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Chor:
Reichbesuchtes, edelgesinntes und gastliches Haus des Mannes,
Dich wählte der pythische Gott, Apoll mit goldner Laute, selbst zur Wohnung,
Geruht' in deinen Räumen der Viehherden Hirt zu werden.
In den Triften der Flur, entlang Quertälern und Halden tönt' sein Spiel
Herdensegnender Lieder!
Daß entzückt mitweideten scheckige Luchse vom Sangeston, und
Vom Othrysgebirge die Horde feuergelber Löwen kam gezogen,
Und buntgefleckte Rehe um dein Saitenspiel, o Phoibos,
Sich bewegten, behenden Sprungs hochwipflige Tannen lassend vor
Lust an fröhlichen Klängen.
Drum wohnt er gesegnet, und sein
Ist das herdenreichste Gehöfte entlang
Klarer Flut des boibischen Sees, und er setzt
Seinen Gebreiten und Ackergefilden zur Markung den Himmel ob dem
Molossergebirg an der Sonnenfahrt nächtlicher Ruh,
Herrschet beim Ägäischen Meer um Pelions hafenlose Küsten.
Jetzt öffnet er wieder sein Haus,
Und mit nassen Wimpern empfängt er den Gast,
Weinend um die Leiche der teueren Frau,
Welche soeben verschied. Denn es leitet zur Achtung der Seelenadel,
Im edlen Gemüt sind der Weisheit Grundtiefen und Höhn!
Und mein Herz hegt festes Vertraun: dem frommen Mann muß es wohlergehen!
(Die geschmückte Tote wird aus dem Haus getragen. Um die Bahre ordnet sich der Leichenzug)
Admetos:
Gewogner Beistand, Männer vom Pheraierstaat,
Die Leiche, völlig ausgestattet, trägt bereits
Der Diener Arm mit allem hin zur Grabesstatt.
Begleitet ihr die Hingeschiedne, wie's gebührt,
Mit einem Gruß des Scheidens auf dem letzten Weg!
Chor:
Wohl! Doch ich sehe deinen Vater wandeln her
Mit greisem Fuß und Diener, deren Hände Schmuck
Und Totenzierat tragen deinem Ehgemahl.
Pheres:
Ich komm, um Anteil deinem Leid zu weihen, Sohn!
Dir ist ein trefflich, tugendhaftes Weib geraubt!
Wer wird es leugnen? Dennoch ist's Notwendigkeit,
Sich dem zu fügen, sei's zu tragen noch so schwer.
Nimm diesen Schmuck hier, daß er mit ins Grab hinab
Ihr folge! Wert der Ehren ist ihr teurer Leib,
Die ihre Seel um deine Seele gebend starb,
Nicht kindeslos mich machte, deiner nicht beraubt
Im gramgebeugten Alter mich verkümmern ließ
Und Ruhm erworben hat dem ganzen weiblichen
Geschlecht, indem sie diese mutige Tat bestand!
(Zu der Toten gewendet)
O Retterin meines Sohnes, die mich selbst vom Fall
Hat aufgerichtet, fahre wohl, und wohl ergeh's
Dir noch im Hades! Solche Ehen, sag ich, sind
Der Männer Segen; sonst ist besser nicht gefreit!
Admetos:
Unaufgefordert nahst du diesem Leichenzug,
Und unwillkommen ist mir deine Gegenwart,
Und deinen Schmuck legt diese nie und nimmer an.
Sie wird bestattet und bedarf des Deinen nicht!
Anteil zu zeigen stand dir zu in meiner Not;
Dort ferngeblieben und das Sterben, so betagt,
Der Jüngern lassend, klagst du um die Leiche nun?
So bist du meines Leibes echter Vater nicht,
Noch ist die sogenannte, so sich nennende
Die echte Mutter, und ich bin von Sklavenblut
Und heimlich an die Brust geschoben deinem Weib.
Du hast die Prüfung nicht bestanden, bist entdeckt!
Ich acht mich nicht als deinen Sohn, von dir gezeugt!
Gewiß an Feigheit übertriffst du alle Welt,
Der, so bejahrt, am Ziel des Lebens angelangt,
Den Willen nicht, den Mut zu sterben nicht besaß
Für seinen Sprößling, sondern dieses fremde Weib
Eintreten ließ, die ganz allein mit Recht von mir
Als Vater und als Mutter angesehen wird.
Und doch, du hättest einen schönen Kampf gekämpft,
Für deinen Sohn dich opfernd. Denn nur kurze Frist
War dein im ganzen noch vorhandner Lebensrest,
Und ich und diese lebten unser Leben aus.
Und war dir doch geworden, was ein Glücklicher
Begehren kann: in kräftiger Jugend auf dem Thron,
Und mich als Sohn besitzend und Erbfolger dann,
So daß du sterbend ohne Leibeserben nicht
Zur Beute Fremden ließest ein verwaistes Haus.
Und sage nicht, du hast mich preisgegeben, weil
Ich nicht dein Alter ehrte! Denn mit Achtung bin
Ich dir zumal begegnet. Dafür hast du mir
In dieser Art vergolten wie die Mutter auch!
Drum säume nicht und schaff dir andre Kinder an,
Die dein im Alter pflegen und den Toten einst
Noch liebend schmücken, auf der Bahre ausgestellt.
Denn ich bestatt mit meiner Hand dich nimmermehr.
Denn was an dir lag, bin ich tot – genieß ich noch
Das Licht durch Wohltat andren Retters, nun, so nenn
Ich dessen Sohn mich, will ihm Kindespflichten weihn.
Ein leeres Wort ist's, wenn ein Greis den Tod sich wünscht,
Das Alter lästert und die lange Lebenszeit:
Erscheint die Todesstunde, dann will keiner mehr
Verscheiden, und das Alter ist ihm keine Last.
Chor:
Stell ein den Hader! Denn das gegenwärtige Leid
Ist groß genug schon. Reize nicht des Vaters Herz!
Pheres:
O Sohn, was denkst du? Steht ein Lyder, Phryger, ein
Um Geld gekaufter Sklave vor dir, den du schmähst?
Bedenkst du, daß ich edel freigeboren bin,
Thessalischer Bürger und thessalischen Vaters Kind?
Welch übermütge Schmähung! Hingehn soll dir's nicht,
So heftige Lästerung auszuschütten über mich!
Zum Herrn des Hauses hab ich dich erzogen und
Gezeugt; für dich zu sterben aber brauch ich nicht.
Daß Väter für die Söhne sterben, hab ich nicht
Ererbt als Ahnensitte nach hellenischem Brauch.
Dein Glück und Unglück hast du für dich selber, wie's
Auch falle – was ich schuldig war, das gab ich dir.
Du gebietest über vieles, viele Morgen Lands
Empfingst du, wie mein Vater mir sie hinterließ.
Wo ist das Unrecht? Was entzog, was nahm ich dir?
Stirb du für mich nicht, und ich sterbe nicht für dich.
Dich freut das Leben – deinen Vater freut es auch!
Die Zeit im Grab ist lang genug, so dünkt es mir;
Das Leben währet kurze Frist, doch ist sie süß.
Du hast ums Leben dich gestritten ohne Scham,
Hast, diese opfernd, überschritten dein Geschick,
Dein dir bestimmtes – klagst der Feigheit hinterher
Mich an, von einem Weib besiegt, du feigster Mann,
Das sich für dich, du feiner Jüngling, opferte?
Ein Mittel, nie zu sterben, hast du klug entdeckt,
Indem du stets die Gattin, die du hast, bewegst,
Für dich zu sterben. Und du schiltst die Deinen dann,
Die dies zu tun sich weigern, selbst ein feiger Mensch?
Sei still und glaube, so, wie du dein Leben liebst,
So liebt es jeder. Sprichst du Schmähung gegen mich,
So sollst du Schmähung hören, und gegründete!
Chor:
Zu viele Schmähung ist zuvor und jetzt gesagt!
Laß ab, o Greis, hör auf zu lästern deinen Sohn.
Admetos:
Sprich nur; auch ich sprach. Wenn die Wahrheit deinem Ohr
Weh tut, so mußt du nur an mir nichts Übles tun.
Pheres:
Am schlimmsten tat ich, wenn ich starb an deiner Statt.
Admetos:
So wär es gleichviel, ob ein Greis, ein Jüngling stirbt?
Pheres:
Nur einmal lebt und stirbt man ohne Wiederkehr.
Admetos:
So leb denn ewig! Lebe längre Zeit als Zeus!
Pheres:
So fluchst du deinen Eltern, und ohn allen Grund?
Admetos:
Ich merkte doch, du wünschest langes Leben dir!
Pheres:
Beerdigst du nicht diese Leiche an deiner Statt?
Admetos:
Von deiner Feigheit ein Beweis, du schlechter Mann!
Pheres:
Sie litt von mir aus nicht den Tod. Das sage nicht!
Admetos:
Oh!
Wie wünsch ich, daß du meiner bald benötigt seist!
Pheres:
Heirate noch recht viele und laß sie sterben so.
Admetos:
Nur deine Schande, der's zu tun sich weigerte!
Pheres:
Oh, süß ist dieses göttlich Himmelslicht! Oh, süß!
Admetos:
Das ist ein feiges Streben, ziemet Männern nicht!
Pheres:
So trägst du lachend doch den Alten nicht zu Grab!
Admetos:
Und also stirbst du ehr- und ruhmlos, wenn du stirbst!
Pheres:
Geschmäht zu werden, wenn ich tot bin, rührt mich nicht.
Admetos:
O weh! Wie ist das Alter ohne Scham und Scheu!
Pheres:
Die hier bewies Scham! Diese fand sich dumm genug!
Admetos:
Hinweg, und laß mich diesen Leib beerdigen!
Pheres:
Ich geh! Ihr eigner Mörder du, begrabe sie!
Du gibst dafür noch deinen Schwähern Rechenschaft!
Fürwahr, Akastos wäre wohl kein rechter Mann,
Wofern er nicht der Schwester Blut von dir begehrt.
(Ab)
Admetos:
Fahr hin mit deiner Ehehälfte! Altert hin,
Kindlos bei eures Sohnes Lebzeit, wie's gebührt!
Du sollst mit mir nicht unter einem Dache mehr
Verweilen! Müßt ich selber dir den Ahnenherd
Aufkünden durch Herolde, tät ich's ohne Scheu!
Wir aber – einmal muß ich doch den Schmerz bestehn –
Ziehn hin und geben diesen Leib dem Scheiterbrand.
(Die Tote wird davongetragen)
Chor:
Io, io! starkmutiges Herz,
O edles und einzig herrliches Weib,
Fahr wohl! Hades empfang dich mit Huld
Drunten und Hermes! Und findet daselbst
Der Gerecht' einen Lohn, dir werd er zuteil
Zur Seite der Hades-Vermählten!
(Der Chor schließt sich dem Zuge an. Der Diener tritt auf)
Diener:
Schon manche Fremde weiß ich und aus manchem Land
Im Haus Admets hier eingekehrt und habe sie
Bedient beim Mahle; aber keinen schlimmern Gast
Als diesen nahm ich je noch auf an unsrem Herd,
Der erstlich eintrat, da er doch die Trauer sah
Des Herrn, und unbedenklich durch die Pforte schritt
Und zweitens, wissend von dem Unfall, keineswegs
Bescheiden hinnahm jede dargebotne Gab,
Nein, wenn noch etwas fehlte, rasch es bringen hieß!
Und trank, den Efeubecher fassend mit der Hand,
Der braunen Mutter Rebe lautren, reinen Saft,
Bis ihn die Glut erwärmte und ihm zu Kopfe stieg
Der Geist des Weins, und kränzt' die Stirn mit Myrtenlaub,
Mißhellig heulend. Töne schollen zweierlei:
Der drinnen sang, um seines Wirtes Trauerfall
Ganz unbekümmert; wir, die Diener, jammerten
Um unsre Herrin, ohn ein nasses Auge doch
Dem Gast zu zeigen, weil Admet es so gebot.
Und jetzt bewirt ich drinnen diesen fremden Gast,
So einen frechen Räuber und nichtswürdgen Dieb,
Und sie ist fortgezogen, und ich folgt ihr nicht,
Erhob zum Abschied nicht die Hand, beweinte nicht
Die Herrin, die mir und dem Hausgesinde stets
Eine Mutter war, den Zorn des Herrn begütigend
Vor tausend Strafen schützte! Hab ich also Grund,
Den Gast zu hassen, der im Leid gekommen ist?
(Herakles tritt heraus mit bekränztem Haupt)
Herakles:
Du da, warum so kummervoll, so feierlich?
Aufwärter müssen Gästen nicht mit düstrem Blick
Begegnen, nein! leutselig und gesprächig sein!
Ein trauter Freund, sieh, deines Herren kommt zu dir,
Und du empfängst ihn mürrisch mit gefurchter Stirn,
Indem dich ein auswärtiger Todesfall verstimmt.
Komm her, damit du doch ein bißchen weiser wirst!
Das menschlich Leben, weißt du, wie's beschaffen ist?
Ich glaube schwerlich! Denn woher auch? Höre denn:
Sieh, allen Menschen ist der Tod beschieden, und
Es gibt auf Erden keinen, welcher sicher weiß,
Ob auch der nächste Tag ihn noch am Leben trifft.
Des Glückes Laune ist ungewiß, wohin sie führt,
Nimmt keine Lehr an, keine Regelung durch Geschick.
Nun, wenn du dies vernommen und begriffen hast,
So lebe lustig, trinke; nur der heutige Tag
Gehört dir eigen, alles andre nur dem Glück.
Und opfre auch der Göttin Kypris, die so süß
Dem Menschen, deren Wesen höchst wohltätig ist!
Das andre da laß fahren hin und folge mir
Und meinem Rat, wofern er wahr und richtig scheint.
Ich glaub, er ist es! Also weg mit diesem Gram,
Und schreit hinein durch dieses Tor und trink mit mir,
Vom Kranz umschattet! Und ich bin gewiß, daß dich
Aus dieser düstren, zugeschnürten Laune wohl
Des Bechers muntres Schwingen bald flott machen wird!
Der Sinn des irdischen Menschen muß auch irdisch sein,
Indem den Feierlichen, Stirnerunzelnden
Das Leben, wenn man meinem Urteil trauen will,
Stets nur ein Elend und kein rechtes Leben ist!
Diener:
Das weiß ich wohl. Doch unsre gegenwärtige Lag
Ist nicht von der Art, daß ihr Scherz und Zechen ziemt.
Herakles:
Die Gestorbne war kein Glied des Hauses. Traure nicht
Zu sehr, die Herrschaft dieses Hauses lebt ja noch!
Diener:
Sie lebt? Du weißt nicht, wen das Haus verloren hat!
Herakles:
Ich weiß es, wenn mich dein Gebieter nicht belog!
Diener:
Ach, gar zu gastlich, gar zu liebreich ist er stets!
Herakles:
Sollt ich der Wohltat missen um ein fremdes Weib?
Diener:
O ja! 'ne recht auswärtige, landesfremde Frau!
Herakles:
So hätt er einen Hauptverlust mir nicht entdeckt?!
Diener:
Gehab dich wohl! Wir trauern um ein Leid des Herrn!
Herakles:
Die Äußerung zielt auf keinen fremden Todesfall!
Diener:
Ich sähe sonst dein Zechen nicht mit Ärger an!
Herakles:
Hat mich mein Gastfreund hier zum besten? Höhnt er mich?
Diener:
Du bist zur Unzeit angelangt und eingekehrt:
Wir haben tiefe Trauer. Dies beweisen dir
Die schwarzen Kleider und die Haarschur.
Herakles: Wer ist tot?
Trägt man ein Kind? den greisen Vater hin zur Gruft?
Diener:
Nein, Herr! Admets Gemahlin ist es, die verschied.
Herakles:
Was sagst du? Und ihr nahmt mich auf? Bewirtet' mich?
Diener:
Nun freilich! Denn dich abzuweisen scheut' er sich.
Herakles:
Entsetzlich! Welche Ehgenossin! Armer Freund!
Diener:
Wir alle sind vernichtet, nicht nur sie allein!
Herakles:
Ich merkt es freilich, seiner Augen Tränen und
Sein Haar und Miene sehend; dennoch glaubt ich ihm,
Daß diese Leichenfeier einer Fremden gilt.
Trotz meiner Ahnung überschritt ich diese Schwell
Und trank im Haus des Mannes, der so gastlich ist
Bei diesem Zustand! Und ich zeche noch, die Stirn
Vom Kranz umschattet?! Aber daß du's mir verschwiegst,
Daß ein so großer Jammer auf dem Hause liegt!
Wo wird sie jetzt beerdigt? Wo nur find ich ihn?
Diener:
Am graden Wege, welcher gen Larissa führt,
Dort bei der Vorstadt siehst du ein gemeißelt Grab.
Herakles:
O Herz und Mut, der schon so manches kühn gewagt,
Beweise jetzt, wie tapfer dich Elektryons Kind
Dem Zeus, Alkmene von Tirynth, geboren hat!
Denn unverzüglich muß die hingeschiedne Frau
Gerettet werden und ins Haus zurückversetzt,
Alkestis, und Admeten Gunst erwiesen sein!
Ich geh, dem schwarzbeschwingten Leichenfürsten selbst,
Dem Tode, aufzulauern. Leicht wohl treff ich ihn
Beim Opfermahl, sich setzend in des Grabes Näh.
Und wenn ich ihn dann packe, aus dem Hinterhalt
Vorstürzend, und umklammre mit dem Reif des Arms,
Daß ihm die Rippen brechen, soll ihn in der Welt
Niemand entwinden, bis er mir die Tote gibt.
Verfehl ich aber diesen Fang, und kommt er nicht
Zum blutigen Kuchen, dann ins sonnenlose Haus
Der Kore steig ich und des Fürsten keck hinab
Und fordre sie, Alkesten. Und ich bin gewiß,
Ich führ sie wieder in den Arm des Freunds empor,
Der mich ins Haus genommen, nicht verstoßen hat,
So hart geschlagen durch ein schweres Ungemach,
Und mir's verhehlte aus Edelmut und zarter Scheu.
Wer ist, wie er, aufopfernd in Thessalien,
Im ganzen Hellas? Keinem undankbaren Mann
Sei diese Gunst erwiesen von dem edlen Mann!
(Herakles ab)
(Admetos kehrt mit dem Chor von dem Begräbnis zurück)
Admetos:
O weh! O weh! Traurige Rückkehr!
Trauriger Anblick, das verödete Haus!
O weh mir! ach, ach!
Wo verweil ich? Wo bleib ich? Was sprech ich? Was nicht?
Wär ich gestorben!
Unseliger Mann, zum Jammer gezeugt!
Den Gestorbnen ist wohl! Dort sehn ich mich hin!
Sanft ruht sich's im Grab, im finstren Gemach!
Mich freut's nicht mehr, zu erblicken das Licht,
Noch zu wandeln mehr am Boden der Erd –
Ein so teures Pfand hat der Tod mir geraubt
Und die finstere Hölle verschlungen!
Chor:
Tritt ein, tritt ein, ein in Zimmerräume!
Dein Zustand zwar ist Wehklagens wert –
Admetos: Ach! Ach!
Chor:
Herzeleid, gewiß! erfuhrst du –
Admetos: Weh! Weh!
Chor:
Allein dies nützt der Toten nichts –
Admetos: O weh! Weh mir!
Chor:
Nie Blick in Blick der teueren Gattin zu sehn
Ins Antlitz ist freilich schmerzlich!
Admetos:
Du berührest die Wund', ihr blutet mein Herz!
Kein größeres Leid gibt's als den Verlust
Eines treuen Gemahls! Oh, hätt ich doch nie
Mich vermählet, mit ihr nie glücklich gelebt!
Ich beneide den Mann ohne Kinder und Weib:
Um ein Dasein ist Sorgen und Gram
Eine mäßige Last!
Doch Kinderverlust und zärtliche Lieb
Vom Tode zerstört auf ewig zu sehn
Ist erdrückender Gram! Besser, von Anfang
Dies Glück niemals zu besitzen!
Chor:
Dir fiel ein Los schweren, schweren Ringens.
Allein du setzest kein Ziel dem Gram –
Admetos: Ach! Ach!
Chor:
Schwer, gewiß, zu tragen. Dennoch –
Admetos: Weh! Weh!
Chor:
Sei standhaft! Mancher schon verlor –
Admetos: O weh! Weh mir!
Chor:
Ein braves Weib. Im irdischen Leben befällt
Das Leid diesen bald und jenen.
Admetos:
O ewiges Leid um Geliebte und Gram
Um die Teuren im Grab!
Was hieltst du mich ab, mich zu stürzen ins Grab,
In die gähnende Grub, und drunten bei ihr,
Beim herrlichsten Weib, entseelet zu ruhn?
So hätte der Tod zwei Leben für eins,
In Treue vereint, umfangen, dem See
Acheron selbander sich nahend!
Chor:
Mir nahverwandt, büßte ein Mann seinen einzigen Sohn, ein
Tränenwertes Kind, ein
In dem Haus und trug doch
Das Leid gelassen, kinderlos
Bei ergraueten Haaren
Hinwankend zur Gruft, näher dem Grabe wandelnd.
Admetos:
O verwandeltes Haus! Wie tret ich hinein?
Wie wohn ich in dir? Welch ein Umschlag
Des Geschicks! Weh mir! Welch ein Abstand!
Damals im Schein pelischer Fackeln,
Von Liedern umtönt, schritt stolz ich hinein,
Mein trautes Gemahl an der glücklichen Hand,
Und folgte mir nach ein jubelnder Chor,
Der Entschlafenen Glück hochpreisend und mich,
Daß edlen Geschlechts, von Helden entstammt,
Braut und Bräutgam sich einten im Bund!
Und jetzt statt Brautlieds Tränen und Gram,
Und Trauergewand statt festlichen Staats!
Sie führen mich hin
Zum traurig verödeten Lager!
Chor:
Dir hat das Glück immer gelächelt; so bist du des Leidens
Ungewohnt! Gerettet
Ist das Dasein gleichwohl!
Sie starb und ließ dir ihre Lieb.
Ist es neu? Von der Seite
Riß manchem der Tod schon die geliebte Gattin!
Admetos:
Ihr Lieben, meiner Gattin Schicksal dünkt mir noch
Glückselger als das meine, scheint's auch andern nicht.
Denn sie berühren fürder keine Schmerzen mehr,
Aus mancher Trübsal schied sie weg ruhmvollen Tods.
Ich, nicht bestimmt zu leben, lebe gramgebeugt,
Nachdem ich meine Stund umging; nun seh ich's ein!
Wie will ich's tragen, einzugehn in dieses Haus?
Wen grüßend und von wem begrüßet mag ich wohl
Hier frohen Einzug finden? Wohin wend ich mich?
Die Öde drinnen treibt mich fort, indem ich dort
Der Gattin leeres Lager seh, die Stühle leer,
Auf denen sonst sie ruhte, überall im Haus
Den Boden staubig, und die Kinder, mir ans Knie
Gestürzt, der Mutter weinen, Tränen überall
Der Herrin fließen, die dem Haus verloren ist!
So steht's im Haus, und außerhalb vertreiben mich
Die frauenerfüllten Kreise und das Eheglück
Thessalischer Gatten – meiner Frau Gespielinnen
Zu sehen wird mir unerträglich schmerzlich sein.
Und mancher, der mir übelwill, spricht also: "Seht
Den, der mit Schmach lebt, nicht den Mut zu sterben hatt
Und der aus Feigheit seine Gattin opferte,
Den Tod zu meiden! Glaubt er noch ein Mann zu sein?
Und haßt die Eltern, der zu sterben selber doch
Sich scheut'!" Im Kummer diesen Leumund soll ich noch
Ertragen? Ist mir dann das Leben noch Gewinn
In solchem Elend und in solchem schlimmen Ruf?
Chor:
Mein Geist schwang sich zur Dichtung
Und zu himmlischen Dingen und
Forscht' in gründlichem Denken und
Fand nichts Stärkeres als Not-
Wendigkeit; in den thrakischen
Tafeln, welche beschrieben
Sind mit orphischem Spruch, gibt's
Keinen Zauber, von Mitteln für
Leidengeplagte Menschen,
Welche Apollon der Heil-
Kunde verlieh, nicht eines!
Sie allein von den Göttern
Beut sich weder in Bildnis noch
Altar, achtet der Opfer nicht.
Nah im Leben, o Hehre,
Mir nie stärker denn bisher! Selbst
Zeus, was immer er zuwinkt,
Mit dir führt er's zu Ende.
Kein Erbarmen in deinem starr-
Sinnigen schroffen Wollen!
Selbst den chalybischen Stahl
Brichst du entzwei gewaltsam!
Dieser Gewalt eherner Arm schlug dich in Banden. Sei
Standhaft! Wird ja doch niemals die Entschlafne
Durch dein Weinen zurückgebracht!
Selbst Söhne von Göttern schwinden
Hin, umnachtet vom Tod.
Lieb war sie in unsrer Mitte,
Lieb bleibt sie im Tode selbst noch!
Die edelste aller Fraun war
Einst in Wonne mit dir vereinigt!
Nicht wie die Grabstätten Dahinschwindender achten wir
Dieser Seligen Gruft, göttlicher Ehren
Würdig, Wandrern ein Heiligtum!
Und mancher, den Seitenpfad hin-
Wandelnd, spreche das Wort:
"Die starb für den Gatten einstmals;
Jetzt ist sie ein selger Geist! Dir
Heil, Herrliche! Mir gib Segen!"
Also grüßen sie Segensstimmen!
(Chorführer:)
Doch sieh, Alkmenens Sprößling wandelt, wie mir dünkt,
Admet, zu deinem Herde wieder hier zurück.
(Herakles tritt mit einem verschleierten Frauenbild auf)
Herakles:
Aufrichtigkeit muß walten zwischen Freunden und
Kein Tadel bleiben in verschloßner Brust bewahrt.
Admet, ich hätt erwartet wohl, in deinem Leid
Als Freund erprobt zu werden, der dir nahestand.
Doch du verschwiegst mir, daß die Leiche deiner Frau
Läg auf der Bahre, nahmst im Haus mich gastlich auf,
Als gälte deine Trauer fremdem Todesfall.
Die Stirne dann bekränzend, goß ich Spenden aus
Den Göttern hier in deinem tiefbetrübten Haus.
Das muß ich tadeln, tadeln, daß mir dies geschah.
Indes dich kränken will ich nicht in deinem Schmerz.
Weshalb ich aber wieder hier bin, umgekehrt,
Vernimm: du sollst mir dieses Weib bewahren hier,
Bis daß ich mit den Rossen vom Bistonenland
Herkomm und Thrakiens Herrscher mir erlegen ist.
Doch kommt, was Gott verhüt' – er geb mir Wiederkehr! –,
So sei sie zur Aufwärtrin deinem Haus geschenkt.
Durch schwere Arbeit ward sie meinem Arm zuteil.
Ich fand ein Kampfspiel angeordnet irgendwo
Für Ringer jedes Standes, wohl der Mühe wert;
Den Sieg errang ich und gewann zum Preise sie.
Denn wer in leichtren Spielen siegte, der bekam
Zum Lohne Rosse; wer in größren überwand,
Faustkampf und Ringen, führte Rinder heim, dabei
Ein Weib als Dreingab. Weil ich grad anwesend war –
Zu verzichten auf so edlen Lohn, schien mir 'ne Schmach.
Doch, wie gesagt, bewahren sollst du dieses Weib.
Denn keinen Diebstahl, sondern großer Mühen Preis
Vertrau ich dir; du wirst mich loben hinterher!
Admetos:
Nicht aus Verschmähung oder Mangel an Vertraun
Verhehlt ich meiner Gattin herben Todesfall.
Allein es hieß zum Grame Gram noch häufen, wenn
Du mir davongingst in ein andres Freundeshaus:
Mein Leid zu weinen war ich selber mir genug.
Doch dieses Weib laß, wenn es angeht, Fürst, ich bitt,
Zu einem andren Landsbewohner, welcher nicht
In meiner Lag ist, ziehen! Viele Freunde hast
Du hier in Pherai; rege nicht mein Leiden auf!
Ich kann unmöglich, wenn ich sie erblick im Haus,
Die Tränen hemmen. Füge nicht noch neuen Schmerz
Zum Schmerze: schwer schon beugt mich ohnedem der Gram!
Wo soll ich auch ein junges Weib herbergen? Denn
Von ihrer Jugend zeugt der Schmuck und Kleiderputz.
Und soll ihr Platz sein in der Männerwohnung – wie
Sie rein bewahren im Verkehr mit jungem Volk?
Zu zügeln freche Jugend ist, mein Herakles,
Nicht leicht – aus Vorsorg deinetwegen sag ich es.
Und räum ich ihr der Hingeschiednen Kammer ein,
Wie soll ich diese schaffen in ihr Schlafgemach?
Zwiefachen Tadel fürcht ich: von der Bürgerschaft,
Daß man mir vorwirft, schnöden Undanks gegen sie,
Die Retterin, läg ich einem jungen Weib im Arm –
Und dann der Toten, mir verehrungswürdigen,
Ihr bin ich Rücksicht, viele, schuldig. Du, o Weib,
Wer auch du sein magst, wisse, daß du einerlei
Gestalt und Wuchs und Haltung mit Alkesten hast.
Weh mir! Beim Himmel, schaffe dieses Weib hinweg
Mir aus den Augen! Quäle mich Gequälten nicht!
Leibhaftig meine Gattin glaub ich hier in ihr
Zu sehn! Das Herz wallt über, aus den Augen stürzt
Ein Strom von Tränen! Oh, ich schwergeschlagner Mann!
Oh, welche bittre Schmerzen kost ich neuerdings!
Chor:
Ich kann dein Schicksal freilich nicht wohl preisen. Doch
Man muß mit Fassung tragen, was der Himmel gibt.
Herakles:
Oh, hätt ich Macht und Kraft genug, ans Licht empor
Zu schaffen deine Gattin aus der untren Welt
Behausung, dir zu leisten diesen Freundesdienst!
Admetos:
Ich weiß es, daß du's tätest; doch wie soll's geschehn?
Kein Mensch erweckt Gestorbne je zum Leben mehr.
Herakles:
So sei auch nicht so heftig! Trag es mit Gebühr!
Admetos:
Leicht ist's, zu mahnen, schwer, im Leid standhaft zu sein.
Herakles:
Doch was gewinnst du, wenn du ewig weinen willst?
Admetos:
Das weiß ich wohl; allein mich zieht ein mächtiger Reiz.
Herakles:
Die Liebe zur Verstorbnen lockt wohl Tränen her!
Admetos:
Ich bin vernichtet, ärger, als ich's sagen kann.
Herakles:
Ein braves Weib verlorst du. Wer bestritte das?
Admetos:
So daß ich nie im Leben mehr froh werden kann!
Herakles:
Die Zeit hat Balsam; jetzt ist noch die Wunde frisch.
Admetos:
Die Zeit? O ja! Wenn Zeit soviel wie Sterben heißt!
Herakles:
So heilt ein Weib die Wund und Lust zu neuer Eh.
Admetos:
Oh, schweig! Wie häßlich! Hätt ich's doch niemals gedacht!
Herakles:
Wie? Willst du Witwer bleiben, gar nicht freien mehr?
Admetos:
Kein Weib auf Erden soll an meiner Seite ruhn.
Herakles:
Und meinst du wohl, der Abgeschiednen nütze das?
Admetos:
Sie muß ich stets verehren, wo sie immer sei.
Herakles:
Wohl löblich, löblich! Aber Torheit bleibt es doch!
Admetos:
Du wirst mich niemals Bräutigam mehr nennen, nie!
Herakles:
Ich lob es, daß du deine Gattin liebst so treu.
Admetos:
Werd je ich untreu ihr, der Fernen, sei's mein Tod!
Herakles:
So nimm denn diese in dein edles Haus hinein.
Admetos:
O nicht! Bei deinem Vater Zeus beschwör ich dich!
Herakles:
Allein es wird dich reuen, wenn es unterbleibt.
Admetos:
Und wenn ich's tue, bringt es Gram und Herzeleid.
Herakles:
Folg mir! Zum Troste schlägt die Gunst um sicherlich.
Admetos:
Weh!
Oh, daß du diese je im Kampf gewonnen hast!
Herakles:
Allein in meinem Siege hast du mitgesiegt.
Admetos:
Ganz wohl gesprochen! Doch das Fraunbild bleibe fern!
Herakles:
Sie geht, wenn's sein muß; aber prüf erst, ob sie muß.
Admetos:
Sie muß es, wenn du mir darum nicht böse wirst.
Herakles:
Ich habe gleichfalls einen Grund, warum ich's will.
Admetos:
So siege denn, doch tust du, was mir nicht gefällt.
Herakles:
Du lobst mich noch – es kommt die Zeit! Drum folge mir.
Admetos (zu den Dienern:)
Führt die hinein da, weil ich denn sie nehmen muß!
Herakles:
Nein, deinen Dienern überlaß ich nicht das Weib!
Admetos:
So führe denn sie selbst ins Haus, wenn dir's beliebt.
Herakles:
Nein, nur in deine eignen Hände geb ich sie.
Admetos:
Ich rühr sie nicht an. Einzutreten steht ihr frei.
Herakles:
Nur einzig deiner Rechten wird sie anvertraut.
Admetos:
Du tust mir Zwang an! Wider Willen muß ich's tun!
Herakles:
Nur mutig, rühr die Fremde an! Reich her die Hand!
Admetos (mit abgewandtem Gesicht:)
Nun denn, ich faß sie, ein enthauptet Gorgobild!
Herakles:
Du hast sie?
Admetos: Ja!
Herakles: Behalte sie! Bald wirst du auch
Den Sohn des Zeus lobpreisen als hochherzigen Freund.
(Er entschleiert sie)
Blick ihr ins Auge, ob sie deiner Gattin scheint
Zu gleichen! Laß den Kummer fahren, freue dich!
Admetos:
O Gott, wie wird mir? Solches Wunder unverhofft!
Leibhaftig seh ich meine Gattin vor mir stehn!
Zur Entzückung reizt mich wohl ein schadenfroher Geist?
Herakles:
Mitnichten! Deine Gattin ist es, die du siehst.
Admetos:
Oh, daß es nur kein Truggespenst von drunten sei!
Herakles:
Dein Freund ist kein Beschwörer, der die Geister bannt!
Admetos:
So seh ich wirklich mein begrabnes teures Weib?!
Herakles:
Gewiß! Dein Zweifeln an dem Glück befremdet nicht.
Admetos:
Berühren, grüßen soll ich s' wie mein lebend Weib?
Herakles:
Begrüß sie! Alles, was du wünschtest, hast du nun!
Admetos:
O Aug und Leib der liebsten Gattin! Hab ich dich
So wunderbar, und hoffte nie dein Wiedersehn?
Herakles:
Du hast sie! Und der Himmel gönne dir dein Glück!
Admetos:
Du edler Sohn des höchsten Gottes Zeus, o sei
Gesegnet! Und der Vater, der dich zeugte, sei
Dein Schirm! Du hast mich aufgerichtet ganz allein.
Wie hast du sie von drunten her ans Licht gebracht?
Herakles:
Durch Ringen mit dem Fürsten jener Geisterwelt.
Admetos:
Wo, sagst du, fand dies Ringen mit dem Tode statt?
Herakles:
Gerad am Grabe packt ich ihn vom Hinterhalt.
Admetos:
Aus welchem Grunde steht sie lautlos hier und stumm?
Herakles:
Noch darfst du nicht vernehmen Gruß und Wort von ihr,
Bevor von ihr die Todesweihe wiederum
Genommen und der dritte Tag erschienen ist.
Wohlan denn, führe sie hinein und bleibe stets
Gerecht und gegen Freunde treu und fromm, Admet!
Und lebe wohl! Ich ziehe hin, das Abenteur
Zu bestehen, welches Sthenelos' Sohn mir auferlegt'.
Admetos:
O bleibe bei uns und verweil an meinem Herd!
Herakles:
Ein andermal! Jetzt hab ich Eile. Lebe wohl!
(Ab)
Admetos:
So ziehe glücklich, finde Sieg und Wiederkehr!
Die Bürger heiß ich und das ganze Fürstentum
Chortänze feiern ob der Glücksbegebenheit.
Von heilgen Herden wall empor der Opferduft!
Denn umgewandelt ist mein Zustand aus dem Leid
Zur Freude! Ja, ich bin beglückt! Ich leugn es nicht!
(Chor:
Das Göttliche zeigt sich in mancher Gestalt.
Es vollenden die Götter, was keiner geahnt.
Wovon wir geträumt, das verwirklicht sich nicht.
Was unmöglich uns schien, das ist möglich für Gott.
So hat es auch hier sich bewiesen!)