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Aus den Jahren 1891 bis 1897
»– Und was du tust, ist es nicht
das Gleiche?! zu einem Andern aber
sagst du: er sei ein Tor!«
»Trag Rosen! komm trag Rosen!« bat er innig und schmeichelnd, voll zitternder Sehnsucht und Angst, voll zehrender Ungeduld in den blitzenden Augen ... ein Kind, ein Knabe ... mit langen braunen Locken«.
»Trag Rosen! komm, trag Rosen!«
und seine Stimme klang wie das Locken verhaltener Liebe, die das Herz sprengen möchte und jauchzen und hinausjubeln in den Sonnenschein über Hag und Gärten:
»Trag Rosen! komm, trag Rosen!«
Aber es war ein Dornbusch, von dem er das bat ... und die Leute, die vorbeigingen, lachten über das törichte Kerlchen: es sei eben ein Kind!
Er aber trotzte: »Lacht! ich weiß es besser! er kann Rosen tragen, wenn ich nur das rechte Wort finde, wenn ich nur ... Geduld habe und warte!« und ließ sich nicht irre machen:
»Trag Rosen! komm, trag Rosen!«
Und er kam am Morgen, kam am Mittag und kam am Abend und wurde nicht müde, zu warten, und küßte die Dornen mit brennenden Lippen und drückte sie an sein hämmerndes Herz, bis es blutete, und bat ... und bat und noch im Traum selbst bei Nacht voll zitternder Sehnsucht und Angst:
»Trag Rosen! komm, trag Rosen!« ...
Das gute kleine Närrchen ... zu einem Dornbusch!
*
Und doch ... und doch ... ja: »
»Trag Rosen! komm, trag Rosen! Trag Rosen! komm, trag Rosen!«
*
... Wenn Sichel und Sense durch das
Korn rauscht ... jenes leise Dengeln am
Abend ... scharf, hart, und doch, ich weiß
nicht: müde, wie Reue, wie heimliches
Weinen! ... und ein paar Schnitterinnen,
auf dem Heimweg, über die Felder hin,
ein Lied singend ...
. . . . . .
»Du bist der scheidende Sommer,
ich bin der sterbende Wald!«
Nach Heine.
Vielleicht kommt doch einmal die Zeit, auch für dich, da die Garten im Schatten liegen, Marie-Anne, und die Rosen in heimlicher Sehnsucht dem Sonnenstrahl nachflattern, der da mit müder Hast sich durch das Laubgehänge zum Park hinaussucht, als flüchte er vor dem Spott des Satyrs Herbst, der grinsend am Torgitter lehnt ... die Zeit, da das Lied des Vogels stille geworden in den Wipfeln und die Wälder schweigsam und reglos stehen in nebelspinnender Dämmerung.
Noch zwar leuchtet der Sommer in üppiger Jugendpracht, mit glühender Wange, mit bebender Lippe und schwellender Brust, berückend, liebeverlangend, verführerisch, schön ... schön ... wie du mir entgegentratst, Marie-Anne: morgens, wie das Frührot den Tag weckt: frische Blumen in der Hand, vorm Fenster gepflückt, verzehrende Glut im dunkeln Auge, verhaltene Leidenschaft in der Stimme, mit wogender Brust, traumglühend sehnsuchterregt, liebeverlangend, verführerisch, schön ... schön ... wie du ... wenn du vom Mondlicht überflutet, im verschwiegenen Zimmer, die weißen Arme um mich schmiegtest und der Duft deines Körpers wie sengende Lohe in mein Blut zischte ... noch leuchtet der Sommer in üppiger Jugendpracht ... vielleicht aber kommt doch einmal die Zeit, auch für dich, da die Gärten im Schatten liegen und die Rosen der Sonne nachflattern, Marie-Anne!
Denkst du noch jener ersten frühen Zeit ... ehe jene Stunden kamen am See ... wie glücklich wir zusammen! fröhlich und selig wie Kinder, über nichts jubelnd und jauchzend?!
Denkst du noch jener Abende dann, da wir, die Arme umeinander, die Gartenhalde entlang gingen, beim Aveläuten vom Tal her ... und das Märchenweben der Sommernacht mit seiner stummen Sehnsucht uns überglühte, daß Lippe sich auf Lippe verlor und kaum satt zu werden vermochte in seligem Durst?!
Denkst du noch, wie glücklich wir da waren, damals ... und dann ... nachher ... bis jene Stunden kamen am See?!
Und es könnte noch so sein, es könnte noch sein, wie es war! denn noch leuchtet der Sommer in üppiger Jugendpracht ... wenn du nicht müde wärest und verdrossen und ...
lächeltest ... jenes feine, schmerzende Lächeln verglühter Leidenschaft ... wenn ich, wie sonst, deine Hand einmal nehme und an die Lippen drücke oder ... allzu stürmisch vielleicht ... meinen Arm um deinen Hals schlingen möchte ...
ich täte dir weh! sagst du, und ... und ... »es ist so schwül und schwer und ich bin müde!«
Ja ... ich tue dir weh! und es ist so schwül und schwer und du bist müde!
sommermüde! ...
Sichel und Sense rauscht durchs Korn und wie windvertragenes Dengeln klingt es herüber, scharf und hart, halb Reue, halb Sehnsucht, wie heimliches Weinen ... und die Glockenlaute vom Tal her ... wie ein Aveläuten unserer Liebe! ... Was ich auch tue, ich tue dir nichts mehr zu Freude, ich tue dir nichts mehr zu Dank! ... Vielleicht aber kommt doch einmal die Zeit, auch für dich, da die Gärten im Schatten liegen, Marie-Anne, und du zurückdenkst an deinen Weggenossen von einst, dem nichts zu viel war für dich und der da sorgte für dich, wie ein Vater für sein Kind und der an dir hing, wie ein Kind an seiner Mutter, ... den du aber ... laufen ließest, wie man einen ... laufen läßt, dessen man eben müde geworden ...
vielleicht kommt doch einmal die Zeit, da du siehst, was du verloren, da es dir leid tut, nicht froher gewesen zu sein, da dich ein Heimweh überschleicht nach jenen Tagen unseres Kinderglücks und du wie die Rosen mit heimlicher Sehnsucht dem Sonnenstrahl nachflattern möchtest, der mit müder Hast durchs Laubgehänge sich zum Park hinaussucht, als flüchte er vor dem Satyr am Torgitter ...
die Zeit, da das Lied des Vogels stille geworden ist in den Wipfeln und die Garten im Schatten liegen, Marie-Anne!
*
Ich muß an das Meer denken, wenn ich deine Augen sehe ... an das Meer ... Sonntag Morgens!
Durchsichtig bis zum Sandgrund wiegt es sich zum Strand, mit glasklarhellen Wellen, und wie leises Glockenklingen singt es über seine blaue sonnenfrohe Stille und weiße Schiffe ziehn am Horizont, gleich lichten Träumen in die Ferne suchend ...
wunschloser Frieden überall ...
und dennoch lauert was in seinen Wellen und auf dem Grund, in den es blicken läßt,
und in den blauen Tiefen seiner Ferne ...
lockend und drängend ...
etwas, das eine stumme Sehnsucht dir ins Herz wirft ... du weißt nicht, wie ... daß du aufjubeln möchtest und dich hineintrinken in seine kühle Frische und die Brust dir baden, stark und frei ... und plötzlich dann aufweinen wieder in unbegreiflich unsagbarem Weh und niederknieen und den Strand küssen, den es umspielt ... wie ein Kind ...
Ich muß an das Meer denken, wenn ich deine Augen sehe ... an das Meer ... Sonntag Morgens!
*
Ein Freund, der es ehrlich und gut meint, wie ich mit dir, Lise-Lotte, ist etwas wert heute, selbst das kleine Opfer einmal einer Laune ... in einer Zeit, die längst keine Zeit mehr hat für Freundschaft und für die auch Liebe weiter nichts, als ein kurzes taumelndes Vergessen ihrer Unliebe und Nüchternheit ... glaub mir: ein Freund, der es ehrlich und gut meint, der es so gut meint, wie ich mit dir, ist da etwas wert, Lise-Lotte!
Du weißt es ja auch und nickst entzückend kokett mit deinem Schelmenköpfchen unter dem breitrandigen Veilchenhut dazu ... o ja, du weißt es wohl und weißt wohl, daß keiner wieder, wenn ich weg sein werde ... daß keiner wieder so treu für dich sorgen wird! daß keiner deinem lieblichen Leichtsinn so alles Arg nehmen wird und deine fröhlichen Unvorsichtigkeiten gut zu machen suchen, wie ich! ... o ja, du weißt wohl, wenn du ernst bist, daß ein Freund, der es ehrlich und gut meint, etwas wert ist heute, Lise-Lotte!
Drum aber laß nicht die Laune eines Augenblicks Herr werden über dich und sei nicht gleich unwillig, wenn er dich bittet: Nicht allzu lustig, Lise-Lotte! nicht allzu lustig! ...
Es würde keiner so zu dir sprechen! O nein, sie würden alle dich nur immer lustiger haben wollen. Und du? ... du wärst es! du wärst es! ... und wärst dann nur, was jede sein könnte: ein Scherz, ob dem man sich freut, dessen man sich aber kaum erinnert mehr, wenn man ihn durchgelacht ... ein Glas, das man stehen läßt, wenn man es leer getrunken ... ein Blumenstrauß, den man in einem Winkel wo verwelken läßt oder wegwirft, wenn anderes lockt ... es gibt ja immer neue Blumen! ... Drum laß ihn und sei ihm lieber dankbar, anstatt die Stirn zu runzeln und mißmutig zu werden, wenn er dich bittet: nicht allzu lustig! ... denn ein Freund, der es ehrlich und gut meint, der es so gut meint, wie ich mit dir, ist etwas wert heute, Lise-Lotte!
*
Du möchtest fort aus diesem grauen Norden mit seinem wolkenschweren Himmel und mit den müden Tagen seiner langen Herbste ... du möchtest fort aus all dem herben Ernst und steten Kampf ...
du sehnst nach Farbe dich, nach Sonne und nach Freude, nach stillen Träumen blauer Meere zu Füßen vermooster Götterbilder und zerfallener Tempel ...
das Herz dir wieder zu gesunden und Mut zu holen, Kraft, zu Tat und Arbeit, wie du sagst ...
Ich aber glaube fast, ich weiß es besser: das frohe Land, von dem du träumst, mit immer blauem Himmel, mit lachenden Märchen, süßem Liebeslied ... ich glaube, es ist nicht Italien, wie du meinst ...
ich brauche dir nur ins Gesicht zu sehen, wenn du sagst, der Bann des Tages ließe dich nicht los ... ich brauch nur zuzuhören, wenn du dann und wann von deinem Leben sprichst ... ich brauche nur dir einmal zu begegnen, am Hügelkreuzweg droben, wenn du stehst und übers Tal hinsuchst zur Ferne ...
ich weiß es besser dann, Freund, als du selbst: das frohe Land von dem du träumst ... und alle, die sich so gleich dir fortsehnen aus den langen Herbsten unseres Nordens ... das frohe Land mit immer heiterem Himmel, mit farbenfreudigerem Leben und leisen Wiegenliedern blauer Meere zu Füßen vermooster Götterbilder und zerfallener Tempel ...
Nein, es ist nicht Italien, wie du's nennst und wie du wohl auch meinst ...
ich seh ins Auge dir und weiß es besser:
es liegt nicht vor dir ...
es liegt ... hinter dir!
*
Im Schatten schweigend liegt der Hof mit seinen hohen taubenüberflogenen Giebeln und rings ums Haus hin laufender Veranda, in alter knorriger Eichen treuer Hut ...
vor wenig Stunden noch im Sonnenschein und nun in matter Dämmerung ...
Die Sonne bog gegen Mittag um den waldigen Berg und mit ihr flog der Schmetterling jenseit des Bachs, der durch die Wiese schlängelt, die zwischen Hoftor sich und Kirchhof breitet, und mit dem Schmetterling der lustige Fink, der in dem Apfelbaum sein Lied getrillert.
Und so von Stund zu Stunde rückt sie weiter und ebenso unmerklich leise, aber unaufhaltsam wird auch der Schatten immer breiter vor dem Hof ...
wie die Erinnerung an Jugendtage, an erster Liebe morgenleuchtend Glück, von Jahr zu Jahr unmerklich ferner wird und breit und immer breiter auch der Schatten, der uns von dem, was war einst, scheidet ... denn wenn die erste Jugend einmal schwand, bleibt alles doch ein Wandeln nur im Schatten und alle Lust mischt sich mit Sehnsucht nach der Morgensonne, die so früh schon ging und unaufhaltsam ferner rückt und ferner ...
schied mit ihr doch der sorglos heitere Sinn, der traulichen Spiels um Blüt und Blumen gaukelt, die frohe Zuversicht, die Ernst und Leid in Klang und Lied sich löst.
Ich steh am Tor und sehe der Sonne nach ...
Daß ich sie halten könnte! halten! einen Tag nur, eine Stunde! ...
Doch umsonst
ein kurzes Weilchen noch und auch die Wiese liegt schon im Schatten, schweigend wie der Hof ...
und nachzuwandern? ... ach, es nützte nicht! ... ich holte ihren goldenen Schimmer doch erst an der Mauer ein, mit der der Kirchhof drüben auf dem Hügel ragt, und träfe sie nur zwischen Gräbern und Zypressen ... von Schmetterlingen und von Schwalben überschwirrt.
Im Schatten schweigend liegt der Hof ...
noch einmal blitzen hellauf seine Fenster ... im Wiederglanz der Totenkreuze drüben, auf die die Sonne fällt ...
wenig Sekunden ... und auch er verglimmt ...
und es ist Abend ... und wird Nacht!
*
Auch wir werden alt werden, Hannie, und Furchen und Falten werden sich in unser Gesicht graben und das Herz wird müde werden des frohen Glaubens seiner Jugend und müde der bunten Hoffnungen, mit denen es sich freute und über alle Enttäuschungen hinweglachte.
Und es gab Zeiten, da wir wünschten, älter zu sein!
Erinnerst du dich ihrer?! dumme, süße Zeiten!
da wir mit trunkener Sehnsucht in die Ferne drängten und alles Schöne stets nur in der Zukunft suchten?!
Erinnerst du dich dieser Zeiten noch?!
da wir in Freuden schwelgten, die wir haben würden, und verschwenderisch in unserem Jubel wie törichte Kinder das stille Glück der Gegenwart kaum achteten, denn jeder nächste Frühling brachte ja viel schönere Sonne und viel rotere Rosen!
und da wir nur gelacht, wenn eins gewarnt hätte: auch wir würden alt werden, und Furchen und Falten würden sich in unser Gesicht graben!
Und heute? sieh: heut sind wir zweifelnder geworden schon und zager und geiziger mit den frohen Stunden unseres Tages ...
wir träumen immer noch: ein jeder nächste Frühling müsse uns viel schönere Sonne noch, viel rotere Rosen bringen, und gäben doch nicht mehr so leichten Herzens den schönen Augenblick dafür!
So flattert unsere Sehnsucht einer weißen Taube gleich durch unsere Jahre ... weit voraus erst in die blaue Ferne und dann, allmählich rückwärtssuchend, über uns zurück ... bis plötzlich alles, was wir einst gewünscht und vor uns wähnten, hinter uns liegt ...
erfüllt, erlebt
und ohne daß wir wüßten, wie es kam und wie es ging ...
und so ... werden auch wir alt werden, Hannie, und Furchen und Falten werden sich in unser Gesicht graben und das Herz wird müde werden des frohen Glaubens seiner Jugend und alles, was wir in die Zukunft träumten, wird auf einmal hinter uns liegen
erfüllt, erlebt
und ohne daß wir wüßten, wie es kam und wie es ging.
*
Ich hab es gerne ... wenn Nebel liegt ... jener schwere dicke Herbst- und Winternebel, durch den die Sonne nicht mehr durchkommt, so daß es wie weiße Nacht in den Straßen sieht.
Es ist so schön still dann überall ...
das laute Rasseln und Rollen des Alltags dämpft sich zu leisem heimlichem Summen, das ganze Leben rinnt zu Traum hinüber und es ist immer nur ein kleines Stückchen, das du übersiehst ...
Ich hab es gerne drum, wenn Nebel liegt: es ist so traulich und so heimisch dann auf Erden:
die grellen Lichter verfließen, die stürzenden Wogen verrauschen und all die Unruhe in der Brust verstummt und das quälende Hinausdrängen ins Weite ...
lächelnd kehrt die Sehnsucht aus der Ferne und ein selig Froh-sein schmeichelt sich ins Herz und küßt mit Kinderlippen alle seine Wunden zu, und inniger schmiegt der Wunsch sich an die Nähe ...
Es ist wie ein still Zu-Hause-sein, wie ein Besinnen auf sich selbst und Kräfte-sammeln ...
es ist, wie wenn du aus dem Lärm der Fremde für ein paar Stunden einmal in die Heimat kämst und durch die alten lieben engen Gassen gingest ...
du weißt, man kennt dich hier ... man hat dich lieb ... du wirst dir selber wieder lieb ... und fühlst als Ganzes dich ... und fester tritt dein Fuß auf, ruhiger und sicherer
und freudiger siehst du nachher die bunte Ferne sich enthüllen wieder ...
Ich hab es gerne drum, wenn Nebel liegt ... es ist so traulich und so heimisch dann auf Erden.
*
Frag nicht, ob mich Dornen verwundet! ... Nein, nein! ...
wozu auch das Herz dir müd machen mit unnützer Qual und Sorge! nein, vergiß dein Leid, vergiß deine Tränen und freue dich der Rosen, die ich dir bringe ... und wär's auch nur für ein paar Stunden! ...
freue, freue dich ihrer und komm und laß sie mich ins Haar dir flechten, weiß und rot und rot und weiß, und laß mich deine Jugend überglühn mit ihrer Lust, wie der Sommer draußen das Gelände überwogt mit seiner Wonne, daß es aller Wintertraurigkeit vergißt ... und laß sie mich auf den Weg streun, den du schreitest ... meine Rosen, weiß und rot und rot und weiß ... und frag nicht, ob mich Dornen verwundet, als ich sie brach!
Freue dich ihrer und freue dich des Lieds, das ich dir jauchze ... ich habe nichts als diese Rosen und als dieses Lied ... und frage nicht, was ich dafür geopfert und womit ich sie erkauft! ... wozu dir das Herz müd machen! Nein, nein frag nicht, verlange nicht, mir in die Brust zu sehn!
Verlange nicht, mir in die Brust zu sehn! ... was du sähest, würde dich erschrecken, wie du erschräkst, wenn ein Traum dich vor ein Grab führte und du auf dem Marmorstein darüber den eigenen Namen läsest ... mit eisiger Hand griffe es dir ins Herz und dein Lachen würde verstummen, wie es verstummt, wenn man einen Menschen mit dem Tode ringen sieht und dasteht und keine Macht hat, ihm zu helfen.
Du sähest einen langen Zug Söldner und Knechte und neugierige Weiber und Kinder, die Anhöhe vor der Stadt hinauf, lärmend und johlend, und in ihrer Mitte einen bleichen Mann, mit denkmüdem Antlitz, zusammenbrechend fast unter der Last eines Kreuzes, einen Dornkranz auf der blutenden Stirn ... und wie sie ihn weiter zerrten unter Schimpf und Schande, lärmend und johlend: er habe König sein wollen und den Menschen Trost bringen in ihrer Mühsal und Glauben und Freude und ...
könne sich selbst nicht helfen!!
Und du sähest, wie sie ihn preis gäben und höhnten, wie sie mit rohem Gelächter ihm Nagel um Nagel schlügen durch Hände und Füße und wie sie das Kreuz aufrichteten im Blutschein der sinkenden Sonne und wie er dahinge, in der Qual seiner Seele und im Schmerz seines Leibes und wie er zu Gott schriee, dessen Bote er sein wollte, und wie sie nach ihm stächen und seiner Zuckungen sich freuten ... und lärmend und johlend wieder zur Stadt zurückzögen, als ob nichts geschehen weiter ...
Und du sähest, wie die Nacht hereinbräche über die einsame Stätte. Schwarz und düster ragt das Kreuz in den schweigenden Himmel. Gleichgültig flackern die Sterne in ihrer Ewigkeit, gleichgültig hebt sich der Mond über den blauen Saum der Wüste. Alles ist einsam, tot und leer. Nur am Fuße des Kreuzes liegt eine alte Frau mit weißem Haar und blind geweinten Augen ... nein, nein, Kind, verlange nicht, mir in die Brust zu sehn!
Nein, nein! verlange nicht, mir in die Brust zu sehn ... du hättest doch keine Macht mir zu helfen, auch wenn du wolltest! Mit eisiger Hand nur griffe es dir ins Herz und du würdest weinen müssen und weinen und nicht mehr froh werden können ...
und ... ich habe die Menschen erlösen wollen von ihren Tränen!! ...
es würde dir Falten ins Gesicht furchen, wie jener alten Frau am Fuße des Kreuzes, und dein Haar bleichen und kein Gebet vermöchte mich zu retten:
Denn ich müßte es doch leiden, denn ich könnte doch nicht widerrufen, denn ich bin doch, was ich bin: ich bin doch ein Bote meines Vaters und ein König und gekommen in die Welt, den Menschen Trost zu bringen in ihrer Trübsal und Glauben und Freude ... und ob sie mich auch ans Kreuz schlagen dafür ...
Nein, nein! verlange nicht, mir in die Brust zu sehn! und forsche nicht, was hinter dem Lied, das ich dir jauchze, und frag nicht, ob mich Dornen verwundet bei den Rosen, die ich dir breche ...
nein, nein!
freu dich, freu dich ihrer und komm und laß sie mich ins Haar dir flechten, weiß und rot und rot und weiß, und laß mich deine Jugend überglühn mit ihrer Lust, wie der Sommer draußen das Gelände überwogt mit seiner Wonne, und laß sie mich auf den Weg streun, den du schreitest, meine Rosen, weiß und rot und rot und weiß, und frag nicht, ob mich Dornen verwundet!
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Ganz still einmal im Grünen liegen dürfen ... zu einem sommerblauen Himmel sehn, mit weißen Wolken ... und auf das Zwitschern in den Wipfeln hören ... auf das Geriesel heimlicher Quellen ... den Duft der Luft einschlürfen und des blühenden Laubes, die selige Ruhe rings des vollen, reifen Lebens ... ganz still, und nicht zu denken haben an all die hundert nichtigen Notwendigkeiten, die so und so viel Sorglichkeit und Müh erfordern, und nur: damit das Pendelwerk des Tags nicht stehen bleibt ... ganz still einmal im Grünen liegen können
und alles
vergessen dürfen, was man soll und muß ... und will! für andere und für sich! und will und soll und muß!
gleich Schmetterlingen gaukeln lassen,
sonnenselig,
von Rosenstrauch zu Rosenstrauch, mit schimmernden Flügeln, das flimmernde Tal hin, über goldene Felder und wallende Flüsse zu duftverlorenen fernen Höhn und weiter, tief und immer tiefer, ins uferlose Blau des Himmels ... sonnenselig ...
ganz still einmal so liegen können
und ohne daß
auch diesem Tag dann wieder vom Kirchturm drüben eine Glocke klingt
und ohne daß
auch dieser Tag dann wieder im Grau der Abenddämmerung untersinkt!
*