Max Eyth
Volkmar
Max Eyth

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III. Der erste Gang.

1. Vorüber.

»Und daß mein Lieb zum Teufel ging
     Mit ihrem wälschen Reiter,
Des ist mein Sorgen gar gering;
     Die Luft ist wieder heiter.

Was hätt' mit Tränen ich gemacht,
     Mit ihrem Flehn und Bitten?
Ich hätt' geküßt, ich hätt' gelacht,
     Und wär' davongeritten.

Statt daß sie mir am Halse hing
     Und weinte, war's gescheiter,
Daß sie bei Zeit zum Teufel ging
     Mit ihrem wälschen Reiter.«

Das Lied aus lust'gen Knappenzeiten, –
     's war wohl sein einzig Minnelied; –
Es sang's der alte Kurt beim Reiten,
     Er sang es, wenn das Rößlein müd;
Jetzt brummt er's mürrisch durch die Zähne
Und kraut dem Rappen in die Mähne;
     Sie waren weit geritten.

»Der Platz gefällt mir nicht zum Rasten;
     Ich wollt', wir ritten noch ein Stück;
Der alte, schart'ge Mauerkasten
     Da droben kündet mir kein Glück;
Wir sind nicht mehr in meinem Schwaben,
Wer weiß, was die für Farben haben
     In ihrem Felsenneste?«

Ein Anger war es, grün und duftig;
     Jung Volkmar blieb verschlossen, stumm;
Ein Turm ragt drüber, stolz und luftig;
     Jung Volkmar sah nicht auf, noch um;
Die Pferde grasten ohne Zügel;
Die Sättel hängt er auf, die Bügel
     An einem Lindenaste.

»Sei munter, Junge; weg die Grillen!
     Weiß Gott, ich kenn' dich heute nicht;
Laß ich dir doch den närr'schen Willen
     Nur um dein heiteres Gesicht;
Sieh du zu, was mit uns noch werde!«
Und dröhnend warf er sich zur Erde
     Und reckt die ries'gen Glieder.

Und Volkmar lachte; durch die Wangen
     Jagt röter ihm das junge Blut:
»Du sollst mir heute nacht nicht bangen,
     Ob man hier warm und sicher ruht;
Da! Nimm das Horn! Der Wein tut Wunder!
Ich bring' dir's noch vom Berg herunter,
     Was die da droben denken.«

Da, halb erschrocken, lacht der Degen:
     »Ho ho! mein Junge, fein gemach!
Es käme mir gerad' gelegen,
     Bringt man dich droben unter Dach!
Das ist die Jugendnarrheit wieder,
Der alten Leier alte Lieder;
     Wir sind in Feindesländen!«

Doch um die schlanken Hüften schnallte
     Der Junge fest das lange Schwert;
Die Klinge klirrte, daß es schallte;
     Es lauscht am Bach das treue Pferd:
»So steckt mir's halt im deutschen Blute!«
Und beut in keckem Übermute
     Die Rechte dem Kam'raden.

Kurt schwieg; er sah ins Auge mitten,
     In das er schon so oft gesehn;
»Frag nicht!« stand dort, wie leises Bitten,
     So klar, – er mußt' es wohl verstehn;
Das Lächeln bat es, das gepreßte,
Der Hände Druck, der warme, feste,
     Und schweigend nickte der Alte.

Und Volkmar ging. Der andre brummte
     Noch lang in seinem grauen Bart,
Und durch den starren Schädel summte
     Die alte Zeit, die alte Art.
»Fahr wohl! Sie sollen dich nicht haben;
Kein Wall zu hoch, zu tief kein Graben
     Für brave Waffenbrüder!«

»Und daß mein Lieb zum Teufel ging
     Mit ihrem wälschen Reiter,
Des ist mein Sorgen gar gering;
     Die Luft ist wieder heiter.«

Sein Schritt ward langsam. Wie so eigen
     Ihn der gewohnte Weg beklomm!
Er hält; – es rauschte in den Zweigen;
     Es war ihr Tritt, ihr Gottwillkomm! –
Es war ihr Tritt nicht, – nicht ihr Grüßen;
Das gelbe Laub zu seinen Füßen,
     Das wirbelte im Winde.

Er atmet tief; von fels'ger Kante
     Sieht er hinab ins Land so weit;
Das Pförtchen dort, das wohlbekannte.
     Steht offen, wie in alter Zeit;
Die Brücke schwankt an rost'ger Kette,
Und doch – er hält auf morschem Brette, –
     Er schaut zum Wald hinüber.

»Erst heute war's; wir ritten schweigend
     Herunter dort das Felsental,
Die Äste auf die Seite neigend;
     So enge war der Weg und schmal;
Mir ward, als müßt' ich jauchzend singen,
Mir ward, als müßt' das Herz mir springen
     Bei jedem Baum am Wege.«

»Da kam's! Dort stand am Felsenhange
     Die moos'ge Hütte angeschmiegt;
Dort stand die Eiche, die so lange
     Auf ihren Ästen mich gewiegt,
Die einst geschmückt mit meinem Schwerte, –
Dort der Altar aus Stein und Erde;
     Schlingpflanzen krochen drüber!«

»Doch stille war's; und ob ich lauschte,
     Wie ein im Wald verirrtes Kind:
Das Bächlein nur vorüberrauschte,
     Und in den Wipfeln rauscht der Wind;
Kein Vogel mochte mit mir singen;
Ein Falter nur mit blauen Schwingen,
     Flog leise durch die Gräser.«

»Auch Kurt war still; ob er vom Ritte,
     Vom schlimmen Wege müde war?
Den Rappen hielt er an der Hütte
     Und am verfallenen Altar;
Des Waldes dunkle Runenzeichen,
Das knorrige Gestrüpp der Eichen,
     Betrachtet' er mit Staunen.«

»Und als beim nächsten Taleswenden
     Das Bild verschwand: – wie ward mir schwer!
Ich hatte keinen Gruß zu senden
     Und keinen zu empfangen mehr;
Verschwunden war der Duft, der süße;
In meinem Waldesparadiese
     War ich allein, verlassen.«

»Wo bist du, Vater? Welche Ferne
     Verschlang dich in des Lebens Streit?
Verlöschen heute mir die Sterne
     Am Himmel meiner Kinderzeit?
Nacht wird's und nur ein treuer Schimmer
Strahlt durchs Gewölle, – hell, wie immer.
     Du Hildegard, mein Leben!« –

Er schaut hinaus und trüb und trüber
     Ist ihm das volle Herz bewegt;
Scheu blickt er, hoffend fast, hinüber,
     Ob sich noch nicht das Pförtchen regt;
Doch still! – nur wie ein leis Gehöhne,
Trägt ihm der Wind herauf die Töne
     Vom Liedchen des Kam'raden:

»Was hätt' mit Tränen ich gemacht,
     Mit ihrem Flehn und Bitten?
Ich hätt' geküßt, ich hätt' gelacht,
     Und war' davongeritten!«

»Herr Jesus und Maria!« helle,
     Wie's klinget, wenn die Freude schreckt,
So jubelt's plötzlich auf der Schwelle,
     Daß es das Echo drüben weckt;
Am Arme, den sie zitternd drückte.
Am Halse, der sich freundlich bückte.
     Hing weinend ihm die Amme.

»Ach Gott, ich sollt' wohl besser lachen;
     Ich kann's nicht; Freude macht mich krank;
Was wird mein Alter Augen machen!
     Wie groß du worden, Gott sei Dank!
Wie dir am Wamms die seidnen Litzen,
Wie keck dir deine Federn sitzen, – –
     Ach Gott, das arme Fräulein!«

»Das Fräulein – ?« – »Nein, ich kann's nicht fassen, –
     He, Alter! – ach, ich armes Weib!
O kommt, Ihr müßt euch herzen lassen; –
     (– Der Schrecken fuhr ihm in den Leib; –)
»Wie hübsch Ihr seid! Wer Euch noch grollte!«
Sie zieht ihn fort und eh' er's wollte.
     Ist er im Schloß verschwunden.

Auf morscher Brücke steht er wieder
     Und starrt hinaus ins weite Rund;
Es schwimmt ihm um die Augenlider;
     Es zuckt ihm bitter um den Mund;
Er drückt die Stirne an die Planken;
Sie müssen zittern, müssen wanken,
     Sie müssen mit ihm brechen.

Noch lag in goldnem Abendglühen
     Das weite Tal vor seinem Blick;
Der Berge bunte Gipfel sprühen
     Der Sonne Abschiedsgruß zurück;
Blau dämmert's aus des Grundes Tiefe,
Als ob der Frieden drunten schliefe
     Im stillen Waldesdunkel. –

Wer's je gesehn, kann er's vergessen, –
     Des Südens farbenreiche Glut,
Wenn unter Palmen und Zypressen
     Die müde Karawane ruht?
Doch frischer glüht und farbenbunter
Der Herbst, ein lieblich Feenwunder,
     In seinen deutschen Wäldern.

So formt der Norden nicht, der weiße,
     Der Berge riesige Gestalt, –
So kräftig bricht nicht aus dem Eise
     Der Muttererde Allgewalt, –
So schafft sie nichts, so lieblich prächtig,
So ewig frisch, so riesenmächtig,
     Wie ihre deutschen Berge.

»Siehst du die Welt uns fröhlich färben,
     Wie wir's im Frühling nicht getan?
Siehst du in unserm heitern Sterben
     Nicht eines neuen Frühlings Nahn?«
Die Bäume rauschen's laut im Walde,
Die Blätter flüstern's durch die Halde,
     Doch er versteht sie nimmer.

Tot, tot für mich! Wie dumpfes Grauen
     Zuckt's um den Mund; verloren! tot!
Verschwunden ist der Berge Blauen
     Dort fern im goldnen Abendrot;
Und leise, wie der Hölle Höhnen,
Treibt ihm der Wind in matten Tönen
     Das Lied herauf vom Tale:

»Statt daß sie mir am Halse hing
     Und weinte, war's gescheiter,
Daß sie bei Zeit zum Teufel ging
     Mit ihrem wälschen Reiter.«

2. Der Ritt.

Nachtgewölke schleichen langsam um der Heide ödes Grau;
Düster glüht vom Abendrote eine Flocke noch im Blau;
Überm Moore heben, dehnen schläfrig sich die Nebelbilder,
Schlingen die gespenst'gen Reigen still und stiller, wild und wilder.
Leise flüstern tück'sche Elfen in dem Riedgras, tief verworren;
Wunderlich gestalte Weiden kreuzen stumm die ast'gen Knorren,
Stieren übers öde Blachfeld, – finstere, dämon'sche Wachen;
Schau den Kopf dort! Wie das Astloch sich verzerrt zu stummem Lachen!
Wie des Irrlichts bläulich Flimmern um die moos'ge Rinde schwebt!
Wie der Unken dumpfe Klage durch die feuchte Stille bebt!
Horch, – zwei Rosse! Schwer erzittert unter ihrem flücht'gen Tritte
Rings der Grund; es neigt das Gras sich, kaum berührt vom raschen Ritte.
Horch, sie nahen! Dort – das eine, – wie sich's vor den Erlen bäumt!
Wie die schlanken Glieder zittern und der weiße Geifer schäumt!
Armer Rappe! In die Flanken drückt sich tief des Reiters Sporn;
Hoch ein Satz – und durch den Nebel fliegt es über Sumpf und Dorn.
Wie des Reiters Locken flattern in dem Wind, gleich scheuen Raben,
Und sich wieder in des Tieres loser Mähne tief begraben!
Wie der straffe Zügel schneidet durch des Maules heißen Gischt
Und die Geißel zornig klatschend durch den feuchten Nebel zischt!
Dort das andre! Ruhig, kräftig trägt er seinen wucht'gen Reiter,
Unbekümmert, durch den Nebel über Sumpf und Moorgrund weiter,
Folgt dem Rappen; wie um dessen zitternd Umgestüm zu zügeln,
Läßt es, oft zurück ihn werfend, oft von ihm sich überflügeln.
Schweigend ritten sie durchs Dunkel und der Hufschlag hallte nur,
Wenn ein Windstoß, wie erschrocken, durch die kahle Wüste fuhr.

Wie die Heide so weit und die Welt so frei!
     Und die Nacht so lange, so lange!
Greif aus, mein Rappe! 's ist einerlei, –
     Was kümmert dich Nebel und Unkenschrei?
Macht der bebende Grund dir so bange?
Stürm hin, mein Rappe, durch Wetter und Nacht!
     Hab' lange genug an mein Liebchen gedacht;
Vergessen will ich, – vergessen!

»Halt, mein Volkmar! Siehst du's spiegeln dort im Sumpf? Bleib mir zur Seite,
Weiß ich doch zur Stund' nicht, ob ich dir zu schnell, zu langsam reite!
So! Laß nur die Zügel ruhen; sieh doch, wie dein Rappe dampft.
Wie er matt zugleich und wütend auf den hohlen Moorgrund stampft!
Und du selbst so still verbissen? Sag mir, Junge, was dir fehlt?
Ziemt's doch nicht dem Waffenbruder, daß er lang sein Leid verhehlt!
Kann das Glück dir reicher lohnen, als es dir schon jetzt beschert?
Hast du, wie ein trotz'ger Knabe, immer mehr und mehr begehrt?
Kaum am Kaiserhof erschienen als ein Knappe, schlecht und recht,
Bist du schon des Kaisers Liebling, dem geheimsten Dienst gerecht,
Traut er mehr dir, als den Rittern, die im Waffenwerk ergraut
Und auf deren Felsentreue er den Herrscherthron gebaut.
Lanze, Schwert und eine Laute war ja alles, was du brachtest; –
Weiß der Himmel, der's geleitet! Kaum, daß du nur übernachtest.
Einen alten Kriegskumpan dir aufsuchst für den künft'gen Strauß,
Weißt du schon im Kaiserzelte, wie im Schloß, wo ein und aus!
Wohl, wenn es ums Feuer abends still ward, – wenn du ausgesungen, –
Müde ruhtest, ist's mir selber wunderlich durchs Herz gedrungen:
Diesen Nacken stolz und trotzig, – diese Locken, voll und weich, –
Diese Lippen kaum beschattet, – diese Stirne, kalt und bleich, –
Diese Augen, blau und offen und so tief, – – beim heil'gen Gral,
Lache, wildes Kind der Wälder, – doch ich sah sie schon einmal!
Mag's dem Kaiser auch so gehen, – –nun warum so finster schaun?
Volkmar, Volkmar, gab der Handschlag damals dir nicht mehr Vertraun?«

Mein Rappe, was glänzt dir im Auge? O schau,
     Ein Tropfen von Nebel und Regen;
Ihr Auge glänzte wie Himmelsblau,
Und ihre Träne wie Frühlingstau,
     Als sie mir am Herzen gelegen.
Stürm hin, mein Rappe, durch Wetter und Nacht,
Hab' lange genug an mein Liebchen gedacht;
     Vergessen will ich, – vergessen!

»Willst du schweigen? Denn dein Murmeln gilt mir nicht als ehrlich Wort;
Bleibe denn ein trotz'ger Junge, – und wir reiten stille fort.
Doch ich kann's, ich will's nicht glauben, Volkmar, daß du so verschlossen!
Hat ein stummes Leid dir Eisen um die offne Brust gegossen?
Denkst vielleicht: der Alte werde jungen Schmerz nicht mehr verstehen?
O, auch diese grauen Haare haben manches Weh gesehen,
Diese derben Fäuste haben manche Wunde schon gehauen,
Diese Augen mußten manchen ohne Rettung bluten schauen.
»Kurt von Staufeneck« – der Name, wahrlich, hatte guten Klang,
Sei's im Minnedienst, dem schlimmen, sei's im harten Schlachtendrang.
Altes Schwert – als altes Eisen wird es zwar nur abgeschätzt;
Denn die Scharten in der Klinge hat kein Kaiser ausgewetzt; –
Sei's drum! In den alten Adern fließt ja noch dasselbe Blut,
Und das Herz, klopft es auch kühler, faßt noch immer Jugendglut.
Zweimal mahn' ich nicht, daß du mir schlugst in diese Rechte ein, –
Knabe, daß ich Freund geworden, dem ich könnte Vater sein;
Zweimal frag' ich dich nicht gerne, was dir Herz und Mund verschloß,
Seit ich auf dich warten mußte gestern an des Böhmen Schloß, –
Was das Weib dir eingeflüstert, die dich oben überfiel;
Ha, man sah's! Doch folg' mir, Junge; laß die Weiber aus dem Spiel!
Bis wir heut' ein Nestchen finden, kann's noch manche Stunde währen;
Kürzen wir den Weg uns lieber mit Geschichten oder Mären!
Ist dein Ohr doch offen, wenn auch deinen Mund ein Zauber bannt!
Hören sollst du, was sich blutig einst ins Herz mir eingebrannt.«

Mein Rappe, was bebst du so freudig? Du tust
     Das gerne, wenn's grollt und gewittert!
O daß sie einmal voll bebender Lust
Gesunken an diese klopfende Brust,
     Von stürmischer Laute durchzittert!
Stürm weiter, mein Rappe, durch Wetter und Nacht!
Hab' lange genug an mein Liebchen gedacht;
     Vergessen will ich, – vergessen!

»König Ludwigs Vater war es, der die Faust zum Kampf mir weihte.
Die so manches Schwert, so manche Lanze schwingen sollt' im Streite;
War sein Schloß das leichte Kriegszelt viele Jahre doch gewesen.
War sein Geist vom finstern Sinnen doch im Kampfe nur genesen!
Nein vom Gram! »Den Strengen« nannte ihn ja nur, wem vor ihm graute,
Nannt' ihn nur der Feind, der zitternd in das finstre Aug' ihm schaute.
's war ein Mann, wie ihn erschaffen jener Zeiten wirres Spiel,
Die im Sturm vergessen konnten, daß der letzte Staufe fiel, –
In der Faust des Panthers Stärke, in den Adern Löwenblut,
Auf der Stirne Kaiserhoheit, in dem Herzen Eisenmut;
Blitze brannten, markverzehrend, aus der Wimpern dunkler Nacht;
In dem hellen Silberbarte rauscht' der Wind nach heißer Schlacht;
Finster bei des Friedens Spielen, – kalt, wenn Lanze zischt und Bolz,
Doch, wer ihm im Auge suchte, ahnte mehr als Heldenstolz;
Seine Lippen – gramumzucket, oder leis umspielt von Spott;
Außen, – ehern wie sein Panzer; innerlich – das weiß nur Gott.
Ob wohl manchmal, wie im Traume, seine Jugend vor ihm stand.
Die er fröhlich einst durchscherzte mit Maria von Brabant?
Ob die Tage, die so glücklich und so schnell vorbeigeflogen.
Manchmal trauernd ihm und mahnend an dem Geist vorüberzogen?
Ob das Schwert ihm an der Seite manchmal kalt und drohend klirrte.
Daß die Knochenfaust sich ballte und das Auge sich verwirrte?
Jenes Schwert, das seine Hände einst im Satanswahn geschwungen, –
Das durch seiner Gattin Busen in das treuste Herz gedrungen, –
Das trotz ihrer reinsten Schwüre, trotz des holden Mundes Bitten,
Ohn' Erbarmen seinen eignen Frieden einst entzweigeschnitten!«

Zwei perlende Tränen, ein rosiger Mund, –
     O Herz, was glaubst du nicht immer!
Der Frühling ist grün und der Herbst ist bunt;
Doch schwarz ist der Erde innerster Grund
     Und alles nur Lüge und Schimmer;
Stürm hin, mein Rappe, durch Wetter und Nacht,
Hab' lange genug an mein Liebchen gedacht;
     Vergessen will ich, – vergessen!

»Hochzeitsfeste, Becherklänge, Lustdrommeten, Minnelieder,
Froher Lärm der Waffen hallte oft durch Münchens Hofburg wieder;
In dem wimmelnden Getriebe bei Turnei und Ritterschlage
Wollte doch das Herz nicht schweigen von der Lust vergangner Tage;
Seine Minnesänger alle mit der Saiten weichem Klingen,
Konnten ihm die alte Liebe nimmer aus dem Grabe singen,
Und die alte Wunde klaffte und der alte Flecken blieb,
Wenn er stumm das Blut des Feindes vom bespritzten Panzer rieb.
Stolz und lieblich war Mechthildis, wie das goldne Sonnenlicht,
War von Habsburgs hohem Stamme; doch Maria war sie nicht.
Wohl war ihm ein Pfand geblieben, mahnend an verschwundnes Glück;
Auch des Kindes schuldlos Lächeln brachte nicht den Lenz zurück;
Und vergessen schien das Mägdlein, schien die holde Jungfrau fast;
Bei den festlichen Gelagen blieb sie nur ein seltner Gast,
Stille flossen blonde Locken, stille sprach das blaue Auge,
Daß die mutterlose Waise nicht zu Lust und Freude tauge; –
Stille wuchs die holde Blume, kaum beachtet im Getümmel,
Einsam mitten im Gewühle, Fremdling unter heim'schem Himmel,–
Wuchs, gepflegt von fremden Händen, – wie die Mutter schön gestaltet,
Bis die schmerzgebleichten Blättlein scheu der holde Kelch entfaltet.
Den gequälten Vater trieb es oft zu schaun der Mutter Bild;
Doch er blieb auch dann der Krieger, stahlgepanzert, barsch und wild;
Daß, wenn er davonging, eine Träne aus dem Aug' ihm bricht.
Ahnt das heißgeliebte, ahnet das verlaßne Mädchen nicht.«

Drum zieht vorüber das schwarze Geschick,
     In dämmernder Ferne verborgen,
Am freundlich lächelnden Kinderblick;
O spare die Tränen – es kommt zurück;
     Ist's heute nicht, ist es doch morgen!
Stürm hin, mein Rappe, durch Wetter und Nacht,
Hab' lange genug an mein Liebchen gedacht;
     Vergessen will ich, – vergessen!

»Kaum erfreut's den finstern Herzog, als Mechthildis, sein Gemahl,
Ihm geschenkt zwei muntre Knaben, würdig (schien's) der Ahnen Zahl;
Kaum daß er dem lauten Treiben wehrend eine Schranke setzte, –
Kaum daß er am kühnen Spiele, das sie suchten, sich ergötzte, –
Ließ sie auf dem Streitroß reiten, ließ sie spielen mit dem Schwerte;
Kaum ein Lächeln auf den Lippen, setzt er murrend sie zur Erde,
Ging dann wohl allein zum Turme, wo, im Garten tief verborgen,
Still Theodolinda träumte von der Jugend Lust und Sorgen, –
Sah sie an mit glüh'ndem Auge, mild zu ihr sich niederneigend,
Las in ihren klaren Sternen, – ging, wie er gekommen, schweigend.
Und die beiden Knaben hatten bald des Vaters Weg gefunden;
In dem Stübchen dort im Turme suchten sie die liebsten Stunden,
Wenn sie ausgetobt im Felde, müd' gelärmt sich um das Schloß,
Ausgejagt durch Berg und Halde auf dem leichten Berberroß.
War die Schwester doch so freundlich, war den kleinen Jungen hold,
Strömet doch aus ihrem Munde wundersames Märchengold, –
Weiß sie doch so leicht zu zaubern nur mit Worten, leis und mächtig,
Aus des Stübchens engen Wänden Feenschlösser, stolz und prächtig;
Elfen tanzen vor dem Fenster, schnurrt die Spindel leise, leise;
Nixen locken süß und traulich, dreht der Faden sich im Kreise! –
Und vor allen war es Ludwig, sonst ein Bube wilder Art,
Der in seiner Schwester Nähe fast zum halben Mädchen ward,
Der das Ärmchen manchmal kosend um den weißen Nacken wand,
Mit ihr träumte, mit ihr weinte, wenn er auch sie nicht verstand.«

Wo soll es auch hin, das stumme Gebet
Um Glück auf der Erde, der kalten,
Als zum Kinde, das es noch nicht versteht,
Als zum Traume, der es milde umweht
Mit seinem lieblichen Walten?
Stürm weiter, mein Rappe, durch Wetter und Nacht,
Hab' lange genug an mein Liebchen gedacht;
Vergessen will ich, – vergessen!

»Durch Mechthildis war's am Hofe bald gar laut und bunt geworden;
Ritter zogen hin und wieder selbst von Österreichs fernsten Orten,
Damals war's, als beide Höfe noch in Lieb' und Freundschaft nah,
Daß der junge Herzog Ludwig oft den Vetter Friedrich sah;
Damals war's, als aneinander keck sie schon den Arm erprobten,
Daß sie sich geheim und feurig ew'ge Treue zugelobten;
's war ein Kinderspiel; man lachte ob der Knaben närr'schem Sinne;
Niemand ahnte, wie ein Traum sich durch ein ganzes Leben spinne. –
– Doch zwei Ritter wollt' ich nennen, die, vor andern hochgepriesen,
Durch die deutschen Lande damals stolz ihr Wappen leuchten ließen,
Zwei, auf die der Fürstenmutter bang' und sorgsam Wählen fiel.
Daß sie beide Prinzen lehrten Bücherwitz und Waffenspiel.
Wolf von Fichteneck, der eine, ward aus Östreichs Gau'n beschieden,
War ein Mann, so rauh als redlich, – keck im Kriege, treu im Frieden;
Von dem stolzen Grafenstamme war er noch der letzte Sproß;
Mitten in dem Böhmerwalde stand sein reiches Ahnenschloß;
Doch er war im Feldherrnzelte, auf dem Streitroß nur zu Hause;
Selbst die weite Festeshalle ward für ihn zur engen Klause;
Auf dem Schlachtfeld glänzte helle seines Wappens goldner Stern,
Aber rauhe Kriegerweise barg zu tief den edlen Kern. –
Irmin nannte sich der andre, war ein Sänger, frank und frei,
Herr von Reißenstein; – man wußte kaum, wo dieses Schlößchen sei;
Doch wenn er die Laute rührte, wenn er sang so weich, so mild,
Dachte niemand an den Namen, niemand an den Wappenschild;
Und wenn er, den Flammberg schwingend, Schlachtenlieder sang durchs Feld,
Schien er in dem Kampfgewühle mehr, als Ritter, mehr, als Held.
Weiß nicht, wie's der Himmel fügte, daß der Sänger mir gewogen,
Halb als Freund, und halb als Knappe bin ich lang mit ihm gezogen,
Trug ihm gerne seine Laute, wenn er bot dem Feind die Brust,
Trug dem Panzer, ihm, den schweren, wenn er sang von Lieb und Lust.
Dir das Heldenbild zu zeigen, mild und heiter, stolz und hehr, –
Laß es! Denk' ich seiner, wird mir heute noch das Herze schwer.«

Ja, singen! Wo fand' ich den alten Drang,
     Die alte, verlorene Freude?
Ja, kämpfen! Du klingender Schwerterklang,
Du trauter, fröhlicher Grabgesang,
     Ich wollt': ich hörte dich heute!
Stürm hin, mein Rappe, durch Wetter und Nacht,
Hab' lange genug an mein Liebchen gedacht;
     Vergessen will ich, – vergessen!

»Beide sahn Theodolinde, sahn die Blume frisch und zart;
Beide liebten, beide glühten, jeder so nach seiner Art.
Keck warf Fichteneck die Gegner für die Dame im Turnei;
Irmin sang durch alle Burgen, wer die schönste Dame sei;
Stolz bot Wolf die Grafenkrone, bot zum zweitenmal sie wieder.
Kühn sang Irmin unter ihrem Fenster seine schönsten Lieder;
Irmin siegte; doch der Vater wahrte noch sein finstres Schweigen,
Und es schien, als woll' das Zünglein bebend sich zum Grafen neigen.
Bleicher ward die stille Rose, kaum erglüht im ersten Kusse,
Weicher wurden seine Lieder vor des Schicksals herbem Schlusse;
Doch – er siegte. Abend war es, als er mich zu sich entbot:
»Willst du mich geleiten, Bruder?« – »›Gerne, Herr, und wär's zum Tod!‹« –
»Komm, wenn Mitternacht vorüber, hinterm Zwinger in den Garten
Mit den Pferden! Dort am letzten Turme werd' ich dich erwarten!«
Nacht war's und auf weißem Zelter ritt dahin an unsrer Seite
Eine Jungfrau, tief verschleiert, lautlos in die düstre Weite,
Ritt durch Wälder, Berg und Heiden, bis der frühe Morgen graute
Und ich tief im Waldesdunkel ein verfallnes Kirchlein schaute.
Dort mit seines Amtes Zeichen stand ein Priester, arm bekleidet,
Hatte mit zersprungnem Glöcklein Frühmett' eben angeläutet.
Irmin sprang vom Pferd; entschleiert sank die Maid an seine Brust,
Rotgeweint die Augenlider, bleichgehärmt der Wangen Lust;
An bemooster Stätte gaben sie sich frei auf freier Flur,
Wie's die heil'ge Kirche fordert, treuer Minne ew'gen Schwur.
Irmin dann zu mir gewendet: »Dank für deine letzte Liebe!
Lohn' sie dir der Himmel, Bruder, wenn ich lang dein Schuldner bliebe!
Geh' und sag', was du gesehen, – ruf's in alle Lüfte laut,
Daß ich hier an heil'ger Stätte hab' errungen meine Braut!«
Sprach's und hob sie auf den Zelter, ritt mit ihr zum nahen Wald;
Kaum gedacht, war fern ein heißes, wildes Minnelied verhallt.«

O laß sie ruhen, die alte Zeit,
     Mit ihrem bunten Getriebe!
Laß ruhen den bittern, ewigen Streit
Um die verlorene Seligkeit,
     Du Märchenwelt der Liebe!
Stürm weiter, mein Rappe, durch Wetter und Nacht,
Hab' lange genug an mein Liebchen gedacht;
     Vergessen will ich, – vergessen!

»Ha, war das ein Rennen, Laufen in der Hofburg zu der Stunde,
Als durchs Tor allein ich einritt mit der frohen Trauerkunde!
Vor den Herzog ward gebunden ich geführt, wie ein Verbrecher;
Lange stand vor mir der Finstre; voll schien seines Zornes Becher;
Seines Auges kalte Flammen wollten mir die Brust durchbohren,
Bis er endlich dumpf beklommen fragte: »Ist mein Kind verloren?«
Und ich sagte, was ich wußte, – ward nicht müd', die Lieb' zu schildern,
Und den Schmerz der schönen Jungfrau, seinen harten Grimm zu mildern.
Doch als ich geendet, hob er wie zum Schwur die Hand empor,
Und des Vaterfluchs erstickter Wehruf traf mein bebend Ohr.
Wie ein Blitz, der stolze Eichen niederschmettert in den Grund,
Schien ein Strahl aus diesem Auge, schien ein Laut aus diesem Mund;
Wie der Schwertschlag, dumpf und grausig – Wort an Wort, wild, abgerissen,
Fiel es auf das Haupt des Kindes, das mein Irmin ihm entrissen.
Ich war frei; der Herzog fragte, wo ich weile, lange nicht,
Bis die Flücht'gen zu verfolgen mir gebot des Dienstmanns Pflicht.
Jetzt vernahm ich erst: die Jungfrau sei dem Himmel längst verfallen;
Um des Vaters Schuld zu büßen, sollt' ein schuldlos Opfer fallen! –
Der von Fichteneck – er könnt' es nicht vergessen, noch ertragen.
Daß ein andrer in den Schranken Minnesieg davongetragen;
Blumen brechen, nicht sie pflegen, – rächen wollt' er sich, nicht lieben;
Das war's, was ihn ohne Ruhe jahrelang nun umgetrieben.
Und an seine Seite bannte mich des Herzogs streng Geheiß;
Stromhinauf, stromabwärts sucht' ich nach des Stammes edlem Reis;
Doch umsonst blieb alles Suchen jahrelang landaus, landein;
Leer war Heide, Flur und Klinge, und zerfallen Reißenstein.«

Sie wittern's ja wohl, o sie spüren's so fein,
     Wenn ein Engel die Erde gefunden;
Da packt sie's; da muß es gemordet sein;
Den Fremdling hinaus! Die Welt ist mein!«
     So tobt's, bis der Engel verschwunden!
Stürm hin, mein Rappe, durch Wetter und Nacht!
Hab' lange genug an mein Liebchen gedacht;
     Vergessen will ich, – vergessen!

Eines Abends – in dem Tale fing es schon zu dämmern an; –
Ritten wir einst tief in Böhmen eine wald'ge Schlucht hinan;
Enger drängten sich die Felsen in des Berges dunkeln Schoß;
Einsam war's und Todesstille; nur ein Bächlein rauscht' im Moos.
Da gewahr' ich an der Felswand eine Hütte, schön gestaltet,
Über die ein alter Eichbaum segnend seine Hände faltet.
Wiesen rings, – ein kleiner Garten, – dort vor einem Steinaltar
Lag, wie im Gebet versunken, eine Waldfrau, wunderbar.
Weiterauf am muntern Bache, nahe bei des Hauses Schwelle,
Spielt' ein Knäblein, zart und lockig, mit des Baches klarer Welle.
Wolf erblickt sie; hoch sich bäumend ist sein Pferd beiseit' gesprungen,
Und das Blut schießt aus den Weichen, die des Reiters Sporn durchdrungen;
Nach den Felsen sprengt er klirrend, ist vom Roß mit Blitzesschnelle;
Ha, wie bleich die Frau zur Erde sank an des Altares Schwelle!
Jetzt ist er an ihrer Seite; jetzt faßt er sie um die Hüfte, –
Jetzt reißt er sie in die Höhe; Hilfruf schneidet durch die Lüfte.
Da durchbricht's das wirre Dickicht und im losen Jägerkleide
Stürzt ein Mann mit einem wilden Tigersprunge zwischen beide.
Taumelnd weicht der Fichtenecker – eilt, sich wieder aufzuraffen;
Wie die Kampfwut ihre Sehnen zum Zerspringen schwellt, die straffen!
Wie sie dastehn! Aug' in Auge, brennt's wie tödliche Gewalt!
Wie die Brust sich höher wölbet und die Faust sich krampfhaft ballt!
Der – im offnen Jägerkleide, in der Hand den schlanken Spieß, –
Der – die Eisenfaust am Flammberg, seines sichern Siegs gewiß.
Todesstille. – Irmin, Irmin! Weh, wer mir den Arm gehalten,
Als des Augenblickes Schrecken eisig mir die Brust umkrallten!
Ha, jetzt faßt er seinen Flammberg, beugt zurück den wucht'gen Leib!
Irwins Speer erzittert, – aufschnellt kreischend das gequälte Weib,
Stürzt dazwischen, – hu, die Lanze zischt schon schneidend durch die Winde,
Trifft, – und mit durchbohrtem Herzen sinkt, o sinkt – Theodolinde!
Gegenüber stehn sich beide, auf die blut'ge Leiche starrend,
Wie berührt vom Zauberstabe, schweigend, auf ein Wunder harrend.
Stille trocknet von der Stirne Wolf die Tropfen, kalt und groß;
Stumm beut Irmin die entblößte Brust des Feindes letztem Stoß;
Doch der wendet stolz den Rücken, wirft das Eisen in die Scheide, –
Schwingt aufs Pferd sich, jagt talabwärts, wie gepeitscht von seinem Leide.«

Herr Gott! Was schüttelt das fremde Bild
     Mir Leib und Seele zusammen?
Mir brennt das Gehirn im Kopfe so wild,
Mir ist, als glühte mir Panzer und Schild,
     Als stünde der Himmel in Flammen;
Stürm hin, mein Rappe, durch Wetter und Nacht!
Hab' lange genug an mein Liebchen gedacht;
     Vergessen will ich, – vergessen!

Folgen konnt' ich nicht und schnelle barg mein Pferd die Felsenwand;
Wieder schlich ich durch das Dunkel, wo noch Irmin schweigend stand
Und sich kalt, als ob ein fremder Kriegsmann ihm zu Füßen liege,
Niederbeugt zur blut'gen Erde, anstiert die erbleichten Züge.
Jetzt hält er sie in den Armen, trägt sie zart, wie Mütter sorgen,
Unter Küssen zum Altare, hinter dem ich mich verborgen,
Zieht den Speer ihr aus der Wunde; da entrinnt das Blut, das warme.
Und an seinem Herzen ruht sie, – ruht wie in des Todes Arme,
Und solang das teure Leben aus der offnen Wunde rinnt,
Flüstert fromm ein Vaterunser in dem Eichgezweig' der Wind.
Plötzlich regen sich die Lippen, – ihn erfaßt des Wahnsinns Lust; –
»Irmin! – Irmin, – du? – O wohl mir! – Sterb' ich doch an deiner Brust!
Irmin – sterben? – Gib das Schwert dort, das du aufgehängt am Baum,
Seit du deine Ritterehre hast verträumt im Liebestraum:
Gib! – O tu's! Du hast's von meinem Vater! Hör mein letztes Bitten!«
Und er tat's – knüpft' es vom Baume, bringt es ihr mit wanken Schritten.
Und sie richtet stolz und kräftig auf die todesstarren Glieder:
»Schwör mir, Irmin! – Es ist eine heil'ge Nacht! – O kniee nieder!
Schwör mir, daß, wenn diese Wunde ausgehaucht mein junges Leben,
Schwör mir, daß du diese Stunde rächen wollest – durch Vergeben!«
Und er schwur's und schweigend tauchte sie ins Blut, so rot und klar,
Ihre Hand und auf die Klinge schrieb sie Runen wunderbar.
»Schwinden diese, sei´s ein Zeichen dir von Gottes Gnad' und Huld,
»Daß gesühnt der Fluch des Vaters und vergeben meine Schuld!«
Dann war's stille; am Altare hört' ich's schluchzen bang und tief.
Hört' ich's weinen, lange, lange, bis der letzte Laut entschlief.«

Ha, zerre du nur an begrabenem Leid,
     An der alten, zuckenden Narbe!
Hellauf! Die Heide ist öd' und weit;
Frisch über den Abgrund! Der Tod meine Maid!
     Schwarz, Rappe, – schwarz, schwarz meine Farbe!
Hinüber! Und ging's in der Hölle Grund!
Keck küss' ich den Tod auf den klappernden Mund!
     Sie kann ich doch nimmer vergessen.

3. Die Beichte im Klosterchor

Sahst du sie schon, des Nordens Palmen, ragen,
     Schlank, wie am Sinai, am Strand des Nil?
     Sahst du sie stolz die volle Krone tragen?

Es schlingt, Blatt über Blatt, ein bunt Gewühl
In des Gewölbs geheimnisvollen Schatten
Sich ineinander, wie ein lieblich Spiel.

Ihr Meister, die einst mitgerungen hatten,
     Am Grab des Herrn, ihr saht es schöner kaum,
     Wenn aus dem Sand, aus öden Kaktusmatten

Ein blühend Eiland aufstieg, Baum an Baum,
     Und, während rings die Wüste lautlos schmachtet,
     Fast wie ein längst vergeß'ner Heimattraum.

Von grünem Dunkel üppig tief umnachtet.
     Ein Bächlein murmelnd unter Wurzeln quellt,
     Daß auf den Knien ihr lautweinend dachtet

Des Gottes, der den Wurm im Staub erhält;
     Und an der Palmen schlankem Schafte schossen
     Die Blicke auf in eine andre Welt.

Die Jahre flohn; ihr kehrtet heim; es gossen
     Erinnerungen durch das fromme Werk
     Den Geist, der damals brünstig euch umflossen;

Ihr bliebt nicht unten, wie Alraun und Zwerg;
     Rauh, wie der deutsche Boden ihn gegeben,
     Grubt ihr den Stein aus eurem starren Berg;

Bald saht ihr wachsen und gen Himmel streben
     Die Haine der granitnen Palmen, wie
     Ein Wüsteneiland in dem Wüstenleben. –

Im hohen Klosterchor von St. Marie
     Ist's stille worden; nur ein einz'ger Beter
     Beugt dort am Pfeiler lautlos noch das Knie;

Und jetzt, auf seinen Stab sich lehnend, steht er;
     Ein Pilger ist's, die Muschel auf dem Hut
     Und das verdorrte Zweiglein einer Zeder.

Er harret lange; ob er müde ruht
     In frommem Sinnen? Will er ferne bleiben
     Den Stürmen draußen und des Tages Glut?

Hier dämmert's; vor den bunten Fensterscheiben
     Sieht rot und blau, in Farben wunderklar.
     Den Weihrauch er hinauf zum Himmel treiben.

Ruh' atmet's rings um Pfeiler und Altar,
     Wo über manchem Haupte, das gealtet
     In Hitz' und Wetter, Kämpfen und Gefahr.

Wo über manchem Herzen, das noch spaltet
     Des Lebens falsche Lust, des Lebens Leid,
     Die Wölbung fromm die schweren Finger faltet. –

Rings atmet Frieden; unterm härnen Kleid –
     Hat diese Brust den Frieden nicht gefunden,
     Und unterm Kreuze, hochgebenedeit?

Hat er umsonst sich ehrenvolle Wunden
     Vielleicht geholt im fernen Morgenland
     Und nur dies heiße Herz nicht überwunden?

Es klopft noch; glühend hat es fortgebrannt
     Am See Tiberias, in Jordans Welle
     Und in der Wüsten gluterstarrtem Sand;

Noch flammt des Auges ruhelose Helle; –
     Ha, Vollmar, du?! Was soll der Mummenschanz,
     Das trügerische Kleid an heil'ger Stelle?

Dein ehrlich Herz, erprobt im Waffentanz,
     Hat hinter Schein und Lüge sich verkrochen?
     O Liebe, Liebe, wer ermißt dich ganz?

Er regt sich nicht; er hat kein Wort gesprochen;
     Lautlos, ein Marmorbild, beugt er sich vor
     Und atmet tiefer, bebend, wie gebrochen.

Sie singen drüben; 's ist der Nonnen Chor;
     O unter tausend wirren Stimmen fände
     Den reinen Silberklang sein lauschend Ohr;

Sie ist's, sie ist's! – Es suchen seine Hände
     Und falten sich zum seligen Gebet.
     »Sie ist's, sie ist's, – mein Anfang, und mein Ende!«

Jetzt schweigt die Mette; durch den Tempel weht
     Der Friede Gottes, und in langen Reihen
     Nah'n sich die Nonnen, wo der Pilger steht.

Da schreckt er auf. »Sie wird mir's nicht verzeihen,
     Daß, wie ein Dieb, mein einzig Glück ich stahl;
     Soll ich der Lüge noch ein Opfer weihen.

Um dich zu sehn, mein Lieb, zum letztenmal?
     Nein nimmermehr! Vor dir will ich nicht fallen!
     Dort in den Beichtstuhl dringt kein lichter Strahl!« –

Sie ziehn vorüber; ihre Schleier wallen
     Fast lautlos durch des Kreuzgangs schwer Gewind'
     Und still wird's wieder in den stillen Hallen.

Da rauscht es ihm zur Seite; ist's der Wind?
     Er fühlt den Atem warm und Laute wehten
     Durchs Gitter, daß das Herzblut ihm gerinnt.

Dann flüstert es: »Ich sah euch lange beten
     Und euer geistlich Kleid verleiht mir Mut:
     Ihr habt schon manchen rauhen Pfad betreten

Und wißt, was einem Herzen wehe tut.
     Ihr seid wohl auf dem Weg zum heil'gen Lande;
     Vergeßt mein Flehn nicht über Berg und Flut!

Ihr sollt mir lösen meiner Sünden Bande
     An heil'ger Stätte, wo Er selber ging,
     Den Gottes Liebe auf die Erde sandte.

Ich hab' geliebt; mein ganzes Herze hing
     – Ich wußte nicht, wie Herz in Herz zerrinne? –
     An einem Wesen, das mich warm umfing.

Wie man die Blumen liebt im Kindersinne,
     Wie man der Lerche lauscht im grünen Holz:
     So liebt' ich ihn und wußte nichts von Minne.

Er war nicht reich, nicht mächtig; all mein Stolz
     War seine Liebe, wenn in seinem Blicke
     Der Himmel und die Erde mir verschmolz.

Es soll nicht sein, – und meinem Kinderglücke
     Hab' ich entsagt; ich blickte himmelwärts
     Und beugte mich dem stärkeren Geschicke.

Doch ich zerbrach nicht; o, ein Menschenherz
     Braucht lange, bis es aufgehört zu schlagen;
     Ja, wär's aus Stein gemeißelt, oder Erz:

Es müßt ja brechen! Seine Wunden tragen
     Kann's, wie unsterblich, durch die lange Nacht
     Des Lebens unter Hoffen, unter Zagen.

Es muß verbluten! – Nein, aus tiefstem Schacht
     Quillt immer noch ein Tropfen leise, leise,
     An den du in dem Jammer nicht gedacht!

Ach, Klostermauern heilen ja die heiße,
     Die offne Wunde nie. Ich liebe noch,
     Ich fleh' umsonst hinauf zum Himmelkreise

Um Ruhe. Ist der Himmel denn so hoch?
     Ich seh' nur ihn durch meine nassen Lider!
     Mein einz'ger Trost sind meine Tränen noch;

Ich sinke schlaflos auf mein Lager nieder,
     Ich netze meinen Schleier, bis es tagt,
     Und am Gebet für ihn erwach' ich wieder.

Ihr schweigt? Man hat mir's hundertmal gesagt:
     Es gibt für mich auf Erden kein Vergeben,
     So lang die Sünde noch am Herzen nagt;

Ein krankes Träumen war's, ein kindisch Beben,
     Da ich euch sah, – als hätt' euch Gott das Wort
     Der Gnade für mein armes Herz gegeben.

O könnt' ich mit euch ziehn von Ort zu Ort,
     Im härenen Gewand, mit nackten Füßen,
     Durch Berg und Tal, aus diesen Mauern fort;

O dürft' ich all die heil'gen Stätten grüßen,
     Von Bethlehem bis Golgatha hinan,
     Wo Er für unsre Sünden mußte büßen!

Ich fände Ruhe, was ich auch getan; –
     Er ist kein Mensch; Er kennt das Wort: Erbarmen:
     Wo Er geblutet, denkt Er noch daran.

Drum nehmt sie mit, die Tränen einer Armen;
     Ihr tragt sie leicht hinweg, so schwer sie sind;
     Ihr seid nicht hart; das Herz muß euch erwärmen

An meines Jammers bitt'rem Angebind,
     Und wenn ihr kniet vor jenen heil'gen Gittern
     Des Grabes, – betet für das arme Kind!« – – –

Da hielt er's nimmer! Mauern könnt' er splittern; –
     Ein Laut nur war's, der jener Zeit gedacht,
     Ihr Name war's, was seine Lippen zittern;

Er wußt' es nicht; – ein Schrei durchschnitt die Nacht;
     Die Pfeiler beben, die Altäre wanken;
     Horch, wie das ganze Kirchgewölbe kracht.

Horch, wie des Echos schrille Stimmen zanken
     Vom Leichenstein im Winkel zum Portal, –
     Wie sie ums ew'ge Licht dämonisch Wanken!

Hu, wie die Geister drunten allzumal
     Wach werden, die auf Auferstehung hoffen,
     Sich fragend, wer den Schlummer ihnen stahl? –

Allein und stumm, – fast wie vom Blitz getroffen
     Starrt Volkmar in der Wölbung Nacht – und doch
     Ist ihm, als sähe er den Himmel offen.

4. Die Kaiserkrone.

          Wer sitzt am Marmeltische
               So trüb und bleich?
          Das ist der stolze Herzog
               Von Österreich;
Die Stille, die dumpf seine Stirne umzogen,
Schleicht durch des Saales fürstliche Bogen;
Manchmal flüstern hinter den Säulen
Lüfte, die schaudernd vorübereilen,
     Klänge, die sich in die Halle verirrten.

          Die fröhlichen Genossen –
               Sie gingen fort;
          Kein Lied erschreckt das Schweigen,
               Kein lautes Wort;
Der Wein ist verschüttet; in purpurroten
Tropfen sucht er zum steinernen Boden,
Wie im Verließe mit einsamem Klopfen
Langsam die Mauern zur Erde tropfen,
     Zählend, wie lange die ewigen Nächte.

          Das Glas ist ihm zersprungen,
               Noch eh' er trank;
          Im leeren, tiefen Grunde
               Sein Blick versank;
Und durch die runden, spiegelnden Scheiben, –
Wenn sie am Monde vorübertreiben,
Greifen nach dem zerbrochenen Becher
Schaurige Gäste, schweigende Zecher,
     Wolken mit riesigen Schattenarmen.

          Er winkt und eine Krone –
               Die bringt man gleich;
          Auffährt der stolze Herzog
               Von Österreich;
Das ist die Krone vom heiligen Reiche;
Blutrot glänzt sie, die sonnengleiche;
Wert ist sie's, ewig gepriesen zu werden;
Schwer ist ihr Gold, wie keines auf Erden;
     Bebte die Hand doch, die eisengewohnte!

          Und wieder winkt der Herzog
               Zum Knaben hin:
          »Bring Apfel mir und Szepter
               Und Hermelin!«
Und hell von des Stabes goldenen Spitzen
Steinerne Tränen demanten blitzen;
Trotzend rauschten die purpurnen Falten,
Die ihm die mächtige Schulter umwallten;
     Herzog, Herzog, hörst du sie rauschen?

          Und aber winkt der Herzog,
               Der Knabe kehrt;
          Er trägt – und kaum vermag er's –
               Das Kaiserschwert;
Scharf hat sein schneidender Glanz ihm gewunken;
Hat es wohl kaiserlich Blut schon getrunken?
Zauberschwert, schlummernd im güldenen Kasten,
Kannst du nicht ruhen, kannst du nicht rasten,
     Wunden, blutige Wunden zu schlagen?

          Dem Knaben im stillen Saale
               Es nimmer gefiel;
          Der Herzog bleibt alleine
               Bei seinem Spiel:
»Mein funkelndes Schwert, was flimmerst du schaurig?
Wallender Purpur, was flüsterst du traurig?«
Ha, wie die schwarzen, die nachtumhüllten
Blicke sich durstig senkten und füllten
     Mit der Krone leuchtendem Golde!

          Er hat für sich gesprochen
               Manch leises Wort;
          Wer möchte ihn belauschen
               Am einsamen Ort?
Doch hinter den Säulen, im nächtlichen Dunkel,
Siehst du der Augen leuchtend Gefunkel?
Waren's zwei Geister, die still ihn bewachten
Und die Gedanken ihm schürten und fachten?
     Adalbert war's und der Fichtenecker.

          Der Mönch in langem Kleide
               Voll trüber Pracht, –
          Er stand, ein schwarz Gewitter
               In finstrer Nacht:
»Habsburg! Vergissest du, was du geschworen?
Hast du die Kraft mit dem Stolze verloren?
Knabe von fürstlichem Heldenstamme,
Suchst du nach Märchen bei deiner Amme,
     Statt nach der Krone des Reiches zu greifen?«

          Der tapfre Fichtenecker
               War wenig froh;
          Im Sturm, im Kampfgewühle
               War ihm nicht so:
»Mein Herzog, was bebst du beim Schwertesklange?
Herzog, was färbt dir die glühende Wange?
Hörst du die Geister der Nächte, die leisen,
Wie sie dich warnend umschweben, umkreisen?
     Flüstert dir keiner von schöneren Zeiten?«

          Und bitter schaut der andre
               Und murret drein;
          Das war Gewittergrollen
               Beim Wetterschein:
»Ja, beuge den stolzen, beuge den wirschen
Sinn nur! Lern' an dem Zügel knirschen,
Kaiserlich Roß! Wohl herb ist die Lehre, –
Süß doch der Rost für die eherne Wehre!
     Herrlich die Krone auf anderer Stirne!«

          Der rauhe Fichtenecker
               Ward wenig froh;
          Im Sturm, im Kampfgewühle
               War ihm nicht so;
»Den Schlachtruf kenn' ich; im freien Gefechte
Schwing' ich das Schwert für das Ehrliche, Rechte;
Feindesblut tränke die heimische Erde;
Bruderblut, Herzog, – wer wäscht dir's vom Schwerte,
     Bruderblut, Herzog, vom glänzenden Wappen?«

          Da fuhr empor der Priester,
               Wie sturmgeweckt
          Der Blitz vom Wolkenlager
               Lautzischend schreckt:
»Pfui, so träume von Schanden und Kummer!
Träume hinein in den ewigen Schlummer,
Bis deine Väter am Sarge dir pochen:
» Der hat das herrliche Wappen zerbrochen!
     » Der, der hat uns die Ehre verloren!«

          Der Herzog schaurig ruhig
               Kein Glied bewegt;
          Das Aug' nur flammt, wenn zürnend
               Der Mund sich regt;
Da plötzlich durch des Saales Pforte
Im Mantel tritt's, ohne grüßende Worte, –
War's ein greiser, vergessener Barde? –
Tönte kein Schloß, kein Riegel knarrte;
     Geisterleise waren die Tritte.

           Verwundert schaut der Herzog
               Den Fremdling an;
          Ihm ward, als hab's ein Traumbild
               Ihm angetan;
Staunend lauschen der Mönch und der Ritter,
Wie er greift in die klingende Zither,
Wie die klagenden Stimmen streiten,
Zaubernd lange begrabene Zeiten,
     Zaubernd lange begrabne Gedanken.

»Sie stießen den Dolch in die Eiche mit Macht;
Drei Schwüre sie schwuren in heiliger Nacht,
Den einen beim Stahl, der ein Zeichen
     Gegraben ins innerste Mark,
Den andern bei Vaterlands Eichen,
          So riesig und stark,
Den dritten bei Thor, der es hörte!«

»Es schwuren die beiden, sich Brüder zu sein
In Kampfesnacht, in Gewitterschein:
»Und rostet die blinkende Klinge,
     Dann schreit zu dir ein verratenes Blut;
O heiliger Thor, dann schwinge
          Der Blitze Glut
Auf den, der die Treue gebrochen!«

»Sie gingen. Der alte verlassene Stamm,
Er sproßte und grünte so wundersam;
Wohl stürzet im brausenden Walde
     Manch knorriger Baum in herbstlicher Nacht;
Doch hat die Eiche, die alte
          Treu fest bewacht
Das heilige Zeichen der Treue.«

»Da hallt es aus Wälschland dumpf und bang;
Wohl gilt einer Krone der wilde Gesang;
Blauäugige Männer, sie schlagen
     Auf Tod und Leben den blutigen Kampf;
Blondlockige Männer, sie tragen
          Beim Rossegestampf
Und Schwertklang zu Grab, was sie schwuren.«

»Und Nacht war's und still und in rotem Blut
Vom Bruder erschlagen der Bruder ruht;
Zwei Leichen so wild, so verwettert!
     Dazwischen der Krone, der Krone Gold
In tausend Stücke zerschmettert,
          Und perlend rollt
Der Bluttau der Reue darüber.«

»Und fern im Nord, in der Heimat Tal,
Dort rostet im Eichbaum der blinkende Stahl;
Schwer rauscht es im mächtigen Wipfel,
     Und plötzlich schüttelt's das innerste Mark;
Da neigt er den stolzen Gipfel,
          So riesig und stark,
Und neigt' ihn und stürzte zusammen!« –

               Im Saale war verklungen
                    Das Saitenspiel;
               Die Laute lag am Boden,
                    Der Mantel fiel;
Und ein Jüngling, von goldenen Haaren umflogen,
Stand vor dem Herzog, die Wehre gezogen
Hoch in den Lüften, – die Wangen glühend,
Augen ihr blaues Feuer sprühend, –-
     Stand wie des Vaterlands rächender Engel, –

               Die Lippen halb geöffnet; –
                    Das Donnerwort,
               Ein Fürstenherz zu sprengen,
                    Erstarb wohl dort! –
Doch Friedrich – er schlug die Augen nieder;
Bebend durchzuckt es die mächtigen Glieder;
Und als er aufsah, da war's verschwunden,
Und nur der Mönch und der Ritter stunden
     Zitternd, als hätten sie Geister gesehen.

               Der Herzog schaurig ruhig –
                    Er sah sich um;
               Das Auge ohne Leuchten,
                    Der Mund war stumm;
Und nach der Krone kalt und bedächtig
Griff er, und faßte sie sicher und mächtig;
Wie wenn ein feindliches Haupt er träfe,
Drückt er sie fest auf die marmornen Schläfe;
     Blutige Tropfen rannen zur Erde.

5. Am Kloster.

Sie hatten den Rappen die Hufe gedreht
     Und jagten mit flatterndem Zügel;
Der mächtige Schweif und die Mähne weht
     Im Wind, wie gespenstige Flügel.

Jetzt fliegt Jung Volkmar, jetzt Kurt voran,
     Kein lustiges Rennen sie halten;
Wenn die Pferde straucheln auf weichem Plan,
     Hört mürrisch man schelten den Alten.

Da sieht er zurück verstohlen sacht
     Und wieder klirren die Sporen;
Dort hinten liegt Wien, in Nebel und Nacht
     Begraben mit Türmen und Toren.

»Sporn', sporne! wir sind noch viel zu nah
     An dem verzweifelten Neste!
Wer mich im Leben je reiten sah,
     Der sieht heute Nacht das beste!«

»Das hat man vom Liebeln um Hecken und Hag,
     Das hat man vom Küssen und Kosen,
Wenn die liebe Nacht und den langen Tag
     Man träumet von Disteln und Rosen!«

»Und hätten die Schergen dich draußen ertappt
     In deinem Traumparadiese:
Was hätt'st du von deiner Liebe gehabt
     In des Herzogs verfluchtem Verließe?« –

»Ich habe getan, was der Kaiser befahl;
     Das hab' ich dir niemals verhohlen;
Und wenn einen Kuß ich dazwischen stahl,
     So hab' ich ihn dir nicht gestohlen!«

Den Rappen spornt er, und lacht hellauf
     Und beißt in die Lippen die Zähne,
Und weiter ging's und es flattert im Lauf,
     Wie gespenstige Flügel, die Mähne,

Dort ragen die Mauern von St. Marie,
     Jung Volkmar im Sprunge vom Pferde:
Hier halt' ich noch einmal, hier grüß' ich sie,
     Hier trau' ich der Lieb' und dem Schwerte.

»Ins Teufels Namen!« Der Alte flucht;
     »Drum siehst du die Rosenhecken!
Fahr wohl, mein Junge! Wer's selber sucht,
     Mag's haben und bleibe drin stecken!«

Im Walde verhallte der Abschiedsruf,
     Im Nebel verschwindet der Ritter;
Noch horchte der Junge dem flüchtigen Huf
     Und band sein Rößlein ans Gitter.

Am Graben hinunter, vorbei am Hag,
     Dort schleicht er gebückt und lauschet;
Es scheint der Mond, als war' es Tag;
     Der Klosterbrunnen rauschet.

Er schwingt sich empor gewandt und keck
     Wohl durch die zerfallenen Scharten;
Er steht im heimlichen Versteck
     Im stillen Klostergarten.

Die Zelle kennt er, das Fenster schon
     In bleichen Klostermauern;
Er singt, daß rings beim leisen Ton
     Die welken Blätter schauern.

          »Still ist's in deinem Garten;
               Die Rosen sind verblüht,
          Die Blumen rings erstarrten,
               Des rauhen Lebens müd.

          Was willst du mit dem Strauße,
               Schon welk in deiner Hand?
          Was trägst du dir nach Hause
               Des Todes totes Pfand?

          Dein Aug' mit trübem Schauen, –
               Wird ihm kein Sonnenlicht?
          Und deine Tränen tauen,
               Doch, wie der Frühling, nicht.

          So laß die Blumen warten.
               Bis neu die Sonne glüht;
          Still ist's in deinem Garten,
               Die Rosen sind verblüht.

          Viel lieber, als der Tränen Quell,
               In deinen Äugelein allstund
               Viel lieber säh' ich lächeln
               Den rosenroten Mund.

          Und muß ich stehen auf der Stell'
               In kalter Winternacht allein,
               Und mußt du drinnen knien
               Auf hartem Marmelstein:

          Will ich doch singen froh und hell,
               Wie man sich herzet, wie man minnt.
               Bis du mir wieder lächelst,
               Du wunderlieblich Kind!

          Trauern trübe Träume noch
               Immer um das alte Glück?
               Lust und Lenz, – die Liebe nicht
               Geht und kehrt zurück.

          Stille stehn die Sterne dort.
               Die so manchen Schwur erprobt;
          Roten Rosen, raschem Glühn
               Hab' ich nichts gelobt.

          Blumen blühn und blühen ab
               In der kurzen Stunde schier;
          Sterne stehn in stiller Ruh'
               Ewig über dir.

          Du kniest in deiner Zelle
               Vor dem Marienbild;
          Ich reit' in bleicher Helle
               Durchs öde Schneegefild.

          Die Lerchen all, die lieben,
               Sie zogen dir davon;
          Du bist allein geblieben;
               Des weinst du lange schon.

           Die Nachtigall begraben –
               Das macht das Herz mir weh';
          Ich hör' mein Pferd nicht traben,
               So leise geht's im Schnee.

          O Lenz und Lieb' und Lieder!
               Warum so bang, so still?
          Der Frühling kommt ja wieder.
               Wenn man's nur glauben will!«

Der Nachtwind lauscht um Grab und Gruft;
     Der Mondschein zittert darüber;
Einen Blick noch hinauf, einen Kuß in die Luft,
     Und – 's ist alles, ja alles vorüber.

Er springt von der Mauer– – ho, ho, da sieh!
     Ein Reiter beim Pferde des Knappen;
Hell rasseln die Klingen; »zieh, Reiter, zieh!
     »Ich lass' dir umsonst nicht den Rappen!«

Da lacht sein Kurd, daß das Echo schallt:
     »Sitz' auf und lasse dein Spaßen!
Und bist du zu jung, so bin ich zu alt;
     Ich werde dich stecken lassen!?« – – –

Und als im Kloster, am Morgen früh,
     Die Glocken tönten zur Mette,
Und als die Nonnen in trüber Müh'
     Das Lämplein zünden am Bette:

Da fahrt eine Hand, wie Schnee so weiß,
     Durch blonde, wallende Locken;
Da lächelte sie und flüsterte leis
     Und lauschte verwundert der Glocken.

»Mir war, – ach, weiß ich doch selber kaum.
     Woher das glückliche Wähnen?
Mir ist, als hätt' mir ein seliger Traum
     Getrocknet die brennenden Tränen!«


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