Karl Emil Franzos
Aus Halb-Asien – Zweiter Band
Karl Emil Franzos

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III. Aus Rumänien.

Rumänische Frauen.

(1871.)

Giftig grünes Schierlingkraut!
Ach! was nützt die schöne Braut
Und daß mein Getreide wächst,
Es geht doch alles wie verhext!
Und zu enden meine Pein,
Schlag ein Donnerwetter drein!
            Rumänisches Volkslied.

Ich erinnere mich noch lebhaft des Tages, an dem ich dieses Lied zum ersten Male gehört und wer es gesungen. An einem schönen leuchtenden Augustmorgen war's und die Sonne lag hell und fröhlich über der fruchtbaren, grünen Ebene und über den blauen Wellen der Suezawa und über der Stadt gleichen Namens, der alten Fürstenstadt der Moldau. Ich konnte alle Thürme zählen, als ich so durch die Ebene fuhr, von Itzkani nach Bordujeni. Mein junger Rosselenker pfiff und unterhielt sich mit den Pferden sehr geräuschvoll und plötzlich begann er zu singen und sang jenes Lied in melancholischen, langgezogenen Tönen.

»Ilia!« fragte ich erstaunt, »wie kommst du auf dies traurige Lied?«

Der Bursche sah mich verwundert an. »Hm! ich weiß selber nicht! Ich habe an Nichts gedacht – es ist mir nur so eingefallen . . . die Sonne scheint so schön und das . . .«

»Macht dich traurig?«

»O nein – aber – ich weiß nicht – ich bin ein Rumäne – wir Rumänen sind Alle so –«

Mit dieser Erklärung mußte ich mich begnügen. In der That war es aber auch die bündigste, die er mir hätte geben können. »Wir Rumänen sind alle so«. In der Seele dieses Volkes liegt unsäglich viel Trauer und Ingrimm, freilich meist verklärt zu stiller, entsagungsvoller Wehmuth. Darum klingen auch die Lieder dieses Volkes, diese sichtbaren Aeußerungen der Volksseele, so ergreifend. Nicht aus der Reflexion, nicht aus der Betrachtung thatsächlicher Verhältnisse kommt dem Rumänen diese Stimmung, sondern, möcht' ich behaupten, aus angeborenem Instinkt, »'s geht doch Alles wie verhext«, singt mein Ilia, und die rumänischen Poeten singen von dem ›Fluche‹, der auf ihrem Volke lastet. Beide denken sich gleich wenig dabei, aber beide fühlen, daß dem so ist.

Worin besteht nun dieser ›Fluch‹?!

Wenn ich auf diese kurze Frage ebenso kurz antworten soll, so möchte ich sagen: in der traurigen ›Civilisation‹, die sich über dieses Land ergossen und in der Trägheit der Bewohner. Von beiden muß ich vorher sprechen, wenn ich mich anders nicht der Gefahr aussetzen will, von Lesern des Westens als – Lügner betrachtet zu werden. Denn das Frauenleben in Rumänien ist in Folge dieser beiden traurigen Einflüsse sehr eigentümlich, sehr sonderbar . . .

›Civilisation!‹

Das ist ein schönes Wort und es bleibt auch eine schöne Sache, wie viel Unsinniges und Frevelhaftes auch immer schon in ihrem Namen versucht und begangen worden sein mag. Aber speziell um die ›Civilisation‹ des Ostens ist es noch ein ganz besonderes Ding. »Wir müssen uns aus dem Westen die Cultur holen«, sagten sich die Völker des Ostens und holten sich da nicht das, was ›Cultur‹ war, sondern vor Allem das, was ihnen so ›Cultur‹ schien. Dann schienen ihnen diese ›Culturreisen‹ etwas ungenügend und unbequem und sie eröffneten sich die Quellen der Civilisation im eigenen Lande, indem sie Fremdlinge aller Nationen des Westens als Lehrer oder Organisatoren dahin verpflanzten. Das war löblich. Aber diese Quellen waren leider häufig nicht allzu lauter und hatten sich zumeist nur deshalb entschlossen, im fremden Lande zu fließen, weil sie in der eigenen Heimat als überaus getrübt gegolten. Was aber etwa dennoch an echter Bildung und Gesittung hinüberflutete, das kam nicht allmählig und klärend, das war und blieb fremd, das verband sich nicht mit den nationalen Sitten und Verhältnissen zu einem harmonischen Ganzen. Was also hat die ›Civilisation‹ im Osten bisher gefruchtet?! Meiner Ueberzeugung nach nur Folgendes: sie hat in den höheren Kreisen der Gesellschaft jede bisher bestandene Besonderheit verwischt und an ihre Stelle die Herrschaft der Mode und der seichten Phrase gesetzt, in den niederen Schichten aber gar nichts zu wirken vermocht, so daß diese noch heute in althergebrachter Lebensanschauung und Barbarei verharren. Manchem mag diese Ansicht zu pessimistisch erscheinen, für mich steht sie als Wahrheit fest. Freilich muß hinzugefügt werden, daß sich diese einseitige, traurige Aeußerung des Culturlebens zwar im Allgemeinen bei allen Völkern des slavisch-romanischen Ostens findet (bei den Polen, Russen, Russinen, Rumänen, Serben u. s. w.), daß sie sich aber nach dem mehr oder minder bedeutenden Grade der nationalen Cultur modifizirt, die ein Volk der fremden ›Cultur‹ entgegenzusetzen vermochte. Wir finden sie daher z. B. bei den Polen und Russen weniger ausgeprägt. Am stärksten aber ohne Zweifel bei den Rumänen.

Bei diesen aus zwei gleich wichtigen, gleich schwerwiegenden Ursachen. Einmal, weil hier der Strom der Bildung über ein rohes, barbarisches Volk hereinbrach, das der Halbmond in jahrhundertelanger drückender Herrschaft gehalten, das daher keine Spur nationalen Geisteslebens aufzuweisen vermochte, und zweitens, weil in den Donaufürstenthümern fast ausschließlich der Einfluß französischer Civilisation geltend gewesen. Diese hat auf Aeußerlichkeiten gewirkt, sie hat moderne, ja überaus moderne, ganz entsetzlich moderne Formen und Sitten gebracht, keineswegs wahre Bildung. Die höheren Klassen nach Außen civilisirt, im Innern ungebildet wie einst, die niederen in demselben traurigen Zustande, wie vor Jahrhunderten, so darf man – sine ira et studio – das rumänische Volt charakterisiren.Dieses Urtheil wurde 1871 geschrieben. Wie weit es heute – nach 17 Jahren – noch Geltung hat, hierüber enthält die Einleitung einige orientirende Bemerkungen. Ueber die soziale Stellung der Frau im Osten überhaupt gibt ein Abschnitt meiner Kulturbilder »Aus der großen Ebene« (Band II. S. 221 ff, »Frauenleben in Halb-Asien«) erschöpfenden Aufschluß. Manches, was hier, dem begrenzten Thema entsprechend, von der Rumänin berichtet wird, findet sich dort als typischer, bei vielen Völkern des Ostens wiederkehrender Zug nachgewiesen. (Anm. z. 3. Aufl.)

Ein Hauptunglück des Rumänen ist ferner, wie erwähnt, seine Trägheit. . . .

Reich und fruchtbar ist das schöne Land an den Ufern der Donau, der Aluta und des Pruth, aber der Bewohner weiß den Segen nicht zu wecken, der im Boden schlummert und noch minder versteht er ihn zu nützen. Er ist stumpfsinnig, träge, gedanken- und arbeitsfaul. Versumpft ist das edle Blut, das in den Adern der Abkömmlinge der stolzen, thatkräftigen Römer rollt. Der rumänische Bauer bebaut und besäet im Frühling und Herbste von seinem Acker gerade so viel, um im Sommer und Winter nicht Hungers sterben zu müssen, und gerade so viel kümmert er sich um seine enge, niedrige Hütte, daß sie ihm nicht über dem Kopfe zusammenstürze. Wer durch dieses Land reist und die Hälfte der Felder brach liegen sieht und dann in die kleinen, schmutzigen Dörfer kommt und die Bewohner faul und matt vor den Hütten lungern sieht, könnte glauben, eine verheerende, verödende Krankheit sei eben durch das Land gezogen. Aber so sieht es in Rumänien immer aus, und diese Leute scheinen zu glauben, es müsse so sein.

Und warum ist es so?

Mein Ilia meint: »'s geht nun einmal Alles wie verhext und nur noch ein Donnerwetter kann helfen.« Und der Dichter Alexandri singt: »Es ist nun einmal ein alter Fluch, der auf unserm edlen Volke liegt.«

Aber das sind ziemlich vage Erklärungsgründe für ein greifbares Uebel. Vielleicht gelingt es uns, stichhaltigere aufzufinden, wenn wir uns in unser Thema vertiefen.

Zwei Typen kommen hauptsächlich in Betracht, wenn man die soziale Stellung und die Lebensweise der rumänischen Frauen zu schildern sucht: die Bäuerin und die Bojarin. Denn der Mittelstand ist eben erst in der Entwickelung begriffen. Wie jedes Volk, das erst kürzlich aus barbarischen Zuständen herausgetreten, dessen Handel und Gewerbe gänzlich darniederliegt und in seinen Anfängen vollständig von Nichteingeborenen usurpirt wird, haben die Rumänen, wie z. B. auch die sonst auf viel höherer Stufe stehenden Polen, keinen eigentlichen Bürgerstand. Das ist das Hauptunglück des Landes.

Der Lebenslauf der Rumänin ›aus dem Volke‹ ist fast immer derselbe, mag nun die Anitza oder Maritza schön oder häßlich, mag sie – natürlich nach den Begriffen des Dorfes – reich oder arm sein. In der niedern Hütte geboren, wächst das Kind fast ganz ohne Pflege und Aufsicht empor. Es macht seinen Eltern, außer der spärlichen Nahrung, keinerlei Sorgen und Ausgaben, auch nicht für die Bekleidung. Man muß es gesehen haben, daß ein grobleinenes Hemde in den rumänischen Dörfern für ein vier- oder fünfjähriges Mädchen noch ein Luxus ist, den ihm die Eltern höchstens an Sonn- und Feiertagen gestatten. Das Mädchen wächst heran, natürlich ohne Schulunterricht. Denn es gibt in Rumänien fast gar keine Dorfschulen, d. h. faktisch, auf dem Papiere mögen ihrer genug stehen; das Papier ist eben in Rumänien nicht ungeduldiger als anderwärts. Die Herren haben keine Zeit dazu, sich um das Schulwesen zu bekümmern; sie müssen in ihre Verfassung überaus freisinnige Bestimmungen hereinbringen; z. B. die Abschaffung des Adels. Es gibt keinen grellern Gegensatz auf Erden, als die Theorie und die Praxis im rumänischen Dorfschulwesen.

Ich kann nicht umhin, an dieser Stelle ein einschlägiges persönliches Erlebnis zu erzählen, da es überaus charakteristisch ist. In einem Bukarester Salon hatte ich vor einiger Zeit die Ehre, dem damaligen Kultus- und Unterrichtsminister Rumäniens (die Herren wechseln bekanntlich rasch und der Betreffende ist jetzt wieder, was er früher war – Lebemann nämlich) vorgestellt zu werden. Da ich zu jener Zeit eben einige Reisebriefe in der ›Neuen freien Presse‹ hatte erscheinen lassen und er daher vermuthete, ich könnte auch diese meine Reise literarisch verwerthen, so schilderte er mir in liebenswürdigster, ausführlichster Weise den Stand seines Ressorts und schloß mit den Worten: »Sie sehen – unser Volksschulwesen ist dem der Schweiz ebenbürtig. Wenn Sie übrigens noch nähere Daten –« . . . Ich dankte verbindlichst, da ich nicht die Absicht hatte, über das Thema zu schreiben, und ließ nebenbei durchschimmern, daß ich, als der Landessprache einigermaßen kundig und nicht zum ersten Male im Lande, über den wahren Stand der Sache hinreichend instruirt sei. Da sahen mich Se. Exzellenz zuerst verdutzt an und riefen dann lachend: »Nun – da habe ich Ihnen freilich umsonst blauen Dunst vorgemacht. Ich mußte es ja schandenhalber thun. In Wahrheit steht es schändlich – Sie haben Recht. Aber alle Mühe wäre nutzlos: unsere Bauern schicken nun einmal ihre Kinder nicht in die Schule . . .«

»Es käme auf die Probe an!« warf ich ein. – »Nun, dann mag ein Anderer probiren«, brach er lachend ab.

Der einzige Unterricht, den das rumänische Dorfkind genießt, ist der Religionsunterricht. Aber auch den zieht es nur aus den unverstandenen, schwerfälligen Formen des griechisch-orientalischen Gottesdienstes und aus dem Köhlerglauben der Eltern. Dieser Köhlerglaube mag für den Culturhistoriker sehr interessant sein – es ist eigenthümlich, wie sich die ewig heiteren Heidengötter im Laufe der Jahrhunderte in diesen Landschaften in düstere Gespenster und Dämonen gewandelt – für den Menschenfreund jedoch ist er sicherlich nur sehr betrübend.

Aber kümmern sich denn Seine Hochwürden der Herr Pope nicht um die Kleinen?

Seine Hochwürden, der Herr Pope! Ach, dieser Mann ist in der Regel ein eigenthümliches Exemplar eines Seelsorgers. Der Sohn eines Popen oder Bauern, ist er – fast ohne jede Vorbildung – auf drei oder vier Jahre in eines jener zahlreichen Priesterseminare gesteckt worden, wo er Lesen und Schreiben, dann das Absingen der Ritualgebete gelernt und wo ihm als einzige Vorbereitung für seinen heiligen Beruf der Katechismus eingebläut worden. So ausgerüstet, wird er, nachdem er ein Weib genommen, zum Priester geweiht und erhält eine Dorfpfarre, um da vollständig zu verbauern. In seinen Predigten ist Gott ein strenger Herr, der außer dem obligaten Frommsein und Wohlthun der Menschen an einem Dinge besonderes Wohlgefallen hat: wenn man dem Verkündiger seines Wortes, dem Popen, den Zehnten und die Sporteln reichlich entrichtet und noch außerdem zuweilen eine milde Gabe in's Haus bringt. Das köstlichste Musterbild eines solchen Priesters des Herrn lernte ich auf meiner Eingangs erwähnten Fahrt in der Moldau, in der Nahe von Vordujeni, kennen. Seine Hochwürden fragten mich unter Anderm, ob die Deutschen wirklich Heiden seien, ob der Kaiser der Deutschen, Namens Bismarck, in der That zwölf Fuß hoch sei und in welcher Art ein Blitzableiter nützlich werden könne . . . So seltsam diese Stichproben klingen mögen – ich verbürge mich hiermit für ihre Wahrheit. Und am Sonntag Nachmittags präsentirten sich mir Seine Hochwürden in einem Zustande so kolossaler Betrunkenheit, wie ich dergleichen selbst in den Hafenkneipen von Hamburg oder Odessa nie gesehen. Und das will bekanntlich etwas sagen.

Von seinem neunten, zehnten Jahre an, oft noch viel früher, wird das Kind dazu angehalten, der Mutter bei ihren meist sehr schweren Arbeiten zu helfen. In ihrem dreizehnten, vierzehnten, höchstens fünfzehnten Jahre ist die Rumänin körperlich vollständig entwickelt. Und man findet da oft schöne, zierliche Gestalten. Der römische Typus, obwohl vielfach durch Heirathen mit Slaven verwischt, zeigt sich in der schön und stolz geschwungenen Nase, in dem fein und scharf gezeichneten Munde, in dem schwarzen, glänzenden Haare, in der eigenthümlichen, aber nicht unschönen Broncefarbe des Gesichts. Betrachtet man die junge Rumänin in ihrem Festschmuck, dem linnenen Hemde, das mit allerdings ziemlich kunstlosen Stickereien verziert ist, dem nationalen, aus einem Stücke geschnittenen, durch eine Spange zusammengehaltenen Tuchrock, der, in der Taille befestigt, sich dicht an die Hüften schmiegend bis an die Knöchel fällt, dem leichten, tunicaartigen, meist blauen Mäntelchen, lauscht man dazu ihrer Sprache, die fast in jedem Laute an jene des alten Rom erinnert, wahrlich – es gehört nicht viel Phantasie dazu, um sich die römischen Landmädchen aus den Zeiten Cicero's zu denken! Und schier wäre da vielleicht auch ein Schalk versucht, mit dem alten Flaccus zu sagen: ›Ne sit tibi pudori, amare ancillam . . .‹

So geschmückt und – reinlich kann man die Mädchen freilich nur an Sonntagen, sowie an den übrigens sehr zahlreichen Festen ihrer Kirche sehen. Auf einem freien Platze, gewöhnlich vor dem Wirthshause, tanzt dann die Dorfjugend. Das Orchester besteht aus dunkelhaarigen, glutäugigen, meist scheußlich zerlumpten Zigeunern, einem Geiger und einem Cymbalschläger. Die Tänze des rumänischen Landvolkes sind besonderer Art; sie sind fast durchweg keine Rundtänze, sondern bestehen aus einer Reihe bunt abwechselnder hübscher Gruppirungen. Am beliebtesten ist die ›Romana‹.

Nach dem Tanze begleitet – wie allüberall – der Bursche das Mädchen nach Hause. Die Liebenden werden gewöhnlich nach kurzer Frist Braut- und Eheleute. Auch hier bestimmt meist ein äußerer Umstand, nicht der Drang des Herzens, die Wahl. Auch hier stellen Reichthum und Besitz scharfe, unüberklimmbare Schranken auf. Es gibt überhaupt weniger Idyllen auf der Welt, als zarte Damen und langhaarige Poeten glauben.

Das Mädchen ist zum Weibe geworden; es tritt sein Amt im Hause an. Aber es ist kein leichtes Amt. Mit der Stunde, wo das junge Mädchen unter eigentümlichen, sehr lebhaft an die Hochzeitsgebräuche der Römer erinnernden Ceremonien in das Haus des Gatten tritt, hat sie von den Freuden des Lebens so ziemlich Abschied genommen. Denn das rumänische Weib ist die Sklavin ihres Gatten. Nicht etwa darin nur, daß er ihr seine Liebe sehr häufig in bunten Striemen auf den Körper schreibt – das wäre keine Eigentümlichkeit der Rumänen, das findet sich bei allen Völkern des Ostens –, sondern hauptsächlich darin, daß ihr nun die Sorge für die Erhaltung des Hauses ausschließlich obliegt. Sie ist nicht die Gehilfin des Mannes, sie ist seine Dienerin. Jene empfindsame Gräfin, die vor einiger Zeit bei einem Wiener Frauentage, praktisch und vernünftig, wie alle Vorkämpferinnen der Frauen Emancipation, eine Motion für die armen Türkinnen einbrachte und sie besonders durch die Polygamie des Moslems begründete, hätte Gegenstände ihres Mitleids nicht so weit zu suchen gebraucht, sie hätte deren in den Karpathen und an der Donau genug gefunden. Denn der rumänische Bauer beschränkt seine Thätigkeit auf die Bestellung des Ackers; die Besorgung der Hausthiere, die Beschaffung der Lebensmittel, ja man darf sagen: alle und jede andere Sorge überläßt er seinem Weibe. Und in dieser harten, ungebührlichen Arbeit und Anstrengung ist auch der Grund dafür zu finden, daß die Rumänin mit fünfzehn Jahren blühend und schön, mit dreißig Jahren ein alterndes Weib, mit vierzig Jahren eine Greisin ist. Und kaum minder schnell geht es mit der Kraft des Mannes abwärts. Denn was bei dem Weibe die Arbeit, bewirkt bei ihm der – Schnaps!

Trotz solcher Behandlung, trotz solcher Lebensweise ist das rumänische Bauernweib keine stumpfe, gedankenlose Arbeitsmaschine; sie hat ein eigen geartetes, charakteristisches Gedankenleben.

Das rumänische Weib ist stets freundlich, heiter und sangeslustig. Nie läßt sie bei ihrer harten und oft so mühsamen Arbeit in trübem Schweigen den Kopf hängen; sie begleitet all' ihr Thun mit Gesang. Was sie singt ist unendlich mannigfaltig. Bald ist es nur die Melodie einer ›Doina‹, dieser eigentümlich ergreifenden, melodischen Klage des Rumänen; bald die eines fröhlichen Nationaltanzes, am häufigsten aber ein Volkslied. Denn wie eine wilde Blume, unbekannt, verachtet, aber schön, duftig und stark blüht das Volkslied in den Bergthälern der Karpathen, in den fruchtbaren Niederungen an der Donau. Noch hat es die Cultur nicht verdrängt, noch hat sie nichts an seinem Inhalt, seiner Form geändert. In dem Volksliede, vielleicht der einzigen wahrhaft schönen, wahrhaft reinen Blüthe, welches dieses Volksleben getrieben, liegt unverfälscht und unverdorben das Herz, das ›Sinnen und Minnen‹ des Rumänen; wer es kennt und versteht, hat darin den Schlüssel zu seinem Wesen. Das Volkslied aber, wie das Märchen wird in Rumänien hauptsächlich von dem Weibe gepflegt. Daher schmiegt es sich allen seinen Verhältnissen an, daher findet die Rumänin für jede Situation, für jedes Leid, für jede Freude in einem Liede den Ausdruck ihres Gefühls. Und ist der Ausdruck noch nicht geschaffen, nun – so schafft sie sich ihn selber. Es ist auf den ersten Blick seltsam: in dem Herzen dieses verachteten, von den Sorgen des Daseins fast erdrückten Weibes lebt ein reicher Schatz poetischer Empfindung: das rumänische Weib ist Dichterin! Das Lied freilich, das sie in dem einen Momente hinaussingt in die blühende Flur des Südens, um es im nächsten zu vergessen, ist sehr kunstlos, sehr einfach, aber – ich versichere es und könnte es beweisen – es lebt mehr, weit mehr ursprüngliche Poesie darin, als in den Versen so manches deutschen oder französischen Modedichters. Dieser Gabe, die natürlich je nach der Individualität der Einzelnen mehr oder minder intensiv ist, verdankt die Rumänin vielleicht die Elastizität ihres Wesens, vielleicht müßte sie ohne dieselbe verkommen oder zum Thiere hinabsinken. Diese Schöpfungen des Augenblicks verstieben freilich zumeist; aber die verhältnißmäßig wenigen, die im Volksmunde fortleben, bilden in ihrer Vereinigung eine so reiche, so anmuthige Volkspoesie, wie sie, als in der Gegenwart blühend, kaum eine andere Nation aufzuweisen vermag. . . .

Von Mutterliebe und Muttersorgfalt – wenigstens von einer derartigen, wie sie im Westen zu Hause – weiß das Herz der Rumänin wenig. Dies ist auch so natürlich! Sie behandelt ihre Kinder ebenso stumpf und gleichgiltig, wie sie einst von ihrer Mutter behandelt worden. Gleichwohl liebt sie sie im Grunde in ihrer Art innig. Dies zeigt sich namentlich, wenn eines der Kleinen krank wird und stirbt. Indeß der Vater in solchen Momenten vielleicht nur deshalb etwas dumpfer und betrübter in die Welt starrt, weil er der Begräbnißkosten gedenkt, die der Pope unbarmherzig einfordern wird, ist die Mutter aufgelöst in Schmerz und in tiefen, wahren Schmerz. Ist ihr doch das Kind auf ewig verloren, fehlt ihr doch der tröstende, erhebende Glaube an ein Wiedersehen nach dem Tode! Woher sollte ihr auch dieser Glaube kommen?

Aber trotz alledem ist die Rumänin fromm, sehr fromm – freilich in eigenthümlicher Weise. Sie übt eben einen äußerlichen und formellen, nicht einen Cult des Herzens. Ihr ist Gott ein mächtiger Herrscher, aber ein sehr konstitutioneller, dessen Minister, die Heiligen, dessen erste Rathgeberin, die Heilige Jungfrau, eigentlich weit mehr vermögen, als er. Darum opfert sie ihnen häufig eine Wachskerze und sagt an ihren Festtagen, ihnen zu Ehren, unzählige Male das ›Vater unser‹ her, gewöhnlich zugleich das einzige Gebet, das sie kennt. In ihrer Vorstellung sind das eben gar hohe Herrschaften, mit denen man es nicht verderben dürfe. In gleich hoher Verehrung stehen bei ihr übrigens auch die Geister und Dämonen, unter welcher Gestalt in oft noch deutlich nachweisbarer Art – wie bereits oben angedeutet – die alten Heidengötter fortleben. Aber die eigentlichen Helfer sind ihr doch die wunderthätigen Heiligenbilder in Kirchen und Klöstern. Zu welcher sonderbaren Verzerrung des Christenthums solcher Glaube führt, mag folgende wahrheitsgetreue Erzählung darlegen. Ich wanderte einst an einem heißen Augusttage durch das Suczawathal der südlichen Bukowina. Da begegnete mir nächst dem Kloster Dragomirna, wo sich ein wunderthätiges Heiligenbild befindet, ein rumänisches Bauernweib, das mit großer Mühe ein bleiches, abgezehrtes, etwa zehnjähriges Mädchen auf dem Arme fortschleppte. Sie wolle nach dem Kloster zu Putna, zum dortigen Marienbilde, erzählte sie auf meine theilnehmende Frage; vielleicht könne dieses ihrem armen Kinde helfen. Und als ich darauf erstaunt meinte, warum sie so weit wolle, da doch im Kloster Dragomirna gleichfalls ein wunderthätiges Bild sei, da erwiederte sie mir wörtlich: »Ja, der Heilige in Dragomirna kann helfen, wenn ein Viehstück erkrankt oder um gestohlene Sachen wieder zu erhalten, aber für menschliche Krankheiten ist nur die heilige Jungfrau in Putna gut! . . .«

Noch zweier hervorragender Eigenschaften der Rumänin dieser Schichte sei hier Erwähnung gethan, einer guten und einer schlimmen. Die gute Eigenschaft ist die unerschütterliche eheliche Treue, die das Weib ihrem Gatten wahrt. Daß ein Bauernmädchen zu Falle kommt, gehört im rumänischen Dorfe zu den Alltäglichkeiten, die kaum der Erwähnung werth sind; Ehebruch hingegen ist äußerst selten. Es sei dies bei der Schilderung des Bauernweibes hervorgehoben, weil uns in den höheren Ständen die nahezu entgegengesetzte, gewiß sehr betrübende Erscheinung begegnen wird.

Eine schlimme Eigenschaft hingegen ist die innige, ewig schmachtende, ewig nach neuem Genuß begehrende Liebe, welche die Rumänin jedem geistigen Getränk, es mag nun Wein, Meth oder Branntwein heißen, in edler Eintracht mit ihrem Gatten entgegenträgt. Ein Rausch an den Nachmittagen der Sonn- und Festtage ist so hergebracht, daß es für unschicklich gelten würde, sich dessen zu enthalten. Die Gatten sinken gewöhnlich friedlich unter einen Tisch. Ob übrigens der Mann das Weib, oder das Weib den Mann zum Trinken verleite, diese Frage wollen wir offen lassen und uns zur Betrachtung der höheren Schichten der rumänischen Frauenwelt wenden, vorher aber auf die wenigen Gestalten des Mittelstandes einen Blick werfen.

Hier sei zuerst der Popenfrau gedacht. Sie ist gewöhnlich zugleich die Tochter eines Popen und auf den heiligen Beruf des Vaters und des Gatten nicht wenig stolz. Ebenso auf ihre Kleidung, die eine seltsame, meist sehr komisch wirkende Mischung städtischer und ländlicher Tracht ist. Darum verkehrt sie auch mit den Weibern im Dorfe – von denen sie sich in Bildung und Aufklärung übrigens wenig unterscheidet – sehr von oben herab und würdigt höchstens das Weib des ›Dvornik‹ (Dorfrichters) ihres Umganges. An Sonn- und Festtagen pflegt sie in der Kirche mit einem mächtigen Gebetbuche ausgerüstet zu erscheinen, das zwar auf die versammelten Gläubigen sehr imponirend wirkt, dessen Inhalt ihr jedoch meist ein Räthsel bleibt, da sie in der Regel der Kunst des Lesens nicht mächtig ist.

Beiläufig auf derselben Stufe der Bildung steht das Weib des kleinen Landbesitzers oder Pächters, nur daß dieses noch stolzer und schroffer auftritt, da es nicht mehr zu arbeiten braucht, sondern auch einigen Dienern gebieten kann. Etwas höher schon steht die Gattin des Krämers, des wohlhabenden Handwerkers, des niederen Beamten in den Städten und Städtchen der Donaufürstenthümer. In ihrer Tracht, die oft schreiend geschmacklos ist, ahmt sie die moderne Mode nach, ebenso sucht sie ihr Benehmen nach dem der Vornehmen einzurichten. Auch spricht sie manchmal sogar französisch, »aber fragt mich nur nicht – wie«. Von der Herrschaft des Mannes hat sie sich bedeutend emanzipirt – er ist oft ihr Sklave. Auch darin ahmt sie den vornehmen Frauen Rumäniens nach.

. . . In keinem andern Lande haben sich die gesellschaftlichen Zustände der höheren Klassen innerhalb weniger Jahrzehnte so verändert, wie in Rumänien; vielleicht kennt die Culturgeschichte keines andern Volkes eine so durchgreifende Umwälzung des socialen Lebens in verhältnißmäßig sehr kurzer Zeit. Die Stellung der Frau namentlich ward eine durchweg geänderte. Es war ein eigenthümliches Leben, das die Bojarin, die vornehme Rumänin überhaupt, noch in den dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts führte. Auf ihrem einsamen Edelhofe auf dem flachen Lande oder im ›Palais‹ in der Stadt lebte die Herrin des Hauses ein gleich einförmiges, gleich eng begrenztes Dasein, auf dessen Gestaltung das Familienleben der Türken und Phanarioten mächtig eingewirkt. Das Reich der Frau war das Haus, die vier Pfähle, innerhalb deren sie lebte – was außerhalb derselben lag, kümmerte sie nicht. Sie verließ ihre Gemächer nur, um eine Freundin zu besuchen, oder um im Hausgarten zu weilen. Konzerte, Bälle, Theater existirten nicht für sie, und sie hatte auch kein Bedürfniß darnach. Ihr Bildungsgrad war ein sehr geringer; der edlen Künste des Lesens und Schreibens war sie nur in den seltensten Fällen kundig. Ihr Wirkungskreis im Hause war ein sehr enger; im seltsamen Gegensatze zu den Verhältnissen, denen wir in den unteren Volksschichten begegnet. Den Abend brachte sie im häuslichen Kreise, d. h. mit den Kindern und Dienerinnen zu, indeß der Herr und Gemahl entweder bei seiner Maitresse weilte oder eine Spielhölle aufsuchte. So spann sich dies einförmige Leben ab, ein Leben, welches in vielen Zügen an das Haremleben erinnert, welches die bevorzugten Frauen reicher Türken führen.

Wie so ganz anders lebt die vornehme Rumänin unserer Tage! Verschwunden ist die einfache, träumerische, ruhig und gleichmäßig dahinlebende Frau – die Rumänin von heute ist die glänzende, moderne, von Vorurtheil und hergebrachter Beschränkung emanzipirte Dame der vornehmen Kreise des Westens. Und doch wieder eine ganz eigenthümliche Dame, deren Besonderheit nicht allein darin liegt, daß sie in der Moldau geboren wurde, nicht in Frankreich, – daß sie in Jassy lebt, nicht in Paris. Der Schlüssel zur Erklärung dieser ihrer Eigentümlichkeit aber liegt in ihrer Erziehung.

Es sind sonderbare Verhältnisse, in die das Kind rumänischer Vornehmer tritt, die es meist schon sehr früh erkennen lernt. Eine Amme hat es ernährt und gepflegt; nur selten hat sich die Mutter um ihr Kind gekümmert. Sie hat es höchstens zuweilen aus der Ammenstube in ihre Gemächer herübertragen lassen, um es anzusehen, wenn sie gerade eine freie Stunde hatte, d. h. wenn sie sich weder von ihrem Anbeter unterhalten ließ, noch einen Roman von Sue oder Kock las, wenn sie weder Karten spielte, noch auf dem Ball, im Concert oder in der Oper war.

Bis in sein fünftes, sechstes Jahr bleibt das Kind in der Gesindestube, spielt mit den Kindern der Diener und lernt von diesen nicht gerade sehr Erbauliches. Da erinnern sich eines Tages die Eltern, daß die kleine Georgina oder Natalia oder Maritza bereits in dem Alter sei, wo man ihr eine standesgemäße Erziehung geben müsse. Das Mädchen, bisher in roher Umgebung aufgewachsen, erhält nun manchmal eine Gouvernante, in den meisten Fällen wird es in eines der französischen Erziehungsinstitute von Jassy oder Bukarest gegeben. Solche Institute aber werden in der Regel – wenige ehrenvolle Ausnahmen will ich gerne zugestehen – von Männern und Frauen geleitet, die Erzieher für die Kinder des rumänischen Adels geworden, nachdem ihnen sonst so ziemlich alles Mögliche in Frankreich und in anderer Herren Ländern mißglückt, die wahre und ernste Bildung nicht lehren können, eben weil sie ihnen selber fremd ist.

Worin besteht nun der Unterricht im Institute? Von Sprachen wird hauptsächlich das Französische, daneben das Italienische und Englische gelehrt, die Muttersprache nur äußerst dürftig. Was wissenschaftliche Disziplinen betrifft, so wird das Mädchen zum Auswendiglernen einer kleinen »Histoire universelle« angehalten, der Unterricht in den Naturwissenschaften entfällt fast vollständig, der in sonstigen Realien ganz. Hingegen wird das Tanzen mit erschöpfender Gründlichkeit gelehrt. Im Klavierspiel schließlich pflegt die junge Rumänin, Dank ihrer angeborenen, musikalischen Begabung, einen hohen Grad technischer Fertigkeit zu erreichen.

So ausgerüstet tritt das junge Mädchen in seinem sechzehnten, siebzehnten Jahre aus dem Institute und in den Kreis seiner Familie. Daß es in demselben nicht heimisch wird, darf uns nicht wundern, das war es ja nie. Es erblickt in seiner Mutter nur diejenige Person, deren Begleitung ihm die glänzenden Cirkel, die Bälle und Vergnügungen der Hauptstadt eröffnet; der Mutter ist die junge, schöne, heirathslustige Tochter eine unbequeme Gesellschafterin, die sie selbst vollständig in Schatten stellt. So wünscht die Mutter die Tochter bald verheirathet zu sehen und diese sehnt sich gleichfalls nach Selbständigkeit. Reichthum und Schönheit machen meist die Erfüllung dieses Wunsches sehr leicht. So tritt die junge Rumänin sehr bald nach ihrer Heimkehr aus dem Institute an den Traualtar, sie wird Gattin und Hausfrau.

Aber nicht eine Gattin im guten, schlichten, deutschen Sinne, nicht einmal eine solche im Sinne der vornehmen Kreise des Zweiten Kaiserreichs oder der derzeitigen Republik. Zwar treffen wir fast alle die Verhältnisse wieder, in denen sich die Weltdame an der Seine bewegt, aber sie gestalten sich hier schärfer und verzerrter. Die Rumänin ist nur dem Namen nach »Hausfrau«, um das Hauswesen kümmert sie sich nicht und ebensowenig um ihre Kinder. Der Haushalt einer rumänischen Adelsfamilie bietet oft ein seltsames Bild. Deutsche Sauberkeit und Ordnung ist hier etwas Unbekanntes. Da herrscht eine Nachlässigkeit, von der wir uns schwer auch nur einen beiläufigen Begriff machen können. Die Diener, theils eingeborene Tölpel, theils aus Frankreich weggejagte Hallunken begehen den größten Unterschleif und thun, was sie wollen, aber am liebsten thun sie gar nichts. Der ordnende Blick der Hausfrau, die da ›waltet weise im häuslichen Kreise‹, fehlt eben überall. Wo fände sie auch Zeit zur Erfüllung ihrer Pflichten! Sie hat ja so viel, so unendlich viel zu thun, um den Ruf einer eleganten, fashionablen Dame in ihren Kreisen zu erwerben und festzuhalten. Und da hat man in Jassy oder Bukarest viele und darunter sehr eigenthümliche Anforderungen der ›Gesellschaft‹ zu erfüllen. Es sind eben Damen eigener Art, diese Bojarinnen, diese Frauen der reichen Handelsherren oder der höchsten Staatsbeamten.

Die höchste Eleganz, die unbedingte Befolgung des Pariser Modemoniteurs ist natürlich erstes Erforderniß. Die vornehme Rumänin trägt immer, was gut und theuer und modern ist, freilich nicht immer das, was geschmackvoll ist. Dazu gehört bekanntlich angeborener Takt, Farben- und Schönheitssinn und der läßt sich nicht, wie all' die bunten Kleider und Hüte in den glänzenden Mode-Etablissements Bukarest's kaufen. Jene Geschmacklosigkeit, die ihren Grund hat in der übertünchten oberflächlichen Bildung, tritt auch in der Einrichtung des rumänischen Hauses oft sehr drastisch zu Tage. Gelingt es aber der Rumänin in dieser Beziehung nicht, ihr Musterbild an der Seine zu erreichen, so übertrifft sie es in einer andern, in der Leichtlebigkeit oder – ich will's offen sagen – in der Sittenlosigkeit. Ich habe ihrer frivolen Pflichtvergessenheit als Mutter und Hausfrau erwähnt; sie ist nicht minder pflichtvergessen in ihrem Verhältnisse als Gattin. Ich spreche nur eine jedem Kenner Rumäniens bekannte Wahrheit aus, wenn ich behaupte, daß in keinem andern Lande die Heiligkeit der Ehe so mit Füßen getreten, so zur Phrase herabgewürdigt wird, wie in Rumänien. Wie es für den deutschen Reichsfürsten des 18. Jahrhunderts absolut obligat war, eine Courtisane zu besitzen, so ist heute die vornehme Rumänin nicht ganz fashionable, wenn sie noch an dem in ihren Kreisen lächerlich gewordenen »Vorurtheil« der ehelichen Treue festhält. Der Grund dieser furchtbar betrübenden Erscheinung liegt nur zum geringsten Theile in der Gluth südlichen Blutes; er liegt hauptsächlich wieder in der schablonenhaften, blos formellen Erziehung, sowie in dem verderblichen Einflusse französischen Beispiels.

Dieses Beispiel aber läßt die Rumänin meist unmittelbar auf sich wirken. Denn es gehört zum bon ton dieser Gesellschaft, wenigstens von einem einmaligen Aufenthalte in Paris sprechen zu können. Und in der üppigen Stadt an der Seine wird so Manches gelernt, was durch die angeborene französische Grazie gemildert, dann in den rumänischen Salons plump, offen und frech auftritt. Dazu kommt die fast unbegrenzte Vergnügungssucht der Rumänin, das Bestreben, sich geltend zu machen; die Herrschsucht, die leidenschaftliche Einmischung in politische Händel. Wenn irgendwo, so herrscht in Rumänien die Krinoline.

Nur eine Haupttugend schmückt die vornehme Rumänin und um derentwillen mag ihr viel vergeben werden: die Barmherzigkeit, das Mitleid mit der Armuth. Das ist eine so tief wurzelnde Eigenschaft des weiblichen Herzens, daß sie selbst moderne Verschrobenheit und Entsittlichung nicht zu erschüttern vermocht haben.

Als ich noch, wenn ich so sagen darf, meine Studien für diese Arbeit machte, als ich mich noch als heiterer Gymnasiast in den rumänischen Dörfern meiner zweiten Heimath, der Bukowina herumtrieb und darauf, als nicht minder heiterer Tourist, in den Straßen Bukarest's und Jassy's flanirte, da dachte ich gar nicht daran, daß das Leben und Wesen dieser hübschen, braunen schwarzäugigen Bäuerinnen und Bojarinnen doch ein so ganz eigenartiges und seltsames sei und daß man sich daüber in Wahrheit minder harmlose Gedanken machen müsse, als ich es damals gethan. Nun ist mir dies freilich klar geworden, ja klarer, als ich es im Interesse meiner angenehmen und – wie ich versichern darf – sehr unschuldigen Erinnerungen wünschen muß. Aber nun ich einmal darüber geschrieben, mußte ich auch die Wahrheit schreiben. Nur Eines will ich noch bemerken: ich habe Typen gezeichnet. Selbstverständlich gibt es auch Ausnahmen. Aber Ausnahmen bestätigen nur die Regel . . .


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