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Zuletzt war Walter Flex von der Geschichte eines Kriegsfreiwilligen erfüllt, in der er – das waren seine Worte – seine Gedanken über Gotteskindschaft und Menschenbruderschaft ausspinnen wollte: eine als Ganzes frei erfundene Handlung, aber in fast allen Teilen wieder ein Mosaik von Erlebnissen.
»Ließe nur der Felddienst mehr Zeit zu dichterischer Arbeit!« schrieb er im März des vorigen Jahres. »Ich beklage mich gewiß nicht, und eine Anfrage, ob ich ins Presseamt eintreten wolle, habe ich kürzlich abgelehnt, weil ich fühlte, daß ich in die Front gehöre. ... In einem frischen Anlaufe, den ich gerade genommen hatte, haben mich russische Angriffsversuche mit Gas und schwerer Artillerievorbereitung erst eben zu Beginn des Monats wieder aufgehalten. Ein paar ruhige Wochen, und der ›Wolf Eschenlohr‹ wäre geschrieben!«
Im Sommer war er auf einige Wochen zum Stellvertretenden Generalstab nach Berlin kommandiert, um eine kriegsgeschichtliche Arbeit zu liefern. »Das verursacht mir täglich eine mindestens zehnstündige Akten- und Schreibarbeit. Gleichwohl vergeht keine Nacht in der ich nicht mit einigen Zeilen wenigstens den im Kopfe völlig fertigen Plan meiner Kriegsnovelle fortsetze.« So schrieb er am 3. August. Am 23. sandte er, zu sicherer Verwahrung, das erste fertige Hauptstück in seiner aufrechten, charakterfesten Schrift. »Da ich morgen Nacht wieder zu meinem Regiment fahre, möchte ich vorher die Handschrift in Ihre Hände geben ... Ich bin inzwischen ein gut Stück weiter gekommen, habe aber von der Fortsetzung noch keine Abschrift.«
Am 15. Oktober traf ihn auf Ösel die tödliche Kugel. In seiner Kartentasche fanden sich, von dem Geschoß durchlöchert, die Blätter des zweiten Kapitels. »Wolf Eschenlohr« ist ein Fragment geblieben, vor dessen Bedeutung der Verlust des Ganzen bitterlich schmerzen muß. Ein Fragment jedoch, welches die Persönlichkeit des Dichters in solcher Fülle und Reinheit in sich trägt, daß es – in dieser Hinsicht doch ein Ganzes – der Öffentlichkeit nicht vorenthalten, sondern bald überliefert werden soll.
Vor diesem Werke nun hatte ein anderer Plan zurücktreten müssen: die Sammlung und Herausgabe der vorliegenden Stücke, die Walter Flex schon vor der Zeit des Krieges geschrieben und in Zeitschriften mitgeteilt hatte. Denn nichts sollte sein neues, ganz aus dem Erlebnis des Krieges zehrendes Schaffen stören, nichts auch die Blicke der Zuschauer von dem Höhenflug ablenken, in welchem dieser Dichter zwischen beiden Welten schwebte.
Nachdem der Tod dieser hoch ansteigenden Entwickelung jäh ein Ziel gesetzt hatte, waren die Erwägungen, die zum Aufschube dieser Sammlung bestimmt hatten, hinfällig geworden, und die Erfüllung des vom Dichter gehegten Planes war geboten. Das erste dieser Stücke hatte er im letzten Frühjahr aus dem Felde gesandt, wohin er sie zum Vorlesen im Kameradenkreise mitgenommen hatte. Und wie sie dort lebendige Wirkung getan, so werden sie jetzt im Kreise seiner Leser die selbe Wirkung nicht verfehlen.
Ein Dichter von hohem Sinn und lauterer Kunst ist mit Walter Flex dahingegangen. Was er uns hinterließ, ein teures Andenken, ist menschlich und literarisch aller Teilnahme wert und gewiß. Jedoch auch abgelöst von diesem Persönlichen verdienen die hier vereinigten Stücke dem deutschen Schrifttum erhalten zu werden. In flüchtigen Stimmungen, in knappen Zügen, in einigen packenden Schicksalen ist hier eine ganze bedeutsame Zeit, die Wallensteins Antlitz trägt, vor uns hingestellt mit einer Unmittelbarkeit und Plastik, die neuerdings beweist, daß die Dichtung näher und wirklicher sein kann als die Geschichte. Neben der stofflichen Gewalt, von welcher der Dichter, selbst mitunter noch befangen scheint, steht schon die feine Geistigkeit und der tiefe Ernst, die seine höchsten Eigenschaften sind: ist nicht das Blut der Almuth Petrus schon wie ein Großes Abendmahl und ist von Gotteskindschaft und von Menschenbruderschaft nicht auch in diesen Blättern schon ein deutlicher Hauch? Auch diese Gesichte und Geschichten von einem alten Kriege zeugen von der Seele des Leutnants und Dichters Walter Flex, der in unseren Tagen der Not gelebt hat und gestorben ist für den Glauben an das Göttliche im Menschen.
Im Februar 1918.
Walther Eggert Windegg.