müßt' ich's verkünden! –
Die
Menschenblumen auch der Erde nicht?
Seit ich dich zuletzt gesehn,
Schwester, was ist dir geschehn?
Tief in deinem Auge liegt,
Schwermut, die mein Herz nicht trügt.
Wenn du sprichst – o, welch ein Ton!
Deine Kindheit ist entflohn.
Sturm hat deine Brust getrübt;
Schwester, ja, du hast geliebt.
Deiner Wangen Wechselglut
Kündet nicht ein Herz, das ruht
Wenn du gehst den Strom entlang,
Folgt ein Traum dir, schwer und bang.
In dein Tal und in dem Hain
Hörst du Lieder, die nicht dein
Warum weinst du, bleich, gebückt?
Ach, die Lieb' hat dich geknickt!
Sag' mir nicht, wie alles kam;
An mein Herz wirf deinen Gram.
Nichts von Träumen, die geflüchtet!
Nichts von Hoffen, das vernichtet!
Schweig', o schweig' von deinem Schmerz;
Lull' es ein, dein armes Herz!
Frieden such' im Vaterhaus!
Wein' an meiner Brust dich aus.
Mutter, o sing' mich zur Ruh'!
Wie noch in schöneren Stunden,
Sing' meinem Herzen, dem wunden,
Tröstende Lieder sing' du!
Drücke die Augen mir zu!
Blumen die Häupter jetzt neigen,
Trauernde rasten und schweigen –
Mutter, o sing' mich zur Ruh'!
Bette dein Vögelchen du!
Stürme, ach, haben's entfiedert;
Liebe, sie drückt unerwidert; –
Mutter, o sing' mich zur Ruh'!
Fern ist's, wo ihre Heimat lacht!
Und ihrer Augen Licht,
Am Himmel hat sie's angefacht.
Die Erde gab es nicht!
O, laßt sie ziehn!
Was sich auf Erden treibt und müht,
Sie sieht's, gleichwie ein Stern
Auf Angst und Wonne niederglüht,
So sanft und doch so fern!
O, laßt sie ziehn!
Mit allem, was sie hofft und liebt,
Wie sehnt empor sie sich!
Der Taube schaut sie nach betrübt:
»O, trügen Flügel mich!«
O, laßt sie ziehn!
Kein wandernd Lüftchen, leicht beschwingt,
Haucht sie melodisch an,
Was nicht wie eine Botschaft klingt,
Ihr, die nicht weilen kann!
O, laßt sie ziehn!
In Traumeswolken eingehüllt,
Nie läßt die Welt sie kalt!
Ihr Sehnen ist das Lichtgefild,
Wo ihr Geliebter wallt!
O, laßt sie ziehn!
O, trag' sie an der Brust, mein Lieb,
Noch einen Augenblick!
Ihr Lächeln floh, ihr Reiz ist hin,
Ihr Duft doch blieb zurück.
Drum, einer Zeit zu lieb, die war,
Wirf sie nicht von dir, ach!
Sie blüht' in ihrer Schwestern Schar
Einen langen goldnen Tag,
Mein Lieb!
Einen langen goldnen Tag!
Noch eine kurze Zeit, mein Lieb,
Soll dich ihr Duft umwehn;
An deinem Herzen soll sie ruhn.
Verwelkt und doch noch schön!
Doch selbst dein Herz nicht, warm und weich,
Schützt sie vor Todeshand:
– Oh! ich bin deiner Blume gleich,
Zu spät, zu spät erkannt,
Mein Lieb!
O Gott, zu spät erkannt!
Eil' in des Waldes Ruh',
Suche den Hügel du,
Wo, schwer von süßem Tau, die Veilchen liegen:
Schimmernd durchs Waldgesträuch,
Augen voll Schlafes gleich, –
O, laß sie bald an meine Brust sich schmiegen!
Brich sie mir, keins laß stehn;
Laß um mein Todbett wehn
Ein Wehn des Mais, ein Wehn aus Waldestalen;
Denn ach, mit Trauern nur
Scheid' ich von Wald und Flur,
Gern weilt' ich länger in der Sonne Strahlen!
Bliebe bei dir gern noch!
Weh', nicht vermag ich's! – Doch
Bring' an mein Lager froh'rer Stunden Zeugen!
Geh', wo ein dämmernd Licht
Grün durch die Blätter bricht,
Und auf der Quelle zittert unter Zweigen!
Kalt ist und klar, die Flut;
Ach, und ich weiß noch gut,
Wie feuchte Lilien nickend sie umspielen;
Geh' an des Stromes Bord;
Flüsterndem Schilfe dort
Nimm sie, mein Haupt, mein fiebernd Haupt zu kühlen!
Dann, wie zu bess'rer Zeit,
Geh' durch die Einsamkeit
Des alten Gartens, grün von Laub und Moose:
Dort, ihrer Blätter Schnee
Streu'nd auf des Rasens Klee,
Steht einsam trauernd eine weiße Rose.
Tauben umgirren sie,
Bienen umschwirren sie.
Der alten Linde Wehn umrauscht sie trübe;
Brich mir zwei Blumen dort;
Zwei: – denn es ist der Ort,
Wo wir zuerst uns sagten unsre Liebe!
Geisblatt dann hole mir;
Hol's von der Gittertür;
Hol's von der Hütte, die ich jüngst dir zeigte,
Als wir am Waldesrand
Wandelten Hand in Hand,
Geführt von des Johanniswürmchens Leuchte!
Bring' mir, o bring' den Strauß!
Breit' ihn aufs Kissen aus –
Komm, daß ich zitternd jede Blume fasse!
Laß sie mir Traum verleih'n;
Träumend ist alles mein:
Lenz, Jugend, Leben – alles, was ich lasse!
Und wenn du fragst, warum
Ich dich im Tal herum
Und an des Stromes waldig Ufer schicke:
'S ist, daß in deinem Sinn,
Wenn ich geschieden bin,
Dir mein Gedächtnis jede Stätte schmücke!
In den Gebüschen dicht
(O, brich den Zauber nicht!)
Da will ich ewig, daß mein Bild dir glänze!
O mein Geliebter, nie,
Wo wir gewandelt, zieh',
Vergessend sie, die starb in ihrem Lenze!
Wo soll ihr Hügel stehn?
Wo wilde Blumen wehn
Frei in der Luft!
Da, wo die Vögel ziehn
Durch junger Blätter Grün,
Sei ihre Gruft!
Oft von der Welt verletzt,
Reich' ihr, o Schlummer, jetzt
Balsam die Füll'!
Laß sie, o Erde, nun
Weich dir am Busen ruhn,
Tief, tief und still!
Murmelt, ihr Bäche kühl;
Winde, mit sanftem Spiel
Zieht drüber hin!
Über ein Bett von Moos,
Wo, in der Erde Schoß,
Stürme sie fliehn!
Netzt auch des Regens Guß,
Labt auch der Lüfte Kuß
Nimmer sie mehr:
Immer doch, wo wir stehn,
Müss' ihr ein Atmen wehn,
Heilig und hehr!
Drum, in Gesang und Duft,
Laßt ihr auf dunkler Gruft
Leben erblühn!
Drum, o ihr Veilchen blau,
Sprießt, wo im feuchten Tau
Betend wir knien!
O drum, wo Blumen wehn,
Laßt ihren Hügel stehn
Frei in der Luft!
Da, wo die Vögel ziehn
Durch junger Blätter Grün,
Sei ihre Gruft!
Was weckte den Ton, der lang geruht
In Memnons Harfe vor Zeiten?
Wer, an des Niles grüner Flut,
Wer griff so kühn in die Saiten?
– O, nicht der Sturm und nicht die Nacht
Und nicht des Blitzes Feuer –
Das Sonnenlicht mit warmer Pracht,
Das weckte die mystische Leier!
Das einzig weckte die Leier!
Was weckt des Herzens tiefen Klang
Zu reinen, innigen Chören,
daß er, wie himmlischer Gesang,
Die Stürme mag beschwören?
– O, nicht Kampfgewühl und nicht Schwertesstreich,
Kein sieghaft Bannerschwingen –
Nur die Liebe, stark und gabenreich,
Erweckt der Seele Klingen!
Sie nur der Seele Klingen!
Deinen Träumen Friede! – du schlummerst nun!
Auf der Stirn dir seh' ich das Mondlicht ruh'n!
All' die Liebe, die flutend dein Herz bewegt,
Hat im Schrein deiner Seele sich schlafen gelegt,
Wie der Blume Duft in des Kelches Verschluß,
Wenn die Sonne der Flur gab den Abschiedskuß.
Friede! – das Trübe, was durch den Tag
Wie ein schwer Gewicht auf der Brust dir lag;
Ihr Gedächtnis, die Wechsel und Tod dir geraubt,
(Es ergriff dich, wie Sturmwind der Weide Haupt!)
Und dein Sehnen nach Stimmen, die längst zur Ruh' –
Alles vergessen! – Schlaf' zu, schlaf' zu!
Ist es vergessen? – Ich fürchte: Nein!
Schlaf kann von Kummer das Herz nicht befrei'n!
Jetzt noch – wie seltsam bewegt dein Gesicht!
Über wellig Gras so läuft Schatten und Licht!
Zuckst du? – Der Gram, wie die Liebe, hat
Stürme selbst für das geschlossene Blatt!
Deine Lippe bebt: – auch die Leier so
Bebt, eh' ihr Tönen ganz entfloh! –
Auf der zitternden Wimper gesenktem Strich
Sammelt schwer und groß ein Träne sich:
Aus den Wolken der Seele Gewitternaß –
Du bekümmert Kind, und ist Ruhe das?
'S ist der schaffende Geist – er läßt nicht nach!
'S ist die Liebe, bei welken Blumen wach!
O, was birgt nicht alles ein Menschenherz:
Unergründlich Erinnern, maßlosen Schmerz!
Und die Leidenschaft, die es jählings füllt
Mit empörten Wogen – doch nie sie stillt!
O, sieh' zu, daß der bitteren wild Gewühl
Nicht den Frieden fortbraust von deinem Pfühl!
O, sieh' bang hinein in die Seele dir –
Keine Rast, keine Flucht, kein Vergessen hier!
Wir gedenken, hüllt uns auch Schlummer ein, –
Wird es im Tode besser sein?
O sag', wann willst du kehren
Ans Herz der alten Zeit?
Zum Dunkel unsrer Föhren,
Zum Rauschen unsrer Ähren,
Zu Früh- und Nachtgeläut?
Die Sommervögel rufen
Um Strohdach noch und Stall;
Noch springt die moos'gen Stufen
Hinab der Wasserfall
Und tausend Blumen locken
Zu Bach und Felsenstück;
Der Wind küßt ihre Glocken –
Doch wann kehrst du zurück?
O, lang hast du gemieden
Der Heimat stille Lust,
Und ihrer Wälder Frieden
Erstarb in deiner Brust.
Was dir dein Lenz gegeben,
Du achtest es gering;
Dir ist des Laubes Beben
Ein längst vergessen Ding!
Allein wann kehrst du? sage! –
Die Blume, welk gemacht
Vom sengenden Mittage,
Erfrischt der Tau der Nacht!
Den Himmel, so die Wogen
Abspiegeln glatt und klar,
Hat Sturm oft überflogen –
Doch nicht für immerdar!
O, bring' und gib dich wieder
Der Wälder lust'gem Grün!
Der Vögel freie Lieder
Laß Haupt und Brust durchziehn!
Allein, wann willst du kehren?
Manch rosig Angesicht
Hilft unsern Herd verklären –
Warum das deine nicht?
Noch steht ein Platz dir offen
An deines Vaters Tisch!
O, täusche nicht ein Hoffen!
O, kehre warm und frisch!
Noch hält, dich zu begrüßen.
Die Mutter dir bereit
Den ernsten, schmerzlichsüßen
Blick der Vergangenheit!
Noch, wenn Gebete schallen,
Ersehnt dich
jeder Blick;
Verstohlne Tränen fallen –
O, wann kehrst du zurück?
Durch des Waldes Hauch, der dein Haupt gekühlt
Auf der Moosbank, wo du als Kind gespielt;
Durch der Linde Flüstern, die leise weht,
Wo dein Elternhaus unter Blumen steht;
Durch den Duft der Primel sogar im Gras;
Durch der Laube Dämmern: – durch alles das
Kehrt' ein Zauber in deinem Herzen ein,
Heilig und köstlich – o warte sein!
Durch die Quelle, die mit lullendem Ton
Oft dich gesungen in Träume schon;
Durch des Efeus Zittern, der windbewegt
Um die Rinne schwankt und ans Fenster schlägt;
Durch der Biene Lied und der Nachtigall,
Durch der Sonntagsglocken freudigen Schall,
Und durch jeden Laut, der dich sonst beschlich,
Fester und süßer umstrickt er dich!
Durch das Dämmerstündchen am Winterherd,
Wenn der Abend Plaudern und Lust beschert;
Durch das Märchen, vor dem der Sandmann flieht:
Durch das Abendgebet und das Abendlied;
Durch das Auge, das strahlt, und den Mund, der lacht;
Durch den Handdruck und durch das »Gute Nacht!«
Durch den Kuß beim Scheiden und beim Empfang
Hält dich der Zauber dein Leben lang.
Seg'n ihn, o seg'n ihn! zerstör' ihn nicht!
Er ist dir ein Schirm und ein leitend Licht!
Er führte des Freien mutigen Schritt
In die Schlachten hinaus, die sein Bergvolk stritt;
Ließ den kehrenden Wandrer die Flut bestehn,
Daß er sterbe, wo Lüfte der Heimat wehn;
Und zur Schwelle des Vaters – lang, ach, geflohn!
Bracht' er zurück den verlorenen Sohn!
Ja! wenn voll Trotzes dein Herz sich vermißt,
Wenn es fahrig schweift, wenn es kalt vergißt;
Wenn der schwüle, sengende Hauch der Welt
Auf das Blumenbeet deiner Kindheit fällt:
O, dann denk' an die Moosbank du wiederum,
An des Efeus Geräusch, an der Biene Gesumm;
Denk' an den Baum vor des Vaters Tür –
Neu so gewinnst du den Zauber dir!