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Das Lied von der Glocke.

in Musik gesetzt von Andreas Romberg.

Eines der beliebtesten deutschen Gedichte erscheinet hier mit Musik für ein ganzes, vollständiges Orchester kunstvoll bearbeitet. Irren wir nicht, so ist dieses der erste Versuch solcher Art, der mit diesem allbekannten, wunderbaren Schillerschen Werke gemacht worden ist. Ob er, der große Dichter, selbst je daran dachte, dieses Gedicht in Begleitung eines vollständigen Chores absingen zu hören, möchten wir nicht behaupten. Es dringt sich nämlich gleich anfangs die Frage auf, ob wohl dergleichen größere, vornämlich mit allem Prunk der Sprache, mit – eher zu viel erhöhter Einbildungskraft ausgeschmückte; ob wohl didaktische und zugleich erzählende Dichtungen geeignet sind, überhaupt in Musik gesetzt zu werden? Hier, wo der Dichter ganz allein so alles in allem ist, daß alles Hinzukommende ein Überfluß scheinen muß, und selbst die rhetorische Deklamation kaum ihren Punkt und Stand zu nehmen weiß; hier, wo Musik bloß Begleiterin sein soll und sich selbst ihrer Reize berauben muß. um ja nicht ihrer ernstern, strengern Schwester zu nahe zu treten, und wo es leicht ebenso unmöglich scheinen kann, dem Dichter von der einen Seite überall Genüge zu leisten, als von der andern, ihn nicht zu verdunkeln – hier, werden viele denken, wäre es wohl besser, nur den Deklamator, nicht aber den Komponisten aufzurufen, um einem versammelten Publikum die Schönheiten des erhabenen Produkts fühlbarer zu machen. Denn nach ganz anderen Wirkungen strebet der Tonkünstler, ganz verschieden ist das Ziel, das ihm vorschwebt, ganz anderer Mittel muß er sich bedienen, um seine Arbeit gelten zu machen – ganz anderer, als der Dichter in solchem Werk, Zur selbständigen Kunst ausgebildet, verschmäht es die Musik, als bloße treue Magd die Poesie zu begleiten, wie sie wohl einst getan. Nicht bloß dienend will sie sich dem Rhythmus, dem Worte des Dichters unterwerfen. Sie fühlt die eigene Kraft, die ihr beiwohnt, die Kraft, mit der sie auf das Menschenherz zu wirken fähig ist, und fordert daher von der Dichtkunst solche Ergießungen, die, in wenigem prunklosern Worten dahinfließend, ihr einen Stoff darbieten, den sie durch ihre Macht zur vollständigsten, lebendigsten, affektvollesten Darstellung ausbildet. Bloß in dem Liedchen dienet sie ihr noch und gibt in begleitenden Tönen ganz und unverändert das wieder, was jene dargeboten hat. Vielen entfuhren deswegen Klagen, entfuhren Rügen über den Verfall der Musik, die bei reiferm Nachdenken nur den nicht denkenden Tonkünstler treffen können. – Doch wenn es gleich nicht zu leugnen ist, daß jede für ein volles Orchester, für Chöre und Arien, berechnete Poesie ihre eigene Physiognomie haben müsse, um mit Vorteil zu erscheinen: so fehlt es doch wieder nicht an Beispielen, wo beschreibende und belehrende Gedichte mit Wirkung, mit Beifall, sich in dem musikalischen Gewande gezeigt haben. Um aus schon ältern Zeiten ein Beispiel anzuführen, nennen wir Miltons Allegro und Penseroso, welches der große Händel, dem es übrigens nicht an Dichtern für seine Kompositionen fehlte, in Musik gesetzt hat, und welches wir in der Tat für eine seiner gelungensten Arbeiten halten. Darum wollen wir denn auch nicht länger bei der Frage verweilen, ob das Lied von der Glocke für einen vollständigen Musikchor hätte sollen bearbeitet werden …

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